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Was dürfen wir erwarten?

Diese zurückhaltende Grundsatzfrage aus der Philosophie kommt mir in den Sinn, wenn ich mir die bevorstehende Bundestagswahl betrachte und es ist schwierig, hierauf eine vernünftige Antwort zu finden. Leider hat die AfD die Wahl mit dem überschaubaren Problem der Migration überwuchert, wobei sie natürlich vermeidet zu sagen, dass es sich in Wirklichkeit nur um den Teil der illegalen Migration handelt. Über den legalen Teil der Migration, also mit einer kleinen, aber notwendigen Differenzierung, löst sich der scheinbar große Dissens mit wenigen Worten auf.

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Selten habe ich eine Wahl erlebt, in der so viel verdreht, gelogen, für dumm verkauft wurde, wie zu diesem Wahltermin. Die Mehrzahl der Wahlkämpfer haben mit viel ‚Geschick‘ alle wesentlichen Punkte für die künftige Entwicklung unseres Landes aus der Diskussion herausgehalten. Dabei ist klar, dass die fehlende Ansprache real anstehender Probleme auch keine realistischen Lösungsansätze erkennen lassen.

Es fällt dem Beobachter auf, dass die Rechtsextremen eine andere Form der Sprache verwenden. Wer argumentiert und differenziert, spricht gewöhnlich „High Talk“ und die Politiker des Rechts außen nutzen intensiv alle Register des „Basic Talk“. Dabei geht nicht um Kommunikation und argumentativen Austausch auf Augenhöhe, sondern um Macht und Einfluss auf einfachstem Niveau: Wer hat hier außer mir das Sagen? Durch schlichte Aussagen, oft auch fehlerhaft und gelogen, wird versucht, die ‚Lufthoheit‘ (die Aufmerksamkeit) ohne inhaltliche Aussage zu erringen. Sachliche Argumente stehen gar nicht zur Debatte. Hat man die Aufmerksamkeit des Durchschnittszuhörers erreicht, ist das Sachargument bedeutungslos. Und wir Demokraten, die wir darin erzogen wurden, „High Talk“ zu praktizieren, sind oft sprachlos vor soviel Plattitüden. Es hilft nichts, wir werden uns darauf einstellen müssen, und müssen versuchen mit gleicher Münze, aber mit einem etwas höherem Anspruch dagegen zu halten1. Das kann man lernen, aber bitte schnell!!

Geopolitisch haben wir eine Zeit, in der Macht nicht mehr diplomatisch fein verkleidet und subtil ausgeübt wird (High Talk), sondern wir müssen erkennen, dass hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und Europa auf diesen Paradigmenwechsel nur bedingt vorbereitet ist. In USA, in China und in Russland sind inzwischen Autokraten an der Macht, die eine völlig andere Sprache sprechen. Es geht nicht mehr um begründete Argumente, Offenheit und unsere humanitären Werte, die gewöhnlich in einem Stil des ‚High Talk‘ ausgetauscht werden. Die ganze Diskussion wechselte mit der Einsetzung von Trump ziemlich schlagartig in einen emotionsgeladenen, Fakten ignorierenden und mit Lügen durchtränkten, Respekt verweigernden populistischen Stil des ‚Basic Talk‘. Die Rechtextremen beherrschen und nutzen diesen neuen Stil leider bis zum Erbrechen. Die demokratischen Kräfte wirken hier noch etwas hilflos.

Europa braucht dringend eine klare Führung, die auch ein europäisch demokratisch legitimiertes Machtwort sprechen kann. Bis wir uns im europäischen Sinne auf die neue Situation eingeschossen haben, ist die Sache Schnee von gestern. Trumps Strategie könnte man auch so beschreiben, dass er alle paar Minuten im Stil des Basic Talk irgendwelchen Unsinn absondert, der bei seinen Anhängern auf Resonanz stößt, aber die eingefahrenen Strukturen der Diplomatie im Regen stehen lässt. Darauf kann eine demokratisch orientierte Nomenklatur bisher nicht adäquat reagieren. Vielleicht wäre etwas mehr demonstrative Gelassenheit im europäischen Haus von Nutzen. Aber unter der Oberfläche der Gelassenheit sollte man hart daran arbeiten, eine europäische Strategie zu zimmern, die im entscheidenden Moment dem Handeln der Trumps in dieser Welt deutliche Grenzen setzten kann.

Man erzählt nichts Neues, wenn man zum Ausdruck bringt, dass die Infrastruktur in unserem Lande auf dem Zahnfleisch daherkommt. Es gibt da eine merkwürdige Verquickung von Kennzahlen: Unsere Nettoinvestitionsquote ist in den letzten 35 Jahren von rd. 10% auf nahezu Null abgesunken. Das ist die eine Seite des Prozesses. Gleichzeitig rühmen wir uns, weltweit den geringsten Verschuldungskoeffizienten aufzuweisen. Nach den Zahlen der SZ liegt unser Koeffizient bei 63%, d.h. gemessen an unserem Bruttoinlandsprodukt (BiP) leisten wir uns Schulden in Höhe von 63% des BiP und sind so etwas wie ein ‚Weltmeister‘. Viele andere europäische Länder liegen bei 100% und mehr. Japan liegt sogar über 200%.

Mit anderen Worten, wir haben uns eine finanzielle Restriktion (die Schuldenbremse) gegeben und wollen finanziell glänzen, mussten aber aufgrund mangelnder Finanzierungsquellen unsere öffentlichen Investitionen radikal zurückgefahren. Diese Politik hat dazu geführt, dass wir heute finanziell einen vorzeigbaren Verschuldungsgrad von nur 63% aufweisen und gleichzeitig auf einem Investitionsrückstau im Bereich der Infrastruktur von 600 Mrd. Euro sitzen. Das ist ein Meisterstück verfehlter Prioritäten.

Die Angabe zur Höhe der notwendigen Infrastrukturinvestitionen ist für mich nicht nachvollziehbar. Es handelt sich bei den 600 Mrd. Euro um eine Zahl, die durch die Gazetten wandert. Es könnte also auch noch teurer werden, weil diese Zahlen gewöhnlich keine Inflation erfassen.

Die Aufholjagd im Bereich der Defizite in der Infrastruktur wird sich über Jahrzehnte hinziehen. Preissteigerungen sind also so gut wie sicher. Andererseits ist diese Aufholjagd ein riesiges Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft in einer noch nie gekannten Größenordnung und Dauer. Dabei wäre es sinnvoll und erstrebenswert, wenn nicht nur das phantasielose „Weiter so“, sondern insbesondere die anzustrebende Nachhaltigkeit im Fokus stünde. Die notwendige und anerkannte Transformation ließe sich durch eine gezielte Steuerung im Rahmen des Konjunkturprogramms mit Auf- und insbesondere Umbau hervorragend kombinieren. Ich könnte mir vorstellen, dass diese bewusste Kombination die Zuversicht in den erfolgreichen Umbau der Wirtschaft für das Land beflügeln könnte.

Wenn hier von Infrastruktur gesprochen wird, ergibt sich die Frage, was könnte denn damit gemeint sein. Man sollte hier an einen Nachhol- bzw. Reparaturbedarf denken, u.a. bei Straßen, Brücken, öffentlichen Gebäuden (z.B. Schulen), Öffentlicher Nahverkehr (z.B. das Deutschlandticket und die Sanierung der Bahn), Digitalisierung, Abbau von Bürokratie, Renten- und Gesundheitssystem, Energiesysteme, Bildung u.v.a.m.. Es ärgert mich, dass diese Fragen kaum von den wahlkämpfenden Parteien angesprochen wurden. Dabei wird sich hier entscheiden, ob wir wirtschaftlich in der ersten Liga verbleiben können oder mangels einer wettbewerbsfähigen Infrastruktur hinten runter fallen.

Das ist nicht alles: Aufgrund der geopolitischen Entwicklung müssen wir unsere Sicherheitsaufwendungen drastisch erhöhen. Hier geistert ein zusätzlicher Investitionsaufwand von rd. 300 Mrd. Euro durch die Blätter. Die wahre Höhe wird sich erst ergeben, wenn sichergestellt werden kann, dass Europa in ihrer Sicherheitsstrategie zu einer gemeinsamen Lösung kommt und die Lasten von einer breiteren Basis getragen werden kann.

Wenn es bei der Wahl keine Überraschungen gibt, wird die CDU eine Koalition eingehen müssen.

Wenn es dumm läuft, wird sich Friedrich Merz in einer farblich leicht modifizierten Ampel wiederfinden, jene Form, die er in Zeiten der alten Ampel vehement gegeißelt hat. Man kann ihm nur wünschen, dass die Koalitionäre sich insoweit vernünftig verständigen, dass diese Regierung angesichts der anstehenden Aufgaben und der politischen Lage auch handlungsfähig ist und nicht der eine oder andere Koalitionär ständig versucht, sich auf Kosten der Koalition zu profilieren. So etwas soll es geben?!
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1Vgl. Peter Modler in der SZ vom 22.2.2025 und im Stern vom 12.9.2019. Ergänzend P. Modler, Mit Ignoranten sprechen, Campus Verlag, 2019

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Infrastruktur – noch einmal!

Wir haben ein Infrastrukturproblem. Die veröffentlichten Wirtschaftsdiskussionen drehen sich nach neoliberaler Ideologie um die Frage, wie wir den gebeutelten deutschen Unternehmen in der sich möglicherweise abzeichnenden Rezession helfen können: es werden Steuersenkungen und neue Subventionen heiß diskutiert. Das Infrastrukturproblem wird immer wieder beiseite geschoben, weil die gewichtige Funktion der Infrastruktur in der ökonomischen Theorie überhaupt nicht vorkommt. Infrastruktur wird vorausgesetzt, sie hat einfach da zu sein. Und genau da beißt sich die Katze in den Schwanz.

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Die Funktion des Staates wird nur unter der Prämisse der Steuererhebung betrachtet. Und es wird unterstellt, dass die Steuern nur deshalb erhoben werden, um viele „unproduktive“ Dinge zu realisieren. Die Tatsache, dass unsere Gesellschaft (und nicht nur die Wirtschaft) über diese Maßnahme Investitionen tätigt, die dafür Sorge tragen, dass die vielen und unterschiedlichen Geschäftsmodelle unserer Wirtschaft realisiert werden können, wird als unbeachtlich betrachtet. Und das schon seit mindestens 35 Jahren:

Der Abgeordnete der Linken, Viktor Perli, hat neben seinen Aufgaben als Bundestagsabgeordneter sich mit der Frage beschäftigt, wie verläuft eigentlich die deutsche Nettoinvestitionsquote in den letzten 35 Jahren (vgl. SZ, 7. Februar 2025, S. 14). Es wäre Aufgabe der Bundes- und Landesregierungen, sich dieser Frage zu stellen. Sie wird nicht gestellt, weil vermutlich das Ergebnis so niederschmetternd ist, dass man dieses Fass ab besten gar nicht aufmacht.

1990 verfügte Deutschland noch über eine Nettoinvestitionsquote von etwa 10% des Bruttoinlandsproduktes (BiP). Im Jahre 2024 beläuft sich die Nettoinvestitionsquote nur noch auf 0,4%. Die Nettoinvestitionsquote erfasst dabei die getätigten öffentlichen und privaten Investitionen abzüglich der Abschreibungen und setzt diesen Betrag der Nettoinvestitionen ins Verhältnis zum BiP. Die SZ überschreibt dieses Bild mit der Überschrift: „Deutschland fährt auf Verschleiß“.

Um sich den Inhalt dieser dürren Zahlen klar zu machen, muss man sich ein Unternehmen vorstellen, bei dem in jedem Jahr das Anlagevermögen schrumpft, weil die Abschreibungen auf den Bestand die Summe der Neuinvestitionen überschreitet. Wer sich jemals mit dem Gedanken getragen hat, ein Produktionsunternehmen zu erwerben, schaut als erstes auf das Anlagevermögen und versucht grob zu überschlagen, wie alt das produktive Anlagevermögens einzuschätzen ist. Bei Unternehmen wird der Anschaffungswert der Investitionen vor Abzug der kumulierten Abschreibung aufgezeigt. Wenn der Restwert (Nettowert nach Abzug der Abschreibungen) unter 50 % der Anschaffungskosten liegt, ist das ein Punkt, dem der potenzielle Erwerber kritische Aufmerksamkeit widmen wird, weil der Verdacht besteht, dass das Unternehmen über mehrere Jahre schon nicht mehr ausreichend investiert hat. Und das zeigt die Nettoinvestitionsquote auf (einer etwas anderen) Basis des BiPs.

Wenn man davon ausgeht, dass in den letzten 35 Jahren die privaten Investitionen aufgrund der Tatsache, dass unsere Wirtschaft in dieser Zeit recht gut verdient hat, wohl mindestens auskömmlich gewesen sein müssen, bleiben nur die öffentliche Investitionen übrig, um die Talfahrt der Nettoinvestitionsquote zu erklären. Und wo sollte der Staat investieren? – natürlich in seine Infrastruktur! 1

Aus der Relation von Nettoinvestitionen und Bip lässt sich jedoch sehr klar ablesen, dass die Politik als das Organ, das als Mindestanforderung die Funktionsfähigkeit unseres Gemeinwesens im Auge behalten muss, hier in den letzten 35 Jahren zunehmend versagt hat. Selbst dann, wenn man der Politik keine führende Aufgabe zubilligt, sondern die bequemere Rolle einer Dienstleistung unterstellt, ist das Ergebnis unzureichend. Die Dienstleistung besteht ja gerade darin, dafür zu sorgen, den „Laden“ zumindest am Laufen zu halten.

Die Schuld ausschließlich den Politikern in die Schuhe zu schieben, ist zu einfach. Aus meiner Sicht gibt es mindestens zwei Gründe für diese Entwicklung: eine historische und eine strukturelle Perspektive.

Die historische Perspektive ist relativ schlicht. In den vergangenen etwa 200 Jahren haben immer wieder aufflammende Kriege dafür gesorgt, dass die Frage der Überalterung der Infrastruktur kein wesentliches Thema der Politik war. Jetzt haben wir es geschafft, in Europa bis zum Einmarsch von Putins Soldaten in die Ukraine so etwas wie einen fragilen Frieden zu erhalten. Damit wird aber auch die Frage nach dem Alter der Infrastruktur virulent. Die Frage war bisher durch regelmäßig auftretende kriegerische Zerstörungen überflüssig, weil die Infrastruktur in nahezu jeder Generation wieder neu aufgebaut werden musste.

Die strukturelle Perspektive fordert m.E. zwei Fragen heraus:

1. Ist die Infrastruktur überhaupt Gegenstand des ökonomischen Diskurses oder ist das ein Fall, über den alle Welt redet, aber über den aus unerfindlichen Gründen keine adäquate theoretische Untersuchung und Beurteilung stattfindet und

2. sind unsere Verwaltungsstrukturen und die dort verwendeten Hilfsmittel zur Überwachung in der Lage, den jeweiligen Zustand der Infrastruktur angemessen zu beurteilen?

Zu 1: Mein Eindruck ist, dass die Fragestellung, die um die Infrastruktur kreist, in der theoretischen Ökonomie wenig Bedeutung hat. Meine Begründung dazu ist recht simpel gestaltet: Ich habe Google und die KI „Phind“ in Anspruch genommen und nach einer wirtschaftlichen Bewertung der Infrastruktur gefragt. Die Reaktion war enttäuschend. Verwendbar war ein Gutachten aus Österreich (2010)2 und aus Münster (2008)3, die mir einige Ideen und Ansätze liefern.

Die Autoren der Gutachten versuchen Infrastruktur durch eine Klassifizierung diverser Formen von Infrastruktur (technische, soziale, usw.) zu beleuchten. Mir scheint ein anderer Ansatz sinnvoller.

Nehmen wir ein Produktionsunternehmen, so haben wir je nach Größe des Unternehmens Produktionslinien, die Produkte oder Teile eines Produktes herstellen. Nachdem der Unternehmensaufbau erfolgreich abgeschlossen ist, ist der Zweck des Unternehmens seine Produkte herzustellen und am Markt zu verkaufen. Intern kann man dann eine Produktionsfunktion und eine Funktion unterscheiden, die ich mit „Erhaltung der Infrastruktur“ umschreiben würde. Die Linie produziert und die Funktion der Infrastruktur ist es, sicherzustellen, dass die Linie ihre Aufgabe möglichst reibungslos erledigen kann. Ich beschreibe nicht irgendwelche „Trümmerstücke“, sondern ich gehe davon aus, dass mit der Infrastruktur die Funktion oder die Aufgabe verbunden ist, dafür Sorge zu tragen, dass ein bestehendes Primärsystem sich seiner Funktion zuwenden kann und das Infrastruktursystem dabei die Funktion realisiert, dass das Primärsystem „reibungslos“ seine Aufgabe wahrnehmen kann. Systeme haben den Vorteil, dass sie auf eine Funktionserfüllung gerichtet sind und nicht immer wieder Einzelfälle beschrieben werden müssen. Infrastruktur ist nach dieser Vorstellung ein System zur Systemerhaltung. An der materiellen Struktur des Unternehmens muss sich dadurch nichts grundsätzlich ändern. Nur für einen Teil des Unternehmens ändert sich die Perspektive zu einer Aufgabenstellung durch die neue Funktion zur Erhaltung der Infrastruktur. Es geht nicht mehr um Auf- und Ausbau des Primarbereiches, sondern um die Erhaltung und Entwicklung der unbedingt dazugehörigen Infrastruktur.

Man kann diesen Ansatz auch grob mit einer Kostenrechnung vergleichen. Die Hauptkostenstellen sind die Produktionslinien. Das unverzichtbare System zur Erhaltung der Infrastruktur wird in der Kostenrechnung gewissermaßen durch die sogenannten Gemeinkosten repräsentiert, die anfallen und nach unterschiedlichen Kriterien auf die Hauptkostenstellen verteilt werden, damit die Kosten der Erhaltung der Infrastruktur dem Produkt angemessen zugerechnet werden können.

Der Gesichtspunkt der Infrastruktur wird oft bei der Diskussion von Wirtschaftsfragen übersehen. Es ist die Frage, welche Bedeutung die Qualität der (öffentlichen) Infrastruktur für den Erfolg von Wirtschaftsunternehmen hat? Großmann und Hauth kommen zu dem Schluss, dass „Infrastruktur (…) alle Einrichtungen (u. a. Verkehr, Energie, Telekommunikation, Bildung, Gesundheitssystem, Rechtssystem) umfasst, die für ein reibungsloses Funktionieren von modernen, arbeitsteiligen und hoch spezialisierten Volkswirtschaften notwendig sind. Durch die besonderen Merkmale von Infrastruktur, wie z. B. die Netzeigenschaft bei Straßen, Rohr- oder Energieleitungen, wo der Nutzen des gesamten Netzes die Summe des Nutzens seiner Einzelkomponenten übersteigt, aber hohe Fixkosten bei der Erstellung vorliegen (natürliches Monopol), kann Marktversagen ausgelöst und dadurch staatliche Intervention begründet werden.“

Die Infrastruktur ist also ein sehr weiter Begriff, ähnlich dem Begriff des Unternehmers oder der Wirtschaft, der viele Einzelaktivitäten erfasst, um sicherzustellen, dass unternehmerische Aktivität überhaupt möglich wird. Aber die Wertschätzung der Infrastruktur reicht bei weitem nicht an die Begrifflichkeit des Unternehmers oder der Wirtschaft heran, weil vielen nicht klar ist, dass ohne ein Infrastruktursystem unternehmerisches Handeln nahezu unmöglich ist. Man müsste die Bedeutung der meist durch das Gemeinwesen finanzierten Infrastruktur für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik auf Augenhöhe mit der unternehmerischen Aktivität betrachten. Das unterbleibt, weil sich Infrastruktur im Konkreten in zahllose Einzelaktivitäten auflöst, die bei keiner identifizierbaren öffentlichen Institution zusammen laufen.

Zu 2: Unsere Verwaltung ist hinsichtlich der Infrastruktur überfordert, weil wir zwar über ein Wirtschaftsministerium verfügen, aber die Kompetenzen für die Infrastruktur auf eine Vielzahl von Ministerien verteilt sind und jedes Ministerium hat so seine Lieblingsthemen. Infrastruktur rutscht da hoffnungslos durch die Ritzen. Jede Einzelmaßnahme in den Ministerien zur Infrastruktur mag unbedeutend und oft im Kreise der Ministerkollegen auch nur schwer durchsetzbar sein, aber wenn man die Vielzahl der Einzelmaßnahmen in den Ministerien zu einem Infrastrukturprojekt zusammenfassen würde, wäre die Bedeutung und das Gewicht der Infrastruktur für den wirtschaftlichen Erfolg offensichtlich. Und dann wird auch offensichtlich, dass die öffentlichen Nettoinvestitionen im Rahmen der Infrastruktur einfach aus dem ‚Radar‘ gerutscht sind. Und da es in der politischen Bürokratie kein Infrastrukturprojekt gibt, das die Notwendigkeiten zusammenfasst und für jeden Politiker erkennbar macht, wird kurzfristig hier nichts Wesentliches geschehen. Das offensichtliche Problem wird zwischen den Einzelinteressen der verschiedenen Ministerien zerrieben.
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1 Vgl. meinen Artikel „Unsere Infrastruktur könnte besser sein.“ in diesem Blog vom 14.2.2021.

2 B. Grossman u. E. Hauth, Infrastrukturinvestitionen: Ökonomische Bedeutung, Investitionsvolumen und Rolle des öffentlichen Sektors in Österreich, 2010

3 Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung, Münster, Bedeutung der Infrastrukturen im internationalen Standortwettbewerb und ihre Lage in Deutschland, 2008

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