Die SZ hat den offensichtlichen Protest der Bürger gegen die geplanten Hochhaustürme neben der Postverteilungshalle aufgegriffen. Als Nicht-Münchner kann ich den Protest nur unterstützen. Es gibt weder von der Ästhetik, noch von der Wirtschaftlichkeit oder gar von dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit her sinnvolle Gründe für dieses Projekt.
» weiterlesen
Der einzige Aspekt ist die Aussage, dass München „endlich“ auch solche Türme braucht, weil es andere Metropolen gibt, die einen solchen Schwachsinn schon länger realisiert haben. Aber man muss doch nicht jeden Unsinn mitmachen!
Wir sehen uns mindestens drei großen Problemkreisen ausgesetzt:
- nach der Corona-Pandemie wird es nicht nahtlos so weiter gehen, wie das Jahr 2019 endete;
- die Klimakrise fordert von uns verstärkte Nachhaltigkeit und Effizienz;
- die Digitalisierung hat sich durch die Corona-Einschränkungen schneller durchgesetzt als man es erwartet hat. Viele Büros reduzieren sich bis auf 30% ihrer ehemaligen Fläche. Der Markt für Büroflächen wird sich grundlegend ändern. Braucht München dann zwei 150 m hohe Türme mit neuem Büroraum?
Vor diesem Hintergrund ist das Projekt äußerst fragwürdig.
Unter dem Gesichtspunkt der Ästhetik (Gestaltung, Optik, Stadtbild) ergeben sich ebenfalls viele Fragenzeichen. Muss man wirklich die Protzereien gewisser Schwellenländer in München wiederholen? Oder muss wieder irgendein Investor sein eingesammeltes Geld loswerden (verbrennen), um seine Kunden glücklich zu machen. Gibt es da nicht bessere Alternativen? Was in der Zeitung mit zarten Strichen angedeutet wurde, gibt es doch schon in Dubai, vermutlich auch in Singapur. Diese leicht korkenzieher-artige Bauweise ist doch nichts bahnbrechend Neues. Nichts, was München singulär für sich in Anspruch nehmen könnte. Ich bilde mir ein, etwas ähnliches, aber etwas kleiner, in New York (Manhattan) gesehen zu haben. Zugegeben, Hochhäuser, die sich durch ihre stark überzeichnete Funktion (hoch) auszeichnen, so zu gestalten, dass sie etwas „einmaliges“ darstellen, ist schwierig, aber gerade deshalb wäre es doch sinnvoll, etwas anderes zu planen. Niemand zwingt den Bauherrn, gewerbliche Räume in die Höhe zu bauen. Wenn Hochhäuser von 150m Höhe ein städtisches Bild vermitteln sollen, muss um den Fuß der Hochhäuser viel offener Raum zur Verfügung stehen. Wenn viel Raum da ist, kann man auch anders bauen. Hochhäuser sind eine Alternative dort, wo es offensichtlich an Fläche fehlt und wo bestehende Ensembles sinnvoll ergänzt oder erweitert werden können.
Wenden wir uns der Nachhaltigkeit und Effizienz zu. Hochhäuser sind weder nachhaltig noch effizient. Ich hatte in den 80iger Jahren für einige Monate einen Arbeitsplatz im 93. Stockwerk des World Trade Centers (WTC) in New York. Einmal runterfahren, etwas zu Essen besorgen und wieder am Arbeitsplatz zu sein dauerte fast eine Stunde: nicht, dass ich die 93 Stockwerke zu Fuß bewältigt habe, nein, der Turm konnte nur über einen Wechsel von drei Teil-Aufzügen bewältigt werden und die waren meist rappelvoll. Man kann sich nicht vorstellen, was für ein Gedränge herrschte, wenn wieder mal einer der vielen Aufzüge streikte, insbesondere, wenn „Plattform“-Touristen und arbeitendes „Volk“ sich in die Quere kamen. Die Aufzüge führten u.a. direkt in die Büros. Es gab also „Express“- Aufzüge und Aufzüge, die in jedem Stockwerk hielten(Lumpensammler). Die Infrastruktur in den Türmen des World Trade Centers erforderte als erste Pflicht der ständig durch die Stockwerke Reisenden viel Geduld.
Der Flächenbedarf für Infrastruktur war gigantisch. Ein Treppenhaus existierte aus Sicherheitsgründen, war nicht als Verkehrsweg ausgelegt, war immer vermüllt und nicht klimatisiert. Es wurde deshalb im Alltag einfach nicht benutzt. Der Müllschlucker war auch so ein Problem. Die Entsorgungskanäle mussten nach unten immer mächtiger werden, um dem Abfall, den Brauchwassermengen und den Fäkalien Herr zu werden. Das Verhältnis von Infrastrukturflächen zu Nutzflächen ist in Hochhäusern stets katastrophal. Die Herren Architekten vergleichen immer Hochhaus mit Hochhaus, statt das Hochhaus mit seinen Kubaturalternativen zu vergleichen. Wenn das Nutzungsverhältnis schon unbefriedigend ist, kann man sich die verheerende Wirkung auf die künftige Nebenkostenverteilung vorstellen.
Später lebte ich mit der Familie in der Nähe von Frankfurt in einem siebenstöckigen (also kleinen) Hochhaus, das natürlich in Betonbauweise errichtet worden war. Die Flächen, die dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, wurden im Sommer unvorstellbar heiß. Beton sammelt die Hitze und gibt diese dann nach 2-3 Tagen nach innen ab. Sehr ‚angenehm‘, wenn dann das Thermometer innen auf dreißig Grad und mehr steigt, wenn es draußen schon wieder regnet. Es gibt Fachleute, die eine Beschattung und Erwärmung von Hochhäusern simulieren können. Sie wissen, welcher gewaltiger Energiebedarf notwendig ist, um den beschriebenen Effekt zu minimieren.
Wir hatte im ‚kleinen‘ Hochhaus noch Fenster, die wir öffnen konnten; bei 150 m Höhe gibt es das nicht mehr. Die gesamte Be- und Entlüftung erfolgt automatisch über energiefressende Klimaanlagen und das z.B. in Corona-Zeiten. Wenn der Hepa 14-Filter ausfällt oder wegen Überlastung wirkungslos wird, nützen auch 1,5 m Abstand und Mund- und Nasenschutz nichts mehr. Dann ist das Hochhaus ein Hotspot ersten Ranges.
Allein die Kühlung des Hochhauses im Sommer, unabhängig von einer möglichen Beschattung, ist energetisch heftig. Die Sonne hat im Sommer bei den Türmen von Ost über Süd bis West uneingeschränkten Zugriff auf das Gebäude. Im Winter sind diese überdimensionierten Finger der Kälte von allen Seiten ausgesetzt. Das muss durch hochdimensionierte, teure Technik abgefangen werden. Das kostet im Sommer Kühlungsenergie und im Winter ordentlich Heizung, mit der man vermutlich ein ganzes Stadtviertel versorgen könnte. Dabei ist das Hochhaus aufgrund seiner exponierten Stellung (seiner Kubatur) im Nachteil gegenüber jeder anderen Bauweise, alleine durch die nicht zu rechtfertigende Gestalt seiner Baumasse.
Nach meinem Empfinden ist der Büroflächenmarkt in München unter Druck. Bisher waren die Mieten erfreulich hoch bis unverschämt. Durch die Pandemie und durch den verstärkten Einsatz von Digitalisierung (Home-Office) schrumpft die Notwendigkeit, weitere Flächen anzumieten bzw. es werden über kurz oder lang Flächen frei. Es ist mir nicht möglich, bei den zwei Hochhaustürmen von 150 m Höhe die dadurch zu erwartende Büroflächenerweiterung zu ermitteln. Sie dürfte aber in einer Größenordnung liegen, die den bisherigen knappen Marktzustand in sein Gegenteil kehrt. Damit könnte es sein, dass die Rentabilität der Türme grundsätzlich überdacht werden muss. Und damit könnte sich das Projekt als eine Investition zur falschen Zeit am falschen Ort erweisen.
» weniger zeigen