Die Wirtschaftswissenschaften teilen sich in eine makroskopische Vorgehensweise (Volkswirtschaftslehre oder Economics) und einen mikroskopischen Ansatz, der gewöhnlich mit Betriebswirtschaftslehre oder Business Administration bezeichnet wird. Beide Ansätze gehen ursprünglich auf ein gemeinsames Menschenbild zurück, das den Menschen auf den ‚Entscheider‘ reduziert.
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Alles, was dieser ‚Modellmensch‘ tut, ist angeblich rational begründbar. Dieses ‚seltsame Tier‘ nennt man unter Ökonomen den homo oeconomicus. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es keiner Emotionen besitzt und wenn doch, dann in der Lage ist, diese rational zu begründen.
Dieser Modellmensch ist mit einer Rationalität begabt, die übermenschlich ist – er kommt den Göttern nahe – aber man muss an ihn und sein Verständnis von Rationalität glauben. Er löst angeblich jedes Problem mit logisch-rationaler Schärfe, kennt immer im Voraus alle Alternativen der Problemlösung und muss nur noch gemäß seinem Ziel der monetären Gewinnmaximierung die „richtige“ Alternative auswählen. Alles was nicht monetär gefasst werden kann, ist nicht Gegenstand seiner Rationalität. Vernunft spielt bei ihm also nur insoweit eine Rolle, als er das Vernünftige in Geld ausdrücken kann.
Dieser emotionale ‚Krüppel‘ war einvernehmlich die Diskussionsgrundlage der Ökonomie. Nicht lange nach dem Kriege entwickelte sich unter dem Druck der Märkte ein Wissensgebiet in der mikroskopischen Ökonomie, das wir heute Marketing nennen. Es befasst sich intensiv mit der Frage, wie man den konkreten Menschen (also nicht den ‚Krüppel‘) durch Manipulation dazu bringt, mehr zu konsumieren als er braucht. Das neue Fach ‚Marketing‘ hat natürlich mit der gemeinsamen Basis des homo oeconomicus begonnen. Die Vertreter dieses Faches haben aber sehr schnell realisiert, dass die meisten Menschen nicht rational, sondern eher emotional handeln. M.a.W. dieses Wissensgebiet hat die Sichtweise des homo oeconomicus auf den Müll der Methodengeschichte gepackt. Es hat sich durch die Psychologie und Soziologie inspirieren lassen, um zu erreichen, dass nachweislich erfolgreiche Methoden der Vermarktung entwickelt werden können. Der Modellmensch kann das nicht leisten. Er ist viel zu abstrakt und zu weit vom wirklichen Leben entfernt, als dass mit ihm solche Methoden begründet und bereitstellt werden könnten.
Rationale Entscheidungen sind im wirklichen Leben nicht ausgeschlossen, aber wird bei jeder Entscheidung die Ratio bemüht? Wieviel Entscheidungen mit weit tragenden Folgen werden routinemäßig getroffen? Haben wir im wirklichen Leben die Informationen, die notwendig sind, um eine rational begründbare Entscheidung herbei zu führen? Nein! Und die Industrie ist heute mit Hilfe des Marketings intensiv bemüht, uns vom Pfad der Rationalität abzulenken. Die Emotion wird strapaziert. In der Erwartung, dass unsere Emotion wohl in aller Regel stärker auf unsere Entscheidungen durchschlagen als die viel besungene Ratio.
Damit bewegt sich die Ökonomie in einem irrwitzigen Rahmen: Der makroskopische Teil dieses Untersuchungsgebietes glaubt steif und fest an die Rationalität der Entscheider. Das Marketing tut genau das Gegenteil – es werden Milliarden Euro eingesetzt, den Entscheider von der Ratio wegzulocken, um ihm die Welt der Emotionen zu vermitteln. Wenn die Ratio irgendeinen wesentlichen Einfluss auf unsere Konsumentscheidungen hätte, wäre jede Werbung nutzlos, weil ja der Verstand des Menschen sofort erkennen würde, dass er überrannt werden soll. Und das würde dazu führen, dass diese Methoden weitgehend ohne Einfluss blieben. Das Gegenteil ist zu beobachten. Eine Industrie, in der Wettbewerb stattfindet, kann sich kein exzessives Marketing leisten, wenn es keine Erfolge aufzuweisen hätte. Das können wir als einen starken Hinweis werten, dass Marketingmethoden keinem methodischen ‚Glauben‘ entspringen, sondern durch viele Fakten belegt werden können. Die gleiche Erwartung auf die Grundlagen der Ökonomie (Economics) zu richten, läuft aber ins Leere bzw. in die schöne neue Welt des ‚Glaubens und Hoffens‘.
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