Man hat sich viel zu sehr daran gewöhnt, die Gedanken und Handlungen anderer zu kommentieren, zu klassifizieren und zu kritisieren. Aufgrund dieser Tätigkeit sammeln sich einen ganze Reihe von Handlungsvorschlägen an: eigene und solche von bekannten und unbekannten Mitstreitern, richtige und weniger richtige. Immer öfter wird man von ratlosen Menschen angesprochen und gefragt, kannst Du Vorschläge machen, wie sich das abzeichnende Chaos verhindern, in seiner Wirkung mindern oder gar vermeiden ließe? Vorschläge für Handlungsalternativen lassen sich formulieren, aber die Erwartung, dass diese Vorschläge in einem großen Wurf das Problem lösen, bleibt eine Illusion.
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Nur die schrittweise und besonnene, mühsame Restrukturierung von sinnvollen ‚Checks and Balances‘, die im Laufe der letzten dreißig Jahre im Rahmen der neoliberalen Ideologie als scheinbar überflüssig abgebaut wurden, können hier begrenzt Abhilfe schaffen. Dabei geht es nicht darum, die Vergangenheit wiederherzustellen, sondern der allgemeinen Fortentwicklung angemessen Rechnung zu tragen. Es haben sich die Umstände, die Technologie und die Erwartungen der Bürger in den letzten dreißig Jahren gründlich geändert. Es ist nicht zielführend, die ‚guten alten Zeiten‘ zu beschwören. Da die Sache überaus komplex und die Zusammenhänge interdependent verwoben sind, kann man sich dem Thema nur schrittweise nähern, um immer wieder kontrollieren zu können, ob der gewünschte und erwartete Effekt in der Praxis auch eintritt.
Bei der Diskussion fällt aber auch auf, dass die meisten Stimmen, sei es Politik oder Wissenschaft, nur die Krise diskutieren ohne dabei die Chancen zu erkennen und zu thematisieren. Die Krisendiskussion braucht dringend eine Vision oder eine Beschreibung (Narration), wo es hingehen soll. Die Politik liefert gegenwärtig keine Visionen, die über die intellektuelle Selbstbegrenzung von mehr Wirtschaftswachstum hinausgeht. Wir benötigen doch angesichts einer „großen Transformation“ dringend eine Vision der Gerechtigkeit, des sozialen Ausgleichs, der humanen Umsetzung von interessanten neuen Technologien. Stattdessen drängt sich dem Betrachter ein Zustand des Politischen auf, das mit den Begriffen wie „weiter so“ und einer schwarzen Null im Staatshaushalt bestimmt wird. Beide Haltungen sind angesichts der technologischen Transformation, in der wir alle stehen, absolut unverständlich. Große Branchen sind dabei, ihren Einfluss zu verspielen (Energie, Banken, Versicherungen, Automobilindustrie, u.a.) oder müssen sich neu erfinden, neue Branchen stehen in den Startlöchern, benötigen aber klare Rahmenbedingungen, die die Politik zu schaffen hat, damit sich die Transformation nicht nur von ihrer negativen Seite zeigen wird. Die Transformation schreitet voran mit oder ohne politische Rahmenbedingungen. Man könnte meinen, es herrscht das Mikado-Prinzip – wer sich zuerst von der Stelle bewegt, hat verloren!
Die Handlungsalternativen sollten dort ansetzen, wo man mit den geringsten Mitteln einen nachhaltigen Effekt hofft auslösen zu können, ohne dass ein Zusammenbruch der Realwirtschaft zwangsläufig die Folge wäre. Keiner darf aber erwarten, dass damit plötzlich das Heil über uns hereinbricht und wir morgen in einer neuen, nachhaltigen, ökologischen und demokratischen Welt leben werden. Diese Welt muss erst noch erkämpft und gebaut werden. Das Ziel ist es, wenige, aber treffende Maßnahmen zu beschreiben und keine neuen Theorien in die Welt zu setzen. Es beginnt im Folgenden mit der Finanzwirtschaft.
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