Es sieht so aus, als ob die Kupfermünzen (1, 2 und 5 Cent) vom Markt verschwinden werden. Aus meiner Sicht ist das ein richtiger und auch begründbarer Schritt, um das Gewicht unserer Geldbörsen etwas zu reduzieren. Wichtiger als der Verzicht auf diese Kupfermünzen wäre der Verzicht auf eine Preisgestaltung wie etwa 1,99 Euro und ähnliches. Wenn man Fachleute auf diese nicht nachvollziehbare Preisgestaltung anspricht, so kommt das Argument, das haben wir schon immer so gemacht, daran sind die Kunden gewöhnt.
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Wenn die Argumentation etwas anspruchsvoller erscheinen will, dann wird auf eine fragwürdige psychologische Erkenntnis zurückgegriffen: Diese Preisgestaltung mache es dem Kunden leichter, sich für das Produkt zu entscheiden, weil es ja scheinbar knapp kalkuliert sei und es eben nicht zwei Euro kostet, sondern nur 1,99 Euro. Diese Argumentation hat mich nie überzeugt. Den Cent Differenz spende ich regelmäßig für die Gemeinschaftskasse.
Mein Eindruck ist, dass es für diese Preisgestaltung vor ca. 60 Jahren einen guten Grund gab. Mein Großvater hat mir von Zeit zu Zeit mit dem Ausdruck unübertreffbarer Großzügigkeit ein 5-Pfennig-Stück zugesteckt, nach dem Motto: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Thalers nicht wert!“ Ich mache meinen Großvater damit nicht lächerlich, denn mit zwei 5-Pfennig-Stücken konnte man beim Bäcker eine Laugen-Brezel ersteht und für 12 Pfennige sogar zwei Brötchen (süddeutsch: Wecken oder Semmeln).
Was ist die Konsequenz aus dieser Beobachtung? Die Preisgestaltung knapp unter der vollen Mark war zur damaligen Zeit sinnvoll, denn mit dem gesparten Pfennig gab es ab 3 Pfennig im Tante Emma Laden ein Bonbon aus dem großen Glas. Man durfte selber reinfassen und durfte das Gewünschte herausfischen. Das war für mich als Grundschüler ein einprägsames Erlebnis.
Die Preise stiegen dann sehr rasch. Die Inflation tat ihr übriges. In 2001 haben wir uns für die Einführung des Euro entschieden. Das meiste wurde, zumindest gefühlt, 100% teuer und die Bedeutung der Kupfermünzen für das tägliche Leben ging verloren. Meinen Enkeln kann ich keine fünf Cent als großzügiges Geschenk anbieten. Sie lachen mich zu Recht aus. Es wäre einfach aus der Zeit gefallen.
Aber die beknackte Preisgestaltung wird unverändert beibehalten, obwohl der „gesparte“ Cent keinen Wert mehr darstellt und auch nicht darstellen kann, denn es ist unmöglich, für ein paar „gesparte“ Cent irgendetwas Sinnvolles zu kaufen. Man sollte den alten Zopf auf beiden Seiten abschneiden: Kein Kupfergeld mehr und bitte auch keine schwachsinnig gestalteten Preise mehr. Darauf fällt heute keine Kunde mehr herein. Es ist nur ärgerlich, wenn die Geldbörse vor lauter Kupfergeld überquillt und wie Blei in der Tasche liegt, für das man im Grunde nichts kaufen kann.
Die Ausführungen sind kein Argument, das Bargeld insgesamt abzuschaffen. Bargeld ist immer noch ein Stück Freiheit, weil keiner außer mir weiß, wie ich mein Geld ausgebe – Big Data, es tut mir leid, aber das geht Dich wirklich nichts an.
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