Künstliche Intelligenz (KI) – ein ferner Wunschtraum?

Im Rahmen eines außergewöhnlich guten Vortrags hatte ich Gelegenheit, der Frage nach der KI ein wenig nachzuspüren. Da mir viele Grundlagen fehlen, ist es mehr oder weniger eine Wertung aufgrund dessen, was ich verstanden habe. Der Vortrag stellte im ersten Schritt in einem breiten Fächer den Stand der Technik vor. Die Zuhörer waren sich darin einig: Das hat mit dem, was die Zuhörer unter künstlicher Intelligenz verstehen würden, aber so gar nichts zu tun. Da ist die Entwicklung noch Meilen von einer KI entfernt.

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Dann wurden wir mit einer Parabel vertraut gemacht. Auf dieser Parabel waren dann alle verschiedenen Stadien der unterschiedlichsten Ansätze zur KI aufgereiht. Ich kenne diese Parabel unter der Bezeichnung „Mount Stupid“ aus der Beschreibung des Anlegerverhaltens an der Börse. Damit werden Hypes für Aktienpreise umschrieben, die solange steigen, bis der ‚Mount Stupid‘ erreicht ist (also der Umkehrpunkt, an dem die Mehrzahl der Anleger gemerkt hat, dass das ein Flop ist). Danach fallen die Preise ins Bodenlose, um sich dann auf der Höhe des Beginns der Parabelaufzeichnung i.d.R. wieder zu fangen, um dann (vielleicht) als unaufgeregter Börsenwert doch noch seinen Weg zu machen.

Der Vortragende hat mit der Präsentation dieser Parabel wohl bewusst zum Ausdruck bringen wollen, dass KI sowohl im Rahmen der Wissenschaft als auch im Rahmen der die Wissenschaften finanzierenden Investoren als ein Hype zu betrachten ist. Alle reden, aber die wenigsten verstehen etwas davon und es wird noch viel Geld dabei verbrannt werden.

Aus meiner persönlichen Sicht greife ich auf ein Modell von vor 200 Jahren zurück. Schopenhauer hat es verwendet, um die Hirnfunktionen zu verdeutlichen. Dabei liefern die Sinne den Input und der Verstand sortiert und speichert diesen Input nach Raum, Zeit und Kausalität. Der Verstand ist nur die große Sammelstelle. Wertungen und Verknüpfungen (also Ansätze zur Intelligenz) erfolgen im Rahmen der Vernunft. Übertragen auf unsere Zeit bedeutet das, das die Bestrebungen der heutigen Digitalisierung in etwa der Sammelwut des Verstandes nahekommt und künstliche Intelligenz erst dann auftreten würde, wenn ein Äquivalent zur Vernunft (die sinnvoll werten und verknüpfen kann) gefunden wird.

Was gegenwärtig konkret passiert, hat mit KI eigentlich nichts zu tun. Die Datenkraken suchen nach immer besseren und schnelleren Auswertungen der Daten, die sie möglicherweise ungerechtfertigt nutzen, um durch Informationen über andere Menschen Verwertbares schaffen und verkaufen zu können. Dass dabei immer raffiniertere und aggressivere Methoden Verwendung finden, ist bedauerlich, hat aber mit KI unmittelbar nichts zu tun. Die Vorgehensweise schreit jedoch nach einer Regulierung.

Bei der Diskussion wurde dann auch verdeutlicht, dass der Begriff der Intelligenz (im Deutschen) und der der Intelligence (im Angelsächsischen) unterschiedlich interpretiert werden. Wir verstehen in Deutschland darunter eine individuelle Kapazität (die wir im Hirn lokalisieren) ohne eine Verwendung zu implizieren. Die Angelsachsen sehen das ein wenig anders. Sie erfassen damit auch Aktivitäten, allgemein insbesondere Untersuchungen, die verdeckt erfolgen im Sinne von Spionage. Aufgrund dieses ‚kleinen‘ Missverständnisses wird vielleicht das Handeln der Datenkraken – als eine Form der ‚Intelligence‘ aufgefasst – etwas verständlicher.

Aus meiner Sicht fußt aller Anfang von KI auf der Grundlage von Algorithmen, also verknüpften Schritten, die zu jederzeit wiederholbare Lösungen eines bestimmten Problems bereitstellen sollen. Ändert sich die Problemstellung, so verliert der vormals fixierte Algorithmus seine Fähigkeit, eine problemadäquate Lösung hervorzubringen. Der Algorithmus macht  – dumm wie er ist – zwar seine Schrittfolgen, aber seine Lösungen passen in keinem Fall mehr auf die veränderte Problemstellung. KI könnte nun dort beginnen, wo ein intelligenterer oder ein hierarchisch übergeordneter Algorithmus feststellen könnte: Stop! Die Voraussetzungen für eine valide Lösung sind nicht mehr gegeben. Die nächst höhere Stufe im Rahmen von KI wäre dann die Fähigkeit, erstens zu erkennen, worin der Mangel liegt und zweitens die Fähigkeit, gegebenenfalls den Algorithmus an die neue Problemlage anzupassen. Man merkt, dass wird schnell sehr komplex. Dort sind wir noch nicht und dorthin werden wir so schnell auch nicht kommen. Abgesehen davon, wäre die Frage nach einer Kontrolle einer solchen Art von Intelligenz außerhalb des Menschen sofort virulent. Hier müssen wir wirkungsvolle Regulierungen finden, die aber den Ansatz der KI nicht gleich im Kern ersticken.

Was wir heute beobachten können, ist die Perfektionierung im Sinne von „Intelligence“ (siehe NSA in den USA oder chinesische Überwachungsstrategien über Huawei). Hier gehen glücklicherweise zumindest bei uns in Europa die roten Ampeln an. Die neue Datengrundverordnung, die sich Europa gegeben hat, setzt diesen Bestrebungen – auch international – erste Grenzen. Was bei dem Vortrag für mich deutlich wurde: Wir müssen hier sehr darauf achten, dass wir rechtzeitige und grundsätzliche Grenzen der weiteren Entwicklung setzen. Nicht alles, was möglich ist, darf umgesetzt werden, nur weil es für gewisse Kreise Einkommen und insbesondere Macht bedeutet. Die Datengrundverordnung der EU hat hier einen ersten Meilenstein gesetzt. Durch die Einigung auf diesen Standard ist es der EU gelungen, die USA als Vertreter des ‚Intelligence‘ – Gedankens (des Überwachungsgedankens) auf den zweiten Platz zu verweisen. Die uneingeschränkte Nutzung von Daten mit dem flauschigen Versprechen einer künftigen Wunderwelt des KI hat damit einen deutlichen Rückschlag erlitten.

Lassen Sie mich nochmals auf den „Mount Stupid“ als Beschreibung von Hypes zurückkommen. KI ist ja nicht der erste Hype, den wir erleben. Mein erster Hype, den ich erlebt habe, war die Kernkraft. Sie wurde uns politisch mit Engelszungen vermittelt, versprach uns ein ‚güldenes‘ Zeitalter und hat uns als Gesellschaft enormes Geld gekostet und es hat dieser Industrie gewaltige Gewinne beschert. An den finanziellen Folgekosten sowie an den nach wie vor offenen Sicherheitsfragen knabbern wir noch heute. Ein Endlager ist nicht in Sicht. Die Politik hofft wohl darauf, dass das hohe Strahlenpotenzial des Kernkraftschrotts hoffentlich der Vergesslichkeit des Wählers anheimfällt.

Dann kam u.a. der Hype mit der Gentechnik auf dem Feld der Landwirtschaft. Sie sollte den Hunger auf der Welt ausrotten, so das hehre Versprechen der Agrochemie. Stattdessen sind Millionen Kleinbauern weltweit ins Elend gefallen und die Böden sind durch riesige Monokulturen, die man nur mit Gift und Kunstdünger aufrechterhalten kann, einer nachhaltigen Bewirtschaftung entzogen. Ein Vergleich der Erträge pro Hektor über dreißig Jahre zwischen USA (genmanipuliert) und Europa (nicht genmanipuliert) zeigen keine signifikanten Ertragsunterschiede. Der versprochene Vorteil der Genmanipulation hat sich nur in den Kassen bei Firmen wie Monsanto und Co. realisiert. Die Landwirtschaft ist nicht besser geworden, aber die Mehrzahl der notwendigen Zutaten für eine ‚moderne‘ Art von Landwirtschaft steht heute unter Patentschutz und ist damit signifikant teurer als früher. Man nennt so etwas einen Markt schaffen, wo keiner ist. Mal sehen, wie lange die jüngere Generation der Zerstörung ihrer Zukunft tatenlos zusieht.

Die Einführung des Personalcomputers war dann ein eher leiser, aber umso radikalerer Hype. Hier wurden keine wilden Versprechungen gemacht, wenngleich ich mich an damals faszinierende Bücher erinnere, wie „Die Arbeitswelt von morgen“ (Peter Lindemann). Dazu gab es zahllose vergleichbare Veröffentlichungen. Die Zukunft wurde wiederum in den rosigsten Farben geschildert. Wir haben dann als Folge 5 Mio. Arbeitnehmer in das Prekariat geschickt (heute soll die Zahl von 12 Mio. erreicht sein) und die Politik war stolz auf ihren bewussten Sozialab- oder -umbau. Wenn nun all diese prekär Beschäftigten ins Rentenalter kommen (und das beginnt jetzt 20 bis 30 Jahre danach), schaffen wir eine Altersarmut, die menschenunwürdig ist. Sie wird vermutlich so groß werden, dass sich sogar Wirtschaftsvertreter inzwischen überlegen, ob man nicht den absehbar erkennbaren Ausfall an Umsatz (im politischen Sinne =Wachstum) durch ein bedingungsloses Grundeinkommen auffangen kann.

Und jetzt KI als jüngster Hype – mal sehen, wie das regulatorisch ausgeht und was es uns als Gesellschaft am Ende aller Tage kostet! Dabei sind nicht die monetären Kosten das Problem (es ist ja bloß Geld, das Banken durch einen einfachen Buchungssatz ständig generieren), sondern die Frage, wohin sich die Gesellschaft verändern wird, wer gewinnt und insbesondere wer dabei verliert. Mancher wird fragen, wo bleibt der übliche Optimismus, aber irgendwann sollte sich durch die reale Entwicklung doch ein kleiner Lernfortschritt vollzielen – oder nicht?

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Ein Gedanke zu „Künstliche Intelligenz (KI) – ein ferner Wunschtraum?

  1. KI – hier steckt sehr viel unreflektierte Fortschrittsgläubigkeit – mit jetzt schon fatalen Folgen z.B. für den Arbeitsmarkt, dringend erforderliche Maßnahmen werden verschleppt (die KI wird es richten)

    Bisher gibt es zum Glück (wahrscheinlich) keine intelligenten, denkenden Computer (Software).
    Intelligenz / Denken ohne gleichzeitiges Bewusstsein (Unterbewusstsein) ist wohl kaum möglich.

    Sollten Menschen es schaffen Software mit Bewusstsein entstehen zu lassen, dann fügen sie zu den bedrohlichen menschengemachten Problemen ein weiteres hinzu (… der Zauberlehrling).

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