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Die Transformation gelingt!?

Unter der Überschrift “Die Klimatransformation wird gelingen“ fasst die SZ am 24.10.2024 optimistisch das Ergebnis des Interviews mit Susan Solomon zusammen. Dabei könnte man der Auffassung sein, dass die Aussage eine Selbstverständlichkeit ausdrückt. Entscheidend wird der Punkt sein, auf welchem Niveau die Menschheit dann noch Teil des Transformationsprozesses sein wird?

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Als vor gut fünfzig Jahren die ersten Mahner zur Klimakrise auftraten, war ihr Bemühen darauf gerichtet, Lösungen zu finden, die den anstehenden Transformationsprozess so gestalten, dass die dabei auftretenden Kollateralschäden aus humaner Perspektive so gering als möglich ausfallen. Der Prozess sollte „by design“ gestaltet werden, d.h. der Prozess sollte kontrolliert hinsichtlich der betroffenen Bevölkerungsteile ablaufen. Das zu vermeidende Gegenstück wurde unter dem Begriff „by desaster“ diskutiert. Letztere Vorstellung war von der Sicht geprägt, dass die Entwicklung unkontrolliert, dann auch von der menschlichen Perspektive her als unsteuerbar gilt und katastrophale Folgen für große Teile der Weltbevölkerung nicht ausgeschlossen werden können.

Der Design – Ansatz droht nun zu scheitern, weil große Bevölkerungsteile der nördlichen Hemisphäre die Herausforderung nicht erkennen wollen und deshalb sich jeder Veränderung gegenüber sperren. Es kommt die alte Managementerkenntnis zum Zuge: Es ist schwer, jemanden von einer Lösung zu überzeugen, wenn der Jemand sein Geld damit verdient, dass er die Lösung ignoriert. Dabei rinnt uns die Zeit durch die Finger, die wir für eine angemessene Lösung benötigen.

Wie kann man dann behaupten, dass die Klimatransformation gelingen wird? Das ist eine Frage der Perspektive. Unser Planet existiert seit etwa vier Mrd. Jahren und hat gute Aussichten auf einen Bestand für weitere vier Mrd. Jahre. Mit anderen Worten, der Planet wird ausreichend Zeit haben, um sich von der bis jetzt etwa 250 Jahre dauernden technologischen Penetration der Biosphäre durch die Spezies Mensch wieder zu erholen. So gesehen ist die Aussage, dass die Klimatransformation gelingt, prinzipiell eine Selbstverständlichkeit.

Die entscheidende Frage ist doch: gibt es dann noch adäquates menschliches Leben auf der Erde? Wenn die Erwärmung weiter steigt, die Unwetter weiter an Anzahl und Heftigkeit zunehmen, nimmt der Planet in seiner Grundstruktur wohl keinen nennenswerten Schaden. Am Ende wird es eben keine 8 Mrd. Menschen mehr auf diesem Planeten geben, sondern vielleicht nur noch 3 Mrd. Menschen mit der Folge, dass die Klimakrise dann kein Problem mehr darstellt. Das könnte eine mögliche, grobe Beschreibung des „Desaster-Szenarios“ darstellen. Damit wäre der Biosphäre die Klimatransformation auf Kosten der Spezies Mensch gelungen! Aber die Konsequenzen für die Menschheit und die Zahl der möglichen Opfer wären dramatisch.

Susan Solomon hat die Trägheit der Masse Mensch richtig angesprochen. Sie meint, die Trägheit der Bevölkerung hinsichtlich des Klimawandels ließe sich erst dann überwinden, wenn eine „personal perception“ (eine persönliche Wahrnehmung und damit Betroffenheit) zum Tragen kommt. Im Klartext heißt das, dass wir warten, bis das „Desaster – Szenario“ bei einer Mehrheit der Bevölkerung konkret angekommen ist, der Problemdruck und die Verunsicherung so groß geworden sind, dass die Menschen aus ihrer Komfortecke hochgeschreckt werden und zum Handeln (zur „Praxis“) kommen. Die Erwartung, dass dann noch ein koordiniertes, überlegtes Handeln sich durchsetzen kann, erscheint wenig wahrscheinlich, weil es absehbar keine Instanz gibt, die auf diese Aufgabe vorbereitet ist und sie zielorientiert übernehmen kann. In Deutschland bräuchte es dazu einen Konsens, welche Maßnahmen Priorität haben und welche Maßnahmen eher in die zweite oder dritte Reihe zurücktreten sollten. Auch dieser Konsens erscheint nur schwer erzielbar und er braucht vor allem Zeit, die wir dann nicht haben.

Solange man den Weg des „Designs“ verfolgt, verfügt man i.d.R. über eine ganze Reihe von Handlungsoptionen, wie man der anstehenden Problematik Herr werden könnte, ohne das „Desaster-Szenario“ realisieren zu müssen. Aber mit Eintritt des „Desasters“ verlieren wir mit größer Wahrscheinlichkeit die Kontrolle über das Geschehen, weil jede(r) Betroffene nach dem Prinzip handelt, rette sich wer kann. Das Chaos ist vorhersehhbar. Die vernunftgesteuerten Maßnahmen, die der Design-Ansatz möglich gemacht hätten, sind im Falle des Desaster-Szenarios hinfällig, wenn aufgrund des hohen unmittelbaren Problemdrucks unkoordiniert und punktuell gehandelt wird. Wir haben zwar im Desaster-Szenario anders als im Design eine große Bereitschaft der Bevölkerung zu handeln, verlieren aber jede Chance, die Handlungen sinnvoll koordiniert und zielgerichtet durchführen zu können.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die Akzeptanz der möglichen Folgen des Desasters konkret Menschenleben in Gefahr sind oder verloren gehen. Diese schockartige Erfahrung wird bei vielen Betroffenen völlige Kopflosigkeit auslösen. Das könnte die negativen Einflüsse des Desasters noch verstärken und politisch zu Entwicklungen führen, die heute in keiner Weise absehbar sind.

Alles, was bis hierher als möglich oder wahrscheinlich dargestellt wurde, ist an die Eintrittswahrscheinlichkeit des „Desaster-Szenarios“ gebunden. Insofern komme ich zu der Einschätzung, dass es gute Gründe gibt, sich weiterhin gezielt für einen „Design-Ansatz“ einzusetzen, weil die Folgen aus dem „Desaster-Szenario“ unabsehbar für die Menschheit wird. Der scheinbare Optimismus von Frau Solomon führt ins Desaster und taugt als solcher nicht. Dann besser die optimistische Haltung, dass eine Mehrzahl in der Bevölkerung sich trotz aller Unzulänglichkeiten für den Weg des „Design-Ansatzes“ entschließen wird, die notwendigen Konsequenzen anerkennt, danach handelt und ihre Kuschelecke aufgibt, um an der Transformation unterstützend mitzuarbeiten.

Das „Desaster-Szenario“ braucht keine Maßnahmen, sondern nur ein „Weiter so“ der Menschheit und noch ein wenig Zeit, bis es die volle Wucht seiner Zerstörung erreicht hat. Das ist wohl eindeutig die schlechtere Lösung. Also bleiben wir in diesem Sinne für einen „Design-Ansatz“ optimistisch, wenn auch mit großen Vorbehalten.

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