Eine Diskussion des Phänomens Trump ist aus mehreren Gründen etwas heikel. Wir kennen Trump nur aus den Medien und wir werden überschwemmt mit teilweise gesteuerten Informationen, insbesondere aus den USA. Die europäischen Medien haben sich mehrheitlich, so mein Eindruck, darauf geeinigt, Trump als Wirrkopf zu verarbeiten. Ich bin mir nicht sicher, ob dahinter nicht auch eine Absicht erkennbar wird, die der Sachlage nicht dient. Ich werde mangels nachvollziehbarer Unterlagen auch keine Analyse des Phänomen liefern können, will aber trotzdem versuchen, eine begründete Haltung zu entwickeln.
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Im Rahmen meiner beruflichen Weiterbildung hatte ich in den 80er Jahren einen Aufenthalt von einigen Monaten in den USA. Mein Mentor spürte meine Verunsicherung bei der Beurteilung von amerikanischen Geschäftsleuten und gab mir als Hilfestellung den typisch amerikanischen Rat auf den Weg: „Würdest Du von dem Geschäftspartner einen Gebrauchtwagen kaufen?“ oder europäisch ausgedrückt: „Kannst Du dem Geschäftspartner soviel Vertrauen schenken, dass Du ihm einen Gebrauchtwagen abkaufst?“ Wenn ich diesen Rat auf das Phänomen Trump anwenden sollte, wäre meine Antwort: „Never ever!“
Das ist eine eindeutige Antwort, die ich aus meiner ganz persönlichen Haltung heraus entwickle. Im Geschäftsleben sucht man sich dann eben andere Geschäftspartner und es gibt genug Gelegenheiten. Bei dem Phänomen Trump wird das deutlich schwieriger. Wir können es im Umgang mit ihm auf der politischen Ebene sehen: Jeder Besucher im Oval Office versucht einen anderen Weg, Zugang zu Trumps Vorstellungswelt zu gewinnen. Frau Meloni scheint hier wohl den vorerst erfolgreichsten Ansatz gefunden zu haben. Es könnte daran liegen, dass beide mit ihren faschistoiden Ideen eine Schnittmenge gefunden haben.
Trumps Regierungsauftritt wurde angabegemäß über ein Jahr lang durch die Heritage Foundation detailliert geplant. Das Chaos, das Trump mit seinem Amtsantritt verursacht hat, ist entweder geplant (und ist damit kein Chaos, sondern hat Methode) oder die Planung sah anders aus und der „Chaot“ Trump hat durch Missachtung der Planung nach gut dünken gehandelt. Wenn ich die Frage entscheiden soll, so erscheint mir die zweite Version als die wahrscheinlichere. Das Chaos, das er anrichtete, ist schwerlich „zu planen“. Soweit man die Persönlichkeit aus der großen Entfernung beurteilen kann, lässt sich Trump durch Pläne und andere Strukturen nicht einschränken. Das Chaos ist demnach zu einem guten Teil seiner Persönlichkeit geschuldet. Das schließt aber nicht aus, dass der „Plan“ und der „Chaot“ eine explosive Mischung darstellen. Immer dann, wenn sich Trump mit seinen Entscheidungen in einer Sachgasse festfährt, wird schnell der Plan herausgeholt und die nächste Anregung für ein neues Chaos aufgegriffen. Trump hat scheinbar erkannt, dass sein tumulter „Führungsstil“ die Regierungen der Global Player erkennbar herausfordert und an die Grenzen ihrer Reaktionsfähigkeit bringt.
Trump behauptet mit seiner MAGA-Ideologie, dass es das Ziel der Republikaner unter seiner Führung sei, Amerika wieder „groß“ (oder sogar „großartig“) zu machen. Die Botschaft ist janusköpfig: einmal wird mit der Aussage unterstellt, dass Amerika schon mal großartiger war (das ist der Blick zurück) und sie umschreibt auch das Ziel: wieder „großartig“ zu werden. Die Ideologie lässt aber bewusst offen, zu welchen Zeitpunkt oder Anlass die Großartigkeit Amerikas denn je realisiert war. Durch diesen einfachen Spruch wird eine Vergangenheit glorifiziert, die es wahrscheinlich nie gab. Und jeder Amerikaner, der sich durch diese Aussage angesprochen fühlt, kann dabei sein ganz persönliches „Großartigkeitserlebnis“ einsetzen, in der Hoffnung, dass er es durch Trumps Maßnahmen nochmals wieder erlangen könne. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Es wird ein Maßstab vorgegeben (die Großartigkeit) ohne jedoch das Maß der Dinge zu nennen. War man großartig als „Führungsmacht“ der Welt, war man großartig als „Militärmacht“, war man großartig als „Wirtschaftsmacht“, all das bleibt offen? Es wird immer dann, wenn Donald Trump es für nötig hält, die Großartigkeit seiner Führung seinen Wählern demonstrieren zu müssen, wird er frei wählen können, was für ihn gerade opportun erscheint.
Der Blick Trumps auf die Welt ist m.E. geprägt durch seine Dealer-Mentalität. Er kann oder will sich nicht vorstellen, dass es Autokraten gibt, die seine Sicht auf die Welt nicht teilen. Er hat gehofft, Wladimir Putin einen Deal anbieten zu können, indem er auf ein paar Verhandlungspunkte bewusst verzichtete und die von den Verhandlungen betroffene Ukraine hinsichtlich ihrer Ansprüche schlicht überging. Putin hat den Ball aufgenommen, auf Zeit gespielt und ihn am Ende hängen lassen, weil Putin kein Dealer ist. Er ist ein ausgeprägter Machtpolitiker und ich glaube, er findet die Attitüde von Trump eher belustigend. Trump wollte in dem Verhandlungsvorstoß ein zweifelhaftes Versprechen aus der Zeit seines Wahlkampfes erfüllen. Putin hat m. E. eine völlig andere Motivation, die ich nicht teile, die aber mit dem Phänomen Trump auch wenig zu tun hat.
Die Dealer-Mentalität lässt auch erwarten, dass Trump hinsichtlich der Begriffe von Verantwortung oder auch Verantwortlichkeit nur ein ganz enges Wahrnehmungsspektrum aufweist. Dealen kann man nur dann erfolgreich, wenn man die mit dem Deal verbundene Verantwortlichkeit klein halten und die damit oft verbundenen Kollateralschäden vernachlässigen kann. Das ist vermutlich auch ein Grund, warum Trump den Klimawandel leugnet. Die Ökonomie kann sich nach herrschender Meinung erlauben, sich strikt auf den „Deal“ zu konzentrieren und es ist üblich, die externen Effekte (die Kollateralschäden) aus der Betrachtung auszuklammern. Wenn das aber z.B. in der Politik nicht mehr gelten kann, wird es extrem schwierig, mal schnell einen „guten“ Deal zu machen, weil es sich nicht nur um den Deal dreht, sondern eben auch um die politische Verantwortung für die damit verbundenen Kollateralschäden auf allen Ebenen der Gesellschaft.
Donald Trump ist ein egozentrischer Dealer und Elon Musk ist ein egomaner Unternehmer. Beide verbindet ihr egozentrierter Blick auf die Welt und das geringe Verantwortungsgefühl für die Dinge, die sie aufgreifen. Die geplante Zusammenarbeit erscheint mir als ein kurzes Intermezzo, weil zwei Personen mit diesem Selbstverständnis sich nicht länger mit einer Sache aufhalten können, ohne in Streit zu geraten. Musk hat es übernommen, mit der „Kettensäge“ die sogenannte Bürokratie zu zerlegen ohne sich um die politischen Folgekosten zu scheren. Es wird inzwischen deutlich, dass die Herren zu einander auf Abstand gehen, weil die Reaktionen aus der Wirtschaft hinsichtlich der Kollateralschäden an ganz anderen Stellen hohe Verluste auslösen. Die Rufschädigung des Unternehmers Musk drückt sich inzwischen auch in fallenden Börsenkursen aus. Aus meiner eingeschränkten Sicht hat Musk die „Schmutzarbeit“ erledigt und hat damit „seine Schuldigkeit getan“, er kann gehen. Was Musk dazu getrieben hat, als erfahrener Unternehmer dieses durchschaubare Spiel mitzumachen, bleibt sein Geheimnis.
Trump versteht sich aber nicht nur als Dealer, der immer gerne (auf Augenhöhe) ein Geschäft mitnimmt, wenn es sich anbietet. Trump ist das, was man einen „Dealmaker“ nennt. Während ein Dealer mit seiner Umgebung auf Augenhöhe kommuniziert und nach Gelegenheiten zum Geschäfte machen sucht, strukturiert der „Dealmaker“ diesen Prozess mit dem Ziel, den Deal so zu gestalten, dass der potenzielle Geschäftspartner nicht mehr anders kann (gewissermaßen in der Falle sitzt) und damit ist der angestrebte Deal kein gleichberechtigtes Geschäft auf Augenhöhe, was gewöhnlich als eine Win-Win-Situation beschrieben wird. Der Dealmaker hinterlässt regelmäßig nur einen Gewinner und das ist er.
Trumps Zollpolitik gräbt eine ganz alte Idee aus, die schon im 18. und 19. Jahrhundert unter der nationalistischen Zielvorstellung „beggar – my neighbor“ wenig erfolgreich war. Die politische Situation kann man zu jener Zeit in Europa als Kleinstaaterei beschreiben. Die aufkommende Industrialisierung verlangte nach größeren Aktionsräumen. Die Arbeitsteilung war gering und schwerpunktmäßig national ausgerichtet. Heute denken wir eher global und sind hoch vernetzt: dann sind Zölle in Trump’schem Umfang und Höhe anachronistisch. Man muss sich fragen, was will Donald Trump damit erreichen?
Nach den mir zugänglichen Informationen stört Trump, dass die USA eine hohe negative Handelsbilanz ausweisen, mit anderen Worten: es stört Trump, dass die USA deutlich mehr Waren importieren als exportieren. Nach Trumps Verständnis ist dieser Sachverhalt für die Idee „MAGA“ und „America first“ kontrapoduktiv und muss dadurch geändert werden, dass die USA durch relativ hohe Zölle auf ihre Importe dieses Manko ausgleichen wollen. Ich gehe davon aus, dass sich Trump im Klaren ist, dass die hohen Zölle den amerikanischen Verbrauch dieser Güter massiv trifft, aber er hofft wohl, dass der Konsum weniger zurückgeht als durch die Zölle Finanzmittel für den Staatshaushalt generiert werden.
Die USA haben in den letzten 20 – 30 Jahren viel lohnintensive Industrieproduktion (wie auch Europa) nach China ausgelagert und muss diese Produkte nun importieren. Die USA sind aber kein Exportland, und haben sich stattdessen auf ihren Binnenmarkt konzentriert. Also entsteht über die Zeit ein Minus in der Handelsbilanz zwischen USA und der restlichen Welt. Die Länder Europas haben immer schon exportiert, weil der Binnenmarkt der einzelnen Länder zu klein ist. Für die Mitglieder der EU ist die europäische Union der primäre Exportmarkt, weshalb sich dort Im- und Export ohne den Hammer einer rigiden Zollpolitik relativ gut ausgleichen.
China als verlängerte Werkbank der US-Wirtschaft hat ein reales Problem mit den USA: Die Amerikaner zahlen ihre Importe in Dollar, mit anderen Worten China verfügt über einen hohen Dollarbestand, der für China ein Problem darstellen kann, wenn z.B. Trump auf die Idee kommen sollte, mit den Zins- und Währungsrelationen zu spielen. Dem steht zwar die MAGA-These entgegen, denn das würde möglicherweise der Trump-Administration als Schwäche ausgelegt werden. Also hat er sich mit großen Medienaufwand für die Zollpolitik entschieden. Das klingt schlüssig, aber was ist in Trumps Augen schon schlüssig?
Mancher glaubt sich auf die Position zurückziehen zu können, dass in vier Jahren der Spuk vorbei ist. Da wäre ich mir aber nicht sicher. Die Zerstörung der amerikanischen Demokratie könnte ihm bis dahin gelingen, wenn er nicht den einen oder anderen groben taktischen Fehler macht, der ihm die Machtbasis kosten könnte.
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