Da Aktionäre im Grundsatz einen Anspruch auf den ausgewiesenen Gewinn eines Geschäftsjahres haben, kann man dank der Shareholder Value-Attitüde davon ausgehen, dass den Aktionären auf dieser Grundlage der maximale Gewinn zusteht. Dabei ist man sich einig, dass es sich hier um den kurzfristigen (einjährigen) Gewinn des Unternehmens handelt. Dieser Anspruch lässt sich sogar juristisch durchsetzen.
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Mit anderen Worten: eine andere als eine kurzfristig orientierte maximale Gewinnausbeutung ist durch die gegenwärtige Unternehmensverfassung kaum umsetzbar ohne dass sich die Unternehmensleitung möglichen Schadenersatzansprüchen von Seiten der Aktionäre aussetzen. Was wäre ein alternativer Ansatz? Die Vorstände der börsennotierten Unternehmen sind alle auf die Durchsetzung maximaler Gewinnerzielung ausgerichtet. Also müssen die Unternehmensverfassungen einen anderen Gewinnbegriff zulassen. In solchen Fällen springt der Begriff der Nachhaltigkeit ins Auge. Aber was bedeutet Nachhaltigkeit konkret? Das ist ein Wortungetüm ohne Inhalt bzw. da packt jeder Verwender den Inhalt hinein, den er für relevant zu erkennen glaubt. Es wäre sinnvoller, die Unternehmen und ihre Vorstände auf eine langfristige Perspektive von 5 – 10 Jahren in ihrem Handeln zu verpflichten. Ziel ist die langfristige Entwicklung und Erhaltung des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze. Wenn eine kurzfristige Perspektive mit dem langfristigen Ziel im Konflikt steht, so ist es Aufgabe des Vorstandes, sich langfristig zu orientieren. Diese Perspektive ist im Geschäftsbericht jährlich fortzuschreiben und zu erläutern. Die Verträge der Vorstandschaft sind dementsprechend anzupassen. Sowohl Tantiemen als auch Sonderzahlung werden an diese Perspektive angepasst und auch nur bei anhaltendem und nachgewiesenem Erfolg über Raten in voller Höhe ausbezahlt.
Es ist zu überlegen, ob nicht die Verträge der Vorstände einen längeren Zeitraum umfassen sollten. Damit wird das Risiko der Auswahl des Personals zwar größer, aber wenn man von langfristiger Perspektive in der Unternehmensführung spricht, so muss es den Vorständen auch möglich sein, den längerfristigen Erfolg (oder Misserfolg) in ‚Amt und Würden‘ zu erleben. Ob die Riege der Vorstände wirklich ihr Geld wert ist, kann oft gar nicht festgestellt werden, weil sie vorher schon weggelobt wurden und anderen Orts die gleichen Fehler begehen können. Eine klassische Rückkopplung zur Beurteilung der echten Leistungsfähigkeit wird dadurch unmöglich gemacht.
Vorstand und Aufsichtsrat
Vorstand und Aufsichtsrat bei börsennotierten Unternehmen bilden das, was man einen ‚closed shop‘ nennen könnte. Das ist ein exklusiver Club und der Zugang ist überaus selektiv. Die Selektionskriterien sind aber nicht Leistung, Fachwissen oder ähnliches, das Kriterium sind bei einer Vielzahl der Fälle die Herkunft und die dort gepflegten Netzwerke.
Vorstände sollen durch den Aufsichtsrat kontrolliert werden, so die Theorie. Im Aufsichtsrat sitzen aber mehrheitlich Personen, die in anderen börsennotierten Unternehmen wiederum aktive Vorstände sind. Wenn es nun gilt, das Gehalt samt Nebengeräuschen eines Vorstandes zu fixieren, haben all diese Kontrolleure ihre eigene Gehaltssituation im Hinterkopf und werden nicht in den Fehler verfallen, dem Einkommensvorschlag des Vorstands leichtfertig zu widersprechen, egal wie unrealistisch hoch er ist. Über die kursierenden Vergleichslisten, die die Aufsichtsräte zur Rechtfertigung ihrer schwer nachvollziehbaren Entscheidungen führen werden, wird auch die jetzt zu treffende Entscheidung die nächsten Gehaltsverhandlungen in einem anderen Vorstand positiv beeinflussen. Der neue hohe Wert geht in die berüchtigte Liste ein und schafft damit einen Bezugspunkt, auf den sich der nächste Vorstand gegenüber seinem Aufsichtsrat beziehen kann. Und dann beginnt das Spiel von neuem. Das macht vielleicht erklärlich, warum die Vorstandsgehälter selbst in rezessiven Perioden ungeniert überproportional wachsen und von der jeweiligen Unternehmenssituation völlig losgelöst bestimmt werden.
Die gegenwärtige Entwicklung wird man aus Gründen der erforderlichen Manpower kurzfristig nicht ändern können. Soviel Personen mit einem entsprechenden Erfahrungshintergrund kurzfristig austauschen zu wollen, ist unrealistisch. Also muss man für diese Art von Managementaufgaben eine offizielle Regel finden, wie die Rahmen für die Vergütungen festgelegt werden können. Viele Vorschläge sehen vor, die Vergütung an einem Vielfachen des durchschnittlichen Arbeitsnehmereinkommens im Konzern oder im Unternehmen auszurichten. Das Vielfache variiert dabei vom 10- bis 30-fachen des Durchschnittgehaltes. Da Vorstandgehälter als auch die Gehaltssumme der Mitarbeiter Kosten darstellen, sind die bilanzierten Personalkosten Grundlage des Vergleichs. Gehen wir davon aus, dass 70 T€ p.a. (Brutto plus AG-Anteil) ein realistischer Durchschnitt in einem Unternehmen wären (ohne Vorstandsvergütung), so könnte die Vorstandvergütung zwischen 700 T€ (bei einem Vielfachen von zehn) oder 2,1 Mio. Euro (bei einem Vielfachen von dreißig) schwanken. Hinzu kämen für den Vorstand dann noch der Dienstwagen, eventuell auch die Dienstwohnung. Die Pensionszusage orientiert sich dann an den gleichen Kriterien, die auch für die Belegschaft gelten. Die Tantiemenzusage muss sich am Gewinn orientieren und, wie oben angeführt, künftig langfristige Perspektiven angemessen bedienen. Die Tantiemenauszahlung erfolgt dann über einen Zeitraum von z.B. fünf Jahren, wobei in den Folgejahren eventuell entstehende Verluste anteilig gegengerechnet werden. Die Erfolgsbeteiligung steht damit unter dem Druck ‚nachhaltig‘ zu sein. Es kann durchaus geschehen, dass es bei der Tantieme in den Folgejahren zu keiner Auszahlung mehr kommt, weil die wiederholbaren Erfolge ausbleiben und die anteiligen Verluste den positiven ratierlichen Tantiemenanteil auflösen. Das Argument, dass durch die Beschränkung der Gehaltsentwicklung die Vorstände weniger leisten würden, überschätzt den geringen und flüchtigen Motivationswert von Geld bzw. von mehr Geld – wer nicht für seine Aufgabe ‚brennt‘, dem entlocken auch noch so viele Millionen keine bessere Leistung.
Vorstände verstehen sich gegenwärtig als Vollstrecker des Aktionärswillens. Grundlage für diese Anschauung ist das neoliberale Shareholder Value Denken, das etwa seit der Jahrtausendwende durch die Köpfe spukt. Dieser Gedanke ist zugunsten einer Haltung aufzulösen, die davon ausgeht, dass der Vorstand „erster Diener“ des Unternehmens (und nicht der Investoren) ist und damit ein Handeln an den Tag zu legen hat, das allen an der Unternehmensentwicklung beteiligten Kreisen gerecht wird.
Bei einer Maximierung des Gewinns der Anteilseigner ist es möglich, eine weitgehend eindeutige und einheitliche Interessenlage zu unterstellen. Sobald die Zusammenhänge auf Grund des Stakeholdermodells differenzierter gesehen werden müssen, werden auch die Zuteilungen von Vor- und Nachteilen aus Unternehmensentscheidungen komplexer und zwangsläufig mehrdeutig. Darin ist kein grundsätzlicher Nachteil zu erkennen. Nur die Kommunikation zwischen den Interessenvertretern wird eine neue Qualität gewinnen.
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