Wir sind es gewöhnt, uns um unsere kleine Welt zu sorgen. Unser Politikverständnis ist lokal oft sehr begrenzt. Die Aufgeregtheit der lokalen Medien über Nichtigkeiten schlägt gern in die gleiche Kerbe. Hin und wieder wird das Getrommel zu viel und die Vernunft fühlt sich beleidigt. Es ist dann an der Zeit, sich von dem kleinkarierten und überflüssigen Hickhack freizumachen und mal die internationale Brille aufzusetzen: Zu versuchen zu verstehen, was uns wirklich berühren und unsere ‚Schläfrigkeit‘ tatsächlich stören sollte. Wenn das überhaupt möglich ist.
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Global gibt es auf politischer Ebene vier bis fünf große und aktive Teilnehmer: das sind einmal die USA, das sind weiter Europa, Russland und China. Indien ist nicht so präsent, wäre aber durchaus auch ein echter Kandidat. Wo es aktive ‚Spieler‘ gibt, gibt es auch passive Mitspieler – das sind jene, auf deren Rücken das ‚politische Spiel‘ stattfindet und stattgefunden hat. Afrika erscheint hier als der herausgehobene Kontinent, den alle aktiven Spieler der Weltpolitik (mit Ausnahme vielleicht von China) in den letzten paar hundert Jahren in einer Weise ausgeplündert haben. China versucht gegenwärtig dieses ‚Defizit‘ in Sachen Kolonialisierung durch umfangreiches ‚Landgrabing‘ auszugleichen.
In Afrika fühlt sich gegenwärtig eine größere Zahl von Menschen so drangsaliert, dass sie sich auf den gleichen Weg machen wie ihre Rohstoffe. Dabei sind sie auf der Flucht vor den indiskutablen Zuständen in ihrer alten Heimat. Sie haben nichts mehr zu verlieren als ihr Leben und die relativ wenigen, die es letztlich schaffen, stehen heute vor den Zäunen Europas. Und Europa ist im Grunde hilflos und uneins. Eigentlich besteht die Pflicht der Ausbeuter, (so muss man wohl das gern zitierte Verursachungsprinzip interpretieren), Afrika wieder zu „begrünen“, es vor Ort wieder lebenswert und handlungsfähig zu machen. (Das Wort ‚Entwicklungshilfe‘ sollte man dabei nicht in den Mund nehmen, das ist nur ein anderer Name für Ausbeutung zum Vorteil der Industrienationen.)
Wenden wir uns im Folgenden den wenigen aktiven Spielern zu. Die gewählte Einteilung ist zugegeben sehr grobmaschig, aber eine differenzierte Sichtweise würde erheblich mehr Recherchen verlangen, die für einen „Versuch“ zu viel Aufwand bedeuten.
Die internationale Politik ist ausschließlich durch Interessenlagen geprägt, die mit Freiheit, Demokratie, Menschenwürde, und einem friedlichen Miteinander nur dann verknüpft werden, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Interessen auch durchzusetzen. Politik enthält immer viel Wortgeklingel: je mehr die Politik die ‚hohen‘ Werte betont und in die Diskussion einbringt, desto mehr besteht die Gefahr, dass genau diese Werte unterlaufen werden sollen. Wann immer Krieg angezettelt wird, sind die „hohen“ Werte nicht weit: dann „verteidigen wir unsere Freiheit am Hindukusch“, wollen einen zum Hitler stilisiertes Monster Saddam Hussein „hinwegfegen“, um der „Demokratie eine reale Chance zu geben“ und seine nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen unschädlich zu machen. Dieses unsägliche Geschwätz lässt sich in nahezu alle internationalen Brennpunkten auf den Zeitraum der letzten zwanzig bis dreißig Jahre feststellen, in einer Zeit, in der wir uns (zu Recht) rühmen, in Europa (relativ) friedliche Zeiten zu genießen.
Die USA sind seit über 120 Jahren dabei, der imperiale Machtfaktor im Kräftespiel der Weltpolitik zu werden. Während der Zeit der Sowjetunion (1917 – 1989) mussten sie sich zurückhalten und schweren Herzens ein sozial akzeptables Gegengewicht zur kommunistischen Ideologie darstellen. Mit der Auflösung der Sowjetunion fühlte sich der kapitalistische Westen als Sieger und sah sich dazu berechtigt, kapitalistische Strukturen mit Hilfe des Neoliberalismus überall auf der Welt anzustreben. Dabei war der Neoliberalismus im ersten Schritt eine ökonomische Ideologie des radikalen Marktes, hat sich dann aber schnell gewandelt und muss heute als politisch wirkmächtige Kraft angesehen werden. Es geht nicht mehr um Ökonomie, es geht inzwischen um die globale Macht. Der Neoliberalismus ist eine amerikanische Erfindung, hat sich dort am weitesten durchsetzen können und ist heute die herrschende Ideologie (in seiner Radikalität nur noch vergleichbar mit der des ehemaligen Kommunismus). Dabei ist das Ziel des Neoliberalismus, alles und jedes einem Markt (Wettbewerb) zu unterwerfen. Dazu muss alles und jedes einen Preis angeheftet bekommen und der einzige Weg, an diese bewerteten Güter zu gelangen, ist Geld, insbesondere viel Geld. Aus allem muss sich Profit schlagen lassen: auch aus Kultur, Bildung, Gesundheit, Soziale Maßnahmen, selbst aus Gefängnissen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen u.a.. Der Nebeneffekt dieser Ideologie ist die gezielte Vereinzelung des Menschen. Solidarität ist ein Verhalten, das nicht in den Neoliberalismus passt und von ihm systematisch Schritt um Schritt zerstört wird. Alle Einrichtungen, die auf solidarischer Basis funktionieren, werden bekämpft und wenn möglich aufgelöst. So steht unser Rentensystem unter Beschuss; im Immobilienmarkt und im Versicherungsmarkt wurden alle Organisationen, die das Wohl seiner Mitglieder im Fokus hatten (Genossenschaften, Versicherungen auf Gegenseitigkeit u.ä.), eliminiert, um dem privaten Finanzinteresse den gewünschte freien Zugriff auf den Profit zu verschaffen. Seit Jahren werden die Universitäten mit der Forderung einer Drittmittelfinanzierung konfrontiert. Man könnte auf die Idee kommen, dass die Freiheit der Wissenschaft verkauft wurde, weil mit jeder Drittmittelbeschaffung auch Teile der wissenschaftlichen Freiheit verloren gehen. Denn wer zahlt, schafft an! – so das neoliberale Credo. Da hat die wissenschaftliche Freiheit keine Chance mehr.
Für die USA kommt dann noch hinzu, dass sie über eine völlig überdimensionierte Armee verfügt. Das US-amerikanische Militärbudget liegt bei weit über 600 Mrd. Dollar (2017). Russland verfügt nur über etwa ein Zehntel dieser Summe (ca. 67 Mrd. Dollar) und wird uns bei diesem (schmalen) Budget nahezu täglich als schlimmer Aggressor verkauft. Der Grund für den Ausbau der militärischen Stärke in den USA liegt einmal in dem imperialen Ziel der Weltherrschaft und zum anderen in dem militärisch-industriellen Komplex, ein Geklüngel auf höchster politischer Ebene, vor dem schon Präsident Eisenhower bei seiner Verabschiedung aus dem Präsidentenamt (in den fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts) eindringlich gewarnt hat. Heute legen die USA Verhaltensweisen an den Tag, die deutlich imperiale Züge tragen. Wer sich nicht den Zielen der USA unterwirft und zum Kreis der „irrelevanten Staaten“ des Neoliberalismus zählt, aber über Ressourcen verfügt, wird mit Krieg, Bürgerkrieg, Terror (sogenannte Stellvertreterkriege) überzogen oder wie das jetzt heißt, zu einem „System Change“ gezwungen. Diese Maßnahmen haben in der letzten 30 Jahren in mehr als zwanzig Kriegen in den betroffenen Ländern bewusst nur Chaos und Instabilität hinterlassen und Millionen Menschenleben gekostet. Die Rohstoffsicherung war dabei regelmäßig das auslösende Motiv.
China hat sich im letzten Jahrzehnt zu einem wesentlichen Mitspieler gemausert. Das kommunistische System hat sich geöffnet und betreibt heute so etwas wie einen Staatkapitalismus mit privaten Elementen. Der chinesische Markt ist eng gesteuert, riesig und er entwickelt sich erst. China beteiligt sich zwar an der internationalen Politik, ist aber aufgrund seines enormen internen Marktes nicht auf den Weltmarkt fokussiert. Seine günstigen Produktionsbedingungen haben neben den Europäern auch die US-Amerikaner auf den Plan gerufen, wobei es sich inzwischen zeigt, dass die USA weit mehr von China kauft als umgekehrt. In USA sind die Unternehmen untergegangen, die dem chinesischen Preiswettbewerb nicht gewachsen waren. Diese Waren werden jetzt bevorzugt in China gefertigt und in die USA exportiert. Die Folge ist ein hoher US-$-Forderungsbestand in China, der so hoch ist, dass jede Währungsveränderung des Dollars China große Probleme bereiten könnte. Gleichzeitig beklagt der neue amerikanische Präsident die hohen Verbindlichkeiten gegenüber China, die sich so gar nicht in das Bild des erfolgreichen Imperialisten einfügen wollen. China ist im Wesentlichen immer noch mit sich selbst beschäftigt. Sein Binnenmarkt bietet noch viele Alternativen, während die USA mit Sorge auf seine teilweise Abhängigkeit von China blickt. Wie das weitergeht, bleibt abzuwarten. Das Imperium USA ist gegenwärtig militärisch kaum in Frage zu stellen, aber vielleicht finden die Chinesen einen Weg, die militärische Stärke zu umgehen. Ihre Geschichte gibt da Hoffnung.
China hat auch erkannt, dass nicht nur der Seeweg für ihr Land von großer Bedeutung sein kann. Gegenwärtig baut China mit großem Investitionsaufwand die alte Seidenstraße zu einer modernen Transfertrasse aus. Sie soll in weiten Bereichen schon fertiggestellt sein. Damit rückt China näher an Russland und an Europa, was dem Warenaustausch fraglos dienlich ist. Diese Entwicklung beobachtet das Imperium aber mit Argusaugen. Die letzten 120 Jahre waren die USA bestrebt, Europa an sich zu binden und war deshalb stets versucht, einen Keil zwischen Europa und Russland zu treiben. Die gegenwärtige Putin-Schelte ist mit Sicherheit Teil dieser Strategie, die unsere Medien bereitwillig aufgegriffen haben.
Dem Imperium ist die Vorstellung ein Gräuel, dass Europa und das rohstoffreiche Russland eine Allianz bilden könnte. Man stelle sich weiter vor, dass über die Transfertrasse auch noch China relativ enge (Wirtschafts-)Beziehungen zu Europa aufbauen wird. Das wäre eine Konstellation, die das Imperium nicht unberührt lassen kann. Die gegenwärtige „Mitte“ der Welt könnte sich auf diese Weise vom Atlantik nach Eurasien verlagern und das Imperium müsste sich mit einer Randlage abfinden. Allein bei dem Gedanken hört man schon die „Säbel“ des Imperiums rasseln.
Russland ist dabei in einer schwierigen Lage. Das Imperium versucht über den Westen Vladimir Putin herauszufordern und an der östlichen Hintertür stehen am Ural China als potente Wirtschaftsmacht, mit dem Ziel, das weite Land besser zu nutzen als es Russland bisher vermocht hat. Die Europäer verhalten sich als brave „Vasallen“ des Imperiums und mucken nicht auf, obwohl die Chancen einer Kooperation mit dem Osten eine glänzende Entwicklung versprechen könnte. Damit ist eine engere Zusammenarbeit Russlands mit der EU vorerst schwierig bis ausgeschlossen, ohne dass das Imperium sich herausgefordert fühlen wird.
Putin gilt als Buhmann der westlichen Presse. Aber was ist die Alternative? – Wir wissen über die Strukturen und Strömungen der Politik in Russland viel zu wenig; und auch das könnte ein Ziel der Propaganda des Westens sein. Alle potenziellen Zusammenhänge, die oben als denkbar dargestellt wurden, würden aber hinfällig, wenn Russlands Führung in einem politischen Chaos versinkt. Die Strategie der USA, Europa von Russland fernzuhalten, wäre dann zumindest für die nächsten Jahrzehnte erfolgreich aufgegangen.
Hinzu kommt die Vertragsbrüchigkeit der Nato. Bei der deutschen Wiedervereinigung hat die Nato zugesagt, eine Ausweitung ihres Einflussbereiches nach Osten zu unterlassen. Diese Zusage wurde mehrfach gebrochen. Und jetzt wird in der Ukraine ein „System Change“ mit Milliarden US-Dollar Einsatz der USA vorangetrieben. Die alte (zugegeben korrupte) Regierung wurde aus dem Amt geputscht und eine neue, westlich orientierte (genauso korrupte) Regierung eingesetzt. Die Zusammenhänge um diesen Putsch sind (wie so oft beim ‚System Change‘ des Imperiums) noch nicht offiziell geklärt und werden auch nicht öffentlich verbreitet. Tatsache ist, dass große Teile der ukrainischen Bevölkerung die neue Regierung mit ihrer strikten Westorientierung ablehnt und –mit Unterstützung von Russland – gegen diese kämpft.
Russland hatte vor Jahren in einem Akt einer schwer nachvollziehbaren Großzügigkeit die Krim mit dem Standort der Schwarzmeerflotte in Sewastopol an die Ukraine übertragen. Dieser militärstrategisch heikle Punkt kann aus russischer Sicht verständlicherweise nicht dem „System Change“ des US-Imperium überlassen werden. Putins Regierung hat eine völkerrechtlich unanfechtbare Lösung gefunden und hat schnell durch eine Abstimmung die Trennung der Krim von der Ukraine durchgesetzt. Es ist nach der überwiegenden Mehrzahl der Fachleute keine Annexion im Sinne des Völkerrechts, sondern eine Abtrennung, die auf einer mehrheitlichen Entscheidung der dortigen Bevölkerung aufbaut. Die strategische Herausforderung Russlands war bezüglich seiner Schwarzmeerflotte gewaltig und die Reaktion Russlands erscheint bemerkenswert geschickt. Hier liegt vermutlich auch der Grund, warum der Westen hinsichtlich der behaupteten „Annexion“ so aufgebracht ist. Man glaubte sich schon auf der Siegerstraße und nun wurde die Sache auch noch völkerrechtlich korrekt durchgeführt, d.h. eine Klage vor einem internationalen Gerichtshof wäre diesbezüglich aussichtslos. Deshalb wird laufend die Propagandamaschine des Westens mit dem Begriff der „Annexion“ gefüttert und es vergeht kein Tag, an dem dieser falsche Sachverhalt (man nennt so etwas jetzt „Fake News“) nicht gebetsmühlenartig wiederholt wird.
Die dargelegten Ausführungen lassen die sonst üblichen Freundschaftsbekundungen in Richtung des Imperiums vermissen. Es wurde aber bewusst vermieden, in Gehässigkeit auszubrechen. Das US-Imperium, handelt aus ihrem Selbstverständnis heraus folgerichtig und ist damit in weiten Teilen auch nachvollziehbar. Aber man muss nicht gutheißen, was bei diesen Handlungen zutage tritt. Für diese kurze Zusammenstellung wurde keine Recherche angestrengt, es geht einfach nur darum, mit einer möglichst unabhängigen und Vernunft betonten Grundeinstellung die Dinge aus der Sicht eines politisch interessierten Bürgers zu beleuchten und einen Zusammenhang herzustellen wie er in der Presse leider nicht vorkommt und auch nicht diskutiert wird. Dass sich bei diesem weiten Feld auch ggfs. Fehleinschätzungen einschleichen und Lücken deutlich werden können, ist nicht ausgeschlossen.
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