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Ein paar Gedanken zur Bevölkerungsentwicklung

Die Bevölkerungsentwicklung eines Landes hat mindestens zwei ökonomische Aspekte: Einmal kann die Bevölkerung aus dem Blickwinkel der notwendigen Arbeitskräfte betrachtet werden, also als sogenannter Produktionsfaktor und der zweite Aspekt ist der des Konsumenten, der das Geld, das er oder sie im Rahmen der Produktion verdient, als Konsument zum Erwerb von Endprodukten einsetzt. Und „Sparen“ sollten er und sie dann auch noch.

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Wie sieht das heute konkret aus? Es ist schwer, einen ordentlichen Fach-Handwerker zu finden. Wir warten bei vielen Ärzten, insbesondere bei sogenannten Spezialisten, oft Monate auf einen Termin. In den Krankenhäusern und Pflegestationen sind je nach Aufgabe zwischen 20 – 50% Pfleger und Ärzte, die einen Migrationshintergrund haben. Wer sich einmal unter die Bauleute mischt, stellt fest, auch dort haben große Teile der Belegschaften einen Migrationshintergrund aufzuweisen. Die Handwerksberufe suchen dringend, aber bekommen kaum Lehrlinge. Da läuft doch was grundsätzlich aus dem Ruder.

Es gibt nun Zahlen, die davon ausgehen, dass dieses Land bei einer etwa gleichbleibenden Wirtschaftsentwicklung jährlich bis zu 400.000 Arbeitnehmer durch Zuwanderung brauche. Parallel zieht die AfD auf Stimmenfang durch die Lande mit einer Vorstellung von „Remigration“ und „Deutschland den Deutschen“. Wo leben diese Politiker eigentlich? Wer kümmert sich denn um deren Eltern, wenn bis zu 30% u.m. „remigriert“ werden? Haben sich die Vertreter der AfD jemals klar gemacht, was passieren würde, wenn morgen am Tag alle Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund aufstehen und ihre Arbeit demonstrativ nur für eine Stunde niederlegen würden? Lösungen haben diese Herrschaften der AfD nun wirklich nicht, nur hohle Sprüche.

Die jährlichen Zuwanderungszahlen, die von einer Reihe von Ökonomen als notwendig betrachtet werden, fallen ja nicht vom Himmel. Woher sollten diese Menschenströme denn kommen? Wohl kaum aus der EU, denn in den meisten EU-Ländern haben wir ähnliche Probleme. Sind wir darauf eingerichtet, solche „Ströme“ auch angemessen zu behandeln (Integration, Sprachkurse, Wohnungsmarkt, Kitaplätze, Schulkapazitäten u.ä.). Wir haben uns in diesen Fragen in den letzten Jahrzehnten nicht mit Ruhm bekleckert!

Es gilt nach wie vor als Staatsräson, dass Wachstum unverzichtbar sei. Aber Wachstum funktioniert nur, wenn Innovation, materielle Ressourcen und humane Ressourcen zusammenspielen. Der Verbrauch von materiellen Ressourcen steht im Feuer. Er wird von der Ökonomie mit dem Argument der Innovation und einer zunehmenden Effizienz ziemlich unglaubwürdig gerechtfertigt. Aber auch in die Bereitstellung von ausreichend Personal für den wirtschaftlichen Bedarf sieht es traurig aus.

Das Argument immer steigender Effizienz ist ähnlich unsinnig wie ewiges Wachstum. Effizienz braucht zur Umsetzung immer mehr Energie. Hier wird die Kostenseite irgendwann dem Wahn ein Ende setzen. Effizienz ist ja nicht nur eine wirtschaftliche Fragestellung. Auch die Physik spielt hier eine maßgebliche Rolle. Nach meinen Gefühl (das Wissen dazu fehlt mir) verläuft Effizienz asymptotisch: im Unendlichen erreicht sie das Optimum, aber die Kosten explodieren lange vor der Unendlichkeit.

Ökonomie, so wie wir sie heute verstehen, steht auf drei Pfeilern: Kapital (i.w.S.), materielle Ressourcen und Menschen (auch als Humankapital bezeichnet). Ist einer dieser drei Faktoren defizitär, so ist die gewünschte Entwicklung massiv gestört. Wenn die erforderliche Zahl von Zuwanderern wirklich pro Jahr 400.000 Neubürger wäre, so ist naturgemäß die erste Frage: Wo sollen diese Menschen herkommen? Je größer die Bildungsunterschiede und je ‚fremder‘ der kulturelle Hintergrund sind, desto schwieriger wird die Eingliederung und umso länger wird sie dauern; von den gesellschaftlichen Kosten der Eingliederung ganz zu schweigen. Obwohl dieser Zuwachs von 400.000 Neubürgern jährlich nur 0,5% des Bestandes der Bevölkerung beträgt, kann man gegenwärtig nicht davon ausgehen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung diese Entwicklung begrüßt (obwohl keine sinnvolle Alternative erkennbar ist).

Die Folge unserer gegenwärtigen Entwicklung ist eine starke Alterung vieler Gesellschaften in Europa. Immer mehr alte Menschen brauchen Unterstützung und Zuwendung, um ihren Lebensalltag zu gestalten. Die Rentensysteme sind darauf nicht eingestellt. Das bestehende Rentensystem geht im Grundsatz davon aus, dass die Beiträge der Jungen den Bedarf der Alten decken. Diese Rechnung wird absehbar nicht aufgehen können. Auch nicht bei jährlich 400.000 hoffentlich jüngeren Neubürgern. Unser Rentensystem ist in der Finanzierung seit Anbeginn auf den Faktor Arbeit begrenzt. Ob in einer alternden Gesellschaft dieser Grundsatz noch Gültigkeit behalten kann, erscheint zweifelhaft. Heute schon wird aus anderen Töpfen zu finanziert.

Je mehr die Wirtschaft wächst, desto mehr Konsumenten (im In- oder Ausland) braucht sie, damit die Produkte Abnehmer finden können. Der Bedarf einer alternden Gesellschaft schrumpft aus sich heraus. Alte Menschen haben zum Konsum ein anderes Verhältnis als junge. Das Statusdenken entwickelt sich zurück, es gibt andere, neue Ziele, die durch das klassische Marketing kaum zu beeinflussen sind. Die alternde Gesellschaft ist eine Vorstufe zu einer schrumpfenden Gesellschaft. Ökonomisch bedeutet dieser schleichende Prozess, dass die Voraussetzungen für Wachstum in Europa möglicherweise aus Mangel an (jungen) Arbeitskräften und damit insbesondere auch an Konsumenten künftig gar nicht gegeben sind.

Was könnten die Ursachen für diese Entwicklung sein? Unsere Fertilitätsrate ist mit 1,34 Kindern zu niedrig, um die Sterberate und die Zunahme der allgemeinen Lebensdauer der Menschen auszugleichen. Die Fertilitätsrate beschreibt die durchschnittliche Zahl an Kindern, die eine Frau im gebärfähigen Alter in ihrem Leben zur Welt bringt. Unsere Bevölkerungsstruktur droht aus dem Ruder zu laufen und rasche Änderungen sind bei diesen langfristigen Prozessen nicht zu erwarten.

Wenn wir davon ausgehen können, dass die Gebährfähigkeit einer Frau nicht grundsätzlich in Frage steht, so muss es andere Gründe geben, warum sich die Rate so abgesenkt hat. Man wird dieser Problematik nur dann gerecht, wenn man versucht, die Perspektive der Frau einzunehmen und grundsätzlich davon ausgeht, dass die Entscheidungen der jeweils betroffenen Frau verantwortlich getroffen werden. Die Entscheidung, ein Kind in die Welt zu setzen, bedeutet für die Frau bewusst eine Abhängigkeit für mindestens 20 Jahre einzugehen. Das gilt prinzipiell auch für den beteiligten Partner, aber dessen konkreter Beitrag ist eher gering, wenn er die Mit-Verantwortlichkeit nicht akzeptiert.

Hat die Gesellschaft ausreichend Vorkehrungen getroffen, um eine Entscheidung für Kinder in diesem Zusammenhang sozial sinnvoll abzufedern? Die Nachkriegshaltung zur Rolle der Frau ließ sich durch die drei Buchstaben K-K-K beschreiben: (Küche, Kinder, Kirche). Etwa zehn Jahre vor meiner Eheschließung wurde erst das Gesetz aufgehoben, dass eine berufliche Tätigkeit der Ehefrau nur mit der Zustimmung des Ehemannes wahrgenommen werden konnte. Nicht viel besser verhielt es sich mit dem spät eingeführten Wahlrecht der Frau. Die konservative Politik war noch Jahre von dem Schema der drei ‚K‘ geprägt. Manchmal meint man feststellen zu können, diese Auffassung spukt auch heute noch in deren Köpfen herum.

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich seit dieser Zeit grundlegend geändert. Die Frauen haben die „Küche“ verlassen, haben hinsichtlich beruflicher Erwartungen mit den Männern nachgezogen, aber sie sind unverändert physiologisch jener Teil der Menschheit, der exklusiv Einfluss auf die Entwicklung unserer Spezies nehmen kann. Je mehr alternative Lebensentwürfe den Frauen möglich werden, desto mehr Konfliktstoff baut sich bei einer Entscheidung für Nachwuchs auf. Und hier haben wir, die Gesellschaft, – so meine These – die Frauen mit dem Entscheidungsproblem und den damit verbundenen Risiken weitgehend allein gelassen. Das Ergebnis ist ein Fertilitätsfaktor von 1,34 und eine überalterte Gesellschaft.

Die Entscheidung für ein Kind ist deutlich anders als z. B. eine Entscheidung für ein Auto oder eine Waschmaschine. Ein Kind ist ohne Zweifel eine Bereicherung, aber was muss eine Frau gewöhnlich an alternativen Lebensperspektiven dafür aufgeben und welche Risiken geht sie mit ihrer Entscheidung für das Kind ein? Warum gibt es denn so viele alleinerziehende Mütter? Warum im Vergleich nur so wenig alleinerziehende Väter? Warum gibt es ernstzunehmende Statistiken, die davon ausgehen, dass jedes fünfte Kind an der Armutsgrenze lebt? Warum ist die Altersversorgung der Frauen i.d.R. deutlich schlechter als die der Männer? Könnte es sein, dass hier ein gewisser Zusammenhang besteht?

Ohne tiefer in die Ursachen einzusteigen (dafür gibt es kompetentere Beiträge), erscheint mir die Frage einer gesicherten auskömmlichen Grundversorgung als ganz wesentlich. Diese Grundversorgung sollte unabhängig von den jeweiligen Lebensumständen der Frau gewährt werden. Egal, wie das Leben so spielt, Mutter und Kind (oder auch Vater und Kind) stehen auf einer gesicherten und auskömmlichen finanziellen Grundlage. Das nähme m.E. viel Druck aus der Nachwuchsentscheidung der jeweiligen Frau heraus.

Dieses Modell gibt es ja schon, es wird unter der Bezeichnung „bedingungsloses Grundeinkommen“ immer wieder erprobt, für gut befunden, aber nicht realisiert, weil einige Politiker immer noch glauben, dass der Leistungsgedanke dadurch untergraben würde. Die Empirie zu diesem Modell zeigt aber, dass das nicht der Fall ist, aber der Leistungsgedanke als Disziplinierungspeitsche bei Lohn – und Gehaltsverhandlungen verlöre natürlich viel von seiner Wirkung.

Wenn jeder in unserem Lande lebende Mensch ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ bezöge, werden wohl die Unternehmen die ersten sein, die diese Einkommensanteile bei der nächsten Lohnverhandlung einfach verrechnen werden. Mit anderen Worten, das bedingungslose Grundeinkommen wäre eine nachhaltige Konjunkturspritze, indem der Lohn- und Gehaltsfaktor in den Unternehmen um die Höhe des einheitlichen bedingungslose Grundeinkommens gekürzt würde. Als Folge steigen ceteris paribus die Gewinne der Unternehmen und damit auch die von ihnen abzuführenden Steuerbeträge. Damit ließen sich zumindest große Teile des „bedingungslosen Grundeinkommens“ finanzieren. Es bestünde m.E. sogar die Möglichkeit, den Gewinnsteuersatz anzuheben. Aber das muss politisch verhandelt werden. Es handelt sich um eine grundlegende Umverteilung mit dem Ziel, langfristig die Überalterung zu beseitigen und die Altersstruktur zukunftsfähig zu machen.

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