Die Antwort auf diese Frage hat ein persönliche Komponente und eine Komponente, die sich aus der globalen Entwicklung ergibt. Die persönliche Komponente erfasst u.a. die Frage, welche Form der Ernährung erscheint ethisch vertretbar (Fleischkonsum, vegetarischer oder veganer Konsum). Diese Fragen sind wichtig, sie liegen aber in der Entscheidung jedes einzelnen. Hier wird im Folgenden versucht in groben Zügen die allgemeine Entwicklung unserer gegenwärtigen Landwirtschaft zu beschreiben. Dabei beschränke ich mich als relativer Laie auf Fragestellungen, die ich glaube, überblicken zu können.
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Bevor man sich mit den oft komplizierteren Fragen der Erzeugung auseinandersetzt, sollte man sich mit der einfacheren Fragestellung der Struktur befassen. Der Erzeuger (der Landwirt) produziert ein Nahrungsmittel, das rein optisch gewisse Klassifizierungs-Kriterien erfüllen soll. Ein Nahrungsmittel, das diese Kriterien nicht erfüllt, kommt erst gar nicht in den Handel und wird im positiven Fall zu Futtermittel verarbeitet, im anderen Fall zu Abfall oder Kompost. Das verkaufsfähige Nahrungsmittel kommt dann über das Transportsystem in den Großhandel. Dieser sortiert die inzwischen unverkäuflichen Warenteile aus. Nach einem weiteren Transport sortiert der Einzelhandel seinerseits aus. Letztlich kommt der Verbraucher ins Spiel, kauft und sortiert beim Putzen der erworbenen Ware weiter aus. Nach ein paar Tagen entsorgen viel zu viele Verbraucher ihre bis dahin nicht verzehrten, unansehnlich gewordenen Nahrungsmittel in den Abfall.
Es gibt sehr unterschiedliche Zahlen, aber von dem Produkt, das der Landwirt von seinem Acker einbringt, dienen über alles betrachtet nur ca. 50% ihrem eigentlichen Endzweck, nämlich die Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die anderen 50% sind „Schwund“ oder besser als Verschwendung anzusehen. Wenn man also diese Verschwendung zu Recht verurteilt, müsste man nicht mehr anbauen oder schon gar mehr produzieren, sondern die Vorschriften und Regeln „ausmisten“, die zu solch einer Verschwendung führen. Dabei wäre es ein ziemlich dummes Argument, zu meinen, der Verbraucher (oder noch anonymer: „der Markt“) will das so! Die Erkenntnis, wenn sie überhaupt publik gemacht wird, macht den verständigen Verbraucher i.d.R. sehr betroffen. Niemand wird einen solchen Unsinn gutheißen und unterstützen. Warum also wird es dann nicht geändert?
Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass wir heute schon bei einem Verlust von 50% der Produktion eine tendenzielle Überproduktion vorfinden. Wenn also durch sinnvolle Maßnahmen deutlich mehr als 50% der Produkte beim Verbraucher ankämen, würde der Preis dieser Produkte sinken. Und hier wird selbst für Großbauern die Situation kritisch. Die Lobby des Bauernverbandes sorgt deshalb dafür, dass sich hier nichts ändert. Das ist aber keine sinnvolle Lösung!
Viele Produkte kommen von weit her. Ihr Transport wird gegenwärtig subventioniert, weil die Transportkosten in keiner Weise die Umweltschäden repräsentieren, die durch die langen Wege ausgelöst werden. Es ist schon merkwürdig, wenn Erdbeeren aus Südspanien (jahreszeitlich früher) und letztlich billiger sind, als spätere Erdbeeren aus der Region. Dabei wurden die südspanischen Erdbeeren mehr als 1000 km über die Straßen und Schienen Europas kutschiert. Da stimmt doch etwas nicht: Zieht man die regelmäßigen Transportkosten anteilig vom Preis ab, nimmt die Marge des Handels raus, was bleibt dann dem Erzeuger und insbesondere den Pflückern? Ist das moderner Sklavenhandel oder wie sonst soll man das bezeichnen?
Es gibt gegenwärtig prinzipiell zwei Arten, Landwirtschaft zu betreiben. Einmal ist es die konventionelle (intensive) Landwirtschaft, die ihr Heil bei der Agrochemie sucht. Auf der anderen Seite gibt die extensive Landwirtschaft, die sich an der Ökologie orientiert und dezidiert auf chemische Zusatzstoffe verzichtet. Diese Aufteilung ist sicherlich schwarz-weiß, aber für die folgenden Überlegungen m.E. tauglich. Es wird dabei nur um die intensive konventionelle Landwirtschaft gehen. Hier liegt m.E. das inzwischen deutlich erkennbare Schadenspotenzial.
Die intensive Landwirtschaft geht auf Masse und kurzfristigen maximalen Ertrag und stellt diesem Ziel alle anderen Gesichtspunkte einer traditionell bäuerlichen Bewirtschaftung hintan. Sie verlässt sich auf die Aussagen der Agrochemie, die verspricht, mit Kunstdünger, besonderen Saaten und diversen Giftstoffen die maximalen Erträge bei minimalem Bearbeitungsaufwand auf Dauer darstellen zu können. Der Nachteil ist: das kostet Geld, viel Geld und macht m. E. hochgradig abhängig. Der Landwirt verliert seine vormals erworbenen Kenntnisse über die natürlichen Abläufe. Seine neuen Erkenntnisse sind von der Agrochemie so vorstrukturiert, dass er künftig keine wesentlichen landwirtschaftlichen Entscheidungen mehr treffen kann ohne den intensiven „Rat“ der Vertreter der Agrochemie einzuholen.
Die Versprechen der Agrochemie wurden in den letzten 50 Jahren nicht eingehalten. Es wurde versprochen, dass mit der Gentechnik eine Wende der Welternährung eintreten würde, also künftig der Hunger keine Rolle mehr spielen würde. Das hat sich nicht realisiert. Zum einen hat die Gentechnik nicht zu den Ertragsteigerungen geführt, die erwartet wurden. Die zugrundeliegende Studie zu dieser Aussage ist ein dreißig Jahre umfassender Vergleich der Erträge pro Flächeneinheit in USA (einem Land mit einem erheblichen Anteil genmanipulierter Saaten) mit Europa (einem Bereich, in dem genmanipulierte Saaten verboten sind). Die Differenz in den Erträgen der letzten dreißig Jahre kann nicht als signifikant angesehen werden. Gentechnik hat es nicht geschafft, nachhaltig höhere Erträge zu erwirtschaften. Sie hat aber dazu geführt, dass die Agrochemie trotzdem richtig abkassiert hat. (Das Geld fehlt jetzt den Landwirten!)
Zum anderen wurde durch die globalen Patent-Maßnahmen der Agrochemie einerseits die Artenvielfalt der Saaten global drastisch reduziert und andererseits hat die Anwendung ihrer global vertriebenen Technologie zu einer deutlichen Verteuerung der Produktion geführt, was die Vielzahl der Kleinbauern auf der Welt in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringt. Dieser Kreis von Landwirten hat seine Tradition verloren ohne eine vergleichbar günstige Folgestrategie erhalten zu haben. Sie sind schlicht verarmt. Also ist das Ziel einer Reduzierung des Hungers in der Welt eine werbewirksame Aussage ohne realen Inhalt.
Vergleichbares erfolgt mit den Agrargiften. Diese Gifte enthalten u.a. chemische Verbindungen, die nach ihrer Anwendung im Boden nicht in harmlose Moleküle zerfallen. Stattdessen reichern sie sich mit fortlaufender Anwendung im Boden an und sorgen dafür, dass über die Jahre im Boden eine Giftkonzentration erreicht wird, die über kurz oder lang zum Verbot der Mittel führen wird. Die Böden weisen dann aber unverändert eine hohe Gift-Konzentration auf, was konsequenter Weise dazu führt, dass diese Böden für die landwirtschaftliche Erzeugung nicht mehr zugelassen werden können.
Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass die Böden der intensiven Landwirtschaft noch für etwa 60 (sechzig) Ernten mit wachsendem Chemieeinsatz zur Verfügung stehen, um dann radikale Ertragseinbrüche zu verzeichnen, die so gravierend sein werden, dass der Ertrag weit unter jenem des ökologischen Landbaus liegen wird. Das wäre das Ende der intensiven Landwirtschaft. Die Böden sind für eine andere landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform verdorben und müssen erst über viele Perioden und mit hohen Kosten rekultiviert werden. Ob das gelingt, kann nicht sicher beurteilt werden.
Die Natur erholt sich garantiert. Die Frage ist nur, in welchen Zeiträumen. Man spricht davon, dass in der Natur für die Gewinnung von 8 cm Humus einen Zeitraum von eintausend Jahren benötigt. Das sind Zeiträume, mit denen der Mensch sinnvoller Weise nicht rechnen sollte. Es schafft aber das notwendige Problembewusstsein.
Die Möglichkeit des Chemieeinsatzes verleitet zu großflächigen Monokulturen. Man glaubt, durch den Einsatz von Chemie die Nachteile einer Monokultur auffangen zu können. Die Folge sind große Flächen mit Monokulturen, die folglich in der Natur einzelnen Spezies bei großem Nahrungsangebot explosionsartige Vermehrung ermöglichen. Das Gegenmittel der Wahl im Rahmen der Agrochemie ist Gift, das nicht nur die eigentliche Bedrohung bekämpft, sondern gleich auch noch radikal alles andere Leben auf diesen Flächen weitgehend vernichtet. Dann sind wir wieder oben bei der über die Jahre steigenden Giftkonzentration in den Böden.
Ähnliches wird mit der Massentierhaltung versucht. Wenn Tiere auf engstem Raume in großer Zahl eingepfercht werden, wachsen einerseits das Aggressionspotenzial und der Stress dieser Tiere untereinander und andererseits nimmt die Zahl der Krankheiterreger exponentiell zu. Der pharmakologische Einsatz von Mitteln zur Eindämmung dieser absehbaren Risiken kostet erhebliches Geld und schafft zunehmend Unsicherheit für die Gesundheit des Menschen. Die für ihn entwickelten Antibiotika verlieren fortlaufend an Wirkung. Aber die Gabe von Antibiotika hat nicht nur eine krankheitsbegrenzende Wirkung – sie führt auch dazu, dass die Tiere schneller an Gewicht zunehmen und damit deutlich früher schlachtreif werden. Antibiotika stellen ein Dopingmittel zur Verfügung, das aufgrund der Mastverkürzung Einkommensverbesserungen für den Landwirt bedeuten können. Vom Tierwohl und von den Nebenwirkungen dieser Form der Tierhaltung wird gar nicht gerne gesprochen. (Grundwasserbelastungen durch Überdüngung mit Gülle, Antibiotikabelastungen der Gewässer und Kläranlagen, Geruchsbelästigungen, CO2 Ausstoß, u.v.m.). Die so gehaltenen Tiere verlieren regelmäßig das letzte Quäntchen an Tierschutz und Würde – sie degenerieren schlicht zu einer Ware unter Verlust jeglichen Respekts vor dem Leben.
Aus wirtschaftlichen Gründen sucht man das Heil in der Betriebsgröße. Ich frage mich, ob hier noch das Risiko des Kapitaleinsatzes und der mögliche Ertrag ein einem vernünftigen Verhältnis stehen. Dabei sind wichtige Kosten, die der Allgemeinheit zur Last fallen, und noch gar nicht in den Preisen erfasst sind.
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