Seit Donald Trump die USA führt, lässt sich beobachten, dass das transatlantische Verhältnis Schaden genommen hat. Die Haltung der Regierungen in USA und auch die eher rechtsgerichteten Nationen in Europa lassen einen Trend erkennen, der die alten Strukturvorstellungen in Frage stellt. Die Einführung von (Straf-)Zöllen und das gezielt ungenierte Ausleben von nationalen Egoismen (‚America first‘) in den USA und in einigen europäischen Staaten hat das politische Klima erheblich verändert.
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Bis zur Präsidentschaft von Donald Trump erschien die globale Strategie der Großkonzerne hinsichtlich einer globalen Vereinheitlichung der Märkte und möglichst einheitlicher Produkte bei einheitlich globaler Ausbeutung von Arbeitskräften unaufhaltsam. Kurioserweise taucht dann ein Präsident auf, der sich als Geschäftsmann im Amt versteht und hebt wesentliche Voraussetzungen dieser Strategie mit einem simplen Federstrich auf. Statt Globalisierung treten Verhaltensweisen in den Vordergrund, von denen viele meinen, dass sie aus der Mottenkiste der Vorkriegszeit stammen. Eine gewisse Verunsicherung, ja Verwirrung lässt sich feststellen. Die heilige Kuh der Globalisierung, der sich alle Marktteilnehmer anzupassen hätten, scheint geschlachtet. Die ‚Killer‘ sind ausgerechnet jene Kräfte, die konservativ eine eher altbackene Ordnung vertreten, die unsere ‚Eliten‘ – egal, ob für oder gegen Globalisierung –mehrheitlich schon lange als überwunden angesehen haben.
Die Strategie der Großkonzerne, die unter dem Namen der Globalisierung verkauft wird, droht an der ablehnenden Haltung großer Teile der Bevölkerung zu scheitern. Der nationalistische Rechtsruck ist u.a. auch eine Folge der Globalisierung, weil die betroffenen Menschen weder einbezogen noch gefragt wurden. Globalisierung dient auch nicht den Menschen, Globalisierung dient primär dem großen Kapital. Da die real Betroffenen oder auch vermeintlich Betroffenen im Parteienspektrum des Mainstreams keine Stimme erhalten, gehen sie nach rechts außen, dort, wo ihnen versprochen wird, dass sie ein politisches Gewicht darstellen.
Der europäische Gedanke sieht sich ähnlichen Tendenzen ausgesetzt. Europa ist seit Jahrzehnten mit zunehmender Konzentration der Macht in Brüssel für den Wähler ein Abstraktum geworden. Es ist trotz der Bemühungen der Politik nicht gelungen, Europa über den Kopf hinaus in die emotionale Wahrnehmung breiterer Wählerschichten zu transportieren. Europa (eine im Grunde grandiose Idee) ist über den Verstand hinaus nur schwer greifbar. Als Folge fühlen sich Teile Europas nicht oder nicht mehr angemessen repräsentiert. Sie suchen ihr Heil in einer Art ‚Kleinkariertheit‘ des nationalistischen Verständnisses. Auch hier wird deutlich, dass die Strategie der Großkonzerne gescheitert ist oder zumindest zu scheitern droht. Nationalismus und Globalisierung sind diametrale Widersprüche. Der im Nationalismus implizierte wirtschaftspolitische Ansatz einer „Beggar, my neighbour“-Politik steht gegen ein weitgehend offenes Verständnis der Welt im Rahmen des globalen Handels. Das, was bei der Globalisierung des Welthandels das Großkapital abgreifen will, wird jetzt tendenziell „nationalisiert“. Es ist u.a. eine Antwort auf die nicht zu duldenden Gewinnverschiebungen, die die Großkonzerne in den letzten Dekaden gegen die berechtigten Ansprüche der Nationalstaaten durchgesetzt haben.
Ist eine Antwort der Mainstream-Politik zu erkennen?
Die politischen Reaktionszeiten auf Strafzölle sind aufgrund der Abstimmungen in der EU recht lange. Selbst auf die nationalistischen Umtriebe einiger Mitgliedsländer in der EU gibt es noch keine einheitliche Meinung. Nur in dem Land, in dem demnächst gewählt wird, hat man sich eine Strategie zurecht geschustert. Die Reaktion der CSU auf den Rechtsruck ist die Forcierung des Begriffs „Heimat“ und zunehmend auch eine durch die gesetzliche Lage nicht gedeckte Form der „Flüchtlingspolitik“. Sie glaubt damit das Politik-Defizit füllen zu können. Ob aber der altbackene und inhaltslos verwendete Begriff der Heimat die richtigen Akzente setzt, erscheint sehr fraglich. Was könnte denn ein politisch relevantes Aktionsfeld eines „Heimatministeriums“ sein, abgesehen vom Stimmenfang am rechten Rand des politischen Spektrums? Werden nicht die potenziell rechten Wähler ganz offensichtlich mit ihrem Anliegen für ‚dumm‘ verkauft?
Die martialisch anmutende Flüchtlingspolitik wäre rechtlich umstritten und humanitär eine Katastrophe angesichts der verbleibenden Größe des realen Problems. Es kommen ja nicht mehr Hunderttausende, sondern in weiter abnehmender Tendenz etwa knapp 200.000 Flüchtlinge pro Jahr. Das ist ein „Krieg“ um nichts, ähnlich wie die Frage der Familienzusammenführung. Die geschätzten Zahlen zum Familiennachzug liegen bei weit unter einem Hundertstel Prozent unserer Bevölkerung. Gibt es nichts Wichtigeres?
Die konservativen Kreise haben schon vor Jahrzehnten das Defizit zwischen Anspruch und Wirklichkeit beklagt, indem sie sich vehement gegen die „Vereinigten Staaten von Europa“ ausgesprochen haben und stattdessen lautstark für ein „Europa der Vaterländer“ plädierten. Auch hier ist der Begriff unglücklich gewählt und historisch vorbelastet. Aber gemeint war, dem großen, schwerfassbaren Begriff der „Vereinigten Staaten“ (ohne Berücksichtigung regionaler Eigenschaften und Besonderheiten) einen Begriff gegenüberzustellen, der den betroffenen Menschen vertrauter erscheinen soll. Die Wähler haben dieses Vorgehen bisher akzeptiert, aber fühlen sich trotzdem zu einem recht großen Teil abgehängt oder sogar als irrelevant. Und genau das ist die politische Haltung des Neoliberalismus: es gibt (Geld-)Eliten, die das Sagen haben, und ein Heer von ‚Irrelevanten‘. So jedenfalls verstehen die Apologeten des Neoliberalismus unsere Welt. Das Heer der Irrelevanten wird auf ein Heer von Konsumenten reduziert, um die Umsätze hochzuhalten, damit die Eliten weiterhin ungeniert ‚Profit‘ machen können. Vor dieser Sichtweise wirkt die „Heimat“-Debatte recht altbacken und wird m.E. den Frust der Irrelevanten nicht beseitigen können.
Es müssen nicht die „Vaterländer“ aus der Mottenkiste der Geschichte hervorgeholt werden oder die „Heimatvereine“ plötzlich ein politisches Profil erhalten, sondern es muss wieder insgesamt „Politik für Menschen“ gemacht werden und nicht für die ‚Wirtschaft‘ oder für den ‚Markt‘. Man muss sich endlich davon lösen, die Welt einseitig nur durch die Brille des Kapitals, oder der Arbeitnehmer und Konsumenten zu sehen. Dazu gehört auch eine Politik, deren Vertreter nicht den Lobbyisten auf dem Schoß sitzen (oder umgekehrt), sondern die offensiv auf die Menschen zugeht und dem Lobbyismus und seinen Fehlentwicklungen klare Grenzen setzt.
Der sogenannte Dieselskandal zusammen mit dem Feinstaub-Skandal offenbart doch ein trauriges Politikverständnis. Die Politik hat einem gigantischen Betrug Vorschub geleistet: Bei den betrügerischen Werten zum Abgas hat sich die Regierung offenen Auges auf die Täuschung der Verbraucher eingelassen und beim Feinstaub ist bei bekannter zehnjähriger Sachlage und einer klaren gesetzlichen Regelung nichts passiert. Man hat versucht, den offensichtlichen schädlichen Einfluss des Feinstaubs für die Gesundheit der Menschen mit dem ‚Gold‘ der Wirtschaft aufzuwiegen. Man kann einerseits verheerende Folgen für die Glaubwürdigkeit der Wirtschaft erwarten und muss andererseits eine Bankrotterklärung des politischen Handelns feststellen, das doch zum ‚Wohle des Deutschen Volkes‘ erfolgen sollte. Darüber spricht aber keiner laut und öffentlich, es wäre wahrscheinlich für die sogenannten ‚Eliten‘ zu blamabel.
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