Erst geht es in Baku um die Finanzierung von absehbaren Umweltschäden, nun in Südkorea um den Plastikmüll, ein nächster „wichtiger“ Termin ist absehbar und immer wird von Neuem erzählt, wie erfolgreich die jeweilige Konferenz war. Nur, konkret geschieht nichts und das ist frustrierend. Wie viel Nachsicht und Geduld sollen wir als Bürger noch aufbringen, dass es auf diesem Planeten Menschen, Organisationen, Nationen gibt, denen ihr persönlicher Geldbeutel so viel bedeutet, dass diesen Einrichtungen das Schicksal ihrer eigenen Spezies gleichgültig ist.
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Vor etwa fünf oder sechs Jahren, so meine Erinnerung, stand das Thema Plastikmüll in Deutschland schon mal auf der Agenda und die damaligen politischen Vertreter waren sich nicht zu schade, dieses Problem einfach dem Verbraucher in die Schuhe zu schieben, weil der Begriff „Verbraucher“ suggeriert, als ob hinter dieser Institution eine ‚Macht‘ stünde, etwas zu ändern. Dass die Mehrzahl der Verbraucher gezielt über einen falschen Freiheitsbegriff individualisiert und von Marketing und Werbung vor sich hergetrieben werden, wird geflissentlich übersehen.
Man folgt der Ideologie der Freiheit, indem man unterstellt, dass sich Verbraucher mehrheitlich frei entscheiden können. Das „Können“ will ich gerne akzeptieren, aber ob sie es auch angesichts der penetranten Einflussnahme von Marketing und Werbung durchsetzen können, bleibt offen. Würde die Wirtschaft Milliarden Euro in diese Maßnahmen stecken, wenn sie nicht nachweislich erfolgreich wären? Und da schließt sich der Kreis und es wird hoffentlich jedem Leser deutlich, dass diese ‚freiheitliche‘ Argumentation falsch und absolut unredlich ist.
Diese Fehler in der Argumentation hat man inzwischen erkannt, nur in neoliberalen Kreisen wehrt man sich vehement dagegen, weil dann zugegeben werden müsste, dass der Markt diesbezüglich zu regulieren sei. Das wäre ein Sünde wider dem Neoliberalismus. Die Konferenz in Südkorea hat diesen Punkt m.W. schon längst abgehakt: Es geht darum, die Produktion von immer neuem Plastik zu unterbinden bzw. erheblich einzuschränken.
Das ist aber nur der Teil des Problems, der dazu beiträgt, dass das Anwachsen der Plastikmüllberge gegen Null geführt wird. Der andere Teil der Herausforderung ist die Frage, was macht die Welt mit dem Gebirge (weil der Begriff ‚Berge‘ zu niedlich ist) von Plastikmüll, die heute schon existieren und dort aufpoppen, wo sie mehrheitlich nicht produziert werden. ‚Einsammeln‘ ist so eine laienhafte Reaktion, die wir im Kleinen aus jeder Säuberungsaktion unserer Umwelt kennen.
Und jeder kennt das befriedigende Gefühl, wenn ein Streifen Natur wieder ursprünglich und vordergründig müllfrei aussieht. Der gesammelte Müll wird dann in einer Größenordnung von 10 oder 20 Säcken dankenswerter Weise von der Stadtverwaltung entfernt (aus den Augen, aus dem Sinn). Das Problem ist aber nicht gelöst, nur verschoben.
Weltweit liegen viele Millionen Tonnen Müll in der „Landschaft“ (Meer, Flüsse inbegriffen), der größte Teil besteht aus Plastik. Plastik ist kein organischer Stoff, er löst sich zwar über die Zeit kleinteilig auf (Mikroplastik), aber eine Absorption in den natürlichen Kreislauf gibt es dort auf absehbare Zeit nicht. Also muss das Plastik eingesammelt werden, um es wieder aus der Biosphäre zu entfernen.
Wenn die Menschheit diese Aufgabe bewältigen will, muss sichergestellt sein, dass nicht vorne weggeräumt und hinten lustig weiterproduziert wird. Die Produktion muss nicht komplett untersagt werden, aber die verbleibende Produktionsmenge muss deutlich reduziert und strikt überwacht werden.
Wie müssen wir uns das vorstellen? Wer sammelt ein und wer trägt die Kosten? Was ist mit der Logistik – wo werden die nationalen Müllberge denn aufgeschichtet? Wer will denn da wohnen und leben in Zeiten, in denen die Unwetter an Stärke nachweislich zunehmen? Was ist, wenn der Müllberg im Starkregen anfängt wegzuschwimmen.Wenn ich da an das Polit-Theater mit den „Spargeln“ im Zusammenhang mit der Windkraft denke, oder an die Diskussion über das atomare Endlager, dann wird die Logistik zu einem nahezu unüberwindbaren Problem.
Dann werden die reichen Länder das Problem möglicherweise so lösen, wie viele dieser Länder in der Asylfrage agieren wollen: wir verschieben den Plastikmüll in die ‚armen‘ Länder, die sich nicht ausreichend wehren können und zahlen für diesen schmutzigen Deal. Wenn wir dann genug gesammelt und aufgeschichtet haben, so dass der Plastikmüll vordergründig in der Biosphäre kein offensichtliches (öffentliches) Problem mehr darstellt, kommt die nächste Frage: Was machen wir mit den hoffentlich geordnet kartographierten Müllbergen? Recyclen oder gibt es eine Alternative?!
Was heißt das konkret? Es gibt das technische Recyceln mit dem Anspruch, den Plastikmüll zumindest teilweise aufzuarbeiten, um es einer Wiederverwendung zuzuführen und alternativ die thermische Variante – es wird verbrannt! Plastikmüll lässt sich m.W. nur in einem relativ geringen Umfang technisch wieder aufarbeiten. Die Aufarbeitung verbraucht viel Energie und macht dadurch das recycelte Plastik teuer im Vergleich zum Ausgangsprodukt der Erstverwendung.
Wenn ich die Fakten richtig verstanden habe, so bleibt für einen großen Anteil des erfassten Plastikmülls nur die sogenannte thermische Entsorgung, wenn man die Erwartung hat, dass der Müll von der Erdoberfläche verschwinden soll. Bei der thermischen Entsorgung bleibt m.W. aber das Problem, dass der physische Müll zwar weitgehend verschwindet, aber bei der Verbrennung CO2 entsteht, das als überaus kritisch für den Klimawandel angesehen wird. Man kann es auch umdrehen: Der Plastikmüll übernimmt hier in fataler Weise die ähnliche Funktion wie z.B. ein hinreichend gesunder Wald; er ist in gewisser Weise ein CO2-Speicher und aufgrund der unvorstellbar großen Menge ist auch die darin gebundene Menge CO2 gewaltig. Die thermische Entsorgung würde m.E. weltweit unsere Ziele einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes über Jahrzehnte hinaus ad absurdum führen.
Wenn wir thermische Entsorgung im oben genannten Sinne betreiben wollen, müssen wir relativ kurzfristig und aufgrund der vorhandenen Menge an Plastikmüll gewaltige Entsorgungseinrichtungen (mit einer ebenfalls schlechten CO2-Bilanz) aus dem Boden stampfen, damit wir innerhalb von ca. 10 Jahren den vorhandenen globalen Plastikmüll aufarbeiten können. Da wir davon ausgehen, dass neuer Plastikmüll durch Regulierung nur noch in geringem Umfang entsteht, werden wir dann nach Ende der Maßnahme global über eine Überkapazität an Plastikentsorgungsunternehmen verfügen, die hohe Leerkosten produzieren. Die Leerkosten der Überkapazitäten können dann wieder mit den Abbruchkosten ins Verhältnis gesetzt werden, um zu entscheiden, was man mit den Kapazitäten machen soll.
Wenn die hier geäußerten Annahmen der Realität entsprechen, kann man die Problemstellung als überaus ungünstig klassifizieren:
Einer Regulierung der Plastikproduktion stehen große finanzielle Interessen entgegen. Aber eine weitere Zunahme des Plastikmüll-Gebirges kann auch nicht im Interesse der Chemischen Industrie sein.
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