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Wasser – ein Gemeingut?

Die Dürre geistert wieder einmal durch den Medienwald. Der fehlende oder zu heftige Niederschlag führt den „Leuten“ vor Augen, dass wir hier in ein massives Problem laufen. Und es ist offensichtlich, dass diese wichtige Ressource auch in unseren Breiten in Europa endlich ist. Sie muss also sinnvoll bewirtschaftet werden.

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Als ich vor rd. 50 Jahren zum Studium von den Höhen des wasserdurchtränkten Nordschwarzwaldes nach Mannheim kam, fiel mir auf, dass das Leitungswasser in Mannheim gechlort war und für mich ekelhaft schmeckte. Ich war an weiches, wohlschmeckendes Wasser gewöhnt, während Mannheim zu jener Zeit schon im großen Stil Wasser technisch aufbereiten musste. Auf meine Fragen, wo denn das Wasser herkomme, habe ich erfahren, dass es eine Mixtur aus verschiedenen Wassern sei, weil der Grundwasserspiegel in den damaligen Jahren dramatisch (um mehrere Meter) gesunken war.

Wir hatten noch keine Ahnung von einem Klimawende oder gar Klimakrise. Es regnete im normalen Rahmen und im Rheingraben war schon in den 1970er Jahren die Sommerhitze (einschließlich der Mücken (‚Schnaken‘) aus den Altrheinarmen) für alle Einwohner eine ziemliche Belastung.

Heute stehen wir vor den gleichen Problemen, nur dass der ‚Wasserhunger‘ der Großstädte und der industriellen Großproduktionen inzwischen auf die Wasserversorgung des Umlandes zugreift und sich die Frage ergibt, wo soll das hinführen? Es gibt Medienbeiträge, aus denen erkennbar ist, dass der Wasserverbrauch nicht nur in den Großstädten überhand nimmt, sondern auch bis auf die Wasserwirtschaft von Gemeinen durchschlägt, die im Grunde ohne den abzugebenden Großstadtanteil ihre Bevölkerung ausreichend und nachhaltig versorgen könnte.

Wasser hat einen extrem langsamen Kreislauf. Wenn sich Zufluss und Abfluss im Wesentlichen ausgleichen, bleibt der Grundwasserspiegel ‚konstant‘. So die Theorie. Zumindest in den letzten 50 Jahren kann in den Metropolen von einem Ausgleich nicht mehr gesprochen werden. Der Wasserverbrauch ist schlicht zu hoch. Wir verschwenden diese Ressource.

Aber was ist Grundwasser? Wir leben heute von der Vorstellung, dass bei ausreichendem Regen das Regenwasser versickert und am Ende im Grundwasser gesammelt wird, damit wir es wieder nutzen können. Deswegen wollen wir die Grünflächen vergrößern, alle Arten der Versiegelung vermeiden oder rückgängig machen, damit dieser „Traum“ in Erfüllung geht. Aber kann das zielführend sein?

Gehen Sie nach einem ausgiebigen Regenguss nach einer Reihe heißer Tage in Ihren Garten und nehmen eine Spaten und prüfen Sie nach, wie tief das Regenwasser in das Erdreich eingedrungen ist? Wenn die Eindringtiefe 10 cm erreicht, war der Regenguss schon recht heftig. Von dem Regenwasser fällt in einer Bodentiefe von 10 cm i.d.R. der Boden trocken. Da kommt m.E. kein Tropfen bis ins Grundwasser! Der „Traum“ von der (kurzfristigen) Wiederauffüllung des Grundwassers durch Regenfall basiert möglicherweise auf einem Denkfehler. Vergessen Sie bitte nicht, dass der gefallene Regen nicht nur das Grundwasser „sucht“, sonder dass der Pflanzenbewuchs hier auch seinen ihm zustehenden Anteil einfordert, nicht zu vergessen, dass auch ein Teil der Regenmenge im Sommer schlicht verdunstet und bei Starkregen das Oberflächenwasser nur die Flüsse anschwellen lässt. Damit will ich nicht sagen, dass Regen nicht auch bis ins Grundwasser kommen kann, aber dass die Mengen vermutlich gering sind.

Was wäre eine alternative Begründung für das Vorhandensein von Grundwasser? In der Erdgeschichte hat es gewaltige klimatische Verwerfungen gegeben. Insbesondere während der Eiszeiten haben sich große Wassermengen in Form von Eis angesammelt, die dann bei der Klimaveränderung wieder in Wasser zurückgewandelt wurden und in riesigen Wasserströmen in den eisfrei werdenden Regionen zur Verfügung standen. Diese Wassermengen besaßen einen Umfang, der es möglich machte, die Grundwasserreservoire anzulegen und zu verfüllen. Zu diesem Zeitpunkt war auch in diesen Regionen kaum mit Pflanzen im größeren Umfang zu rechnen, von einem menschlichen Verbraucher ganz zu schweigen.

Wenn diese Sichtweise richtig ist, hätte das eine Reihe von harten Konsequenzen: Das Grundwasser wurde in der Vergangenheit nie maßgeblich durch Regenfälle aufgebaut. Der gegenwärtig sinkende Grundwasserspiegel folgt also keiner Vorstellung von einem dynamischen Gleichgewicht, sondern muss wohl als absolut endliches Reservoir angesehen werden, mit dem so sparsam als möglich umgegangen werden muss.

Die Vorstellung, dass das Grundwasser durch den Niederschlag aufgefüllt werden könnte, lässt mir keine Ruhe. Deshalb der Versuch einer Verprobung: Wir verbrauchen lt. Statistischem Bundesamt 20 Mrd. Kubikmeter Wasser. Diese 20 Mrd. Kubikmeter sollen durch Niederschlag wieder aufgefüllt werden. Die Fläche der Bundesrepublik beläuft sich nach Wikipedia auf 357.588 km². Welche Wassersäule jährlichen Regens müsste pro Quadratmeter fallen, um verlustfrei (ohne Berücksichtigung der Wasseranteile für Pflanzen, ohne Verdunstung durch Osmose, kein Oberflächenabfluss) die verbrauchte Grundwassermenge zu ersetzen? Nach meinen Berechnung ergibt sich hieraus ein notwendige Wassersäule von 55,93 Liter pro Quadratmeter und Jahr. (20 x 1012 Liter Verbrauchsmenge / 357,588 x 109 m² = 0,055930 x 103 oder 55,93 Liter/m2)

Der Niederschlag wird im Durchschnitt mit 770 – 790 Liter/m2 pro Jahr angegeben. Also ist meine Überlegung nicht zwangsläufig falsch, aber so offensichtlich, wie ich mir die Sache vorgestellt habe, ist es nicht. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge pro Jahr ist also grundsätzlich in der Lage, den gegenwärtigen Grundwasserverbrauch zu kompensieren. Man nennt so etwas ein Eigentor.

Aber warum sinken dann die Grundwasserspiegel aller Orten, wenn die jährliche Regenmenge unseren jährlichen Verbrauch statistisch um das Zehnfache übersteigt? Dafür habe ich keine plausible Antwort von ausreichendem Gewicht. Es muss zwischen dem Regenfall und dem Zufluss zum Grundwasser eine Reihe von Barrieren geben, die wir möglicherweise schon kennen, aber deren Auswirkungen völlig unterschätzt werden.

Wir müssen uns deshalb schweren Herzens daran gewöhnen, dass Wasser ein knappes Gut darstellt. Das ist die eine Nachricht. Die andere Nachricht ist die Erkenntnis, dass Wirtschaftsunternehmen vielfach für ihren Wasserbedarf (anders als die Normalbürger) keine Gebühren abführen müssen. Und nur in Ausnahmefällen ist ihre jährlicher Wasserentnahme mengenmäßig beschränkt. Wasser kostet die Wirtschaft nichts und ihr Verbrauch wird auch vielfach vertraglich weder mengenmäßig noch zeitlich eingeschränkt. Manche Lizenzen gelten für die Ewigkeit. Als Folge wird der Wasserverbrauch auch nur unzulänglich kontrolliert.

Die breite Bevölkerung beginnt zu begreifen, dass das Wasser knapp wird. Der Preis pro Kubikmeter wird für die Normalverbraucher in vielen Regionen steigen. Die industriellen Großverbraucher haben aber oftmals Verträge, die ihnen den Wasserverbrauch des Gemeingutes Wasser einfach ‚zur Verfügung stellen‘ oder einen Preis pro Einheit (qm3) verrechnen, der vernachlässigbar ist.

Unser Verhalten bezüglich des Wasserverbrauchs ist durch den geringen Preis pro Einheit und die langjährig gepflegte Haltung geprägt, dass die Ressource Wasser „ohne Ende“ zur Verfügung stehen würde. Unsere Maßlosigkeit führt nicht nur uns Verbraucher an neue Grenzen. Landwirtschaft und Biosphäre leiden gleichermaßen.

Das Bundesumweltamt hat 2022 eine Tabelle veröffentlicht2, die den Wasserverbrauch von insgesamt 20 Mrd. Kubikmetern in Deutschland nach folgenden Kategorien aufteilt:

Öffentliche Wasserversorgung 26,8%
Bergbau u. verarbeitendes Gewerbe 26,8%
Energieversorgung 44,2%
Landwirtschaftlich Beregnung 2,2%

Dabei wird angemerkt, dass die „von Deutschland veröffentlichten Wasserentnahmen der Landwirtschaft (2,2%) (…) gegenüber den Nachbarländern Dänemark (50%) und Frankreich (10%) als (zu) gering auf(fallen)“. Die EU-Kommission zweifelt diesbezüglich Deutschlands Angaben an.

Die oben angeführte ‚öffentliche Wasserversorgung‘ scheint in der Tabelle die vertrauenswürdigste Mengenangabe zu sein. Dort wird Wasser (und Abwasser) konkret bewirtschaftet. Bei den angegebenen Industriezweigen Bergbau, Gewerbe und Energieversorgung dürften große Informationslücken herrschen, weil Wirtschaftsunternehmen alle Ressourcen, die nichts oder nahezu nichts kosten, wenig Beachtung schenken. Es gibt auf der Ebene des Geldes bei Wasser nichts zu kalkulieren.

Der erste Schritt einer gesicherten Wasserversorgung ist eine ausreichende Informationsbasis. Solange es wesentliche Nutzer gibt, die über ihren Wasserverbrauch nicht rechenschaftspflichtig sind und/oder privatwirtschaftliche Wasserrechte für sich reklamieren können, sind die Zahlen in den Wind geschrieben, bestenfalls ein Anhaltspunkt, aber keine Grundlage, um begründete politische Leitlinien erlassen zu können.

Wasser ist ein Gemeingut. Wir können es weder schaffen noch herstellen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die „Tragödie der Allmende“ hinweisen, auf eine Erzählung aus der Ökonomie, bei der unterstellt wird, dass Allmenden (Gemeingüter) in ganz kurzer Zeit kaputt genutzt werden, wenn keine strikten allgemein gültigen Regeln (ohne die berühmten Ausnahmen) zum Gebrauch der Allmende bestehen3. Diese müssen als politischer Rahmen für alle gelten, die diese Allmende nutzen wollen. Da wir ohne Wasser nicht lebensfähig sind, betrifft es auch uns alle. Damit wird hoffentlich auch die Priorität des Problems offenkundig.

Bisher haben wir uns mit dem großen Bild befasst. Was bedeuten die Erkenntnisse für unser unmittelbares Verhalten? Lt. Statistischem Bundesamt4 (Daten von 2021) verbrauchen wir pro Tag und pro Person im Durchschnitt 127 Liter Trinkwasser. Das sind 46,3 Kubikmeter pro Person in einem Jahr. Sie können jetzt ihre letzte Wasserabrechnung holen und diese Zahl mit Ihrem aktuellen Verbrauch abstimmen. Der Verbrauch unseres Zweipersonenhaushaltes liegt mit 64,8 % deutlich unter dem Durchschnittsverbrauch. Da ist aber noch Luft nach unten.

Der durchschnittliche Tagesverbrauch lässt sich wie folgt aufteilen:

Körperpflege (Baden Duschen) 36% oder 45,7 Liter
Toilettenspülung 27% oder 34,3 Liter
Wäschewaschen 12% oder 15,2 Liter
Geschirrspülen 6% oder 7,6 Liter
Raumreinigung, Autopflege, Garten 6% oder 7,6 Liter
Essen, Trinken 4% oder 5,2 Liter
Anteil Kleingewerbe 9% oder 11,4 Liter

Wo liegen hier die Einsparpotenziale? Es ist immer zweckmäßig, nicht bei den ‚Kleinkram‘ anzufangen, sondern sich auf die großen Verbrauchszahlen zu stürzen. Die Körperpflege ist ein sehr individuelles Verhalten und hier dem einzelnen konkrete Vorgaben zu machen, ist nicht von Erfolg gekrönt. Was man aber machen kann, dass man technisch dafür sorgt, dass bei der Körperpflege nicht unnötig viel Wasser durch den Abfluss gejagt wird. Hierzu gibt es für die Duschen und Wasserhahnen sogenannte Reduzierstücke, die (angabegemäß) zwischen 20% und 40% des Wassers sparen, ohne dass man seine Körperpflegeroutine ändern müsste, was ja viele als einen Eingriff in ihre Privatsphäre empfinden könnten.

Bei einer 40%igen Durchlaufreduzierung würden statt 45,7 Liter nur 27,4 Liter verbraucht werden. Die Einsparung ergibt pro Kopf und Jahr rd. 6,68 Kubikmeter. Hochgerechnet auf rd. 80 Mio. Einwohner ergäbe diese kleine und billige Maßnahme eine Wasser-Einsparungsmenge von 534,4 Mio. Kubikmeter Trinkwasser.

Die anderen Punkte sind eher technischer Natur. Die Toilettenspülung kann nur bedingt reduziert werden, weil die Abwasserinfrastruktur darauf nicht eingerichtet ist. Hier werden wir wohl technisch ganz neue Wege gehen müssen. Ein Übergang könnte die Verwendung von Brauchwasser sein, setzt aber auch hier langfristig geplante Maßnahmen voraus.

Auch das Wäschewaschen erfolgt ja meistens automatisch. Bisher haben wir uns immer auf die Energieeffizienz konzentriert. Vielleicht müssen wir hier die Energieeffizienz mit einer Wassereffizienz koppeln, um dann über die Jahre diesen Wert um geschätzte 30% zu senken, was einer Wasserersparnis pro Person von 3,76 Kubikmetern pro Jahr entsprechen würde.

Auf der Grundlage heutiger Wasserpreise erscheint das vernachlässigbar zu sein. Gehen Sie davon aus, dass die Wasserpreise allgemein steigen werden. Wasser ist wie Land nicht vermehrbar, also wird die zunehmende Knappheit zu steigenden Preisen führen. Der Immobilienmarkt könnte hier ein gutes Beispiel liefern. Wasser könnte zum Spekulationsobjekt werden. Dem muss durch politische „Leitplanken“ vorgebaut werden. Wasser ist ein Gemeingut und kein Spekulationsobjekt.
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1 Die 62,4% können falsch sein, weil die Statistik sich auf das Trinkwasser bezieht und ich nicht beurteilen kann, ob die 20 Mrd. Wasserverbrauch nicht auch andere Wasserqualitäten einbezieht.

2 Zitiert nach DUHwelt, 2/2023

3 Vgl. hierzu auch Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen, München, 2011

4 Zitiert nach DUHwelt 2/2023, S. 17

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