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Börsengeflüster

Mein Freund, der Broker, ist schon lange nicht mehr unter uns. Zu seinen Lebzeiten haben wir heiße Diskussionen über die „richtige“ Kapitalanlage geführt. Wir haben auch die vielfältigen Broker-Ideologien und Börsenmärchen diskutiert und nicht nur das, wir haben das eine oder andere auch ausprobiert. Manches funktionierte, vieles war einfach nur „Bullshit“.

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Mangels einer halbwegs gesicherten Theorie stellt man fest, dass vieles nur deshalb „geht“, weil sich der gerade gültigen Broker-‚Parole‘ viele Anleger stillschweigend anschließen und der Idee an der Börse damit temporär zum Durchbruch verhelfen. Mit dem in den 1990er Jahren verbreiteten „O’Higgins High Five“-Verfahren einen Börsen-Erfolg haben zu wollen, erscheint mir heute, ohne es versucht zu haben, als reine Glücksache.

Die Börsenwelt hat sich zweifellos seit damals verändert. Es gibt neue Produkte und damit auch andere Möglichkeiten. Von besseren Chancen will ich nicht reden: Börse bleibt Börse! Unsere damaligen Diskussionen kreisten oft um die Frage nach der besseren Strategie: Dividendenpapiere oder ein ausschließlich spekulationsgetriebener Ansatz. Diese Ansätze gibt es m.E. unverändert; sie sind nur durch andere Produkte (z.B. High Dividend ETFs) vielleicht einfacher und mit weniger Analysearbeit zu realisieren. Bleibt die Frage, was ist erfolgreicher? Und was ist vom Risiko her überschaubarer?

Mein Eindruck ist, dass viele Börsianer den spekulativen Ansatz favorisieren. Diese Ansicht wird vielfach auch durch die Art der Berichterstattung über die Portfolios unterstützt. Es ist m.E. bisher nicht möglich, den Gedanken einer Dividendenstrategie mit der Idee der Spekulation aussagekräftig zu verbinden und darzustellen.

Neben den Hard-Core-Zockern, die jeweils ihre ganz eigene Strategie verfolgen, gibt es statt einer Theorie das nette Bild von der ‚(Schaf)Herde‘ der Anleger, die über den Markt diffundiert und ständig auf der Suche nach ‚üppigen Weideflächen‘ ist. Die ‚Herde‘ ist vielfach geteilt (also nicht homogen) und verfügt jeweils über ‚Schafsböcke‘, die die Herden temporär, selten ständig, durch sogenannte Meinungsbildung führen. Ob die Meinungen richtig sind, spielt hierbei keine große Rolle – die Meinung müssen nur möglichst viele teilen.

Die Kunst der Spekulation besteht nun darin, frühzeitig zu erkennen, wohin die eine oder andere Herde zieht, um dann, bevor die Masse der ‚Herde‘ ankommt und einsteigt, schon ‚im Markt‘ zu sein. Die sich bildende Nachfrage hebt die Kurse u.U. kräftig an und wer zu spät kommt, hat Pech gehabt. Der ideale Spekulant nutzt die Kurssteigerung, um zu versuchen, auf der Höhe der Blase wieder auszusteigen, bevor die Herde (bei sinkenden Kursen) satt ist und nach ‚neuen Weideflächen‘ Ausschau hält. Es beginnt eine neue Runde nach dem gleichen Schema. Ich hoffe, dem Leser wird deutlich, dass hier zum Erfolg viel sachbezogene Aufmerksamkeit von Nöten ist, vom Risiko ganz zu schweigen.

Spekulative Werte gelten als hip und innovativ. Bei genauerer Betrachtung verfügen sie über eine gute Publicity, aber meist über wenig Substanz. Im Extremfall werden diese Werte in den nächsten Jahren keine Gewinne erzielen, sondern nur von spekulativen Wellen und der guten Hoffnung ihrer Anleger leben. Wir bewegen uns damit nicht mehr in einer Realwirtschaft, sondern in einer Finanzwirtschaft, in der die Werte ausschließlich auf einem (oft sehr dünnen) Vertrauensvorschuss beruhen.

Versuchen wir, die Spekulation konkreter zu fassen: Man muss sich erst mal darüber klar werden, welche Wertsteigerungen und -verluste an Börsen unter realistischen Bedingungen üblich sind. Alle höheren Ausschläge sind möglich, aber selten und sollten nicht die Erwartungsgrundlage für den Aufbau eines Vermögens sein. Hinzu kommt, dass der Anleger zwar manchmal hohe Spitzenwerte vorfindet, aber bis er dann reagiert hat, ist das schon wieder vorbei, abgesehen davon, dass jede Bewegung i.d.R. auch Kosten auslöst.

Wenn man einsteigt, löst das Kosten aus, die den Einstand natürlich erhöhen und die Kosten werden oft nicht erfasst und damit vergessen. Steigt der Kurs in geringem Umfang, bleibt der Anleger kühl und entspannt. Steigt der Kurs aber signifikant, tritt ein Dämon auf, den man gewöhnlich als Gier bezeichnet. Und die Gier geht immer von der Hoffnung aus, dass die Kursbewegung anhält. Hier kann es zweckmäßig sein, sich angesichts gewöhnlicher Kursteigerung ein Maximalziel zu setzen. Wird das erreicht, muss der Anleger die Stärke haben, das Engagement zu lösen und den erreichten Gewinn einzustreichen. Und dann entspannt zu bleiben, auch wenn der Kurs weiter steigt – den ‚Peak‘ erreichen zu wollen, ist eine Illusion, von der aber die Börse lebt.

So wie der Anleger im positiven Fall sich ein Maximalziel definiert, so muss er auch im Voraus den zu tolerierenden Maximalverlust für sich definieren. Dabei ist darauf zu achten, dass ab einer gewissen Höhe des Verlustes oftmals eine Haltung Platz greift, dass es jetzt eh zu spät sei und man hofft, den Verlust aussitzen zu können. Es ist besser, es erst gar nicht dazu kommen zu lassen. Deshalb ist der maximal tolerierbare Verlust zu definieren. Und der gilt immer, nicht nur vom Einstand weg: Wenn bei einem Kursgewinn von fünfzehn Prozent der Wert ins Negative dreht, wird z.B. die Verlustgrenze von zehn Prozent an den erreichten 115% der Punkt gemessen , bei der der Anleger dann aussteigen sollte. Das ist oft nicht einfach, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber diese Disziplin ist unumgänglich. Wer sie nicht aufbringt, soll die Finger von der Spekulation lassen.

Die Erwartung, dass Spekulation zu einer echten Vermögensmehrung führt, ist trügerisch. Vermögen entsteht i.d.R. dadurch, dass man die Vermögensbasis verbreitet. Spekulation verbreitert nicht, sondern nährt sich nur von der Wertsteigerung des Einsatzes. Ein eventueller Vermögensaufbau erfolgt nur dann, wenn die Spekulation durch Realisation zu mehr Finanzmitteln führt, die zur Vermögensmehrung dann wieder sinnvoll investiert werden müssen. Das Vermögen ist in der Spekulation immer im Risiko. Gibt es da nicht noch einen anderen Weg?

Die Alternative hat den Nachteil, dass sie so gar nicht „hip“ ist. Sie hat aber den Vorteil, dass sie systematisch vorgeht. Es gibt ein eindeutiges Rechenmodell, das diese Vorgehensweise unterstützt. Grundlage der Vorgehensweise ist eine Exponentialgleichung (ähnlich dem Zinseszins). Der Nachteil liegt darin, dass die Ergebnisse sich i.d.R. langsamer entwickeln, dafür aber deutlich risikoärmer. Es handelt sich um Industrieobligationen oder um relativ hoch rentierliche Aktiendividenden. Obligationen sind im Grunde Schuldscheindarlehen mit einer i.d.R. festen Verzinsung, wobei man gerne die Kurzläufer nimmt, die innerhalb von 3 – 5 Jahren fällig werden, um dann nach Ablauf eine neue Entscheidungsmöglichkeit zu haben. Die sogenannten „high dividend“ Aktien werden heute international als Exchange Traded Funds (ETF) angeboten.

Die Branche der Börsenmakler blickt auf den „High Dividend“-Ansatz etwas herab. Hohe Dividenden entziehen dem Unternehmen angeblich Finanzmittel und die Spekulations-Fraktion ist wohl mehrheitlich der Auffassung, dass das Management das Geld lieber in das Wachstum (sprich Kurspflege) des Unternehmens stecken sollte. Diese Vorstellung halte ich für naiv: Wenn das Management eines eingeführten Unternehmens den für die Dividendenzahlung vorgesehenen Finanzmittel einbehalten könnte, so wird folgendes passieren: ein kleiner Teil wird für Wachstum und die Kurspflege bereitgestellt und der größere Teil wird in Boni, Gratifikationen, Tantiemen und Sonderzulagen des Managements fließen. Hier sind der Phantasie des Management keine Grenzen gesetzt. Das Geschäftsmodell und die Marktsituation der „High Dividends“ sind so beschaffen, dass Dividenden finanziert werden können, also führt eine Umleitung dieser Finanzströme auf das Management zu keiner erkennbaren Steigerung der Produktivität des Unternehmens. Hohe Dividenden können sich nur etablierte Unternehmen leisten, die gute Gewinne erwirtschaften und absehbar eine erfolgreiche Entwicklung durchlaufen werden. Diese Unternehmen verfügen wahrscheinlich über keine hohen Innovationsraten; das regeln diese Unternehmen dadurch, dass sie ggfs. innovative Unternehmen aufkaufen.

Aktien mit einer hohen Dividende haben einen anderen Fokus als hoch innovative Unternehmen, bei denen es oft (noch) am Gewinn mangelt und deren Strukturen oft in einem Entwicklungsstadium sind. So wie die „High Dividends“ von ihrer Beständigkeit und ihrer Dividendenpolitik leben, leben viele innovativen Unternehmen von einem interessanten Narrativ (einer netten Erzählung) und ganz viel Hoffnung und leben damit von einer Spekulation auf die Zukunft. Bei Aktien mit einer hohen Dividende kann man nachts ruhig schlafen, bekommt jedes Jahr neues Geld, das man wieder anlegen kann (aber nicht muss) und kann in einem geringeren Maß auch an der Börsenentwicklung teilnehmen.

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Wasser – ein Gemeingut?

Die Dürre geistert wieder einmal durch den Medienwald. Der fehlende oder zu heftige Niederschlag führt den „Leuten“ vor Augen, dass wir hier in ein massives Problem laufen. Und es ist offensichtlich, dass diese wichtige Ressource auch in unseren Breiten in Europa endlich ist. Sie muss also sinnvoll bewirtschaftet werden.

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Als ich vor rd. 50 Jahren zum Studium von den Höhen des wasserdurchtränkten Nordschwarzwaldes nach Mannheim kam, fiel mir auf, dass das Leitungswasser in Mannheim gechlort war und für mich ekelhaft schmeckte. Ich war an weiches, wohlschmeckendes Wasser gewöhnt, während Mannheim zu jener Zeit schon im großen Stil Wasser technisch aufbereiten musste. Auf meine Fragen, wo denn das Wasser herkomme, habe ich erfahren, dass es eine Mixtur aus verschiedenen Wassern sei, weil der Grundwasserspiegel in den damaligen Jahren dramatisch (um mehrere Meter) gesunken war.

Wir hatten noch keine Ahnung von einem Klimawende oder gar Klimakrise. Es regnete im normalen Rahmen und im Rheingraben war schon in den 1970er Jahren die Sommerhitze (einschließlich der Mücken (‚Schnaken‘) aus den Altrheinarmen) für alle Einwohner eine ziemliche Belastung.

Heute stehen wir vor den gleichen Problemen, nur dass der ‚Wasserhunger‘ der Großstädte und der industriellen Großproduktionen inzwischen auf die Wasserversorgung des Umlandes zugreift und sich die Frage ergibt, wo soll das hinführen? Es gibt Medienbeiträge, aus denen erkennbar ist, dass der Wasserverbrauch nicht nur in den Großstädten überhand nimmt, sondern auch bis auf die Wasserwirtschaft von Gemeinen durchschlägt, die im Grunde ohne den abzugebenden Großstadtanteil ihre Bevölkerung ausreichend und nachhaltig versorgen könnte.

Wasser hat einen extrem langsamen Kreislauf. Wenn sich Zufluss und Abfluss im Wesentlichen ausgleichen, bleibt der Grundwasserspiegel ‚konstant‘. So die Theorie. Zumindest in den letzten 50 Jahren kann in den Metropolen von einem Ausgleich nicht mehr gesprochen werden. Der Wasserverbrauch ist schlicht zu hoch. Wir verschwenden diese Ressource.

Aber was ist Grundwasser? Wir leben heute von der Vorstellung, dass bei ausreichendem Regen das Regenwasser versickert und am Ende im Grundwasser gesammelt wird, damit wir es wieder nutzen können. Deswegen wollen wir die Grünflächen vergrößern, alle Arten der Versiegelung vermeiden oder rückgängig machen, damit dieser „Traum“ in Erfüllung geht. Aber kann das zielführend sein?

Gehen Sie nach einem ausgiebigen Regenguss nach einer Reihe heißer Tage in Ihren Garten und nehmen eine Spaten und prüfen Sie nach, wie tief das Regenwasser in das Erdreich eingedrungen ist? Wenn die Eindringtiefe 10 cm erreicht, war der Regenguss schon recht heftig. Von dem Regenwasser fällt in einer Bodentiefe von 10 cm i.d.R. der Boden trocken. Da kommt m.E. kein Tropfen bis ins Grundwasser! Der „Traum“ von der (kurzfristigen) Wiederauffüllung des Grundwassers durch Regenfall basiert möglicherweise auf einem Denkfehler. Vergessen Sie bitte nicht, dass der gefallene Regen nicht nur das Grundwasser „sucht“, sonder dass der Pflanzenbewuchs hier auch seinen ihm zustehenden Anteil einfordert, nicht zu vergessen, dass auch ein Teil der Regenmenge im Sommer schlicht verdunstet und bei Starkregen das Oberflächenwasser nur die Flüsse anschwellen lässt. Damit will ich nicht sagen, dass Regen nicht auch bis ins Grundwasser kommen kann, aber dass die Mengen vermutlich gering sind.

Was wäre eine alternative Begründung für das Vorhandensein von Grundwasser? In der Erdgeschichte hat es gewaltige klimatische Verwerfungen gegeben. Insbesondere während der Eiszeiten haben sich große Wassermengen in Form von Eis angesammelt, die dann bei der Klimaveränderung wieder in Wasser zurückgewandelt wurden und in riesigen Wasserströmen in den eisfrei werdenden Regionen zur Verfügung standen. Diese Wassermengen besaßen einen Umfang, der es möglich machte, die Grundwasserreservoire anzulegen und zu verfüllen. Zu diesem Zeitpunkt war auch in diesen Regionen kaum mit Pflanzen im größeren Umfang zu rechnen, von einem menschlichen Verbraucher ganz zu schweigen.

Wenn diese Sichtweise richtig ist, hätte das eine Reihe von harten Konsequenzen: Das Grundwasser wurde in der Vergangenheit nie maßgeblich durch Regenfälle aufgebaut. Der gegenwärtig sinkende Grundwasserspiegel folgt also keiner Vorstellung von einem dynamischen Gleichgewicht, sondern muss wohl als absolut endliches Reservoir angesehen werden, mit dem so sparsam als möglich umgegangen werden muss.

Die Vorstellung, dass das Grundwasser durch den Niederschlag aufgefüllt werden könnte, lässt mir keine Ruhe. Deshalb der Versuch einer Verprobung: Wir verbrauchen lt. Statistischem Bundesamt 20 Mrd. Kubikmeter Wasser. Diese 20 Mrd. Kubikmeter sollen durch Niederschlag wieder aufgefüllt werden. Die Fläche der Bundesrepublik beläuft sich nach Wikipedia auf 357.588 km². Welche Wassersäule jährlichen Regens müsste pro Quadratmeter fallen, um verlustfrei (ohne Berücksichtigung der Wasseranteile für Pflanzen, ohne Verdunstung durch Osmose, kein Oberflächenabfluss) die verbrauchte Grundwassermenge zu ersetzen? Nach meinen Berechnung ergibt sich hieraus ein notwendige Wassersäule von 55,93 Liter pro Quadratmeter und Jahr. (20 x 1012 Liter Verbrauchsmenge / 357,588 x 109 m² = 0,055930 x 103 oder 55,93 Liter/m2)

Der Niederschlag wird im Durchschnitt mit 770 – 790 Liter/m2 pro Jahr angegeben. Also ist meine Überlegung nicht zwangsläufig falsch, aber so offensichtlich, wie ich mir die Sache vorgestellt habe, ist es nicht. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge pro Jahr ist also grundsätzlich in der Lage, den gegenwärtigen Grundwasserverbrauch zu kompensieren. Man nennt so etwas ein Eigentor.

Aber warum sinken dann die Grundwasserspiegel aller Orten, wenn die jährliche Regenmenge unseren jährlichen Verbrauch statistisch um das Zehnfache übersteigt? Dafür habe ich keine plausible Antwort von ausreichendem Gewicht. Es muss zwischen dem Regenfall und dem Zufluss zum Grundwasser eine Reihe von Barrieren geben, die wir möglicherweise schon kennen, aber deren Auswirkungen völlig unterschätzt werden.

Wir müssen uns deshalb schweren Herzens daran gewöhnen, dass Wasser ein knappes Gut darstellt. Das ist die eine Nachricht. Die andere Nachricht ist die Erkenntnis, dass Wirtschaftsunternehmen vielfach für ihren Wasserbedarf (anders als die Normalbürger) keine Gebühren abführen müssen. Und nur in Ausnahmefällen ist ihre jährlicher Wasserentnahme mengenmäßig beschränkt. Wasser kostet die Wirtschaft nichts und ihr Verbrauch wird auch vielfach vertraglich weder mengenmäßig noch zeitlich eingeschränkt. Manche Lizenzen gelten für die Ewigkeit. Als Folge wird der Wasserverbrauch auch nur unzulänglich kontrolliert.

Die breite Bevölkerung beginnt zu begreifen, dass das Wasser knapp wird. Der Preis pro Kubikmeter wird für die Normalverbraucher in vielen Regionen steigen. Die industriellen Großverbraucher haben aber oftmals Verträge, die ihnen den Wasserverbrauch des Gemeingutes Wasser einfach ‚zur Verfügung stellen‘ oder einen Preis pro Einheit (qm3) verrechnen, der vernachlässigbar ist.

Unser Verhalten bezüglich des Wasserverbrauchs ist durch den geringen Preis pro Einheit und die langjährig gepflegte Haltung geprägt, dass die Ressource Wasser „ohne Ende“ zur Verfügung stehen würde. Unsere Maßlosigkeit führt nicht nur uns Verbraucher an neue Grenzen. Landwirtschaft und Biosphäre leiden gleichermaßen.

Das Bundesumweltamt hat 2022 eine Tabelle veröffentlicht2, die den Wasserverbrauch von insgesamt 20 Mrd. Kubikmetern in Deutschland nach folgenden Kategorien aufteilt:

Öffentliche Wasserversorgung 26,8%
Bergbau u. verarbeitendes Gewerbe 26,8%
Energieversorgung 44,2%
Landwirtschaftlich Beregnung 2,2%

Dabei wird angemerkt, dass die „von Deutschland veröffentlichten Wasserentnahmen der Landwirtschaft (2,2%) (…) gegenüber den Nachbarländern Dänemark (50%) und Frankreich (10%) als (zu) gering auf(fallen)“. Die EU-Kommission zweifelt diesbezüglich Deutschlands Angaben an.

Die oben angeführte ‚öffentliche Wasserversorgung‘ scheint in der Tabelle die vertrauenswürdigste Mengenangabe zu sein. Dort wird Wasser (und Abwasser) konkret bewirtschaftet. Bei den angegebenen Industriezweigen Bergbau, Gewerbe und Energieversorgung dürften große Informationslücken herrschen, weil Wirtschaftsunternehmen alle Ressourcen, die nichts oder nahezu nichts kosten, wenig Beachtung schenken. Es gibt auf der Ebene des Geldes bei Wasser nichts zu kalkulieren.

Der erste Schritt einer gesicherten Wasserversorgung ist eine ausreichende Informationsbasis. Solange es wesentliche Nutzer gibt, die über ihren Wasserverbrauch nicht rechenschaftspflichtig sind und/oder privatwirtschaftliche Wasserrechte für sich reklamieren können, sind die Zahlen in den Wind geschrieben, bestenfalls ein Anhaltspunkt, aber keine Grundlage, um begründete politische Leitlinien erlassen zu können.

Wasser ist ein Gemeingut. Wir können es weder schaffen noch herstellen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die „Tragödie der Allmende“ hinweisen, auf eine Erzählung aus der Ökonomie, bei der unterstellt wird, dass Allmenden (Gemeingüter) in ganz kurzer Zeit kaputt genutzt werden, wenn keine strikten allgemein gültigen Regeln (ohne die berühmten Ausnahmen) zum Gebrauch der Allmende bestehen3. Diese müssen als politischer Rahmen für alle gelten, die diese Allmende nutzen wollen. Da wir ohne Wasser nicht lebensfähig sind, betrifft es auch uns alle. Damit wird hoffentlich auch die Priorität des Problems offenkundig.

Bisher haben wir uns mit dem großen Bild befasst. Was bedeuten die Erkenntnisse für unser unmittelbares Verhalten? Lt. Statistischem Bundesamt4 (Daten von 2021) verbrauchen wir pro Tag und pro Person im Durchschnitt 127 Liter Trinkwasser. Das sind 46,3 Kubikmeter pro Person in einem Jahr. Sie können jetzt ihre letzte Wasserabrechnung holen und diese Zahl mit Ihrem aktuellen Verbrauch abstimmen. Der Verbrauch unseres Zweipersonenhaushaltes liegt mit 64,8 % deutlich unter dem Durchschnittsverbrauch. Da ist aber noch Luft nach unten.

Der durchschnittliche Tagesverbrauch lässt sich wie folgt aufteilen:

Körperpflege (Baden Duschen) 36% oder 45,7 Liter
Toilettenspülung 27% oder 34,3 Liter
Wäschewaschen 12% oder 15,2 Liter
Geschirrspülen 6% oder 7,6 Liter
Raumreinigung, Autopflege, Garten 6% oder 7,6 Liter
Essen, Trinken 4% oder 5,2 Liter
Anteil Kleingewerbe 9% oder 11,4 Liter

Wo liegen hier die Einsparpotenziale? Es ist immer zweckmäßig, nicht bei den ‚Kleinkram‘ anzufangen, sondern sich auf die großen Verbrauchszahlen zu stürzen. Die Körperpflege ist ein sehr individuelles Verhalten und hier dem einzelnen konkrete Vorgaben zu machen, ist nicht von Erfolg gekrönt. Was man aber machen kann, dass man technisch dafür sorgt, dass bei der Körperpflege nicht unnötig viel Wasser durch den Abfluss gejagt wird. Hierzu gibt es für die Duschen und Wasserhahnen sogenannte Reduzierstücke, die (angabegemäß) zwischen 20% und 40% des Wassers sparen, ohne dass man seine Körperpflegeroutine ändern müsste, was ja viele als einen Eingriff in ihre Privatsphäre empfinden könnten.

Bei einer 40%igen Durchlaufreduzierung würden statt 45,7 Liter nur 27,4 Liter verbraucht werden. Die Einsparung ergibt pro Kopf und Jahr rd. 6,68 Kubikmeter. Hochgerechnet auf rd. 80 Mio. Einwohner ergäbe diese kleine und billige Maßnahme eine Wasser-Einsparungsmenge von 534,4 Mio. Kubikmeter Trinkwasser.

Die anderen Punkte sind eher technischer Natur. Die Toilettenspülung kann nur bedingt reduziert werden, weil die Abwasserinfrastruktur darauf nicht eingerichtet ist. Hier werden wir wohl technisch ganz neue Wege gehen müssen. Ein Übergang könnte die Verwendung von Brauchwasser sein, setzt aber auch hier langfristig geplante Maßnahmen voraus.

Auch das Wäschewaschen erfolgt ja meistens automatisch. Bisher haben wir uns immer auf die Energieeffizienz konzentriert. Vielleicht müssen wir hier die Energieeffizienz mit einer Wassereffizienz koppeln, um dann über die Jahre diesen Wert um geschätzte 30% zu senken, was einer Wasserersparnis pro Person von 3,76 Kubikmetern pro Jahr entsprechen würde.

Auf der Grundlage heutiger Wasserpreise erscheint das vernachlässigbar zu sein. Gehen Sie davon aus, dass die Wasserpreise allgemein steigen werden. Wasser ist wie Land nicht vermehrbar, also wird die zunehmende Knappheit zu steigenden Preisen führen. Der Immobilienmarkt könnte hier ein gutes Beispiel liefern. Wasser könnte zum Spekulationsobjekt werden. Dem muss durch politische „Leitplanken“ vorgebaut werden. Wasser ist ein Gemeingut und kein Spekulationsobjekt.
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1 Die 62,4% können falsch sein, weil die Statistik sich auf das Trinkwasser bezieht und ich nicht beurteilen kann, ob die 20 Mrd. Wasserverbrauch nicht auch andere Wasserqualitäten einbezieht.

2 Zitiert nach DUHwelt, 2/2023

3 Vgl. hierzu auch Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen, München, 2011

4 Zitiert nach DUHwelt 2/2023, S. 17

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