Der Beitrag der „Anstalt“ hat mich nochmals veranlasst, die Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 herauszusuchen. Die Ungereimtheiten, die man auf den ersten Blick nicht vermutet, weil das Paket doch recht serös daherkommt, sind zu groß, als dass man bereit ist, davon ausgehen, dass hier nicht alle Schweinereien, die in der Vergangenheit die Szene hinsichtlich EEG und Zertifikatehandel bestimmt haben, plötzlich in Luft auflösen.
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Angesichts des Insistierens der CDU auf der Freiwilligkeit von Maßnahme bei den meisten einschränkenden Vorhaben (vgl. jüngst Landwirtschaftsministerin Klöckner im Falle des allgemein befürworteten Nutri-Score-Labels) beschleicht den Leser der Verdacht, dass der so gepriesene CO2 – Zertifikatehandel auch auf Freiwilligkeit angelegt werden soll. Dann wären alle meine Überlegungen im vorherigen Artikel hinfällig.
Und siehe da – der ganze Abschnitt über den Zertifikatehandel in den „Eckpunkten …2030“ behandelt die Frage, ob der Zertifikatehandel für die betroffenen Industrien freiwillig oder verbindlich ist, überhaupt nicht. Es ist absolut offen, ob das Vorhaben freiwillig ist, ob hier die Ausnahmen, die gegenwärtig gelten (z.B. die 2000 Großunternehmen, die keine EEG-Umlage bezahlen, aber über 50% des CO2 – Ausstoßes zu verantworten haben) fallen. Wenn sie nicht fallen, ist der angestrebte Zertifikatehandel eine Farce oder eine Wählerverarschung. Ich entschuldige mich für die Wortwahl, aber es gibt kein treffenderes Wort.
Die Schätzung der Geldflüsse in meinem vorherigen Artikel geht von der Annahme aus, dass in den Zertifikatehandel ausnahmslos alle Unternehmen, die CO2 produzieren, eingeschlossen werden. Eine Unterteilung nach guten und weniger guten Sektoren und Branchen unterbleibt. Die Diskrepanz, die sich zwischen meinen geschätzten Zahlen und dem Umfang des Klimapakets auftut, lässt nun vermuten, dass es eben doch Ausnahmen geben wird. So wie man ein gutes Energie-Einspeisungs-Gesetz (EEG), das ehemals der Förderung von Erneuerbaren Energien diente, im Jahr 2010 so änderte, dass die ganze Solarenergiebranche von der Politik wissentlich an den Baum gefahren und der internationale Know-how-Vorsprung verloren wurde. Die Energieeinspeisung für Erneuerbare Energien kam damit praktisch zum Erliegen. Aber das war nicht genug. Man hat den 2.000 größten CO2-produzierenden Unternehmen auch noch politisch Dispens dadurch erteilt, dass sie von der Umlage des EEG nicht erfasst werden. Sie zahlen keine Umlage, sondern nur den viel niedrigeren Preis der Strombörse. Die Folge ist, dass die Bürger den Teil der Umlage, der auf die 2.000 Unternehmen entfällt, bezahlen müssen. Deshalb steigt der Strompreis ständig für den Otto Normalverbraucher.
Was mich auch verwundert, die die Tatsache, dass die geplante Einführung des Zertifikatehandels auf nationaler Ebene in den Gazetten nicht kritisch gewürdigt wurde. Das fällt irgendwie auf. Wo bleibt der Gegenwind? Wo bleibt die Diskussion von Alternativen? Was ist an der Vorstellung eine CO2-Steuer so schrecklich? Der ganze Verwaltungsapparat (die Finanzverwaltung) steht zur Verfügung. Zur Frage von Steuergeldern sind die Verfahrensregeln und die Gerichtsbarkeit eindeutig und klar. Für den Zertifikatehandel muss ein adäquater Apparat erst noch aufgebaut werden (kostet Zeit und extra Geld und ist insbesondere zu Beginn extrem fehleranfällig). Die Öffentliche Verwaltung hat für alle Arten von Geldzuflüssen Regeln entwickelt. Handelserlöse gibt es bei der öffentlichen Verwaltung nicht. Man kann also davon ausgehen, dass die Regierung sich des Problem auf die Weise entledigt, dass sie den Zertifikatehandel privatisiert. Das hat man auch mit der LKW-Maut gemacht und wurde von den Betreibern nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen. Seit sie das erkannt hat, sind die Anteile der Gesellschaft schon seit über einem Jahr wieder im Eigentum des Staates. Da ging der Privatisierungsschuss nach hinten los. Man sollte doch irgendwann einmal lernen, dass immer dann, wenn die öffentliche Hand ein Geschäft mit großem Geldvolumen in private Hände gibt, ohne sich die Möglichkeit einer jederzeitigen Prüfung mit Kündigung der Zusammenarbeit vorzubehalten, zum Scheitern verurteilt ist. Die Gier des großen Geldes zieht immer wieder fragwürdige Gestalten an.
Und noch ein letztes: Es gibt lt. „Anstalt“ einen europäischen Zertifikatehandel, der seit 14 Jahren versucht, die Idee in eine sinnvolle Funktion zu verwandeln. Der Zertifikatehandel der EU ist eigentlich ein totgeborenes Kind – aber die CDU will offensichtlich diese Sinnlosigkeit des Vorgehens. Sie kann jetzt Aktivismus demonstrieren, im schlichten Wissen, dass dabei nichts herauskommt. Das ist ein schmutziges Taktieren um eine ehrliche Sache, die große Teile der Jugend auf die Straßen getrieben hat. Und die Politik ist auf dem besten Wege, mit Verhaltensweisen von vorgestern diese Zukunftsaufgabe zu „verkacken“ (wie man das heute wohl auszudrücken pflegt).
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