Handlungsalternativen IV (Dem Recht eine Chance)

Es geht bei einer Rechtsreform nicht um neue Gesetze oder noch flexiblere Paragraphen, es geht darum, den Sinn und Zweck des Rechts wiederzubeleben. Es kann nicht sein, dass Recht ökonomisiert wird, indem man glaubt, ein wenig mehr Effizienz mit einer kleinen Reduzierung auf dem Gebiet der Gerechtigkeit einkaufen zu können. Die Produktion von Gerechtigkeit  i.w.S. kann als qualitative Größe nicht gegen eine quantitative Effizienzverbesserung aufgerechnet werden. Das führt direkt in die Käuflichkeit rechtlicher Entscheidungen.

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Besonders deutlich wird dieses Verhalten im Lebensmittelrecht, wo sich der normale Bürger fragt, wie weit die vom Gesetz gedeckte „Verscheißerung“ eigentlich reicht. Sind wir dort nicht schon längst über dem Rubikon angelangt, wenn einer Industrie von Gesetzes wegen gestattet wird, den Rest von Aufrichtigkeit hinter sich zu lassen und dem Konsumenten legal zu betrügen? Die Politik hört auf die Sirenenlaute der Lobbyisten, statt dem „Volk aufs Maul“ zu schauen. Wer sich betrogen fühlt, wird in aller Regel auch tatsächlich betrogen. Egal, wie das dann ein vom Kommerz getriebenes  Gesetz beurteilt.

Wir verfügen über ein Grundgesetz, um dessen Qualität uns viele beneiden. Aber gilt es auch noch dort, wo es nicht dem „Mainstream“ entspricht. Ohne Frage verändern sich Gesellschaften, aber dann bitte mit einer öffentlichen Diskussion der damit verbundenen Rechtsvorschriften. Der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes mit seiner Sozialverpflichtung wurde im Rahmen der letzten dreißig Jahre unter der Herrschaft der neoliberalen Ideologie völlig vernachlässigt. Eigentum ist die Grundlage unseres gegenwärtigen kapitalistisch geprägten Systems. Dabei erscheint die Sozialbindung als lästig vernachlässigt worden zu sein. Hier müssen wir wieder zurück zum Wortlaut des Grundgesetzes oder diskursiv zu einer anderen Sicht der Zusammenhänge – aber das Grundgesetz einfach permanent zu ignorieren, ist keine Lösung, die der gesellschaftlichen Entwicklung positiv dienen kann.

Es kann nicht sein, dass die partielle Nichtanwendung von gesetzlichen Vorschriften durch Abbau des dafür notwendigen Personals als „Standortvorteil“ angesehen und auch politisch so (hinter vorgehaltener Hand) vermarktet wird. Wie kann es möglich sein, dass NRW wegen seiner Datenkäufe gerügt wird, aber dann die „freiwilligen“ Selbstanzeigen einen Sumpf von Hinterziehungen offenlegen, das aber kaum einen Politiker veranlasst, ins Grübeln zu kommen. Das ist doch immer nur die Spitze des Eisbergs. Könnte es sein, dass die horrende Ungleichheit in Deutschland nicht nur, aber auch eine Folge mangelhafter Steuerehrlichkeit sein könnte, die wir einfach als gegeben hinnehmen. Die Regierungen der letzten Jahre haben die Vermögenden dieses Landes in den letzten Jahrzehnten so unrealistisch begünstigt, dass man sich fragt, ob dann nicht wenigstens diese Windfallprofite auch legal versteuert werden.

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