Sinnvolle Lösungsansätze in der Umweltpolitik?

Es gibt eine Reihe von Lösungsansätzen auf dem Gebiet der gegenwärtigen Umweltpolitik. Aber sind sie sinnvoll? Oder sind sie nur dazu da, das bestehende Problem zu verschärfen? Oder sollen sie den Eindruck vermitteln, man tue etwas, will aber keine Änderung der Verhältnisse zulassen? Die folgenden Abschnitte wollen versuchen, hier etwas intellektuelle „Ehrlichkeit“ ins Spiel zu bringen.

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Versetzen wir uns in die Rolle eines Wesens, das über dem politischen Alltagsgeschäft steht und die Welt aus einer höheren Warte beobachten kann. Dieses Wesen wird feststellen, dass eine Spezies dieser Welt die Macht an sich gerissen hat, um die irrige Auffassung vertreten zu können, diese Welt hätte ausschließlich ihren technologischen und insbesondere ihren daraus abgeleiteten monetären Erwartungen zu dienen. Alles und jedes wird durch die „Brille des Geldes“ betrachtet und bewertet.

Das Wesen hätte weiterhin die täglich fortschreitende Zerstörung der Welt zu konstatieren. Wir wollen der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es auch jene Anstrengungen wahrnimmt, die gemacht werden, um der weiteren Zerstörung entgegen zu wirken. Letztere Anstrengungen können wir unter dem Begriff Umweltpolitik zusammenfassen. Man kann aus der Formulierung zu Recht entnehmen, dass dieses Wesen auch erkennen muss, wie jämmerlich klein und unbedeutend der Einfluss der Umweltpolitik auf die Entwicklungen dieser Welt einzustufen ist.

Wenn wir die Menschen fragen würden, wie sie zur Umwelt stehen, so könnten wir feststellen, dass ein beachtlich großer Teil der befragten Menschen die wichtige Bedeutung einer Umweltpolitik bestätigen würden. Sobald aber zum Ausdruck gebracht wird, dass Verbesserungen für die Umwelt mit Sicherheit zu Lasten unseres hedonistischen Lebensstils gehen werden, reduziert sich die Zahl unserer vormalig zustimmenden Anhänger dramatisch. Das ist ein Grundproblem der Umweltpolitik. Die Einsichtswilligkeit der Bürger in die Zusammenhänge ist äußerst begrenzt. Und es gilt, den Anfang sollen immer die anderen machen.

Ein großer Teil der Umweltpolitik ist aus diesen einfachen Gründen Symbolpolitik. Man trifft sich zu gigantischen Konferenzen in Rio, in Kyoto, in Paris und sonst wo. Man spricht über die im Wesentlichen richtigen Problemstellungen, erkennt auch Lösungen, geht dann nach Hause, berichtet darüber in großen Lettern in den Zeitungen und das war es dann auch schon wieder – bis zur nächsten Konferenz. Nennenswerte politische Konsequenzen sind nicht feststellbar. Die Größe der Konferenzen und der ‚Wind‘, den sie verursachen, ist umgekehrt proportional zu ihrer Umsetzung. So werden manchmal Grenzwerte ermittelt und für verbindlich erklärt. Deren jahrelange regelmäßige Überschreitung wird aber politisch konsequent ignoriert. Auch das ist verhängnisvolle Symbolpolitik – kein Verhalten deckt den Symbolcharakter der Umweltpolitik gnadenloser auf. Wenn dann noch aus der gleichen politischen Ecke der Vorschlag kommt, es könne doch nicht sein, dass wegen eines ‚dämlichen‘ Grenzwertes ganze Innenstädte lahmgelegt werden, so ist das wohl der Gipfel der umweltpolitischen Verlogenheit. Dort, wo Veränderung erwartet werden kann, traut man der eigenen Chuzpe nicht und versucht, durch Verrat an der eigenen Umweltpolitik die aufgeschreckte Wirtschaft zu beruhigen. Sobald Umweltpolitik zu einer Veränderung unserer Verhaltensweisen führen soll, wird schamlos gekniffen.

In der Umweltpolitik hat man sich vor vielen Jahren allgemein auf das Verursacherprinzip einigen können. Das ist auch schon wieder vergessen, weil der Verursacher unvermeidlich auf der Seite der Wirtschaft zu finden ist, so gilt das heute, weil konfliktträchtig, als keine so gute Idee mehr. Es ist viel einfacher, die Kosten auf die vielen Millionen (wehrloser) Verbraucher und Bürger umzulegen, statt sich mit der Wirtschaft anzulegen und sie in verschiedenen Grundfragen zur konsequenten Einsicht zu zwingen.

Ein Beispiel: Es wird über die Einwegverpackungen zu Recht gewettert. Jetzt sollen gewisse Verpackungsformen in der EU verboten werden. Warum setzt man dabei bei einem Endprodukt an, wenn die Verantwortung für den ‚Dreck‘ beim Verbraucher angekommen ist? Warum nicht beim Verursacher? Was nicht produziert wird, kann nicht als Müll auftauchen – ist das wirklich so schwierig zu verstehen: die Dinge vom Kopf auf die Füße zu stellen!!!

Kunststoff wird aus Rohöl gewonnen. Das Kunststoffausgangsmaterial läuft dann, verglichen mit dem Bild eines Baumes, den Stamm hinauf. Irgendwann teilt sich der ‚Kunststoffbaum‘ in mindestens zwei Sparten: in die technologisch hochwertige Gebrauchsverwendung des Kunststoffes und in die Verbrauchsverwendung des Kunststoffs als Verpackungs- und Isoliermaterial. Dieser letztere Zweig unseres ‚Baumes‘ hat wieder viele Verzweigungen bis hin zur Einwegverpackung. Die Einwegverpackung ist als ein „Blättchen“ dieses riesigen ‚Kunststoffbaumes‘ anzusehen, und ausgerechnet dieses kümmerliche (Feigen-)Blättchen will man jetzt verbieten! Alles andere bleibt unberührt und kann weitermachen wie gehabt. Ist die Politik so kurzsichtig oder hat die Kurzsichtigkeit Methode?

Das Ziel müsste doch sein, den Rohstoff des Kunststoffs in seiner Anwendung zurückzufahren. Die technologische Anwendung wäre auszusparen, aber der Rest der Kunststoffproduktion müsste sich z.B. aufgrund einer Müllsteuer auf Verbrauchsplastik drastisch verteuern – z.B. durch eine über die Jahre systematisch zunehmende (also progressive) Besteuerung von Produktion und Einfuhr. Das gibt der Industrie die Möglichkeit des geordneten Wandels und führt dazu, dass unsere Gesellschaft andere (umweltfreundlichere) Alternativen entwickeln könnte.

Es fällt dem schlichten Beobachter der Szenerie auf, dass die Politik ganz besonders die Problemlösung durch neue Technologien unterstützt. Man glaubt auf dem Felde der Politik allen Ernstes, dass die Strategie, die uns in das Umweltproblem hineingeführt hat, auch die Lösung des Problems bereitstellen kann. Das wiederspricht jeglicher Lebenserfahrung. „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“ (Albert Einstein). Insbesondere liebt die Politik diesen Ansatz, weil er sie von jeder Verantwortung befreit. Nicht die Politik, sondern die Technologie muss die Lösung bringen. Der Problemlösungsansatz geht davon aus, dass wir, die Bürger, gar nicht Teil des Problems sind. Deshalb können wir in der Zwischenzeit beruhigt weitermachen wie bisher.

Wenn wir uns als Teil des Problems verstehen würden, müsste die Politik als unsere Regierungsvertretung harte Entscheidungen treffen und in unser Wirtschaftsgeschehen massiv eingreifen. Und dazu bräuchte sie unsere Unterstützung – und darauf ist kein Verlass. Diese Unsicherheit will die Politik um jeden Preis umgehen. Also passiert gar nichts!

Um die Weihnachtszeit und zwischen den Jahren bringen Zeitungen als auch das Fernsehen bevorzugt Berichte über neue Technologien, die die alten Probleme lösen sollen. Ein Problem ist z.B. der „Müllstrudel“ im Pazifik, der Berichten zu folge inzwischen eine Größe von der Fläche Europas erreicht haben soll. Junge Leute haben sich dem Problem angenommen und technisch hochinteressante Vorschläge ausgearbeitet. U.a. will „Oceancleanup“ – so der Name eines Projektes – den Müll im Pazifik einhegen und sucht nach Lösungen, wie der Müll „vernichtet“ werden kann. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass die Menge des Mülls so gigantisch ist, dass sie jedes menschliche Vorstellungsvermögen übertrifft.

Es gibt sicherlich Alternativen: recyceln (d.h. der Müll wird überwiegend wieder in den Ausgangskunststoff zurückgeführt) oder verbrennen. Den Müll aus dem Wasser fischen ist eine Sache, den Müll verwerten eine andere. Wenn das Projekt des „Müllfischens“ beginnt, muss doch sinnvollerweise sichergestellt sein, dass nicht vor Amerika der Müll gefischt wird und am anderen Ende des Pazifiks ständig neuer Müll ins Meer gekippt wird. Das wäre eine endlose Geschichte ohne erkennbar glücklichen Ausgang.

Der zweite Gesichtspunkt liegt im Recyceln. Gibt es dafür in Küstennähe ausreichend Kapazitäten? Das ist nicht zu erwarten. Also werden diese Anlagen in einem riesigen Ausmaß gebaut werden müssen. Der damit rückgewonnene Rohstoff wird auf dem Weltmarkt angeboten und wird, wenn die Preisgestaltung akzeptabel ist, den Kunststoffmarkt aufgrund der Menge überschwemmen. Die Nachfrage nach Öl würde drastisch zurückgehen, vorausgesetzt, die Plastikproduktion wäre unverändert hoch. Aber soll es nicht das Ziel sein, Plastikmüll zu reduzieren?

Aber genau da setzt die Kritik an: Erst wird der Müll aus dem Meer gefischt und mit relativ hohem Aufwand recycelt. Parallel wird aber die Kunststoffproduktion hoch besteuert (siehe oben) mit dem Ziel, dass sie zumindest mengenmäßig zurückgeht. Was soll dann der recycelte Plastikrohstoff? Er ist nicht absetzbar. Damit ist auch die Sinnhaftigkeit eines Recyclings in diesem Fall in Frage gestellt. Es sei denn, wir sehen einen Sinn darin, den Plastikrohstoff für die Verwendung kommender Generationen einzulagern ähnlich dem Atommüll, der auch noch kein Endlager hat.

Wenn das Recyceln aufgrund der wenigen Überlegungen nicht zu einem erkennbaren Erfolg geführt werden kann, dann bleibt nur das Verbrennen – im Grunde eine riesige Verschwendung von Ressourcen. Das Verbrennen ist dann, wenn es uns gelingt, durch Besteuerung eine neuerliche Plastikflut einzudämmen, ein temporär sehr begrenztes Geschäft. Dafür einen Unternehmer zu gewinnen, kann nur mit der riesigen Menge des zu verbrennenden Materials verknüpft werden und wird die pazifische Staatengemeinschaft eine richtige Stange Geld kosten. Es sei denn, man erinnert sich der weltweiten Einigung auf das Verursacherprinzip und wendet es im Rahmen einer Steuer oder sonstigen Abgabe konsequent an. Aber auf welcher Rechtsgrundlage – der Müll im Pazifik ist ja nicht ausschließlich den Anrainerstaaten zu zuordnen, sondern ein globales Problem. Welche Instanz hätte die Autorität, das Verursacherprinzip durchzusetzen? Es ist ja schon national kaum durchzusetzen – denken Sie an die deutsche Autoindustrie, die einen Betrug begangen hat, sich aber den Konsequenzen aus dem Verursachungsprinzip entziehen will. Und die Politik schweigt verschämt aufgrund ihrer Mitwisserrolle.

Lasst uns zusammenfassen: Symbolpolitik ist in der Umwelt-Politik besonders beliebt. Man tut etwas, kann darüber eine großartige Geschichte erzählen, aber es ist völlig irrelevant, weil sich nichts ändert. Grenzwerte sind Teile einer Symbolpolitik: Es werden Grenzwerte festgelegt, deren wissenschaftliche Absicherung oft fragwürdig ist, die aber scheinbares politisches Handeln zum Ausdruck bringen. Grenzwerte sind nur dann etwas sinnvolles, wenn ihre Einhaltung regelmäßig von dritter Seite unabhängig überprüft wird und bei Überschreitung gesetzlich definierte Maßnahmen eingeleitet werden müssen, z.B. Sperrungen von Innenstädten. So gesehen ist die Feinstaubproblematik und das drohende Fahrverbot in Innenstädten in die Kategorie „missglückte Symbolpolitik“ einzuordnen. Man glaubte daran, sich durch die Einführung von Grenzwerten politisch Luft zu verschaffen, aber keine Konsequenzen ziehen zu müssen. Manchmal verunglückt die Vorgehensweise, wenn jemand die Luftnummer durchschaut.

Symbolpolitik ist auch deshalb beliebt, weil das vorgebliche Handeln der Politik niemandem weh tut. Alle sind beruhigt. Es gibt gewöhnlich keine Eckpunkte, die Handlungen herausfordern.

Die Umwelt-Politik baut in hohem Maße auf die Hoffnung, dass es immer eine Technologie gibt, die unsere unstreitigen Umweltprobleme lösen können. Dass diese Technologie auch noch vom Wachstum abgekoppelt werden kann, ist dann die zweite große Illusion. Im Rahmen unseres Wirtschaftssystems wenden wir Technologien an, die Umweltprobleme schaffen. Um das Problem aus der Welt zu schaffen, müssen angeblich neue Technologien her. Man nennt diese Vorgehensweise, den Teufel durch Beelzebub austreiben zu wollen. Jedes erkannte Problem führt dazu, dass wir üblicherweise ein neues Geschäftsfeld eröffnen, um der Wirtschaft die Chance zu geben, hier über einen fragwürdigen Markt eine neuerliche Rendite zu erwirtschaften. Ob das Problem damit wirklich gelöst wird, bleibt offen. Aber die neuerliche Anwendung von Technologie löst auch neuerliche Umweltprobleme aus. Mit anderen Worten: diese Vorgehensweise führt in eine nie endende Schleife. Man fragt sich, wie lange braucht es, bis auch der letzte Umweltpolitiker erkennt, dass der hier verfolgte Ansatz zu keiner Lösung des Umwelt-Problems führt.

Den Vorteil des Technologie-Ansatzes sieht die Umweltpolitik darin, dass keine harten Entscheidungen getroffen werden müssen. Davor zucken alle Politiker zurück – dann ging es ans Eingemachte. Solange man auf der Technologie-Schiene fahren kann, sind alle Kenndaten unseres Gesellschaftssystems bis auf die Umwelt im grünen Bereich: neue Technologien bedeuten Wachstum – und das Wachstum wird mit Wohlstand gleichgesetzt. Ob das stimmt, muss hier offen bleiben.

Was wäre die Alternative? Eine Alternative wäre es, die bestehenden Technologien im Lichte der von ihnen geschaffenen Umweltprobleme zu gewichten und die Technologien nach der Mächtigkeit ihrer Umwelt-Problematik zu gliedern. Dann stellt sich die Frage, auf welche Technologie können wir verzichten (weil marginal), auf welche Technologie muss Druck (z.B. in Form von Steuern) ausgeübt werden, um Alternativen zu finden und welche Technologien sind für ein zivilisatorisches Leben unverzichtbar. Neue Technologien sind erwünscht, insbesondere, wenn sie nicht die Zahl der Technologien erhöht, sondern bestehende Technologien umweltverträglicher ersetzen kann. Die Umsetzung neuer Technologien steht aber immer unter dem Vorbehalt ihrer Umweltschädlichkeit. Im klassischen Sinne spricht man dabei von einer Durchführung einer Nutzen-Kosten-Analyse, nicht nur im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Rendite, sondern auch im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Rendite. Das wäre eine Herkulesaufgabe, aber sie ist durchführbar. Die methodischen Erkenntnisse liegen vor. Die Politik würde dabei erstmals wieder harte Entscheidungen vertreten und verkaufen müssen. Dafür braucht es vielleicht einen anderen Typ Politiker, der sich der Gesellschaft als Ganzes verpflichtet fühlt und nicht nur dem Teil der Gesellschaft, den wir ‚Wirtschaft‘ oder ‚Eliten‘ nennen. Die Ergebnisse müssen dann öffentlich zugänglich sein und die Politik darf eine Auseinandersetzung im öffentlichen Raum nicht scheuen.

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