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Rezession?

Haben wir den richtigen Fokus? Die Gazetten landauf und landab sprechen von Angst. Aufgrund der Statistiken wird die Wirtschaftslage als beginnende Rezession interpretiert. Die Stimmung in der Bevölkerung ist recht mies. Die politische Entwicklung trägt auch nicht zur guten Laune bei. Eine überaus kurzfristige Sicht dominiert unsere EU-weite langfristig eingeleitete Entwicklung eines Umbaus der Wirtschaft hin zu energiesparenden Technologien, weil erkennbar ist, dass die fossile Grundlage keine Zukunft hat.

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Der Umbau lässt sich nicht nur als Erfolg gestalten, Wir können nicht erwarten, dass ein Umgestaltung ohne Verlierer erreicht werden kann. Aber wir müssen uns klar machen, dass einige alte Technologien verlieren werden, aber die neu entwickelten Technologien diese Einbußen mittelfristig ausgleichen können. Die Unternehmen, die von den alten Technologien gut gelebt haben, sind natürlich nicht bereit, das Feld kampflos zu überlassen. Sie drohen mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, entwickeln gewaltige Zahlen und Schreckensszenarien und schüren damit die Angst. Und die Gazetten hinterfragen dieses Verhalten nicht, sondern greifen diese scheinbar griffigen und giftigen Argumente gerne auf.

Und die Politik ist im Wahlmodus. Es ist schwer, eine politisch ausgewogene Meinung zu gewinnen, wenn in vier Wochen eine Wahl ins Haus steht, bei der Versprechen gemacht werden, deren Finanzierung eigentlich nicht darstellbar sind.

Wenn die Ökonomen von Rezession sprechen, so gibt es dafür ziemlich einfache Regeln, aber ob diese Regeln auch dann gelten können, wenn wir in einem Umbau unserer Wirtschaft stehen, erscheint mir fraglich. Die Kennzahl für eine Rezession ist die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, wobei der Zustand als Beginn einer Rezession eingestuft wird, wenn das BiP drei Mal in Folge nicht wächst. Wir bewegen uns um ein Nullwachstum herum und allein die Tatsache, dass es kein Wachstum gibt, lässt manchen Ökonomen schon ausflippen. Aber das sind statistische Mittelwerte über alle Branchen. Mit anderen Worten, es muss doch offensichtlich auch Bereiche geben, die sich gut entwickeln. Aber darüber spricht keiner. Gute Nachrichten sind offensichtlich wenig wert.

Europas Versuch eines Umbaus der Wirtschaft hat starke Gegner, insbesondere jenen Herrn, der mit „drill, baby drill“ glaubt, die Position der Vereinigten Staaten insbesondere dadurch auszubauen, dass er die fossilen Industrien puscht und dem Klimawandel keine Beachtung schenkt. China baut um, Indien baut um, Europa baut um – die USA meinen, sie können ihre Vorreiterstellung durch die Forcierung einer Industrie, die auf fossiler Energiegewinnung fusst, halten oder gar ausbauen. Ich habe da meine Zweifel. In vier Jahren ist Trump in seinem 83. Lebensjahr. Wenn seine Nachfolger dann feststellen müssen, dass das der komplett falsche Weg war, dann ist der Zug für „MAGA“ („Make America great again“) wohl endgültig abgefahren.

Was braucht unser Umbau, um schnell und erfolgreich ans Ziel zu kommen? Unternehmer, die begriffen haben, dass der Umbau riesige Chancen bereithält. Aber das ist nur die eine Seite. Unsere Gesellschaft muss über unsere staatlichen Strukturen auch eine Infrastruktur liefern, die eine solide Grundlage für eine positive Wirtschaftsentwicklung bereit stellt. Und hier bin ich im Zweifel, ob wir die Kurve kriegen.

Die Politik versteht sich als Dienstleister, wo Führung oder wenigstens eine Definition von „Leitplanken“ gefordert wäre. Das Konzept der Leitplanken ist schon über zwanzig Jahre alt und harrt auf seine Realisierung. Leitplanken ersetzen keine Führung, aber sie sind die Quintessenz aus Vergangenheit und Gegenwart, sind hoffentlich wissenschaftlich begründet und begrenzen negativ, was aus der Erkenntnis der Geschichte heraus für die Zukunft als Tabu gelten soll. Leitplanken versuchen Fehler der Vergangenheit zu vermeiden und definieren einen wünschenswerten Raum für künftige Entwicklungen. Da Leitplanken aus Erkenntnissen der Vergangenheit zehren, müssen sie in bestehende Lebens- und Geschäftsmodelle eingreifen; also braucht jede Leitplanke, die eingeführt wird, eine Zeitspanne in der den bestehenden, jedoch schädlichen Modellen eine Chance zur Besserung einräumt wird. Die Leitplanken sind dann aber danach für die Träger der Modelle nicht mehr verhandelbar. Grenzen führen nur dann zur gewünschten Verhaltensänderungen, wenn sie fix oder absolut verstanden werden.

Die Wirtschaftspolitik redet gerne von „Anreizen“, die in aller Regel die Steuerzahler viel Geld kosten und oft nicht viel nutzen. Klare Grenzen sind auch eine Form des (negativen) Anreizes, sind aber in aller Regel finanziell deutlich günstiger und wirksamer. Sie erfordern aber Mut; daran fehlt es oft, weil ‚Grenzen setzen‘ gerne als Einschränkung der persönlichen Freiheit missbraucht wird. ‚Grenzen setzen‘ erfolgt doch nicht willkürlich, sondern in der Erwartung eines kollektiven Vorteils. Die Grenze sollte die persönliche Freiheit von Wenigen einschränkten und den Vielen sowie der Biosphäre und den künftigen Generationen Freiraum sichern.

Wir haben unsere Infrastruktur in der Nachkriegszeit massiv und erfolgreich aufgebaut und dabei, so scheint es, vergessen, dass Infrastruktur in die Jahre kommt und einen genauso massiven Erhaltungsservice verlangt. Brücken werden gesperrt oder stürzen sogar ein. Es scheint so, als ob diesem Fakt einfach zu wenig Beachtung geschenkt wird. Unsere Infrastruktur ist notleidend, teilweise, weil das Neue politisch als attraktiver wahrgenommen wurde als die Erhaltung und Pflege von bestehendem Vermögen. Erst die Forcierung der Nachhaltigkeit hat uns als Gesellschaft klargemacht, dass etwas schaffen, schnell nutzen und wieder wegwerfen keine sinnvolle Option sein kann. Der ‚schnelle‘ oft unnötige Umsatz (im Wegwerf-Modus) hat nicht nur viel Geld in die Kassen der Hersteller geschwemmt, sondern hat auch eine ganze ‚Reparatur‘- und Ersatzteil-Industrie zerlegt. Sie muss erst wieder mühsam aufgebaut werden und passt trotzdem nicht so recht in unsere Billig- und Schnäppchenwelt, mit der der Konsument täglich auf lästige Weise penetriert wird.

Schon seit vielen Jahren wird versucht, die bürokratischen Strukturen unserer öffentlichen Verwaltung zu straffen. Durchaus bekannte Politiker haben sich daran versucht und sind im Grunde gescheitert. Das Misstrauen gegenüber dem Bürger und der hoheitliche Modus sind diesen Strukturen nicht auszutreiben. Weniger Kontrollanstrengungen und mehr Kooperation wären wünschenswert. Wer dann glaubt, dass er die Verwaltung bei dieser geänderten Haltung hintergehen könne, muss dann auch hart angefasst werden können.

Auch die Digitalisierung ist ein Trauerspiel. Man spürt es insbesondere dann, wenn im Falle der Corona-Pandemie im Fernsehen zu erkennen war, dass dort dicke Listen im Stift und Papier geführt wurden, (wie vor hundert Jahren) und der Überblick ganz schnell verloren ging. Es muss eine digitale Grundstruktur in Deutschland geben, die einfach und effizient ist und die in Sonderfällen mit wenigen Handgriffen relevante Daten verknüpfen kann. Die Gebietskörperschaften haben sich an dieser Grundstruktur zu orientieren und können sie sinnvoll für ihre Zwecke ergänzen. Es kann aber nicht sein, dass jedes Land seine eigenen Strukturen aufbaut, die dann nur mit erheblichem Aufwand verknüpft werden können. Wir sollten nicht den Normalfall zu Grund legen, sondern den Notfall – wenn es gilt, deutschlandweit schnell und effizient, Anpassungen zu realisieren.

Die meisten dieser Punkte werden Sie mit ziemlicher Sicherheit in den bunten Parteiprogrammen nicht finden. Hier handelt es sich ja eine Aufzählung von Herausforderungen und in den Wahlprogrammen werden nur sogenannte Erfolgsmeldungen publiziert und von einer rosigen Zukunft geschwärmt. Die Realität wollen viele lieber nicht sehen, sie holt uns so oder so ein.

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