Eins muss uns klar sein: Die angestrebte Transformation wird uns Geld kosten. Die Frage lautet: Wo sind hier finanzielle Spielräume jenseits kleinkarierter Haushaltsumschichtungen. Welche realistischen Alternativen bestehen und wie sind die Rahmenbedingungen, die man verstehen muss, um hier ein hinreichend begründetes Urteil abgeben zu können?
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Der jährliche Haushalt wird durch das Steueraufkommen gedeckt. Hier werden wir keine Beträge finden, die in ihrer Größenordnung in etwa den Bedarf der Sondermaßnahme ‚Transformation‘ zu decken in der Lage wären. Die Struktur des Haushalts ist auf das jährliche ‚Routinegeschäft‘ abgestellt. Das damit verwendete Steueraufkommen ist „business as usual“. Die angestrebte Transformation ist aber kein ‚business as usual‘. Die Transformation hat eher den Charakter einer großen Investition in die Zukunft der kommenden Generationen.
Wir sind es gewohnt, zu erwarten, dass für solche gravierenden Maßnahmen der Staat sich verschuldet. Dabei hat die Verschuldung aber Grenzen, unabhängig von der sogenannten „Schwarzen Null“-Regelung. Solange der Staat Schulden macht, die eindeutig zu Investitionen führen, ist „Schulden machen“ eine zulässige Strategie. Die wenigsten Institutionen können ernsthaft investieren ohne in einem ersten Schritt Schulden zu machen. Die Alternative nach der ‚alten‘, aber vernünftigen Devise, ‚spare in der Zeit, dann hast du in der Not‘ ist für öffentliche Haushalte m.E. nicht zulässig und auch unüblich.
Andererseits hat der Staat darauf zu achten, dass die Infrastrukturinvestitionen als Aktiva des Staates und die damit verbundenen Schulden sich im Wesentlichen ausgleichen. Das ist bzw. war bei Investitionen in der Regel der Fall. Aber die Erwartung, dass im Rahmen der Transformation nur Investitionen zu tätigen sind, erscheint recht trügerisch. Also könnte sich da ein Problem aufbauen, weil Gelder aufgenommen werden müssen, denen keine Infrastrukturinvestitionen gegenüberstehen. Das sind die Restriktionen, die uns die ‚Technik‘ des öffentlichen Haushaltens auferlegen. Die Nicht-Beachtung kann den Staat und seine BürgerInnen teuer zu stehen kommen.
Es gibt bei der Verschuldung des Staates noch einen weiteren Gesichtspunkt: Wenn der Staat Schulden macht, wird die Geldmenge erhöht, weil mit den Schulden ‚Geldschöpfung‘ stattfindet. Da der Staat i.d.R. seine Schulden nicht tilgt, (wie das z.B. vom Privatsektor konsequent zu erwartet ist), türmen sich die Staatsschulden als ‚Verpflichtungen‘ gegenüber dem Bankensektor auf. Das mit der Schuldaufnahme verbundene Geld ist aber davon zu trennen. Es findet Eingang in den Wirtschaftskreislauf und bläht die verfügbare Geldmenge auf. Das Geld wandert dabei durch den Wirtschaftskreislauf vom Schuldner (dem Staat) in den Privatsektor und wird dort „gespart“ oder „investiert“. Real sollte man besser von Anhäufung sprechen. Eine Anhäufung des Geldes beim Staat ist haushaltsrechtlich ausgeschlossen, der Staat darf kein Geld ansammeln.
All das Geld, das im realwirtschaftliche Wirtschaftskreislauf keine unmittelbare Verwendung findet, ‚schreit‘ üblicherweise nach Anlage und Rendite. Es wird deshalb zu einem großen Teil im Finanzkasino oder in sogenannten ‚Steueroasen‘ angelegt. Es findet nur dann in die Realwirtschaft zurück, wenn regelmäßig die eine oder andere größere Blase am Finanzmarkt platzt und das Geld ruckartig in andere Hände übergeht. Geld geht dadurch i.d.R. nicht „kaputt“. Es wechselt nur den Besitzer. Erst dann, wenn der über Kredit geschöpfte Geldbetrag wieder getilgt ist, löst sich das Geld auf. Es neutralisiert sich.
Wenn das Geld durch einen mehrstufigen Prozess des Wirtschaftskreislaufs im Privatsektor ankommt, wird es nicht an alle Mitglieder des Privatsektors verteilt. Ein Blick auf die Vermögensverteilung macht deutlich, dass etwa 50% der deutschen Bevölkerung über kein oder kein nennenswertes Vermögen verfügt. Erst jenseits dieser 50% entwickeln die BürgerInnen die Fähigkeit Vermögen anzusammeln Bei den obersten 10% (technisch ausgedrückt: im 10. Dezil) massieren sich dabei gewaltige Vermögensteile. Damit das Ungleichgewicht der Vermögensverteilung nicht zu offensichtlich wird, werden die Vermögens-Darstellungen je Dezil auf den Vermögensdurchschnitt des jeweiligen Dezils eingedampft. Die Varianz (die Streuung) ist gewaltig, wird aber i.d.R. nicht dargestellt.
Zurück zum Geldfluss: Wenn also 50% so gut wie kein Vermögen aufweisen, dann wirkt sich der Geldzufluss im Privatsektor nur im Vermögen der ‚oberen‘ Hälfte aus, also dort, wo schon Vermögen vorhanden ist. Die andere Hälfte wird den Geldfluss (soweit er auf sie entfällt) konsumieren (müssen). Anderenfalls müsste das Vermögen dieser Dezile (technisch ausgedrückt: Dezile 1 – 5) ja logischerweise zunehmen. Und das tut es nicht.
Hier möchte ich die holzschnittartige Darstellung der Zusammenhänge beenden. Weitere Details findet man in dem 3SAT-Beitrag Oekonomia von Carmen Losmann. Man wird die hier dargestellte Interpretation so in keinem mir bekannten volkswirtschaftlichen Lehrbuch finden. (Die hier vorgebrachte Erklärung ist vielleicht zu einfach; es besteht die Gefahr, dass jedermann diese Zusammenhänge verstehen könnte.)
In dem Zusammenhang scheint Folgendes von Bedeutung zu sein: Die Verschuldung des Staates BRD beläuft sich auf ca. 2,34 Billionen Euro (Jan. 2022). Die Verschuldung kann angesichts der „Großen Transformation“ zwar sicherlich noch gesteigert werden, führt aber mit jeder weiteren Erhöhung hin zu einem unbekannten Kipp-Punkt, an dem das System kollabiert. Ewiges Schuldenmachen führt ebenso wie ewiges Wachstum ins Chaos. Konsequenterweise wäre also eine weitere signifikante Verschuldung zu vermeiden. Den Kipp-Punkt zu vermeiden und gleichzeitig die Transformation mit weiterer Verschuldung zu finanzieren, erscheint als ein Widerspruch in sich.
Da die Geldschöpfung der öffentlichen Haushalte indirekt dazu führt, dass das in den Wirtschaftskreislauf gebrachte Geld sich nicht gleichmäßig auf die BürgerInnen verteilt, sondern wieder im Wesentlichen bei den großen Vermögen landet, kann die steigende Staatsverschuldung kurzfristig nur eins bewirken: eine weiter steigende Ungleichverteilung der Vermögen in diesem Land. Die berühmte Vermögensschere würde sich weiter öffnen.
Der Staatsverschuldung steht ein gewaltiger Vermögensaufbau im Privatsektor gegenüber. Ohne Staatsverschuldung gäbe es wohl ebenfalls eine Ungleichverteilung, aber nicht in diesem Ausmaß, weil die deutlich geringere verfügbare Geldmenge diese Entwicklung hemmen würde. Die Frage lautet also: Gibt es zur Finanzierung der Transformation statt wachsender Staatsverschuldung eine Alternative? Dabei führt die Betrachtung von Staatsschulden und Privatsektor eigentlich schon den Lösungsansatz in sich. Die Frage ist nur, wie kommt man im Sinne der Finanzierung der Transformation an Teile der ganz großen privaten Vermögen, ohne die (einflussreichen) Inhaber dieser Vermögen hinsichtlich des Gedankens in die Opposition zu drängen?
Das wird man nur mit einer Taktik von Zuckerbrot und Peitsche realisieren können: Es muss eine Drohkulisse aufgebaut werden (die Peitsche) und dann muss man gezielt einen attraktiven Ausweg schaffen oder zeigen, wie die Auswirkungen der ‚Peitsche‘ ggfs. in künftige Renditechancen (das Zuckerbrot) abgewandelt werden können. Ziel der Aktion ist es, das Eigeninteresse der Vermögenden an den zwar nicht sicheren, aber doch möglichen Chancen einer Transformation zu wecken. Das als Vermögen geparkte Geldvermögen ist im Sinne der Transformation zu mobilisieren. Das wäre das Ziel der Strategie!
Die Verwendung (die Mobilisierung) des geparkten privaten Vermögens würde die Geldmenge nur temporär im Wirtschaftskreislauf ausdehnen, weil im privaten Sektor Tilgung eine ‚normal procedure‘ ist und jede Rückführung privater Gelder auf die Parkpositionen die Geldmenge im Wirtschaftskreislauf wieder senken wird.
Was wäre die klassische Form der Finanzierung der Transformation? Staatsschuldenerhöhung oder Erhöhung der Steuerlast. Dabei ist es im ersten Schritt oft das Einfachste, den Rahmen der bestehenden Steuern einfach konsequent auszuschöpfen (was realiter meist nicht der Fall ist), z.B. die Aktivierung der regelmäßigen Betriebsprüfungen und einer konsequenten Steuerfandung.
Als weitere Alternative bietet sich die von Helmut Kohl ausgesetzte, aber inzwischen gründlich zu überarbeitende Vermögensteuer und auch eine Erbschaftsteuer an, die die Übertragung großer Vermögen signifikant besteuert. Die Einkommensteuer eignet sich ebenfalls vom Grundsatz her, aber die bisher extrem geringe Steuerlast insbesondere der großen Vermögen bietet hier ein leichter überschaubares Feld mit vermutlich weniger Widerständen. Es braucht aber mehr Stehvermögen!
Wichtig erscheint, dass bei den Steuern auf das Vermögen Freibeträge oder Freigrenzen bereitgestellt werden, die die kleineren Vermögen weitgehend steuerfrei stellen. Hierzu gibt es Vorschläge, dass die Vermögen erst ab einer Höhe von fünf Mio. € zur Besteuerung herangezogen werden. Eine andere Zahl, die bei dem Freibetrag ad hoc ins Gedächtnis kommt, ist die Zahl der Betroffenen einer solchen Vermögensteuer: Man spricht von ca. 21.000 Steuerpflichtigen, die dann aber über Vermögen verfügen, bei denen sich eine Steuererhebung auch arbeitstechnisch ‚richtig lohnt‘. Vergleichbares gälte dann auch für die Erbschaftsteuer: es braucht nennenswerte Freibeträge oder Freigrenzen und eine Bewertungsgrundlage, die von real nachvollziehbaren Werten ausgeht. Die Steuersätze könnten gleichbleiben, weil die Ungereimtheiten gegenwärtig in den Bewertungsgrundlagen zu suchen sind.
Aufgrund der geringen Zahl der Betroffenen ist es auch nicht sinnvoll, dass sich jedes Finanzamt mit dieser Steuer befassen muss. Die Steuererklärungen müssen bei steuerbefreiten Steuerpflichtigen nur alle drei (oder fünf) Jahre eingereicht werden. Die Vermögensverhältnisse, die die Freibeträge übersteigen, müssten dagegen jährlich deklariert werden.
Mit der Realisierung dieser Vorstellungen macht man sich bei den ca. 21.000 Betroffenen sicherlich keine Freunde. Deshalb das Zuckerbrot: Wenn sich dieser Personenkreis aktiv in die Umsetzung der Transformation einbringt und die damit verbundenen Investitionen im Rahmen ihrer Unternehmen vorantreiben, besteht die Möglichkeit, diese Investitionsausgaben p.r.t. in den ersten drei oder fünf Jahren von der Steuerlast abzuziehen, Sie werden zusätzlich für einen begrenzten Zeitraum dem steuerpflichtigen Vermögen nicht zugerechnet. Nach Ablauf dieser Zeitspanne wird es ‚normales‘ Vermögen und unterliegt ggfs. der regelmäßigen jährlichen Steuer.
Es bleibt die Frage, welche Investitionen im Sinne der Transformation als förderungswürdig eingestuft werden. Hierzu müssten Staat und Wissenschaft gewissermaßen als Voraussetzung einen Katalog von Kriterien entwickeln, die erfüllt sein muss, damit die Vermögensteuer- bzw. Erbschaftsteuerreduktionen greifen können. Das ist eine echte Führungsaufgabe, die nicht durch nette Moderation der Beteiligten gelöst werden kann. Da Misstrauen in solchen Fällen eine hilfreiche Grundhaltung darstellt, sollten derartige Maßnahmen überprüft und zertifiziert werden. ‚Schummeleien‘ sind beim Steuerpflichtigen und bei deren Beratern ggfs. drastisch zu sanktionieren.
Nun kommt die Gretchenfrage: Reichen diese Maßnahmen zur Finanzierung einer geplanten Transformation? Zahlen kann ich keine liefern, weil ich nicht einmal weiß, wieviel wir in die Hand nehmen müssen, um die notwendigen Maßnahmen durchzusetzen. Aber damit hätten wir zumindest mal einen groben Rahmen, den wir dann mit viel Phantasie (oder Neusprech: Innovation) auch noch ausbauen können.
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