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„Bedenke das Ende“ – eine etwas andere wirtschaftliche Perspektive

In einer ‚leeren‘ Welt als Synonym für eine schwachbevölkerte Welt konnten es die Menschen sich leisten. Produktion ‚linear‘ von der Wiege bis fast zur Bahre (hier: die Veräußerung) zu denken und was danach geschieht, entzieht sich, als Müll bezeichnet, weitgehend unserem wirtschaftlichen Interesse.

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In einer ‚vollen‘ Welt mit hoher Bevölkerungsdichte und hohen Produktionsvolumina führt diese Denkweise in die Irre, denn sie blendet die Tatsache aus, dass wir, solange wir eine Wachstumsstrategie verfolgen, systematisch auch immer mehr Abfall produzieren.

Wir ersticken buchstäblich im Abfall. Wir verwalten ihn für viel Geld so gut es eben geht und sprechen hin und wieder vom Recyceln, aber nur (vermutlich geschönte) 12% des Abfalls werden einem „Recycling“ (ohne wenn und aber) zugeführt. Der Rest wird aufbewahrt, manchmal illegal abgefackelt und ansonsten „thermisch“ recycelt, also auf deutsch: CO2-wirksam verheizt. Das ist keine nachhaltig sinnvolle Lösung.

Die Ökonomie kennt zwar den Ausschuss und den Verschnitt im Rahmen eines Produktionsprozesses, aber die Ökonomie erfasst in ihren gewöhnlich linearen Überlegungen mit keinem Wort, dass alles das, was das ökonomische System an Produkten hervorbringt, irgendwann unweigerlich zu Lasten der Biosphäre in Abfall mündet. Man hat die Biosphäre bei der Extraktion von Ressourcen nicht gefragt und fragt die Biosphäre auch nicht, wie sie mit all dem vom Menschen geschaffenen Abfall umgehen soll. Aus den Augen aus dem Sinn!! Die Ökonomie macht im Großen dass vor, was wir im Kleinen in jedem Wald an illegal entsorgtem Abfall finden können – nach der Devise: sollen sich doch andere darum kümmern!!

Vor Jahrzehnten wurde der Grüne Punkt ins Leben gerufen. Er funktioniert über ein Lizenzsystem und erhält von jedem Hersteller einen überschaubar geringen Obolus, der gesammelt eine beachtliche Summe an Geld zur Verfügung stellt. Diese Gelder dienen m.E. dazu, die Abfallwirtschaft zu subventionieren, damit sie den Abfall schön sortiert, ihn thermisch recycelt oder gar exportiert, damit der Bürger nicht erkennt, dass langfristig und schrittweise die Voraussetzungen für ein Müll-Chaos geschaffen werden. Wir müssen uns das so vorstellen, dass die Abfallwirtschaft durch den Grünen Punkt ein gigantisches nie endendes Geschäftsmodell darstellt. Abfall ist systemimmanent! Und da man damit gute Geschäfte macht, gibt es auch keinen Anlass, dieses System besser oder innovativ anders zu organisieren. Warum auch – der ‚Rubel‘ rollt doch!

Das einzige Problem ist die Endlichkeit – irgendwann schlägt die Klimakrise zu oder der Planet wird landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung stellen müssen, damit der Müll (natürlich sauber geordnet) aufgestapelt werden kann. Können Sie sich vorstellen, dass uns künftig ein etwas dekadenter ‚Erlebnistourismus‘ auf Mülldeponien führen wird, weil der Blick von den hohen „Monte Scherbelinos“ über die Müllberge so „herrlich bunt das Auge entzückt“ (wie die Werbung es uns dann versprechen wird) und hoffentlich wird dabei wenigstens unser makabrer Sinn für Ordnung befriedigt.

Der Grüne Punkt ist in meinen Augen eine „Gelddruckmaschine“, mit deren Hilfe sich ein Abfallwirtschaftssystem etabliert hat, das darauf hofft, dass sich möglichst nichts daran ändert. Und der Politik ist das nur recht. Ein Problem weniger…!?

Als Lösung wird hierfür vielfach die Kreislaufwirtschaft gepriesen, wobei die meisten Befürworter die damit verbundenen Zusammenhänge für ein Funktionieren dieser Wirtschaftsform nicht erkennen bzw. ausblenden wollen. Die Kreislaufwirtschaft geht davon aus, dass der Teil des Abfalls, der recycelbar ist, dem Wirtschaftskreislauf wieder zur Verfügung gestellt wird. Das sind mit Sicherheit keine 100 Prozent. Der Rest des Ressourcenbedarfs wird wie heute auch durch den Abbau von Ressourcen (Extraktion) bereitgestellt werden müssen. Um die Extraktionsquote so klein als möglich halten zu können, muss die Recyclingquote so hoch als möglich geschraubt werden.

Recycling ist aber kein Perpetuum Mobile. Bei jedem Recyclingdurchlauf entstehen Verluste. Der Verbrauch an den originären Ressourcen wird sich dadurch aber drastisch reduzieren lassen, was wiederum der Grundstoffindustrie gar nicht gefallen wird. Der Widerstand dürfte entsprechend heftig ausfallen.

Bei Lebensmitteln gibt es kein Recycling. Millionen Tonnen Lebensmittel werden jährlich „entsorgt“ (vernichtet). Das lässt sich aber nicht durch Recyceln regeln, sondern durch Veränderung unserer Ernährungsgewohnheiten, die insbesondere durch Wünsche und Erwartungen des Lebensmittelhandels durchdrungen sind. Es gibt Handelsklassen, die bestimmen, wie ein Lebensmittel auszusehen hat. Was dem nicht entspricht, wird ausgesondert und kommt i.d.R. erst gar nicht auf den Markt. Die Ware ist nicht minderwertig, sie entspricht nur optisch oder von der Größe her nicht den Handelsklassen und gilt damit als unverkäuflich. Es müssten lokale Märkte jenseits des Handels und seiner Handelsklassen (notfalls) subventioniert geschaffen werden, um diese ca. 30 Prozent einer Ernte nicht regelmäßig unterpflügen (verschwenden) zu müssen.•••••

Die Kreislaufwirtschaft hat eine weitere Herausforderung: Das recycelte Wirtschaftsgut (das Grundprodukt) wird nur dann in einem zweiten oder dritten Durchlauf vom Markt akzeptiert werden, wenn der Preis des recycelten Wirtschaftsgutes dem der Originalressource entspricht oder sogar leicht darunter liegt. Ist das recycelte Gut teurer, wird es keinen Käufer finden. Mit anderen Worten: Das Recyceln des Abfalls muss kostenmäßig grundsätzlich zu Lasten des jeweiligen Ausgangsproduktes erfolgen. Die Kosten können nicht auf die Verwendung des recycelten Wirtschaftsgutes vorgetragen werden.

Die Idee hierzu ist schon längst geboren: Der Grüne Punkt lizenziert im Prinzip alle Güter und hat ein System entwickelt, in dem jeder Produzent für die Abfallwirtschaft einen Beitrag zu leisten hat. Diese Geldsammelstelle (oder „Gelddruckmaschine“) sammelt heute schon das Geld ein, das die Abfallwirtschaft subventioniert. Das Lizenzsystem ist als Stücklizenz je nach produziertem Wirtschaftsgut auszudehnen und zu differenzieren, um die recycelten Wirtschaftsgüter dem Primärmarkt wieder zu einem Preis zur Verfügung stellen zu können, der leicht unter dem Preis der ursprünglichen Ressource liegt. Diese Preisdifferenz sollte so gestaltet sein, dass der recycelte Stoff im n-ten Recycling-Durchgang immer noch eine reale Chance hat, am Markt zu bestehen.

Das ist die Beschreibung des schlichten Marktmechanismus. Aber wie können wir die Recyclingquote wesentlich erhöhen? Die gegenwärtige Quote von 12 Prozent ist absolut unzureichend. Auch hierzu kann der Grüne Punkt einen Betrag leisten: Wir sind gewohnt, jede Art von Produktion nur als eine Konstruktion vom Rohstoff bis zum verkaufsfähigen Produkt zu begreifen. Dann endet jedes Weiterdenken. Aber jede Produktion endet einmal unweigerlich als Abfall oder Müll. Also müssen wir künftig doch bei jeder Produktion die Grund-Frage stellen: Lässt sich das produzierte Wirtschaftsgut technologisch einfach und kostengünstig recyceln?

Jedes Wirtschaftsgut wird heute einer Vielzahl von Bewertungen unterworfen, warum also nicht eine offizielle Bewertung einführen, die die technischen Möglichkeiten des Recyclings des jeweiligen Gutes abschätzt, bewertet und einen Lizenzbeitrag bezüglich des Grünen Punktes für den Produzenten festschreibt. Ist das Gut technisch einfach und erfolgreich zu recyceln, so drückt sich das in einem geringeren Lizenzbeitrag für dieses Gut aus. Im anderen Fall wird es teurer oder gar richtig teuer. Das Produkt verliert dann möglicherweise an Marktattraktivität und regelt damit die dabei entstehende Abfallmenge.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Frage nach der Lebendauer eines Wirtschaftsgutes. Wenn in der „Abfalllizenzprämie“ des Grünen Punktes auch eine Bewertung der Lebensdauer eingebaut würde, so wird nicht nur der Kreislauf eingehalten, sondern auch die Umschlagsgeschwindigkeit des Kreislaufprozesses beeinflusst. Die „Dinge“ bleiben viel länger in Gebrauch und belasten die Abfallquote erst zu einem viel späteren Zeitpunkt.

Die Verlängerung der Lebensdauer führt auch dazu, dass sich einerseits die Produktionsweise von „billig“ und „Masse“ zu „mehr Qualität“ verändert. Die damit einher gehende Preiserhöhung für qualitativ bessere Güter wird andererseits notwendig wieder eine Reparaturwirtschaft fördern, weil sich aufgrund der besseren Qualität der Produkte auch Reparaturen wieder lohnen. In diesem Sinne ist die EU-Forderung nach Reparaturfähigkeit der Wirtschaftsgüter ein Schritt in die gleiche Richtung.

Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass in einer Kreislaufwirtschaft nur noch Teile der angeblich unverrückbaren ökonomischen Grundsätze gelten werden, die vielfach heute noch unser lineares Wirtschaftssystem prägen. Diese Entwicklung ist aber m. E. unvermeidlich, weil die gegenwärtige Form unseres Wirtschaftens nicht zu halten ist. Welchen Namen diese Wirtschaftsform letztlich erhalten wird, bleibt abzuwarten, weil niemand klar sagen kann, wohin die künftige Entwicklung laufen wird. Der Prozess ist trotz der vielen Widerstände offen, weil ein „Weiter so“ keine Option ist und das macht die Transformation so spannend!

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