Die ZEIT (Nr. 33) hat diesen „Krieg“ so thematisiert – mal sehen wer hingeht. Die Artikel rund um das Thema befassen sich mit den populistischen Führern und ihren persönlichen Defiziten. Offensichtlich spielt dabei die Arroganz (der Macht) eine wichtige Rolle, aber die Arroganz der gegenwärtigen Eliten fokussiert sich auf die Wahrnehmung der populistischen Repräsentanten. Die Eliten seien angeblich zu arrogant gewesen, um die Repräsentanten ernst zu nehmen. Das ist der falsche Ansatz.
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Die Repräsentanten der populistischen Bewegungen greifen doch nur etwas auf, was keiner der Artikel so recht ansprechen will: In unseren formalen Demokratien hat sich unterhalb der Wahrnehmung der Eliten ein Heer von Menschen und Wählern versammelt, das sich durch die Eliten in keiner ausreichenden Weise mehr vertreten fühlt. Das ’Heer‘ scheint zu der Auffassung gekommen zu sein, die Eliten haben diese Wähler aus den Augen verloren und sie fühlen sich „verachtet“, weil sie nicht so ticken, wie es die Eliten glauben vorgeben zu können. Ihre Bedürfnisse sind nicht die der Eliten. Diese Wählergruppe hat nun für ihre Bedürfnisse Sprachrohre gefunden, die der Mainstream ‚Populisten‘ nennt, weil sie sich eines Vokabulars bedienen, das die Eliten als überwunden glaubten. Die Eliten meinen ein Recht auf die richtige Meinung zu haben, denn sie haben die Wähler in den letzten Jahrzehnten wunderbar im Griff gehabt. Teile dieser Wähler waren in der Vergangenheit jene Verfügungsmasse, die die Eliten in einer sich demokratisch darstellenden Herrschaftsform benötigten, um ihre Ziele als Teil des Neoliberalismus ohne viel Federlesen durchsetzen zu können. Es scheint, dass die Zustimmung dieser Verfügungsmasse durch ungeschickte (Management-)Fehler der Eliten verloren gegangen ist und die Teilnehmer dieser Massen die subtile Führung durch die Eliten zumindest teilweise durchschaut haben. Plötzlich wird sich die Verfügungsmasse ihrer eigenen Macht bewusst, die sich in demokratischen Strukturen durch Abstimmungsverhalten ausdrückt. Das ‚Heer der Abgehängten‘ hat offensichtlich noch nicht die Mehrheit, aber sie verschafft sich zunehmend lautstark Gehör. Sanders in USA und Corbyn in UK sind nur deshalb stark geworden, weil sie begriffen haben, welche Macht in diesem Heer der Abgehängten steckt. Selbst der wirre Trump lebt davon.
Statt die Populisten als ‚arme Irre‘ darzustellen, wäre es von Vorteil, wenn die ‚Eliten‘ und hier insbesondere die Politik begännen, darüber nachzudenken, was da wohl in ihrem Beritt schief gelaufen sein könnte. Man nennt so etwas Selbstreflexion und die wird gegenwärtig insbesondere durch die Mächtigen vehement abgelehnt. Man glaubt sich im Besitz der alleinigen Wahrheit, aber nicht mehr lange und es könnte sein, das man zwar noch die ‚Wahrheit‘ besitzt, aber nicht mehr die Mehrheit.
Wenn also das Bild von der entgleitenden Führung der Wählermassen durch die Eliten die Verhältnisse hinreichend treffend beschreibt, so kann man feststellen, dass die Verfügungsmassen offensichtlich aufwachen und sich der Gängelung durch die Eliten ein Stück weit entziehen. Das wäre ohne Zweifel ein demokratischer Gewinn. Sie werden sich plötzlich der Macht ihrer Anzahl bewusst. Da die Eliten sehr bemüht waren, diesen Teil der Verfügungsmasse immer möglichst ungebildet zu lassen, dürfen sie sich jetzt nicht wundern, wenn die Führer dieser Bewegung unreflektiert politische Äußerungen von sich geben, die vielleicht nicht auf der Höhe der Zeit sind. Da Verfügungsmassen immer Führung verlangen, die Führung der Eliten aber aus gutem Grunde abgelehnt wird, übernehmen diese Aufgabe sogenannte „Populisten“, die in das Machtvakuum stoßen und ihre Chance wittern. Allein mit der Stichwort „Lügenpresse“ hat die Verfügungsmasse der alten Elite in Deutschland eines ihrer wirksamsten Führungsmittel aus der Hand geschlagen. Über die Medien hat die Führung der Eliten bisher recht erfolgreich stattgefunden. Mit dem emotionsgeladenen Begriff der „Lügenpresse“ wird klar, dass dieser ‚Zügel‘ bei diesem Klientel nutzlos geworden ist. Deshalb wird ja der Begriff auch von den Eliten heftigst bekämpft – er ist Ausdruck der Erkenntnis des An-der- Nase-herum-geführt-seins und überzeichnet als Kampfbegriff die Wirklichkeit.
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