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„Bedenke das Ende“ – eine etwas andere wirtschaftliche Perspektive

In einer ‚leeren‘ Welt als Synonym für eine schwachbevölkerte Welt konnten es die Menschen sich leisten. Produktion ‚linear‘ von der Wiege bis fast zur Bahre (hier: die Veräußerung) zu denken und was danach geschieht, entzieht sich, als Müll bezeichnet, weitgehend unserem wirtschaftlichen Interesse.

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In einer ‚vollen‘ Welt mit hoher Bevölkerungsdichte und hohen Produktionsvolumina führt diese Denkweise in die Irre, denn sie blendet die Tatsache aus, dass wir, solange wir eine Wachstumsstrategie verfolgen, systematisch auch immer mehr Abfall produzieren.

Wir ersticken buchstäblich im Abfall. Wir verwalten ihn für viel Geld so gut es eben geht und sprechen hin und wieder vom Recyceln, aber nur (vermutlich geschönte) 12% des Abfalls werden einem „Recycling“ (ohne wenn und aber) zugeführt. Der Rest wird aufbewahrt, manchmal illegal abgefackelt und ansonsten „thermisch“ recycelt, also auf deutsch: CO2-wirksam verheizt. Das ist keine nachhaltig sinnvolle Lösung.

Die Ökonomie kennt zwar den Ausschuss und den Verschnitt im Rahmen eines Produktionsprozesses, aber die Ökonomie erfasst in ihren gewöhnlich linearen Überlegungen mit keinem Wort, dass alles das, was das ökonomische System an Produkten hervorbringt, irgendwann unweigerlich zu Lasten der Biosphäre in Abfall mündet. Man hat die Biosphäre bei der Extraktion von Ressourcen nicht gefragt und fragt die Biosphäre auch nicht, wie sie mit all dem vom Menschen geschaffenen Abfall umgehen soll. Aus den Augen aus dem Sinn!! Die Ökonomie macht im Großen dass vor, was wir im Kleinen in jedem Wald an illegal entsorgtem Abfall finden können – nach der Devise: sollen sich doch andere darum kümmern!!

Vor Jahrzehnten wurde der Grüne Punkt ins Leben gerufen. Er funktioniert über ein Lizenzsystem und erhält von jedem Hersteller einen überschaubar geringen Obolus, der gesammelt eine beachtliche Summe an Geld zur Verfügung stellt. Diese Gelder dienen m.E. dazu, die Abfallwirtschaft zu subventionieren, damit sie den Abfall schön sortiert, ihn thermisch recycelt oder gar exportiert, damit der Bürger nicht erkennt, dass langfristig und schrittweise die Voraussetzungen für ein Müll-Chaos geschaffen werden. Wir müssen uns das so vorstellen, dass die Abfallwirtschaft durch den Grünen Punkt ein gigantisches nie endendes Geschäftsmodell darstellt. Abfall ist systemimmanent! Und da man damit gute Geschäfte macht, gibt es auch keinen Anlass, dieses System besser oder innovativ anders zu organisieren. Warum auch – der ‚Rubel‘ rollt doch!

Das einzige Problem ist die Endlichkeit – irgendwann schlägt die Klimakrise zu oder der Planet wird landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung stellen müssen, damit der Müll (natürlich sauber geordnet) aufgestapelt werden kann. Können Sie sich vorstellen, dass uns künftig ein etwas dekadenter ‚Erlebnistourismus‘ auf Mülldeponien führen wird, weil der Blick von den hohen „Monte Scherbelinos“ über die Müllberge so „herrlich bunt das Auge entzückt“ (wie die Werbung es uns dann versprechen wird) und hoffentlich wird dabei wenigstens unser makabrer Sinn für Ordnung befriedigt.

Der Grüne Punkt ist in meinen Augen eine „Gelddruckmaschine“, mit deren Hilfe sich ein Abfallwirtschaftssystem etabliert hat, das darauf hofft, dass sich möglichst nichts daran ändert. Und der Politik ist das nur recht. Ein Problem weniger…!?

Als Lösung wird hierfür vielfach die Kreislaufwirtschaft gepriesen, wobei die meisten Befürworter die damit verbundenen Zusammenhänge für ein Funktionieren dieser Wirtschaftsform nicht erkennen bzw. ausblenden wollen. Die Kreislaufwirtschaft geht davon aus, dass der Teil des Abfalls, der recycelbar ist, dem Wirtschaftskreislauf wieder zur Verfügung gestellt wird. Das sind mit Sicherheit keine 100 Prozent. Der Rest des Ressourcenbedarfs wird wie heute auch durch den Abbau von Ressourcen (Extraktion) bereitgestellt werden müssen. Um die Extraktionsquote so klein als möglich halten zu können, muss die Recyclingquote so hoch als möglich geschraubt werden.

Recycling ist aber kein Perpetuum Mobile. Bei jedem Recyclingdurchlauf entstehen Verluste. Der Verbrauch an den originären Ressourcen wird sich dadurch aber drastisch reduzieren lassen, was wiederum der Grundstoffindustrie gar nicht gefallen wird. Der Widerstand dürfte entsprechend heftig ausfallen.

Bei Lebensmitteln gibt es kein Recycling. Millionen Tonnen Lebensmittel werden jährlich „entsorgt“ (vernichtet). Das lässt sich aber nicht durch Recyceln regeln, sondern durch Veränderung unserer Ernährungsgewohnheiten, die insbesondere durch Wünsche und Erwartungen des Lebensmittelhandels durchdrungen sind. Es gibt Handelsklassen, die bestimmen, wie ein Lebensmittel auszusehen hat. Was dem nicht entspricht, wird ausgesondert und kommt i.d.R. erst gar nicht auf den Markt. Die Ware ist nicht minderwertig, sie entspricht nur optisch oder von der Größe her nicht den Handelsklassen und gilt damit als unverkäuflich. Es müssten lokale Märkte jenseits des Handels und seiner Handelsklassen (notfalls) subventioniert geschaffen werden, um diese ca. 30 Prozent einer Ernte nicht regelmäßig unterpflügen (verschwenden) zu müssen.•••••

Die Kreislaufwirtschaft hat eine weitere Herausforderung: Das recycelte Wirtschaftsgut (das Grundprodukt) wird nur dann in einem zweiten oder dritten Durchlauf vom Markt akzeptiert werden, wenn der Preis des recycelten Wirtschaftsgutes dem der Originalressource entspricht oder sogar leicht darunter liegt. Ist das recycelte Gut teurer, wird es keinen Käufer finden. Mit anderen Worten: Das Recyceln des Abfalls muss kostenmäßig grundsätzlich zu Lasten des jeweiligen Ausgangsproduktes erfolgen. Die Kosten können nicht auf die Verwendung des recycelten Wirtschaftsgutes vorgetragen werden.

Die Idee hierzu ist schon längst geboren: Der Grüne Punkt lizenziert im Prinzip alle Güter und hat ein System entwickelt, in dem jeder Produzent für die Abfallwirtschaft einen Beitrag zu leisten hat. Diese Geldsammelstelle (oder „Gelddruckmaschine“) sammelt heute schon das Geld ein, das die Abfallwirtschaft subventioniert. Das Lizenzsystem ist als Stücklizenz je nach produziertem Wirtschaftsgut auszudehnen und zu differenzieren, um die recycelten Wirtschaftsgüter dem Primärmarkt wieder zu einem Preis zur Verfügung stellen zu können, der leicht unter dem Preis der ursprünglichen Ressource liegt. Diese Preisdifferenz sollte so gestaltet sein, dass der recycelte Stoff im n-ten Recycling-Durchgang immer noch eine reale Chance hat, am Markt zu bestehen.

Das ist die Beschreibung des schlichten Marktmechanismus. Aber wie können wir die Recyclingquote wesentlich erhöhen? Die gegenwärtige Quote von 12 Prozent ist absolut unzureichend. Auch hierzu kann der Grüne Punkt einen Betrag leisten: Wir sind gewohnt, jede Art von Produktion nur als eine Konstruktion vom Rohstoff bis zum verkaufsfähigen Produkt zu begreifen. Dann endet jedes Weiterdenken. Aber jede Produktion endet einmal unweigerlich als Abfall oder Müll. Also müssen wir künftig doch bei jeder Produktion die Grund-Frage stellen: Lässt sich das produzierte Wirtschaftsgut technologisch einfach und kostengünstig recyceln?

Jedes Wirtschaftsgut wird heute einer Vielzahl von Bewertungen unterworfen, warum also nicht eine offizielle Bewertung einführen, die die technischen Möglichkeiten des Recyclings des jeweiligen Gutes abschätzt, bewertet und einen Lizenzbeitrag bezüglich des Grünen Punktes für den Produzenten festschreibt. Ist das Gut technisch einfach und erfolgreich zu recyceln, so drückt sich das in einem geringeren Lizenzbeitrag für dieses Gut aus. Im anderen Fall wird es teurer oder gar richtig teuer. Das Produkt verliert dann möglicherweise an Marktattraktivität und regelt damit die dabei entstehende Abfallmenge.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Frage nach der Lebendauer eines Wirtschaftsgutes. Wenn in der „Abfalllizenzprämie“ des Grünen Punktes auch eine Bewertung der Lebensdauer eingebaut würde, so wird nicht nur der Kreislauf eingehalten, sondern auch die Umschlagsgeschwindigkeit des Kreislaufprozesses beeinflusst. Die „Dinge“ bleiben viel länger in Gebrauch und belasten die Abfallquote erst zu einem viel späteren Zeitpunkt.

Die Verlängerung der Lebensdauer führt auch dazu, dass sich einerseits die Produktionsweise von „billig“ und „Masse“ zu „mehr Qualität“ verändert. Die damit einher gehende Preiserhöhung für qualitativ bessere Güter wird andererseits notwendig wieder eine Reparaturwirtschaft fördern, weil sich aufgrund der besseren Qualität der Produkte auch Reparaturen wieder lohnen. In diesem Sinne ist die EU-Forderung nach Reparaturfähigkeit der Wirtschaftsgüter ein Schritt in die gleiche Richtung.

Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass in einer Kreislaufwirtschaft nur noch Teile der angeblich unverrückbaren ökonomischen Grundsätze gelten werden, die vielfach heute noch unser lineares Wirtschaftssystem prägen. Diese Entwicklung ist aber m. E. unvermeidlich, weil die gegenwärtige Form unseres Wirtschaftens nicht zu halten ist. Welchen Namen diese Wirtschaftsform letztlich erhalten wird, bleibt abzuwarten, weil niemand klar sagen kann, wohin die künftige Entwicklung laufen wird. Der Prozess ist trotz der vielen Widerstände offen, weil ein „Weiter so“ keine Option ist und das macht die Transformation so spannend!

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Ökologie und Ethik

Herman E. Daly war Wirtschaftswissenschaftler an verschiedenen US-amerikanischen Universitäten und war Senior Economist bei der Weltbank. Von der Position in der Weltbank trat er 1994 zurück und widmete sich der Umweltökonomik. Er verstarb am 28.10.2022. Wenige Wochen vor seinem Tod hat er noch einen Artikel im Real-World Economics Review (No. 102)1 veröffentlicht, den er in 4 Parabeln unterteilte. Die Parabel zur Umweltethik habe ich versucht lesbar zu übersetzen.

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Daly vertritt die Auffassung, dass eine ökologische Ökonomie Werte braucht, die mit den diesbezüglichen Ansichten der gegenwärtigen Wirtschaftswissenschaften im Konflikt stehen werden. Dabei unterscheidet er eine „leere“ Welt und eine „volle“ Welt. In einer leeren Welt dominiert die Biosphäre und das Wirtschaftssystem beeinflusst die Biosphäre nur marginal. In einer vollen Welt dreht sich die Situation, es kommt zu einem wirtschaftlichen ‚Overshoot‘ und Wachstum wird unwirtschaftlich. Näheres führt die Parabel I (Pre-analytic Parable) im Detail aus.

4. Parabel: Ethical Parable Darwin vs. Wallace

Herman Daly schreibt hier:

„Die oben (unter Parabel 1) dargelegte prä-analytische Vision und die erste Analyse der ökologischen Ökonomie sind sehr einfach, und die politischen Implikationen sind sehr radikal. Die radikalste politische Implikation ist, dass Wachstum (unser bisheriges Hauptziel in der leeren Welt), in der vollen Welt unwirtschaftlich geworden ist. Wachstum erhöht jetzt die ökologischen und

sozialen Kosten schneller als der Produktionsnutzen zunimmt2. Wir sollten das Gesamtwachstum stoppen und anfangen zu schrumpfen oder „de-grow“, sowohl in Bezug auf den Pro-Kopf-Durchsatz als auch in Bezug auf die Bevölkerung. Was als Folge davon mit dem BIP geschieht, ist von untergeordneter Bedeutung. Der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt sind Symptome eines Grundproblems des sogenannten „Overshoot“. „Overshoot“ bedeutet, dass die Welt zu voll von uns und unserem Zeug ist – zu viel Verbrauch von Flächen, die (alternativ-vf) die aktuelle Photosynthese unterstützen könnten, und zu schnelles Abfließen der (seit Jahrmillionen – vf) gespeicherten Produkte der alten Photosynthese.3

Wachstum ist seit zwei Jahrhunderten unser ‚summum bonum‘. Wachstum war unser Versuch, (das Problem der-vf) Armut zu lösen ohne teilen zu müssen, unser Ersatz für Verteilungsgerechtigkeit, unser Heilmittel für Arbeitslosigkeit und Inflation, unser erhofftes Heilmittel gegen Überbevölkerung durch den automatisch (ausgelösten-vf) demographischen Rückgang und unser Zwang zum Frieden durch militärische Überlegenheit. Wachstum bedeutete auch die Herrschaft über die übrige Natur durch den Menschen (Anthropozän), ohne die daraus resultierende Pflicht des Menschen anzuerkennen, seine weitaus überlegenen Fähigkeiten in den Dienst der gesamten Schöpfung zu stellen, von der wir ein wesentlicher Teil sind. Welche ethische Grundlage kann eine solche radikale Umkehr unterstützen? Gibt es ein solches Fundament?

Derzeit ist die ethische Grundlage der ökologischen Ökonomie unklar und eklektisch. Viele übernehmen die antiken materialistisch epikureische und lukretische Sichtweise, die in jüngster Zeit durch den von vielen Biologen gepredigten Neodarwinismus modernisiert wurde, dass alles aus zufälligen Mutationen resultiert, die einer natürlichen Selektion durch Fortpflanzungserfolg unterliegt.4 Objektive Werte und eine Ethik, die über den Fortpflanzungserfolg hinausgehen, werden als bedeutungslos angesehen. Der Mensch unterscheidet sich letztlich nicht von anderen Lebewesen, er ist eine zufällige Folge der blinden Evolution. Viele Ökologen haben diese Weltanschauung von ihrer Mutterdisziplin, der Biologie, übernommen.

Blinde Ziellosigkeit lässt jedoch keinen Raum für Werte. Und ohne Wert hat die Wirtschaft keine andere Daseinsberechtigung als materiellen Abfall zu erzeugen, wie wir in Teil I gesehen haben,

die angestrebte glückliche Ehe zwischen den Disziplinen der Ökologie und der Ökonomie erfordert eine ernsthafte Eheberatung.

Diejenigen ökologischen Ökonomen, die weniger vom Neodarwinismus begeistert sind, sehen den Menschen als etwas grundlegend anderes, zwar immer noch als Teil der größeren evolvierten Schöpfung, aber als ein besonderes Geschöpf, das, ob es will oder nicht, der größeren Schöpfung (gegenüber-vf) verantwortlich ist, denn mehr als andere Lebewesen spiegelt der Mensch das Bild, wenn auch ein gebrochenes Bild, seines Schöpfers. Der Mensch hat eine bewusste Selbstidentität als Person, sowie Vernunft, Sprache, Recht, Literatur, Mathematik, Geschichte, Wissenschaft, Musik, Kunst, usw.

Aus dieser Perspektive verlangt die Ethik, diese besondere Fähigkeit und die daraus resultierende Verantwortung, für die Erhaltung und Pflege der Schöpfung einzusetzen. Den Menschen auf das Niveau anderer Tiere zu reduzieren, ist falsche Demut, die die Verantwortungslosigkeit unterstützt. Wenn wir einen Stierkampf stoppen wollen, richten wir unsere Argumente an den Matador, nicht an den Stier.

Der moderne wissenschaftliche Materialismus mag die Idee eines Schöpfers nicht, selbst dann, wenn dieser die Evolution als Mittel zur Schöpfung einsetzt. Von Verantwortung oder Schuld zu sprechen, ist ein weiterer Verstoß gegen die Regeln der naturalistischen Methodik – es gilt als „unwissenschaftlich“. Sie glauben, dass Zufall und Notwendigkeit, natürliche Selektion, Neo-Darwinismus, die richtige und hinreichende Weltanschauung ist. Wenn sie von anderen Wissenschaftlern auf die extreme Feinabstimmung der physikalischen Gesetze und der zahlreichen Konstanten konfrontiert werden, die für das Leben notwendig sind, geben die Materialisten zu, dass die Wahrscheinlichkeit verschwindend gering ist, dass Leben in unserem Universum durch Zufall entstanden ist. Also, postulieren sie unendlich viele (unbeobachtbare) Universen, in denen die infinitesimale Wahrscheinlichkeit, mit unendlich vielen Versuchen multipliziert, eintreten könnte und offensichtlich auch eingetreten ist. Wir haben einfach die große kosmische Lotterie gewonnen…wir Glücklichen!

Ihr prä-analytisches Paradigma von Materialismus und Zufall ist sehr ausgeprägt. Immerhin hat es sie zu vielen machtvollen Entdeckungen geführt – aber auch zu einem grundlegenden Nihilismus. Zunehmende Macht bei abnehmendem Zweck.–was kann da möglicherweise schiefgehen?

In der populären Diskussion wird die Zufallsbetrachtung als wissenschaftlich, die Zweckbetrachtung jedoch als religiös angesehen. In einem tieferen Sinne ist jedoch jede Ansicht sowohl wissenschaftlich als auch religiös.5 Zum Beispiel kam der unabhängige Mitentdecker der natürlichen Selektion, Alfred Russell Wallace, zu dem Schluss, dass die Theorie der natürlichen Selektion zwar sehr wirkungsvoll, aber dennoch unzureichend sei, um die weit überlegenen Fähigkeiten der menschlichen Spezies gegenüber anderen Lebewesen zu erklären.6

Er berief sich auf eine spirituelle Dimension als Zusatzhypothese zur unzureichenden Hypothese der materialistischen natürlichen Auslese, um die enormen menschlichen Eigenschaften zu erklären. Der Einwand wurde aufgenommen, aber er reduzierte sein Ansehen bei den materialistischen Darwinisten.

Und Darwin selbst, obwohl Materialist, schrieb dennoch an einen Korrespondenten:7

Nichtsdestotrotz haben Sie meine innere Überzeugung zum Ausdruck gebracht, wenn auch viel lebhafter und klarer als ich es hätte tun können, dass das Universum nicht das Ergebnis des Zufalls ist. Aber dann taucht bei mir immer der schreckliche Zweifel auf, ob die Überzeugungen des menschlichen Geistes, der sich aus dem Verstand der niederen Tiere entwickelt hat, irgendeinen Wert haben oder überhaupt vertrauenswürdig sind. Würde irgendjemand den Überzeugungen des Verstandes eines Affen vertrauen, wenn es überhaupt Überzeugungen in einem solchen Verstand gibt?“

Dies ist eine merkwürdige Aussage. Darwin behauptet eine innere Überzeugung, dass das Universum nicht das Ergebnis von Zufall ist. Aber dann wertet er seine eigene problematische Überzeugung als unglaubwürdig ab, da sie sich aus einem „Affenhirn“ entwickelt hat. Dennoch scheint er seine eigene Theorie der materialistischen natürlichen Selektion aus diesem Grund nicht zu verwerfen, obwohl sie demselben „Affenhirn“ entsprungen sein muss wie seine anderen Überzeugungen. Andere haben gefragt: Wenn meine Gedanken auf bewegte Materie reduzierbar sind, warum sollte ich dann an irgendetwas davon glauben, einschließlich dieses einen?

Ethik erfordert einen Zweck, eine Ordnung der Wünsche und Handlungen in Bezug auf einen objektiven Wert, eine endgültige Ursache, Teleologie und eine Wahrnehmung eines letzten Wertes – alles Dinge, die der herrschende Naturalismus und der Materialismus leugnen. Deren Sichtweise lässt keinen Raum für einen objektiven Wert und eine Hierarchie von Zielen, auf die die Handlungen Bezug nehmen, wie es die Ethik verlangt.

Ethik ist in doppelter Hinsicht ausgeschlossen – wenn alles determiniert ist, dann ist der Zweck eine nicht-kausale Illusion; wenn es Gut und Böse nicht gibt, dann gibt es kein Kriterium, nach dem

man ethisch wählen könnte, selbst wenn eine Wahl möglich wäre. Auf welcher Grundlage könnten wir dann für eine ökologische Ökonomie und ihre Politik vertreten, statt für die derzeitige Wachstumsökonomie plädieren – oder umgekehrt?

Der Gedanke des objektiven Wertes macht uns Angst, weil wir mit einiger Berechtigung glauben, dass er zu Intoleranz und Verfolgung derjenigen führen könnte, die eine andere Vorstellung vom objektiven Wert haben als wir. Dies ist gewiss eine Gefahr, aber die größere Gefahr besteht darin, dass wir, wenn wir den objektiven Wert leugnen, nichts mehr haben, auf das wir uns berufen können, wenn wir versuchen, zu überzeugen. Es geht nur noch um meine subjektiven Präferenzen gegenüber den Ihren, und da es keine höhere Autorität gibt, haben wir nichts, worauf wir uns berufen können, um zu überzeugen, und auch nichts, dem wir zustimmen können, wenn wir überzeugt werden. Es gibt keine andere Möglichkeit als zu kämpfen, entweder mit Gewalt oder mit Täuschung.

Ein Bekenntnis zur Realität des objektiven Wertes, einschließlich unserer Fähigkeit, gemeinsam darüber nachzudenken – wie unklar er auch immer wahrgenommen wird – ist notwendig, um willkürliche Herrschaft durch Gewalt zu vermeiden. Diese Verteidigung des objektiven Wertes wurde überzeugend dargelegt von C. S. Lewis.8

Ein häufiger Einwand gegen die Realität des objektiven Wertes ist die Behauptung, dass verschiedene Religionen und Kulturen ganz unterschiedliche Werte haben. Wäre der Wert wirklich objektiv, müsste es eine Übereinstimmung bei den Grundwerten geben, nicht die Uneinigkeit, die wir angeblich beobachten. In einem Anhang zu dem soeben zitierten Buch tritt Lewis dieser Meinung entgegen, indem er über 100 sehr ähnliche Behauptungen objektiver Werte aus maßgeblichen Quellen aufzählt, die aus sehr unterschiedlichen Kulturen zu sehr unterschiedlichen Zeiten und Orten stammen. Er unterteilt die Aussagen in acht Kategorien, deren Titel den jeweiligen objektiven Wert bezeichnen:

1. das Gesetz der allgemeinen Wohltätigkeit (gegen Mord, Gewalt);
2. das Gesetz der besonderen Wohltätigkeit (gegenüber Familie, Freunden);
3. Pflichten gegenüber Eltern, Ältesten, Vorfahren:
4. die Pflichten gegenüber Kindern und Nachkommen;
5. das Gesetz der Gerechtigkeit (sexuelle Gerechtigkeit, Ehrlichkeit);
6. das Gesetz des guten Glaubens / der Wahrhaftigkeit (Wahrheit sagen, Verleumdung vermeiden);
7. das Gesetz der Barmherzigkeit (für Witwen, Waisen, Arme und Kranke),
8. das Gesetz der Großherzigkeit (sich am Glück der anderen erfreuen, ohne Neid).

Lewis betrachtete diese Sammlung verschiedener kultureller Bekenntnisse zu gemeinsamen Werten nicht als Beweise, sondern als Belege für objektive Werte. Sein Hauptargument war eher logisch als empirisch, reductio ad absurdum oder Beweis durch Widerspruch – man nehme das Gegenteil an (keinen objektiven Wert) und zeige, dass dies zu Widersprüchen und Absurditäten führt, wie im vorhergehenden Absatz und im folgenden.

Einige materialistische Philosophen und Biologen lehren, dass Moral und freier Wille, auch wenn sie kulturübergreifend gelebt werden, Illusionen sind, aber nützliche Illusionen mit Überlebenswert, sagen sie, und daher wurden sie aufgrund ihres mutmaßlichen Beitrags zum Reproduktionserfolg ausgewählt, um sich unserer Umwelt anzupassen – unserer sich zufällig verändernden Umwelt, um es klar zu sagen. Sie gehen jedoch nicht weiter auf die Folgen ein, die sich ergeben, wenn wir (sie) als Illusion durchschauen. Kann eine Illusion, selbst eine „nützliche“, wirksam sein, wenn sie

als Illusion entlarvt ist? Ich bezweifle es. Die Folgen der Einnahme dieses Giftes wurden eindrucksvoll 1924 im Leopold-Loeb-Prozess, dem „Jahrhundertprozess“ gegen zwei akademisch brillante junge Nietzscheaner und Darwinistische Nihilisten (dargestellt-vf), die sich selbst beweisen wollten, dass sie von der Illusion einer objektiven Moral befreit waren, indem sie einen jungen Mann ermordeten.9

Die einzige Verteidigung, die ihr Anwalt, der berühmte Clarence Darrow vorbrachte, konnte das zugegebenermaßen schuldige Paar vor der Hinrichtung bewahren, indem er behauptete, dass ihre Handlungen bestimmt waren, dass in der großen Kette des strengen Determinismus „etwas entglitten“ sei. Aber warum „entglitten“, wenn es keine objektive Norm gibt, die unterschritten werden kann?

Es liegt auf der Hand, dass die Institutionen und die Politik einer ökologischen Wirtschaft in einer vollen (von Menschen dominierten) Welt ein viel solideres ethisches Fundament erfordern als das heute vorherrschende. Die Wirtschaft muss ihre Reduktion von objektiven Werten auf subjektive Präferenzen überdenken, und die Ökologie muss ihre Reduktion des objektiven Wertes auf

zweckfreien neodarwinistischen Materialismus überdenken.10 Die Macht des Wachstumsstrebens durch Berufung auf subjektive Präferenz und/oder den materialistischen Determinismus zu bekämpfen, wird aussichtslos sein. Die politische Ökonomie begann als Teil der Moral-Philosophie.

Ökologische Ökonomie erfordert eine Rückkehr zu diesem historischen Ausgangspunkt und ein Überdenken der Ökonomie im Lichte der Ökologie, der Philosophie und der Religion.11 Sie erfordert auch die Grundlage einer prä-analytischen Vision der Wirtschaft als Teilsystem einer endlichen, nachhaltigen Biosphäre, die den Gesetzen der Thermodynamik und Ökologie unterliegt. Für die Politik bedeutet es, dass qualitative Verbesserung (Entwicklung) die quantitative Steigerung (Wachstum) als Weg des Fortschritts ersetzen muss. Alles in allem ist das eine sehr große Veränderung!

Welche entwicklungspolitischen Maßnahmen zeichnen sich bei einer so großen Veränderung ab, vorausgesetzt, es besteht der ethische Wille, sie zu verwirklichen? Wie bereits erörtert, bietet ein System der Begrenzung, Verteilung und des Handels mit Grundressourcen einen Rahmen für

die zunehmenden Knappheitsrenten aus natürlichen Grundressourcen zu erfassen und gerecht zu verteilen, während gleichzeitig die höheren Ressourcenpreise zu mehr Effizienz und Sparsamkeit führen können. Ressourcenobergrenzen zur Begrenzung des Durchsatzes von Grundressourcen, insbesondere von fossilen Brennstoffen, sind erforderlich, um den ökologischen Overshoot und die daraus resultierenden Klima- und Biodiversitätskatastrophen zu reduzieren, unter denen alle Länder leiden.

In fast allen Ländern ist die Ungleichheit in der Einkommensverteilung extrem geworden, und das Gesamtwachstum des BiP (Bruttoinlandsprodukt) bietet nicht mehr die Hoffnung, die Ungleichheit in einer Ära des unwirtschaftlichen Wachstums zu verringern. Deshalb erscheint eine Begrenzung der Bandbreite der Ungleichheit, die durch ein Mindesteinkommen und ein Höchsteinkommen beschränkt ist, als eine notwendige Teilung, um die große Mehrheit der Bürger in demokratischen Ländern zur Mitarbeit zu bewegen. Erziehung zur Verhütung und Verhütungsmittel sollten allgemein verfügbar gemacht werden, damit jede Geburt eine gewünschte Geburt sein kann.

Das größere demografische Problem für die Nationen wird die Migration sein. Ökologische Katastrophen, Kriege und scheiternde Staaten haben die Zahl der Migranten, von denen viele legitime Flüchtlinge sind, stark erhöht. Jedes Land, das seinen eigenen Ressourcenverbrauch einschränkt, seine Geburten begrenzt und seinen Bürgern ein Mindesteinkommen bietet, was hier befürwortet wird, kann leider nicht mehr lange eine große Zahl von Einwanderer aufnehmen. Anstatt dass die Menschen in Länder auswandern, deren Politik objektive Werte respektieren (wenn es solche Länder gibt), muss diese gute politische Praxis (an Stelle der Menschen-vf) in all die anderen Länder wandern.

Die Entwicklungspolitik muss aufhören, auf weiterem Wachstum in einer bereits „vollen“ Welt zu beharren. Und um dies zu erreichen, muss die Ökologische Ökonomie ihre Ethik auf objektive Werte gründen und nicht auf subjektivistischen Individualismus oder materialistischen Neo-Darwinismus.“ (Zitatende)

Daly demonstriert begründet seine Auffassung von objektiven Grundwerten mit den Ausführungen von Lewis. Ich tue mich jedoch schwer, aus den angeführten acht Wertekategorien einen Wert her- oder abzuleiten, der reelle Chancen hätte, objektiver Grundwert einer Ökologischen Ökonomie zu sein. Lewis’ Argumente geben Daly insoweit recht, als es möglich erscheint, objektivierte Grundwerte zu bestimmen. Der m.E. schwierigere Part, diesen Grundwert für die Ökologie zu finden, steht aber noch aus.
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1Herman Daly, “Ecological Economics in Four Parables”, real-world economics review, issue no. 102, 18 December 2022, pp. 2-15,
2John Talberth, Clifford Cobb,Noah Slattery, The Genuine Progress Indicator, Redefining Progress, Oakland CA, 2006.
3Ecological Footprint, https://www.footprintnetwork.org/our-work/ecological-footprint/
4Richard Dawkins, The Selfish Gene, Oxford University Press, 1976.
5Neil Thomas, Taking Leave of Darwin, Discovery Institute Press, 2021
6Alfred Russell Wallace, Darwinism, (Chapter 15), 1889.
7Charles Darwin, Life and Letters of Charles Darwin, (1986), “Religion”, in Francis Darwin (ed.), Vol. I, Ch VIII,New York: D. Appleton & Co. pp. 274–86.
8C. S. Lewis, The Abolition of Man, 1944, reprinted by HarperCollins e-Books
9They were sentenced to life in prison where Loeb was killed by fellow inmates. Leopold was eventually paroledand in apparent repentance spent the remainder of his life as a hospital technician in Puerto Rico. Darrow later defended John Scopes from the charge of “teaching evolution” in the notorious “Monkey Trial” of 1925.
10See, for example, Thomas Nagel, Mind and Cosmos: Why the Materialist Neo-Darwinian Conception of Nature Is Almost Certainly False, Oxford University Press, 2012.
11Herman Daly, From Uneconomic Growth to a Steady-State Economy, Edward Elgar, Publishers, 2014.

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