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Rund ums Sondervermögen

Bevor man sich mit Fragen rund ums Sondervermögens befasst, muss man sich doch fragen, was der Grund für die Schaffung eines Sondervermögens ist oder sein könnte. Also beginnen wir mit der Ausgangssituation. Sie beginnt mit der neoliberalen Denke, die vor etwa 40 Jahren zur Wirkung kommt und die davon ausgeht, dass möglichst viel Aktivitäten in den Händen von Privatleuten liegen sollen und man deshalb streng darauf achtet, dass der angebliche Gegenspieler der Privatleute, der Staat, möglichst wenig finanziellen Spielraum hat. Diese Vorstellung hat zur sogenannten Schuldenbremse geführt. Man hat die Schuldenaufnahme des Staates ziemlich rigoros beschnitten

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Dabei hat man nicht die neoliberale Denke (to starve the beast) als Auslöser in den Vordergrund geschoben, sondern sich die allgemeine Erkenntnis zu Nutzen gemacht, dass nicht nur Politiker, egal welcher Couleur, dazu neigen, mit fremdem Geld gerne großzügig umzugehen. Der Schuldendienst wird gerne in die Zukunft verschoben und belastet die kommenden Generationen und schränken insoweit deren künftigen finanziellen Spielräume ein. Man hat also versucht, dieses Moment der leichtfertigen „Schuldenproduktion“ systematisch einzudämmen. Das haben viele als sinnvoll eingesehen und haben dieser grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse dann zugestimmt.

Die Fehlkonstruktion der Schuldenbremse liegt darin, dass sie einseitig nur die finanzielle Seite der Aktivitäten reguliert. Schulden machen ist in einem ‚gesunden‘ Staatsgebilde kein Problem, solange mit den Schulden konkrete Investitionen verbunden sind. Man darf sich hier durchaus eine Bilanz öffentlicher Leistungen vor Augen führen: Solange sich die Investitionen (das Volksvermögen) im Verhältnis zu den Schulden des Gemeinwesens die Waage halten, gibt es nur wenig Grund, wegen der Schulden Nervosität zu zeigen. Diese Sichtweise ist aber in Politikerkreisen verpönt, weil dann der Anspruch des Neoliberalismus, die Staatsausgaben so kurz als möglich zu halten, nicht mehr so richtig funktioniert.

Was ist das Ergebnis dieser Ideologie? Seit 35 Jahren ist die Nettoinvestitionsquote im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BiP) von etwa 10% p.a. auf nahezu Null gesunken. Gleichzeitig hat sich aufgrund der Schuldenbremse unsere Staatsverschuldung natürlich in Grenzen gehalten. Die Bundesregierungen waren immer stolz darauf, dass die BRD zuletzt nur einen Verschuldugsgrad von 63% aufwies. Das ist im Vergleich zu anderen europäischen Staaten komfortabel. Nun müssen wir aber diese beiden Gesichtspunkte zusammen sehen. Wir tun so, als wären wir die Größten bei der Zurückhaltung bei der Staatsverschuldung und schieben gleichzeitig aufgrund der geringen Nettoinvestitionsquote einen riesigen Berg an aufgestauten, vernachlässigten Infrastrukturinvestitionen vor uns her, der sich irgendwo in der Größenordnung von 500 – 600 Mrd. Euro beläuft. Das ist das Ergebnis des neoliberalen Denkens (to starve the beast) und der von diesem Denken beeinflussten Schuldenbremse.

Und hier stehen wir heute! Man hat den Eindruck – ziemlich ratlos! Denn wir haben nicht nur einen selbstverursachten Investitionsstau bei der Infrastruktur, sondern auch einen Bedarf an zusätzlicher Sicherheit, der nochmals mit 500 Mrd. Euro beziffert wird, und den wir der geopolitischen Lage zuschreiben müssen.

Manche Menschen denken in solchen Fällen an Schuld und fragen sich, wen man dafür verantwortlich machen kann. Das sollte man sich verkneifen, mitgefangen – mitgehangen! Aber es wäre sinnvoll, sich zu fragen, wie man diese Finanzierungslücke schließen kann. Es gibt Stimmen, die sind der Meinung, dass das Finanzierungspaket zu Lasten künftiger Generationen gehe. Das ist richtig – aber was ist die Alternative? Augen zu und weiter so – das war viel zu lange die Devise!

Man hätte in den letzten 40 Jahren eben nicht nur den Fokus auf die Finanzen legen, sondern auch die öffentliche Investitionstätigkeit im Auge behalten sollen. Dieser Zusammenhang wird aber in der Volkswirtschaftlehre kaum diskutiert. Der Sachverhalt reduziert sich in der Kameralistik (im öffentliche Rechnungswesen) auf die Ausgaben, weil die damit geschaffenen Wirtschaftsgüter ähnlich einer Einnahmen-Überschußrechnung dort gar nicht erfasst werden. Man kennt den Begriff des Volkseinkommens, aber die Größe des öffentlichen Volksvermögens in Relation zu seiner Finanzierung wird äußerst selten zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage einer Volkswirtschaft herangezogen. Die mir zugänglichen (alten) Lehrbücher, oft nahezu tausend Seiten dick, weisen (vorsichtig) auf die große Bedeutung der Infrastruktur für die Entwicklung einer Volkswirtschaft hin, wissen aber mit dem Begriff in der Theorie konkret nichts anzufangen. Ich vermute, das wird auch heute noch so sein.

Machen Sie den Versuch, eine seriöse Statistik über die Höhe das öffentliche Netto-Vermögens in Deutschland zu finden. Es gibt sie offensichtlich nicht: Google findet nichts Verwertbares. Vergleichbares gilt für die KI. Wenn Sie etwas finden, lassen Sie es mich wissen und achten Sie darauf, dass dieses Vermögen nicht nur brutto erfasst wird, sondern auch altert – es müssen auch Abschreibungen darauf verrechnet werden (netto), sonst macht die schlichte Bruttozahl wenig Sinn.

Während des Wahlkampfs haben Geld oder Schulden bei keiner der Parteien eine Rolle gespielt. Die Union hat sich vehement für die Schuldenbremse eingesetzt. Dann war das Wahlergebnis da und am Tag darauf gab es einen ersten Ansatz für die Schaffung eines Sondervermögens, (ein Name für Schulden, der komplett irreführend ist) und das Bestreben, die mit Vehemenz verteidigte Schuldenbremse aufzulösen oder doch stark einzuschränken. Man ist innerhalb einer Nacht in der Realität angekommen und nach der Devise, „was juckt mich meine dummes Geschwätz von gestern“ vollzieht man nicht eine kleine Korrektur, sondern eine 180-Grad-Wende und behauptet jetzt das Gegenteil.

Die Aufregung in den politischen Kreisen ist groß, weil es eigentlich klar war, dass dieser Wandel irgendwann kommen musste, aber keiner wollte es wahr haben. Eine Alternative war nicht in Sichtweite. Die Union hat damit Christian Lindner, der 2021 – 2024 in der Ampel immer die Schuldenbremse wie ein Monstranz vor sich hertrug, aber die Zusammenhänge offensichtlich nicht erkannte, eine schallende Ohrfeige verabreicht, denn die Zusammenhänge waren wohl in Politikerkreisen schon länger bekannt und wurden in den Hinterzimmern auch diskutiert.

Was mich zudem besonders irritiert, ist die Haltung der Vertreter der Ökonomie. Wie blind sind diese Damen und Herren? Den Niedergang der Nettoinvestionsquote hat ein Abgeordneter der Linken in die Diskussion gebracht, m. W. kein Ökonom. Und die Tatsache, dass Finanzen immer nur ein Teil des Prozesses sind, hat sie auch nicht interessiert. Schuldenbremse hin oder her. Erst eine regelmäßige Gegenüberstellung des geschaffenen oder zu schaffenden Netto-Volksvermögens (in seinen unterschiedlichen Kategorien) und deren Finanzierung ergibt doch eine sinnvolle Beurteilungsgrundlage. Jeder BWL-Student muss das irgendwann lernen und kapieren. Jeder Unternehmer führt im Anlagevermögen akribisch Buch über seine getätigten Investitionen und überwacht diese hinsichtlich ihres qualitativen und quantitativen Zustandes, um Produktions- und Ausfallrisiken gering zu halten.

Wenn wir uns die Infrastruktur genauer ansehen, so wird diese Leistungsgattung vielfach über Steuern finanziert und steht den späteren Nutzern gewöhnlich ‚unentgeltlich‘ zur Verfügung. Man könnte bei Infrastruktur auch von Gemeingütern sprechen, die der Staat im Auftrag seiner Bürger produzieren lässt (soweit es sich um materielle Infrastruktur handelt). Für Infrastruktur gibt es i.d.R. auch keinen Markt. Häufig handelt es sich Einzelanfertigung. Skaleneffekte sind dort nicht zu erwarten. Also ist es fraglich, ob die Produktion von Infrastruktur marktwirtschaftlichen Regeln zu folgen hat. Infrastruktur, soweit sie materielle Güter betrifft, steht i.d.R. auch nicht zum Verkauf und sollte langlebig von nachhaltiger Qualität und zukunftsweisender Technologie sein und entzieht sich dem üblichen Kreislauf ‚produzieren – verkaufen -verbrauchen -wegschmeissen – neukaufen‘ (und das möglichst oft) durch offensichtliche Nachhaltigkeit.

All diese Anforderungen machen deutlich, dass hier der Staat nicht mit „Anreizen“ und „Subventionen“ oder ähnlichem arbeiten kann, sondern dass ist etwas, was man als „leistende Verwaltung“ beschreiben könnte. Man kann nicht den Markt ‚machen‘ lassen, weil sich mit der unentgeltlichen Nutzung der Infrastruktur letztlich keine Rendite erzielen lässt. Der Staat steht in der Funktion des Prinzipals mit allen Rechten und Pflichten. Ob unser Staatswesen nach 40 Jahren Neoliberalismus noch über Personal verfügt, das diese Aufgaben bewältigen kann, erscheint fraglich. Man hat 40 Jahre den Erfolg des Marktes gefeiert auf Kosten des Verschleißes der bis in die 1980er Jahre aufgebauten Infrastruktur. Von dann an ging’s bergab!

Ich kann die Bedenken vieler Bürger und mancher Politiker verstehen: Es bleibt die Sorge, ob Politik und Verwaltung mit einem solchen außergewöhnlich hohen Aufgabenberg nicht überfordert sind. Das ist m.E. der Punkt und nicht die Frage, von wem die Finanzierung künftig getilgt werden soll. Das Infrastruktur-Problem besteht, und das Problem müssen wir schnell lösen, um uns nicht die Zukunft durch eine falsche Priorität zu verbauen. Es sollte daraus vielleicht auch aus der Vergangenheit eine Lehre gezogen werden, dass es nichts umsonst gibt, auch nicht das Gemeingut Infrastruktur.

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Wasser – ein Gemeingut?

Die Dürre geistert wieder einmal durch den Medienwald. Der fehlende oder zu heftige Niederschlag führt den „Leuten“ vor Augen, dass wir hier in ein massives Problem laufen. Und es ist offensichtlich, dass diese wichtige Ressource auch in unseren Breiten in Europa endlich ist. Sie muss also sinnvoll bewirtschaftet werden.

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Als ich vor rd. 50 Jahren zum Studium von den Höhen des wasserdurchtränkten Nordschwarzwaldes nach Mannheim kam, fiel mir auf, dass das Leitungswasser in Mannheim gechlort war und für mich ekelhaft schmeckte. Ich war an weiches, wohlschmeckendes Wasser gewöhnt, während Mannheim zu jener Zeit schon im großen Stil Wasser technisch aufbereiten musste. Auf meine Fragen, wo denn das Wasser herkomme, habe ich erfahren, dass es eine Mixtur aus verschiedenen Wassern sei, weil der Grundwasserspiegel in den damaligen Jahren dramatisch (um mehrere Meter) gesunken war.

Wir hatten noch keine Ahnung von einem Klimawende oder gar Klimakrise. Es regnete im normalen Rahmen und im Rheingraben war schon in den 1970er Jahren die Sommerhitze (einschließlich der Mücken (‚Schnaken‘) aus den Altrheinarmen) für alle Einwohner eine ziemliche Belastung.

Heute stehen wir vor den gleichen Problemen, nur dass der ‚Wasserhunger‘ der Großstädte und der industriellen Großproduktionen inzwischen auf die Wasserversorgung des Umlandes zugreift und sich die Frage ergibt, wo soll das hinführen? Es gibt Medienbeiträge, aus denen erkennbar ist, dass der Wasserverbrauch nicht nur in den Großstädten überhand nimmt, sondern auch bis auf die Wasserwirtschaft von Gemeinen durchschlägt, die im Grunde ohne den abzugebenden Großstadtanteil ihre Bevölkerung ausreichend und nachhaltig versorgen könnte.

Wasser hat einen extrem langsamen Kreislauf. Wenn sich Zufluss und Abfluss im Wesentlichen ausgleichen, bleibt der Grundwasserspiegel ‚konstant‘. So die Theorie. Zumindest in den letzten 50 Jahren kann in den Metropolen von einem Ausgleich nicht mehr gesprochen werden. Der Wasserverbrauch ist schlicht zu hoch. Wir verschwenden diese Ressource.

Aber was ist Grundwasser? Wir leben heute von der Vorstellung, dass bei ausreichendem Regen das Regenwasser versickert und am Ende im Grundwasser gesammelt wird, damit wir es wieder nutzen können. Deswegen wollen wir die Grünflächen vergrößern, alle Arten der Versiegelung vermeiden oder rückgängig machen, damit dieser „Traum“ in Erfüllung geht. Aber kann das zielführend sein?

Gehen Sie nach einem ausgiebigen Regenguss nach einer Reihe heißer Tage in Ihren Garten und nehmen eine Spaten und prüfen Sie nach, wie tief das Regenwasser in das Erdreich eingedrungen ist? Wenn die Eindringtiefe 10 cm erreicht, war der Regenguss schon recht heftig. Von dem Regenwasser fällt in einer Bodentiefe von 10 cm i.d.R. der Boden trocken. Da kommt m.E. kein Tropfen bis ins Grundwasser! Der „Traum“ von der (kurzfristigen) Wiederauffüllung des Grundwassers durch Regenfall basiert möglicherweise auf einem Denkfehler. Vergessen Sie bitte nicht, dass der gefallene Regen nicht nur das Grundwasser „sucht“, sonder dass der Pflanzenbewuchs hier auch seinen ihm zustehenden Anteil einfordert, nicht zu vergessen, dass auch ein Teil der Regenmenge im Sommer schlicht verdunstet und bei Starkregen das Oberflächenwasser nur die Flüsse anschwellen lässt. Damit will ich nicht sagen, dass Regen nicht auch bis ins Grundwasser kommen kann, aber dass die Mengen vermutlich gering sind.

Was wäre eine alternative Begründung für das Vorhandensein von Grundwasser? In der Erdgeschichte hat es gewaltige klimatische Verwerfungen gegeben. Insbesondere während der Eiszeiten haben sich große Wassermengen in Form von Eis angesammelt, die dann bei der Klimaveränderung wieder in Wasser zurückgewandelt wurden und in riesigen Wasserströmen in den eisfrei werdenden Regionen zur Verfügung standen. Diese Wassermengen besaßen einen Umfang, der es möglich machte, die Grundwasserreservoire anzulegen und zu verfüllen. Zu diesem Zeitpunkt war auch in diesen Regionen kaum mit Pflanzen im größeren Umfang zu rechnen, von einem menschlichen Verbraucher ganz zu schweigen.

Wenn diese Sichtweise richtig ist, hätte das eine Reihe von harten Konsequenzen: Das Grundwasser wurde in der Vergangenheit nie maßgeblich durch Regenfälle aufgebaut. Der gegenwärtig sinkende Grundwasserspiegel folgt also keiner Vorstellung von einem dynamischen Gleichgewicht, sondern muss wohl als absolut endliches Reservoir angesehen werden, mit dem so sparsam als möglich umgegangen werden muss.

Die Vorstellung, dass das Grundwasser durch den Niederschlag aufgefüllt werden könnte, lässt mir keine Ruhe. Deshalb der Versuch einer Verprobung: Wir verbrauchen lt. Statistischem Bundesamt 20 Mrd. Kubikmeter Wasser. Diese 20 Mrd. Kubikmeter sollen durch Niederschlag wieder aufgefüllt werden. Die Fläche der Bundesrepublik beläuft sich nach Wikipedia auf 357.588 km². Welche Wassersäule jährlichen Regens müsste pro Quadratmeter fallen, um verlustfrei (ohne Berücksichtigung der Wasseranteile für Pflanzen, ohne Verdunstung durch Osmose, kein Oberflächenabfluss) die verbrauchte Grundwassermenge zu ersetzen? Nach meinen Berechnung ergibt sich hieraus ein notwendige Wassersäule von 55,93 Liter pro Quadratmeter und Jahr. (20 x 1012 Liter Verbrauchsmenge / 357,588 x 109 m² = 0,055930 x 103 oder 55,93 Liter/m2)

Der Niederschlag wird im Durchschnitt mit 770 – 790 Liter/m2 pro Jahr angegeben. Also ist meine Überlegung nicht zwangsläufig falsch, aber so offensichtlich, wie ich mir die Sache vorgestellt habe, ist es nicht. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge pro Jahr ist also grundsätzlich in der Lage, den gegenwärtigen Grundwasserverbrauch zu kompensieren. Man nennt so etwas ein Eigentor.

Aber warum sinken dann die Grundwasserspiegel aller Orten, wenn die jährliche Regenmenge unseren jährlichen Verbrauch statistisch um das Zehnfache übersteigt? Dafür habe ich keine plausible Antwort von ausreichendem Gewicht. Es muss zwischen dem Regenfall und dem Zufluss zum Grundwasser eine Reihe von Barrieren geben, die wir möglicherweise schon kennen, aber deren Auswirkungen völlig unterschätzt werden.

Wir müssen uns deshalb schweren Herzens daran gewöhnen, dass Wasser ein knappes Gut darstellt. Das ist die eine Nachricht. Die andere Nachricht ist die Erkenntnis, dass Wirtschaftsunternehmen vielfach für ihren Wasserbedarf (anders als die Normalbürger) keine Gebühren abführen müssen. Und nur in Ausnahmefällen ist ihre jährlicher Wasserentnahme mengenmäßig beschränkt. Wasser kostet die Wirtschaft nichts und ihr Verbrauch wird auch vielfach vertraglich weder mengenmäßig noch zeitlich eingeschränkt. Manche Lizenzen gelten für die Ewigkeit. Als Folge wird der Wasserverbrauch auch nur unzulänglich kontrolliert.

Die breite Bevölkerung beginnt zu begreifen, dass das Wasser knapp wird. Der Preis pro Kubikmeter wird für die Normalverbraucher in vielen Regionen steigen. Die industriellen Großverbraucher haben aber oftmals Verträge, die ihnen den Wasserverbrauch des Gemeingutes Wasser einfach ‚zur Verfügung stellen‘ oder einen Preis pro Einheit (qm3) verrechnen, der vernachlässigbar ist.

Unser Verhalten bezüglich des Wasserverbrauchs ist durch den geringen Preis pro Einheit und die langjährig gepflegte Haltung geprägt, dass die Ressource Wasser „ohne Ende“ zur Verfügung stehen würde. Unsere Maßlosigkeit führt nicht nur uns Verbraucher an neue Grenzen. Landwirtschaft und Biosphäre leiden gleichermaßen.

Das Bundesumweltamt hat 2022 eine Tabelle veröffentlicht2, die den Wasserverbrauch von insgesamt 20 Mrd. Kubikmetern in Deutschland nach folgenden Kategorien aufteilt:

Öffentliche Wasserversorgung 26,8%
Bergbau u. verarbeitendes Gewerbe 26,8%
Energieversorgung 44,2%
Landwirtschaftlich Beregnung 2,2%

Dabei wird angemerkt, dass die „von Deutschland veröffentlichten Wasserentnahmen der Landwirtschaft (2,2%) (…) gegenüber den Nachbarländern Dänemark (50%) und Frankreich (10%) als (zu) gering auf(fallen)“. Die EU-Kommission zweifelt diesbezüglich Deutschlands Angaben an.

Die oben angeführte ‚öffentliche Wasserversorgung‘ scheint in der Tabelle die vertrauenswürdigste Mengenangabe zu sein. Dort wird Wasser (und Abwasser) konkret bewirtschaftet. Bei den angegebenen Industriezweigen Bergbau, Gewerbe und Energieversorgung dürften große Informationslücken herrschen, weil Wirtschaftsunternehmen alle Ressourcen, die nichts oder nahezu nichts kosten, wenig Beachtung schenken. Es gibt auf der Ebene des Geldes bei Wasser nichts zu kalkulieren.

Der erste Schritt einer gesicherten Wasserversorgung ist eine ausreichende Informationsbasis. Solange es wesentliche Nutzer gibt, die über ihren Wasserverbrauch nicht rechenschaftspflichtig sind und/oder privatwirtschaftliche Wasserrechte für sich reklamieren können, sind die Zahlen in den Wind geschrieben, bestenfalls ein Anhaltspunkt, aber keine Grundlage, um begründete politische Leitlinien erlassen zu können.

Wasser ist ein Gemeingut. Wir können es weder schaffen noch herstellen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die „Tragödie der Allmende“ hinweisen, auf eine Erzählung aus der Ökonomie, bei der unterstellt wird, dass Allmenden (Gemeingüter) in ganz kurzer Zeit kaputt genutzt werden, wenn keine strikten allgemein gültigen Regeln (ohne die berühmten Ausnahmen) zum Gebrauch der Allmende bestehen3. Diese müssen als politischer Rahmen für alle gelten, die diese Allmende nutzen wollen. Da wir ohne Wasser nicht lebensfähig sind, betrifft es auch uns alle. Damit wird hoffentlich auch die Priorität des Problems offenkundig.

Bisher haben wir uns mit dem großen Bild befasst. Was bedeuten die Erkenntnisse für unser unmittelbares Verhalten? Lt. Statistischem Bundesamt4 (Daten von 2021) verbrauchen wir pro Tag und pro Person im Durchschnitt 127 Liter Trinkwasser. Das sind 46,3 Kubikmeter pro Person in einem Jahr. Sie können jetzt ihre letzte Wasserabrechnung holen und diese Zahl mit Ihrem aktuellen Verbrauch abstimmen. Der Verbrauch unseres Zweipersonenhaushaltes liegt mit 64,8 % deutlich unter dem Durchschnittsverbrauch. Da ist aber noch Luft nach unten.

Der durchschnittliche Tagesverbrauch lässt sich wie folgt aufteilen:

Körperpflege (Baden Duschen) 36% oder 45,7 Liter
Toilettenspülung 27% oder 34,3 Liter
Wäschewaschen 12% oder 15,2 Liter
Geschirrspülen 6% oder 7,6 Liter
Raumreinigung, Autopflege, Garten 6% oder 7,6 Liter
Essen, Trinken 4% oder 5,2 Liter
Anteil Kleingewerbe 9% oder 11,4 Liter

Wo liegen hier die Einsparpotenziale? Es ist immer zweckmäßig, nicht bei den ‚Kleinkram‘ anzufangen, sondern sich auf die großen Verbrauchszahlen zu stürzen. Die Körperpflege ist ein sehr individuelles Verhalten und hier dem einzelnen konkrete Vorgaben zu machen, ist nicht von Erfolg gekrönt. Was man aber machen kann, dass man technisch dafür sorgt, dass bei der Körperpflege nicht unnötig viel Wasser durch den Abfluss gejagt wird. Hierzu gibt es für die Duschen und Wasserhahnen sogenannte Reduzierstücke, die (angabegemäß) zwischen 20% und 40% des Wassers sparen, ohne dass man seine Körperpflegeroutine ändern müsste, was ja viele als einen Eingriff in ihre Privatsphäre empfinden könnten.

Bei einer 40%igen Durchlaufreduzierung würden statt 45,7 Liter nur 27,4 Liter verbraucht werden. Die Einsparung ergibt pro Kopf und Jahr rd. 6,68 Kubikmeter. Hochgerechnet auf rd. 80 Mio. Einwohner ergäbe diese kleine und billige Maßnahme eine Wasser-Einsparungsmenge von 534,4 Mio. Kubikmeter Trinkwasser.

Die anderen Punkte sind eher technischer Natur. Die Toilettenspülung kann nur bedingt reduziert werden, weil die Abwasserinfrastruktur darauf nicht eingerichtet ist. Hier werden wir wohl technisch ganz neue Wege gehen müssen. Ein Übergang könnte die Verwendung von Brauchwasser sein, setzt aber auch hier langfristig geplante Maßnahmen voraus.

Auch das Wäschewaschen erfolgt ja meistens automatisch. Bisher haben wir uns immer auf die Energieeffizienz konzentriert. Vielleicht müssen wir hier die Energieeffizienz mit einer Wassereffizienz koppeln, um dann über die Jahre diesen Wert um geschätzte 30% zu senken, was einer Wasserersparnis pro Person von 3,76 Kubikmetern pro Jahr entsprechen würde.

Auf der Grundlage heutiger Wasserpreise erscheint das vernachlässigbar zu sein. Gehen Sie davon aus, dass die Wasserpreise allgemein steigen werden. Wasser ist wie Land nicht vermehrbar, also wird die zunehmende Knappheit zu steigenden Preisen führen. Der Immobilienmarkt könnte hier ein gutes Beispiel liefern. Wasser könnte zum Spekulationsobjekt werden. Dem muss durch politische „Leitplanken“ vorgebaut werden. Wasser ist ein Gemeingut und kein Spekulationsobjekt.
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1 Die 62,4% können falsch sein, weil die Statistik sich auf das Trinkwasser bezieht und ich nicht beurteilen kann, ob die 20 Mrd. Wasserverbrauch nicht auch andere Wasserqualitäten einbezieht.

2 Zitiert nach DUHwelt, 2/2023

3 Vgl. hierzu auch Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen, München, 2011

4 Zitiert nach DUHwelt 2/2023, S. 17

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