Je länger man sich mit dem Thema der „Großen Transformation“ befasst, also einer geplanten Umgestaltung unseres Lebensstils zu einem enkeltauglichen (nachhaltigen) Wirtschaften und Verhalten, desto unsicherer wird man. Wir sind es gewohnt, aus dem Vollen zu schöpfen und unter dieser Prämisse befassen wir uns auch mit der Transformation: es werden für viel Geld die Wissenschaften befragt, Forschungsprojekte aufgelegt, Ziele veröffentlicht (z.B. bis 2030), befeuert oder hintertrieben und teure Maßnahmen veranlasst.
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Aber bei all diesem „Getöse“ sollte man sich die Kern-Frage stellen, was soll das Ganze? Geht es nur darum, mit allen Mitteln Wege zu finden, dem „Weiter-so“ huldigen zu können oder will man wirkliche Veränderungen bewirken.
Viele Vertreter der Politiker (so mein Eindruck) sehen das Heil in der Technologie, weil sie uns in den letzten 300 Jahren große Fortschritte ermöglichst hat. Sie hat uns aber auch ganz wesentlich die heutige verfahrende Situation beschert. Und sie hat aufgrund ihres Erfolges wesentlich unser Anspruchs- und Erwartungsdenken geformt. Wenn es sich herausgestellt hat, dass die Technologie der wesentliche „Treiber“ in die gegenwärtige Fehlentwicklung ist, kann ich nicht nachvollziehen, warum man darauf vertraut, dass die Technologie auch den Ausweg aus der verfahrenen Situation bereitstellen kann. „Wenn die Verfolgung einer Idee in eine Sackgasse führt, führt nur eine andere, neue Idee aus der Gasse heraus“ (sinngemäß nach A. Einstein).
Dabei ist nicht einmal nachgewiesen, dass Technologie wirklich eine zulässige Lösung bieten kann. Jede Technologie, selbst die Digitalisierung, die so oft als Königsweg gehandelt wird, verbraucht Ressourcen – sie ist also keine Lösung, sondern nur eine Verschiebung des Problems auf andere Bereiche. Es gibt noch immer Leute, die im festen ‚Glauben‘ leben, dass wir unsere Lebensweise vom Ressourcenverbrauch abkoppeln können. Das ist nicht darstellbar und widerspricht ganz einfach den Grundlagen der Physik. Wenn diese Erkenntnisse konsequent verstanden würden, sind alle Anstrengungen eine Königsdisziplin der Technologie zu finden, die für uns (und ohne unseren Beitrag) alle Probleme löst, „bullshit“ (Unfug). Sie werden uns die absehbare Fahrt gegen die Wand nicht ersparen können.
Und die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass wir zeitlich nur die jetzt begonnen Dekade zur Verfügung haben, um die Transformation erfolgreich einzuleiten. Der nüchterne Beobachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier viel Geld ohne Ziel und Verstand „verpritschelt“ wird, damit nicht zu deutlich wird: wir wissen nicht, was wir tun sollen.
Neben der beschriebenen „fortschrittstrunkenen“ Vorgehensweise gibt es auch Ansätze, die nicht auf Technologie setzen, sondern den Menschen und sein Verhalten ins Spiel bringen. Wenn wir uns einig wären, dass die Technologie uns im Wesentlichen in die bestehende Situation manövriert hat, so sollten wir insbesondere nicht so tun, als ob diese Technologie ohne uns Menschen wirksam geworden wäre. Warum kommt niemand auf die einfache Idee, statt an der Technologie herumzudoktern, sich ernsthaft zu fragen, wie könnte die betroffene Menschheit durch eine Änderung ihres Verhaltens dazu beitragen, das Problem zu lösen?
Niko Paech hat sich dieser Idee schon vor Jahren angenommen. Sein zentraler Punkt ist die Suffizienz (Genügsamkeit), d.h. es gilt nicht mehr das Mantra des Wettbewerbs und des „höher, schneller, weiter“, sondern es wird ein Paradigmenwechsel zur Genügsamkeit (Suffizienz) erforderlich. Das klingt nach Verzicht, aber Niko Paech kann überzeugend darlegen, dass das nur vorgeschobene Argumente sind. Er demonstriert, dass unsere Art des Konsumierens schon lange unsere Fähigkeiten überfordert. Sinnvoller oder bewusster, vielleicht sogar vernüftiger Konsum (und das wollen die meisten) braucht immer auch Zeit, um den „Konsum“ genießen zu können – und genau die Zeit steht uns durch den Primat „höher, schneller, weiter“ gar nicht mehr zur Verfügung. Der Tag hat nur 24 Stunden. Mit anderen Worten: Der Weg zur Genügsamkeit ist kein Verzicht, sondern nur ein Weg, sinnvoller, menschlicher und genüsslicher und damit letztlich auch weniger zu konsumieren. Dabei wird das Zuviel automatisch herunter gefahren und hat zahllose positive Nebenwirkungen; auch auf den Klimawandel, um endlich auch das Lieblings-Schlagwort der gegenwärtigen Politik einzuführen, das diese Diskussion umtreibt.
Nun möchte ich zusammenfassen und mich eines uraltes Werkzeugs bedienen, das William von Ockham (1288 – 1347) im Spätmittelalter formulierte: das Ockham’sche Rasiermesser (Ockham’s Rasor). Es beschreibt eine Methoden-Strategie, die davon ausgeht, dass man bei mehreren Alternativen sinnvoller Weise jene Methoden und Erkenntnisse umsetzen sollte, die sich durch Einfachheit, Verständlichkeit und Klarheit auszeichnet. Sie führen regelmäßig zu den besseren Ergebnissen.
Uns wird eine Strategie der Technologie geboten, von der wir nicht wissen und erkennen können, ob und wie sie eigentlich das Problem lösen soll. Es gibt nur Ansätze, die in der Mehrzahl das globale Problemlösungsversprechen nicht einhalten können. Und es gibt eine Strategie des menschlichen Maßes, von dem wir wissen, dass es funktionieren kann (es wurde schon seit Jahrhunderten auf den unterschiedlichsten Entwicklungsniveaus erprobt). Zudem verspricht die Strategie des menschlichen Maßes auch so viel CO2-Einsparung, dass wir unsere hehren Klimaziele 2030 erzielen könnten.
Das große Problem sind die Menschen bzw. die Wähler, die dieser Vorgehensweise zustimmen müssen. Nachdem wir gewohnt sind, alle sogenannten Freiheiten ohne Verantwortlichkeit zu genießen, traut sich die Politik diesen Weg der Suffizienz wegen der kognitiven Dissonanz nicht zu. Denn jetzt wäre Pflichten gefragt, jene Eigenschaften, die im Grunde unmittelbar mit sinnvoller Freiheit verknüpft sind. Deshalb „werkelt“ die Politik lieber an der Technologie Strategie herum, in der irrigen Hoffnung, sich dann irgendwie herausreden zu können, wenn bis 2030 nichts Handfestes erreicht wurde und das „Kind im Brunnen“ liegt.
Das Verhalten der Politik ist menschlich nachvollziehbar, aber in keiner Weise zielführend.. Solange die Technologiesuche am Laufen gehalten werden kann, lässt sich die heilige Kuh der Politik, das BiP, ständig unauffällig füttern. Es ist aber der Problemstellung nicht angemessen, weil nicht erwartet werden kann, dass der angestrebte CO2-Ausstoß signifikant zurückgehen wird und wir gemeinsam „die Kurve kriegen“. Wenn man (im ratlosen Zustand) wenigstens zweigleisig fahren würde: man verfolgt meinetwegen die technologietrunkene Strategie und versucht gleichzeitig mit einem vergleichbaren Aufwand an Forschungsgeldern einen politisch kreativen Weg zur Suffizienz zu finden. Suffizienz haben wir Menschen gelebt, lange bevor uns eingeredet wurde, wir müssten im Rahmen von „höher, schneller, weiter“ mehr konsumieren, damit einige wenige ihren Vorteil daraus ziehen können. Wenn ich mir vorstelle, wie eine Clique der Reichen in Großbritannien eine ganze Nation für den miesen Brexit offensichtlich legal in Geiselhaft nehmen konnte, so muss es doch auch Wege geben, ein Suffizienz-Verständnis in unserem Lande zu vermitteln, um dann unabhängig von technologiegetriebenen Ansätzen das angestrebte Klimaziel ggfs. zu erreichen oder wenigstens zu unterstützen. Es könnte sich dabei zeigen, dass 2030 die Technologie immer noch auf der Suche ist, aber die Suffizienz das gewünschte Ergebnis schlicht und unauffällig bereitzustellen in der Lage ist.
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