Notfallvorsorge – was wäre wenn?

Auf einer Herbstwanderung hat uns ein Wettersturz aus unserer Komfortzone gerissen. Wir mussten unsere Notfallvorkehrungen in Anspruch nehmen, die wir schon seit über 20 Jahren im Rucksack mitführen und zu denen ich mich schon manches Mal ernsthaft gefragt habe, ob deren stete Mitführung sinnvoll ist oder nur das Rucksackgewicht erhöhen.

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Am Abend in der Unterkunft war die Notvorsorge dann allgemeines Diskussionsthema. Alle waren sich einig, dass im Falle von Bewegung in freier Natur und abseits der Zivilisation solche Vorkehrungen absolut notwendig sind. Was ist aber mit unserem Leben in der Komfortzone eines organisierten europäischen Gemeinwesens?

Bei dieser Frage teilten sich die Meinungen. Und der Grund dafür lag in der unterschiedlichen Vorstellungskraft und deren konsequenter Anwendung. Was ist denn denkbar? Unsere Gemeinwesen haben für Krisenfälle ein gewisses Maß an Schutzvorkehrungen getroffen und zudem gibt es ein Bundesamt für Notfallhilfe und Katastrophenschutz (BBK), das versucht, Vorbeuge- und Einsatzmaßnahmen ggfs. zu koordinieren.

Aus den Diskussionen schälte sich heraus, dass die Elektrizität den Angelpunkt unserer Infrastruktur darstellt. Fällt die Elektrizität für einen längeren Zeitraum aus, wird es mit unserem gewohnten Komfort äußerst kritisch. Alle unsere Annehmlichkeiten wie Heizung, Kochen, Telefon, Mobilfunk, Internet, elektrifizierter ÖPNV u.v.a.m. sind Funktionen, die ohne elektrische Energie nicht arbeiten können. Selbst Ölheizungen benötigen zur Zündung elektrische Energie und Umwälzpumpen, die das warme Wasser im Haus zirkulieren lassen. Ähnliches gilt für Gas. Es gibt zwar an vielen kritischen Punkten Notstromaggregate, aber deren Einsatz ist nur für Stunden ausgelegt, selten für Tage. Ihr hoher Kraftstoffverbrauch ruft Versorgungsengpässe hervor. Tankstellen sind ohne Strom nutzlos. In der Wasserversorgung steht möglicherweise das Wasser zur Verfügung, aber die Pumpen, die den notwendigen Wasserdruck aufbauen könnten, arbeiten nicht mehr. Denken Sie an die riesigen Kühlaggregate im Groß- und Einzelhandel. Und denken Sie nicht zuletzt an die eigenen Kühlaggregate und die dort gelagerten Waren, die u.U. schneller verderben als Sie sie verzehren könnten. Die Möglichkeit, sie in gewohnter Weise zu zubereiten, fehlt. Das ist eine völlig ungewohnte Situation, auf die die Mehrzahl der Bürger in keiner Weise eingerichtet ist und bisher auch keinen Gedanken an ein solches Szenario verschwendet hat.

Derjenige, der eine Wanderung plant, hat eine Vorstellung von dem, was schiefgehen könnte und hat für diesen Fall hoffentlich einen Plan B. Der Bürger, der in unserer Komfort-Blase lebt, nimmt diesen Komfort als selbstverständlich und reagiert u.U. äußerst unwirsch, wenn er feststellen muss, der gewohnte Komfort steht ernsthaft und nachhaltig in Frage. Zugegeben, im Rückblick haben unsere Verwaltungsstrukturen es geschafft, uns von größeren Schäden frei zu halten. Aber wie bei Wanderungen, bei denen 20 Jahre lang nicht wesentliches passiert, tritt der „GAU“ plötzlich und unvermutet ein. Dabei bleibt die Frage, wie bereitet man sich darauf vor? Die Wahrscheinlichkeit eines solchen „GAU“ ist sehr gering, aber gerade deshalb umso elementarer für den komfortgeplagten Bürger. Dabei meine ich nicht den kleinen Stromausfall und die kleinen „Unpässlichkeiten“, die nach wenigen Minuten oder maximal einer Stunde zu beheben sind. Es muss schon dicker kommen.

Und wie bereitet man sich darauf vor? Wir haben es ja nicht mit einem Risiko zu tun, das man rechnerisch ermitteln könnte – es geht hierbei um Ungewissheit. Und wir wissen aus den Diskussionen in der Vergangenheit über die Atomreaktoren und deren angeblich geringe Risiken hinsichtlich des „GAU“, dass das alles nur „Beruhigungspillen“ waren. Man könnte auch sagen: „Nonsens on Stilits“ – Unsinn auf mathematisch hohem Niveau, nur gab es keinen vernünftigen Bezug zur Realität. Es ist also wenig sinnvoll, den Fehler zu wiederholen. Wir kennen die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht.

Man muss deshalb die Fragestellung verändern: Es geht nicht um die Frage, ob und wie der Komfort-„Gau“ eintritt, sondern es muss sich um die Frage drehen, was brauche ich, um meine höchstpersönliche kleine Mindestkomfortzone aufrechterhalten zu können. Die Mindestkomfortzone muss so ausgestaltet sein, dass ich trotz der Komforteinbrüche meine physische und psychische Handlungsfähigkeit den Umständen entsprechend erhalte. Je stabiler die persönlichen Verhältnisse gestaltet werden können, desto eher ist man in der Lage, sich und anderen in dieser Situation zu helfen. Dieser Gesichtspunkt ist m.E. von großer Bedeutung: Je größer die Einbußen an Komfort sind, umso mehr ist der Einzelne auf die Zusammenarbeit mit seiner unmittelbaren Umgebung angewiesen. Niemand lebt für sich allein, besonders nicht in Notzeiten. Geben Sie alle Gedanken an ‚Me first‘, Wettbewerb und Markt auf. Diese Hirngeburten ohne echten Inhalt werden sich in Luft aufgelöst haben. Jetzt kommt es darauf an, dass Sie Nägel mit Köpfen machen können – ganz elementar und im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Bundesamt legt seinen Schwerpunkt auf die Vorratshaltung. Ich möchte hier einen etwas anderen Ansatz vorschlagen: Die Survival-Literatur pflegt den Minimalkomfort-Ansatz und geht davon aus, dass zum Überleben die Eliminierung von Nässe und Wind die erste Priorität hat. Danach kommt das Erfordernis der Wärmezufuhr, gefolgt von der Befriedigung von Durst. Durst beeinträchtigt sehr rasch unseren Denkapparat und lässt uns Risiken falsch einschätzen, also hat dieser Faktor eine hohe Priorität, um unsere Handlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Erst dann kommt die Frage nach Nahrungsmitteln. Und der Mensch hält es relativ lange ohne Essen aus. Aber mit zunehmendem Nahrungsmangel über Tage entstehen natürlich körperliche Defizite, die auch durch psychische Veränderungen verstärkt werden können. Das sind die eher theoretischen Grundlagen allen Strebens bei einem Zusammenbruch unserer Komfortzone.

Es nützt wenig, nur Essensvorräte zu besitzen. Man muss sie auch zubereiten können. Der Hinweis, dass viele Nahrungsmittel auch ungekocht verzehrt werden können, ist richtig, aber wie schön ist es, in all der Tristesse verlorenen Komforts etwas Warmes zu sich nehmen zu können. Es baut ungeheuer auf, und darauf kommt es an. Also braucht man neben den Nahrungsmitteln einen einfachen Kocher und den nötigen Brennstoff in ausreichender Menge.

Wir können davon ausgehen, dass unsere Leitungsnetze unter den angesprochenen Umständen ausfallen. Wir sind absehbar von allen gewohnten Informationsquellen abgeschnitten, aber wir sollten wichtige Informationen wissen, um unser weiteres Handeln darauf abstimmen zu können Es ist wichtig, Informationen über Funk (Radio) zu erhalten. Batteriebetriebene Kleinradios (plus Ersatzbatterien) oder auch (mit einem Dynamo versehene) Notradios sind hier hilfreich und lassen sich ggfs. im Vorfeld kostengünstig erwerben.

Die Idee, Wasser in Eimern, Badewannen u.ä. zu speichern, setzt immer voraus, dass wir sehenden Auges in einen Komforteinbruch laufen. Stellen Sie sich vor, es gibt einen öffentlichen Aufruf, Wasser zu horten. Da kommt nach wenigen Minuten kaum ein Tropfen mehr aus dem Wasserhahn, weil alle gleichzeitig zapfen. Das hält auch das beste Versorgungssystem nicht durch. Es bleibt aber in einer Krise richtig, wann immer es sich anbietet, Wasservorräte anzulegen. Es könnte ja noch dicker kommen.

Nun zur letzten Frage: Muss man vor einem Komfort-Einbruch Angst haben? Hierzu ein klares Nein! Wenn wir einen Komforteinbruch erleiden, so ist das ohne Frage ärgerlich, aber wenn es alle trifft, so ist das wie Schicksal. Man muss das Beste daraus machen. Und man sollte ein wenig die allgemeine politische Situation im Auge behalten, dass der Komforteinbruch einen nicht gänzlich unvorbereitet trifft. Hin und wieder hilft es, sich in Gedanken vor Augen zu führen, dass der Komfort, in dem wir zu leben gewohnt sind, sehr hoch und nicht selbstverständlich ist. Noch besser ist es, sich z.B. jährlich wenigstens einmal aus der Komfort-Blase zu verabschieden und sich die Freude zu gönnen, die Techniken des einfacheren Lebens zu üben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem plötzlichen Einbruch kommt, bleibt gering, ist aber leider nicht ausgeschlossen. Wie immer gilt: Nutze Deinen Verstand, folge den erkannten Prioritäten und bleib ‚cool‘.

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