Zur Rentenproblematik

Die Rentenfrage droht wieder einmal im Hinblick auf das kommende Wahljahr zum Spielball der Politik zu werden. Die letzte ‚Orgie‘ auf diesem Gebiet ist etwa 12 – 13 Jahre alt, war durch eine fehlerhafte Demographiestudie ausgelöst und hat vor etwa einer Dekade dann in die Einführung  sogenannter Riester-Verträge geführt. Dabei ist die Politik den Lobbyisten der Versicherungswirtschaft wohl auf den Leim gegangen.

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Nicht, dass behauptet werden kann, die Riester-Verträge seien betrügerisch, aber sie wurden genau zu der Zeit mit der ideologische Begründung einer notwendigen Privatisierung der Altersversorgung eingeführt als Fachleute schon begannen, vor dem Niedergang der Lebensversicherungsbranche zu warnen. Die Renditen sanken damals schon und vielleicht haben die Politik oder die Lobbyisten geglaubt, eine neue Massenvermarktung der Riester-Verträge könne den Niedergang der Branche vermeiden oder zumindest hinauszögern. Wenn jetzt wieder die Altersversorgung zur Diskussion steht, sollte man aus der Vergangenheit mindestens zwei Schlüsse ziehen:

  • Der Riester-Ansatz vor etwa einer Dekade hat (höflich ausgedrückt) für die Versicherten noch nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht, aber der Finanzdienstleistungsbranche sehr wohl.
  • Es ist zu erwarten, dass die Branche wieder ihre Lobbyisten aktiviert, um neuerlich ein (kurzfristig orientiertes) Produkt aus dem Hut zu zaubern, das für die Branche finanziell vorteilhaft ist, der Politik gefällt und von den betroffenen Massen (oder dem Staat) letztlich bezahlt wird, ohne dass für den Versicherten der langfristig erwartete Versorgungserfolg hinreichend sicher eintritt.

 

Die Frage nach seiner angemessenen Altersversorgung muss man in den Grundlagen immer auch selbst beurteilen. Der größte Fehler, den man machen kann, ist, sich unkritisch in die Hände von sogenannten „Experten“ zu begeben. Das kostet mit Sicherheit ein kleines Vermögen. Dagegen hilft aber u.U. eine zweite „Experten“-Meinung. Aber auch dann kommen Sie nicht darum herum, sich eine eigene, möglichst begründete Meinung zu bilden.

Jede Altersversorgung sollte in jungen Jahren auf die Schiene gebracht werden. Altersversorgung lebt davon, dass das gewählte Konzept 30 – 40 Jahre (oder länger) ‚reifen‘ kann. Nur dann ist eine Versorgung mit relativ kleinen Geldbeträgen darstellbar. Der Mensch hat in einem Alter von rd. 20 Jahren aber selten ein Verständnis fürs Alter (was ist das?), um dafür auch noch Rücklagen zu bilden. Damit tickt eine Bombe. Mit jedem verstrichenen Jahr reduzieren sich die Freiheitsgrade für eine einfache und sinnvolle Entscheidung.

Wer Glück hat, wird als junge(r) Angestellte(r) automatisch in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen und gewinnt dadurch eventuell etwas Freiheit zurück, weil es jetzt nur darum geht, ob die Rentenzusage als Altersversorgung künftig ausreichen wird oder nicht. Aus heutiger Sicht wird diese Versorgung wohl nicht ausreichen. Also ist damit umrissen, wo das Problem liegt. Aber muss die Lösung wieder privatwirtschaftlich sein?  In einer Zeit, in der die Zinsen so niedrig bleiben, werden sich die Lebensversicherungen nicht erholen. Also wird  die privatwirtschaftliche Lösung mit Hinweis auf den Kapitalmarkt erfolgen – eine Weg, die angesichts der volatilen Märkte einerseits und dem Sicherheitsbedürfnis der Versicherten andererseits von jedem seriösen Finanzberater abgelehnt werden müsste, weil das infrage stehende Portfolio viel zu klein ist. Also wird gepoolt wie bei Fanny May und ein Urteil einer Ratingagentur eingeholt , d.h. die Gelder werden anonymisiert und in den großen Finanzmarkt hineingepumpt, in der Hoffnung, dass die Diversifikation das Risiko ausreichend streut. Das ist genau die Vorgehensweise, die im Rahmen einer Altersversorgung auf wenig Verständnis stoßen wird.

Wenn man sich dann noch klarmacht, dass die gesetzliche Rente mit einem Kostensatz von etwas unter 2 Prozent auskommt, verglichen mit einem Kostensatz von 10 – 20 Prozent bei der privaten  Vorsorge, so stellt sich die Frage: Was könnte die Privatwirtschaft für Renditen bieten, wenn sie den privatwirtschaftlichen Kostensatz in die Nähe des Kostensatzes der gesetzlichen Versorgung drücken könnte? Das Geld ist ja offensichtlich da, nur nicht in den Taschen der betroffenen Versicherten. Es gab vor vielen Jahren Formen von Versicherungsgesellschaften, die nicht zum Wohle des Shareholders‘ Values arbeiteten, sondern in einer Art Genossenschaft oder als Verein auf Gegenseitigkeit attraktive Angebote unterbreiten konnten. Der Ertrag dieser Versicherungen wurde den Versicherten mehrheitlich rückvergütet. Diese Gesellschaftsformen sind an der aggressiven Kapitalmarktideologie der letzten Jahre weitgehend gescheitert.

Die gesetzliche Rentenversicherung hat den Vorteil, „sicher“ zu sein, wie Norbert Blüm stets mit Recht behauptet hat. Oder können Sie sich vorstellen, dass die Politik die dort Versicherten (ihr Wahlvolk) im Regen stehen lassen kann, ohne das Risiko eingehen, ihre Machtbasis zu verlieren. Bei dieser Versorgungsvariante steht immer der Druck der Straße im Hintergrund. Dieser oder ein vergleichbarer Druck steht Ihnen als Versicherter einer privaten Einrichtung nicht zur Verfügung. Sie sind und bleiben ‚Einzelkämpfer‘ mit der einzigen Disziplinierungswaffe, die sich aus dem Vertragsrecht ableitet – und auf hoher See und vor Gericht sind Sie in Gottes Hand, sagt ein altes Sprichwort.

Zudem kommt hinzu, dass der private Anbieter immer einen Weg finden wird, sich ggfs. aus dem Staub zu machen, wenn er den Spaß an der Erfüllung des Vertrages verliert. Sie werden dabei – wie es juristisch so schön heißt – („natürlich“) nicht schlechter gestellt, aber wenn das für Sie zur Unzeit geschieht, sind Ihre Freiheitsgrade bei der Entscheidung für eine alternative Versorgungsform so eingeschränkt, dass Ihnen doch ein Folgeschaden entstehen wird. Jeder neue Vertrag wird gezilmert, d.h. die Marketing- und Teile der Verwaltungskosten werden gleich zu Beginn mit dem Vertrag verrechnet. Der Finanzsaldo des Vertrages rutscht für die ersten Jahre der Laufzeit automatisch und gesetzlich zulässigerweise in Negative.

Darüber hinaus ist (unabhängig vom inhärenten Versicherungsrisiko) das ergänzende Risiko nicht auszuschließen, dass das Versicherungsunternehmen aus dem Markt ausscheidet. Diese schwammige Formulierung umfasst alle Formen von der Insolvenz bis zu dem Punkt, dass das Unternehmen einen anderen Markt gefunden hat, der für ihn lukrativer ist und der jetzt bestehende Vertrag, der den Versicherer an sein altes Geschäftsmodell bindet,  ihm lästig wird. Folglich erfährt der Vertrag bzw. der Versicherte auch eine entsprechende Behandlung. Aber wie der Versicherer sind auch Sie an diesen inzwischen ungeliebten Vertrag gebunden. Eine vorzeitige Beendigung ist möglich, kostet aber den Versicherten richtig Geld und für einen Neustart ist dann der Zug häufig abgefahren. Sie sind jetzt zu nahe am Zeitpunkt ihres geplanten Ruhestandes und können kaum mehr hoffen, in relativ kleinen Schritten sinnvoll eine Versorgung aufzubauen. Das ist ja die Krux der Riester-Verträge – sie sind für jene aufgesetzt, die mit kleinen Beträgen eine Versorgung aufbauen sollen. Ob sie das Ziel aber erreichen oder vorher von den Kosten gefressen werden, bleibt abzuwarten. Sie sind an den Vertrag aber gebunden. Wenn Sie raus wollen, verliert man richtig Geld. Eine zusätzliche Alternative können Sie parallel auch nicht aufbauen, denn mehr Ersparnisse stehen einfach nicht zur Verfügung. Der Versicherte hat oft also keine Freiheitsgrade mehr, wogegen wir der Unternehmensseite zu jeder Zeit zubilligen, sich neuerliche Freiheitsgrade zu verschaffen.

Die öffentliche Rentenversicherung ist ihrem gesetzlichen Versorgungsauftrag gewissermaßen „auf Lebenszeit“ verbunden. Sie sucht nicht ständig nach attraktiveren Geschäftsfeldern. Sie ist eine Institution mit einer gesellschaftlichen Aufgabe und einer Verpflichtung zur Nachhaltigkeit. Unternehmen kennen so etwas nicht – hier dominiert die ‚Hit-and-Run‘- Attitüde.

Das Problem beim Aufbau einer Altersversorgung ist die Langfristigkeit des Projektes. Kein privatwirtschaftlicher Ansatz ist meiner Ansicht nach dieser Anforderung wirklich gewachsen. Wir sind inzwischen ökonomisch zwar so gepolt, dass wir stets glauben, in kürzester Zeit den maximalen Erfolg anstreben zu müssen. Mit dieser Einstellung kommen wir aber in die Altersversorgung mit der großen Zahl der Betroffenen nicht weiter. Hier braucht es einen längeren Atem und eine andere Erwartungshaltung. Sicherheit geht hier eindeutig vor Rendite! Ihr unbedingtes Sicherheitsbedürfnis darf nicht der Spielball einer Renditeerwartung für Versicherungsunternehmen werden.

Deshalb muss die Entscheidungsgrundlage für Personen mit geringem (oder noch geringem) Vermögen die Sicherheit sein. Im unteren Einkommensbereich haben Sie nicht die Möglichkeit „die Pferde im Galopp“ zu wechseln. Hier muss das Konzept, weil es aus so vielen kleinen Beiträgen sich entwickelt, beim „ersten Schuss“ sitzen – einen zweiten Schuss haben Menschen in diesen Einkommenskategorien i.d.R. nicht. Also muss man primär für eine Verbesserung oder einen Ausbau der gesetzlichen Rentenleistungen plädieren, ehe die Politik diese Klientel wieder der Gier der privaten Versicherungswirtschaft ausliefert.

Was geschieht aus heutiger Sicht mit der absehbaren Altersarmut, weil heute die Minijobs und vergleichbare Anstellungsverhältnisse keinen Raum bieten, eine zusätzliche Altersversorgung aufzubauen. Man wird von Staats wegen, so wie heute auch, diesem Personenkreis helfen müssen. Das Verrückte dieser Situation ist, dass man den Leuten erst klar macht, dass sie länger arbeiten müssen und dass sie deshalb bei gleichbleibendem Rentenalter immer weniger erhalten werden, um dann, wenn es soweit ist, deren gekürzten Renten wieder auf eine Grundversorgung anzuheben. Wir werden uns der Frage stellen müssen, ob unsere Gesellschaft noch ausreichend auskömmliche Arbeit anzubieten haben, oder ob wir nicht auch angesichts der Ersetzung von menschlicher Arbeit durch immer mehr „Energiesklaven“ bei der Altersversorgung noch an der richtigen Stelle ansetzen, um einen Versorgungsanspruch zu bestimmen.

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