Grund und Boden – ist Spekulation unabweisbar?

Rückblick

Der Alt-Oberbürgermeister von München, Hans-Jochen Vogel, hat sich jüngst in der SZ zu Wort gemeldet und die Wohnungspolitik der Regierungen in Deutschland hart kritisiert. Dabei kamen Themen zur Sprache, die vor 45 Jahren schon unter den Regionalplanern heiß diskutiert wurden: Kann es sein, dass der begrenzte (also nicht vermehrbare) Grund und Boden überhaupt Gegenstand eines Marktes ist?

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Der Wettbewerb um dieses immer knapper werdende Gut treibt den Preis durch Spekulation von einer „Blase“ zur nächsten. Die Lösung wurde damals wie heute in der grundsätzlichen Unverkäuflichkeit von Grund und Boden gesehen. Der Grund und Boden kann kein privates Wirtschaftsgut sein. Ein langfristiges Nutzungsrecht von Grund und Boden (die Erbpacht) ist ein adäquater und sinnvoller und politisch gestaltbarer Ersatz.

Das weitere Standbein einer sinnvollen Siedlungspolitik ist die Förderung von Wohnungsbaugenossenschaften. Der Dreh liegt nicht unbedingt darin, dass die öffentliche Hand dort mitmischt, sondern der Kick liegt darin, dass die Genossenschaft eine recht alte Gesellschaftsform ist, die geschaffen wurde, um eher gemeinnützige Projekte anzugehen. Eine Genossenschaft kann sich nach ihren Statuten nicht der Gewinnmaximierung verschreiben. Sie hat neben einem angemessenen Gewinn auch die sozialen Belange ihrer „Genossen“ (Teilhaber) zu fördern. Als Folge sind die Mieten des genossenschaftlichen Wohnungsbaus regelmäßig günstiger als die des privaten Wohnungsbaus. Genossenschaftlicher Wohnungsbau wirkt bei ausreichendem Umfang bremsend auf die Mietentwicklung in einem Markt, weil die günstigeren genossenschaftlichen Mieten beim Mietspiegel und der Bestimmung von Vergleichsmieten den spekulativen Trend zu brechen in der Lage sind.

Wenn nun ein bayerischer Finanzminister 33.000 genossenschaftliche Wohnungen in München und Umgebung an private Investoren verkauft (egal aus welchem Grund), werden die ehemals genossenschaftlichen Wohnungen zu privatwirtschaftlich genutzten Wohnungen umgewidmet und der vormalige genossenschaftliche Bremseffekt ist systembedingt aufgehoben. 33.000 Wohnungen befeuern auf einen Schlag den Mietmarkt für private Wohnungen. Wer die Mietpreisentwicklung der letzten Jahre beobachtet hat, wird sicherlich bestätigen können, dass die Umwidmung von 33.000 Wohnungen allein durch ihre große Zahl einen Schub von unvorstellbarer Kraft ausgelöst hat. Jetzt rudert derselbe Finanzminister als Ministerpräsident zurück und versucht, den Genossenschafts – ‚Gaul‘ mit Staatgeldern neu aufzuzäumen.

Erbpacht

Wenn eine Gemeinde Grund und Boden ihrer Gemarkung verkauft hat, hat sie ein Stück weit Einfluss auf ihre Entwicklung verloren und in vielen Fällen sind ihr damit langfristig die Hände gebunden. Eine Reihe von Gemeinden ist deshalb dazu übergegangen, nicht mehr ihr Land zu verkaufen, sondern Grund und Boden den Bürgern über Erbpacht nur für eine oder mehrere Generationen zur Verfügung zu stellen. Der Erbpächter des Grundstücks kann das Grundstück nutzen wie ein Eigentümer, aber das Eigentum bleibt letztlich beim Gemeinwesen. Die Regelung hat auch nichts Revolutionäres, weil das Recht aus dem Erbpachtvertrag dem des Eigentums recht nahe kommt, zumindest für die Laufzeit des Erbpachtvertrages, und das sind üblicherweise 33 bis 99 Jahre. Wenn es keine wesentlichen Veränderungen der städtebaulichen Umstände gibt, steht auch einer Verlängerung des Vertrages nichts im Wege. Auf der anderen Seite ist das Gemeinwesen in der Lage, langfristig (über Generationen hinaus) zu planen und kann bei Ausbleiben des Erbpachtzinses oder mit Ablauf des Vertrages unter definierten Voraussetzungen die Kündigung des Erbpachtvertrages einzuleiten, um ihr Eigentumsrecht durchzusetzen. Es würde ausreichen, wenn zukünftig den Gemeinden über die kommenden Generationen bei jeder Vererbung ein Vorkaufsrecht eingeräumt würde. Ob und wie sie es nutzen, ist dann eine lokale Gremienentscheidung der Kommune.

Es ist nicht vorgesehen, Grund und Boden zu enteignen. Das Eigentum ist grundgesetzlich geschützt. Die Gemeinde kann das Grundstück ‚erwerben‘, nicht aber das darauf stehende Gebäude. Wie die Gemeinde den Kauf gestaltet, ist eine Frage der Verhandlung. Dem Erwerb des Grundstücks durch die Gemeinde stehen künftige Erbpachtzinsen als Einnahmen gegenüber, die z.B. so bemessen werden können, dass der frei vereinbarte Grundstückskaufpreis über 33 Jahre zinslos als Erbpachtzins verrechnet werden kann. Den Schulden der Gemeinde steht als Wertsicherung das Grundstück gegenüber, und als Amortisation stehen künftige Erbpachtzinsen zur Verfügung, die eine bescheidene, aber ‚ewige‘ Rendite für die Gemeinde erbringen werden. Der Erbpachtzins wird spätestens alle 33 Jahre an die realen Gegebenheiten (Inflation) angepasst. Zur objektiven Preisbestimmung gibt es Wertfeststellungen durch das Katasteramt, die sich auf real durchgeführte Verkäufe stützen. Das Ziel der Maßnahme ist es, auf lange Sicht dem Gemeinwesen seine Entscheidungshoheit über die Grundstücke seiner Gemarkung wieder mehrheitlich zu übertragen, um dann ebenfalls auf lange Sicht bei Bedarf gestaltend eingreifen zu können.[i] Wenn die Nutzung des Bodens in Erbpachtverträgen niedergelegt ist, dann liegt im Fall von Arrondierungen, Neuaufteilungen und ähnlichem die Entscheidung in den Händen des Gemeinwesens, und sie entscheidet aus der unangefochtenen Position des Eigentümers. Wenn sich Widerspruch rührt, was nicht auszuschließen ist, so steht unverändert der Rechtsweg offen.

Spekulation

Ergänzend wird durch das Erbpachtrecht die Spekulation weitgehend außer Kraft gesetzt, weil das Objekt der Begierde, der nicht vermehrbare Boden, dem Markt nicht mehr zur freien Disposition steht. Einmal ist das Recht der Erbpacht grundsätzlich zeitlich begrenzt, und weiter ist die Verfügbarkeit der Sache eingeschränkt. Ein Wechsel des Pächters setzt die Zustimmung des Eigentümers voraus. Das sind alles Eigenschaften, die es einer Immobilienspekulation schwermachen, ihren Vorteil in Bezug auf das Grundstück durchzusetzen. Es dauert zu lange, und die potenzielle Publizität ist dieser Art von Geschäften eher abträglich.

Diese Vorgehensweise wird das Verhalten der Erbpachtnutzer und des Eigentümers nicht grundsätzlich berühren, aber bei jedem Wechsel des Erbpachtvertrages ist die Gemeinde in der Lage, dessen Bonität des neuen Pächters zu prüfen und durch Auflageklauseln die Bebauung effektiver zu steuern als es über eine Bauleitplanung möglich ist. Investoren sind willkommen, aber was sie errichten, muss sich dem Stadtbild des Gemeinwesens anpassen. Zur Renditebetrachtung des Investors kommt eine zweite Sicht, nämlich die übergeordneten langfristigen Entwicklungsgesichtspunkte des Gemeinwesens. Üblicherweise geschieht das in begrenztem Umfang schon heute, aber der Erbpachtmodus gibt dem Gemeinwesen als Grundstückseigentümer eine deutlich stärkere Stellung.

Bestehende Erbpachtverträge sind immer und grundsätzlich vom Pächter übertragbar und veräußerlich. Die einzige Einschränkung liegt darin, dass der Verkauf des Hauses samt Erbpacht die Zustimmung des Grundeigentümers erforderlich macht, die in der Regel erteilt werden muss, wenn keine schwerwiegenden Tatsachen bekannt werden, die einer Zustimmung entgegenstehen.

Lokale Öffentlichkeit als Kontrolle

Wie kann man sicherstellen, dass hier nicht ›Mauschelei‹ betrieben wird, um sich die ›Filetstücke‹ der gegenüber dem Kauf deutlich günstigeren Erbpacht zu sichern. Wir dürfen sicher sein, dass das Interesse der Öffentlichkeit des Gemeinwesens für derartige Vorgänge groß sein wird, weil es sich nicht mehr um private Grundstücksgeschäfte handeln wird, sondern um eine öffentliche Vergabepraxis. Auch heute ist der private Grundstücksmarkt nicht frei von ›Mauschelei‹. Man kann davon ausgehen, dass die Kontrolle des Gemeinwesens durch die Bürger weitaus enger erfolgt als es heute der Fall ist. Durch die Tatsache, dass die Gemeinde Eigentümerin wird und bleibt, ist auch in viel stärkerem Maße die Diskussion über die künftige Stadt- oder Ortsentwicklung eröffnet. Für viele Kommunen ist es zwar schwierig aber wünschenswert, wenn wir auf Grund einer höheren Verdichtung immer enger zusammenrücken müssen. Konflikte können nicht mehr auf ewige Zeiten über das Eigentumsrecht an Grund und Boden ausgesessen werden. Durch die erweiterte Öffentlichkeit in einer Erbpachtausschreibung wird der Forderung nach demokratischer Kontrolle durchaus besser als bisher Rechnung getragen. Die Beteiligung am politischen Prozess wird auf einmal nachvollziehbar, und man kann erkennen, wo Veränderungen anstehen, weil die neuen Erbpachtverträge in der Gemeinde bekanntgemacht werden müssen.

Was sind die möglichen Folgen?

Als erstes entfallen für den Erbbauberechtigten die Anschaffungskosten für Grund und Boden, die durch eine deutlich moderatere, zinslose, aber inflationsabhängige Erbpacht ersetzt werden. Eine Grundsteuer wird künftig für diese Grundstücke entfallen. An der privaten Nutzung von Grundstücken ändert sich materiell nichts. Die Beschaffung von Eigentum und Wohnraum wird jedoch entscheidend günstiger und auch für Gesellschaftsschichten erschwinglich, die bisher keine Chance sahen, hier aktiv zu werden. Der allgemeine Wohnungsbau wird ebenfalls günstiger, weil auch hier die Anschaffungskosten von Grund und Boden entfallen[ii] und die Erbpachtzinsen in der Mietkostenabrechnung über die Zeit als anteilige Nebenkosten offen ausgewiesen werden.

Jeder Erbpachtvertrag ist für 33 Jahre von beiden Seiten nur aus wichtigem Grunde kündbar und die Kündigung muss mit Art 14 Abs.3 GG vereinbar sein. Ein Zwang zur Kündigung besteht aber nicht. Als zweckmäßig könnte es sich erweisen, die Laufzeit von Erbpachtverträgen auf 66 Jahre zu verlängern. Nach 66 Jahren benötigen die meisten Häuser eine Grundsanierung, um wieder an die technische Entwicklung Anschluss zu finden. Dann kann es sinnvoll sein, sich der Frage zu stellen, ob das Nutzungsrecht verkauft oder die Erbpacht um weitere 33 oder 66 Jahre verlängert und eine Generalsanierung durchgeführt werden soll. Oder das Grundstück wird aus Altersgründen, weil Erben fehlen oder aus anderen Gründen aufgegeben und der Gemeinde zur öffentlichen Ausschreibung nach Vertragsablauf zur Verfügung gestellt. Das aufstehende Gebäude muss vom neuen Nutzer zum Zeitwert abgelöst werden.

Die Mieten für Wohnraum werden sinken, weil sich die Anschaffungskosten um die Kosten für Grund und Boden reduzieren. Die Erbpacht erhöht die Miete zwar anteilig, ist aber nicht Teil der Miete, sondern wird transparent anteilig zugeschlagen, ist also in der Mietkostenumlage zu identifizieren.

Ein Erbpachtvertrag ist genauso fungibel wie ein herkömmlicher Eigentumstitel. Der Erbpachtberechtigte kann zu jeder Zeit seinen Vertrag gegen ein frei verhandeltes Entgelt für das Gebäude übertragen zzgl“ einer Abstandszahlung für die Bereitschaft, den Erbpachtvertrag auf den neuen Nutzer zu übertragen. Für die Übertragung des Erbpachtvertrages ist die Zustimmung des Eigentümers notwendig, die i.d.R. gegeben werden muss, wenn keine gewichtigen Einwände bestehen. Die Nutzungsklauseln des Erbpachtvertrages gelten, wenn keine Verhandlung zur Änderung aufgenommen wird, unverändert weiter. Wann immer ein Nutzerwechsel ansteht, haben der Eigentümer (und auch der künftige Nutzer) grundsätzlich das Recht und die Möglichkeit, in eine Verhandlung über eine Änderung des bisher bestehenden Vertrages einzutreten.
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[i]    Es ist nicht erforderlich, flächendeckend das Eigentum an Grund und Boden wieder auf das Gemeinwesen zu übertragen. Es genügt, wenn ein ›Flickenteppich‹ erreicht wird, um der Spekulation wirksam begegnen und um eventuell gestaltende Maßnahmen ergreifen zu können.

[ii]    Die Erbpacht ist ökonomisch vergleichbar mit einer langfristigen Miete, verbunden mit eigentumsähnlichen Rechten.

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