Friday for Future

Nachdem sich die ältere Generation immer wieder wundert, warum die sogenannten „Jungen“ so gar keinen Anteil an der Politik zu nehmen scheint, reibt sie sich die Augen angesichts der Aktion “Friday for Futur“, die dabei ist, ein Massenphänomen zu werden. Und anstatt nun erfreut zu sein, dass ihre Vorverurteilung der „unpolitischen Jungen“ ins Leere läuft, regen sich einige Kreise darüber auf, dass hier die Schulpflicht in Frage gestellt sei. Als ob sich irgendjemand um derartige Pflichten gekümmert hätte, wenn der Person ein erkanntes Problem auf den Nägeln brennt.

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Plötzlich erhält das Unterrichtsfach Politik oder Demokratie praktische Konturen und das einzige Argument, das dem entgegen gesetzt wird, ist, dass hier die Schulpflicht (Klartext: die Ordnung) gestört wird. Aber vielleicht lernen die Aktivisten bei dieser Art von praktischer Politik mehr fürs Leben, als die Theorie je erreichen kann.

Es ist schon merkwürdig: es gibt eine Schulpflicht, aber es muss doch auch eine Pflicht des Schulträgers geben, alle vorgesehenen Stunden ohne Ausnahme zu leisten, mit anderen Worten: Wenn Unterricht regelmäßig ausfällt, wo ist da die Pflicht des Trägers, dafür zu sorgen, dass Unterricht auch stattfindet. Mein (nicht ganz ernst zu nehmender) Vorschlag wäre, die pro Woche sowieso ausfallenden Stunden auf den Freitag zu verschieben und dort zu sammeln. Denn, wenn kein Unterricht stattfindet, kann man ihn auch nicht schwänzen. Dann passt es doch wieder?

Das Frappierende an dieser Aktion ist für mich, dass sich seit 1972 die Wissenschaft den Mund fusselig redet und auf die Folgen unseres Lebensstils und unserer Wirtschaftsform hinweist, dass große internationale Debatten (Rio, Kyoto, Paris, zuletzt Kattowitz), in dessen Rahmen vermutlich kiloweise ‚Papers‘ produziert werden, ohne dass sich irgendetwas verändert. Außer, dass man wieder und wieder politisch betont, wie wichtig das Alles sei und man sich wechselseitig auf die Schultern klopft, um zu bestätigen, wie toll die niedergelegten Absichtserklärungen sind. Zu Hause werden große Pressekonferenzen einberufen, vollmundig bestätigt, wie man jetzt die Sache aber unbedingt angehen will. 1972 war vor 47 Jahren, das ist mehr als ein halbes Leben. Können Sie mir einen wesentlichen Punkt nennen, wo diese Papiere in die Tat umgesetzt wurden? Da wird sich das eine oder andere finden lassen – aber hat sich unser Energieverbrauch stabilisiert oder gar verringert? Seit 1972 steigt die Konzentration des Indikators CO2. Die Zielerreichung anderer (Neben-)Ziele ist gleichfalls negativ. Das einzige, was wächst, ist die Wirtschaft und damit der Energieverbrauch, und das ist und bleibt das Problem künftiger Generationen.

Und diese fortlaufende „Verarschung“ (ich entschuldige mich für diesen Ausdruck, aber nehme ihn nicht zurück) des Publikums fällt allmählich selbst dem Dümmsten auf. Es braucht schon eine besondere charakterliche Verbiegungsfähigkeit, um auf der einen Seite vollmundig Klimaschutz zu propagieren und auf der anderen Seite genau das Gegenteil zu tun. Man könnte auf die Idee kommen, es braucht die konsequente und gnadenlos realistische Einschätzung eines Autisten, dessen Psyche keinen zweifelhaften Einflüsterungen und halbseidenen Kompromissen zugänglich ist, um hier Klartext zu reden.

Ich habe mich gefragt, ob es sinnvoll war, dass Greta Thunberg auf der Gala-Veranstaltung zur Verleihung der Goldenen Kamera auftrat. Es war ein großer Erfolg, aber anders als die meisten Gesellschaftsblätter zum Ausdruck bringen: Greta Thunberg hat m.E. die Selbstüberschätzung dieser Veranstaltung auf eine überaus elegante Weise demonstriert, hat die anwesende Celibrity hoch genommen, geschickter Weise nicht verurteilt, sondern sie für die Sache des Klimas auf eine Weise verpflichtet, die anerkennenswert ist. Sie hat in einfachen und klaren Sätzen ihr Anliegen vorgebracht und ihre absolute Notwendigkeit verdeutlicht. Allein schon der Gegensatz: Greta Thunberg in einem schlichten Allerweltskleidchen mit Turnschuhen, kaum geschminkt, steht der aberwitzigen Welt des Glitzers und des schönen Scheins gegenüber. Sie wirkt so etwas von konzentriert und präsent, dass man es beinahe körperlich spüren konnte. Alles, was sie ausführte, hatte Hand und Fuß, blieb verbindlich in der Sprache und brachte hammerhart die Dinge auf den Punkt. Sie hat auch letztlich dem VW-Konzern die ‚Schau‘ gestohlen. Nach Thunbergs Ausführungen erhielt die Gewinnerin des ersten Preises der Gala-Veranstaltung vom VW-Konzern einen SUV geschenkt: absolut unpassend, ja kontraproduktiv, wenn zuvor eine Umweltaktivistin so mächtig zu Wort kommt. Ein SUV ist doch die Verkörperung des ökologischen Unsinns – als Auto zu schwer, als Panzer zu billig gebaut, zu viel Spritverbrauch, zu viel Co2-Ausstoss, die Zuladung und das Raumangebot ineffizient, die Außenmaße sind nicht für unsere bestehenden Parklücken oder gar Parkhäuser geschaffen, das ‚Ding‘ steht sich selbst im Weg – schlicht ein überflüssiges Modell, dient aber in gewissen Kreisen als Statussymbol. Der SUV symbolisiert ein Lebensgefühl, das Greta Thunberg als überholt und unzeitgemäß brandmarkt.

Ob Greta Thunberg gegen die Maßnahme von VW protestiert hat, ist nicht bekannt. Darauf kommt es auch nicht an: Ihr war, so mein persönlicher Eindruck, die Verleihung einer „Goldenen Kamera“ so was von egal – sie wollte zu der anwesenden Celebrity-Community sprechen und ihr Anliegen vorantreiben. Das ist ihr (mit oder ohne VW-SUV) hervorragend gelungen.

Anne Will hatte zum Thema „Friday for Future“ am 31.3.2019 in ihre ARD-Sendung geladen. Zuvor hatte sie Greta Thunberg interviewed und dieses Gespräch als Einführung bereitgestellt. Dabei hat Frau Will Greta auf ihr Asperg-Syndrom angesprochen, das  – so scheint es dem Zuhörer – ein wichtiger Punkt ist, um die Unbeirrbarkeit in ihrer Meinungsbildung und -umsetzung verstehen zu können. Leider hat Frau Will das Asperg-Syndrom nicht näher besprochen. Greta weist Züge einer autistischen Person auf und ist sich dessen auch bewusst. Kennzeichnend scheint bei ihr die Unbeirrbarkeit in Fragen der Logik und des Intellekts und eine gewisse Schwarz-Weiß-Sicht auf die Realität zu sein. Etwas, was der Autist mit Hilfe seines ausgeprägten Verstandes erfasst hat, zwingt ihn in gewissen Grenzen dazu, das für richtig Erkannte kompromisslos um- bzw. durchzusetzen. Eine Ablenkung, der viele Menschen ständig unterliegen, ist aufgrund der Denkstrukturen eines Autisten nur schwer zu realisieren.

Aufgrund der Betonung des Intellekts sind bei dieser Form des Autismus die sozialen Fähigkeiten oftmals unterentwickelt. Autisten gelten als ernst, lachen selten und sind für all das, was in den sogenannten Sozialen Medien vor sich geht, wenig empfänglich. Das ist ihnen vermutlich zu dumm oder zu lästig. Autisten sind auch hinsichtlich der alltäglichen psychologischen „Kriegsführung“ (Werbung, Framing, gezielte Verbreitung von unbegründetem Optimismus, Statusfragen, populistischen Aussagen, u.ä.) nicht sonderlich empfänglich. Vor diesem Hintergrund wird auch die Antriebskraft, die hinter Greta Thunbergs Person steht, vielleicht etwas verständlicher.

Das glatte Gegenteil zu Thunbergs Konsequenz waren teilweise die Aussagen der in der Sendung anwesenden Politiker. Insbesondere Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, äußerte sich stolz zum Kohlekompromiss für 2038. Nach seinen Worten wurde dieses Datum von allen Beteiligten für gut befunden. Im Klartext: Bis dahin haben alle Beteiligten des Kompromisses das maximal mögliche, finanziell Entzielbare aus der getroffenen Übereinkunft zu Lasten der Umwelt und der künftigen Generationen auf ihre Seite gezogen. Alle Beteiligten haben ihr ‚Schäfchen‘ im Trockenen. Der Kompromiss für 2038 hat also gar nichts mit dem Umweltschutz zu tun, er ist ein fauler Kompromiss auf dem Rücken der Umwelt und den kommenden Generationen. Letztere waren beim finanziellen „Fingerhakeln“ auch nicht am Verhandlungstisch vertreten.

Diese Vorgehensweise ist genau der Punkt, an dem die Aktivisten eingreifen. Es geht nicht darum, dass die Wirtschaft immer wieder ihr zweifelhaftes finanzielles Süppchen kochen kann; es geht der Aktion „Friday for Future“ um die Umwelt und um ihre bzw. die ihr folgenden Generationen und deren Lebensverhältnisse. Und da ist die getroffene Vereinbarung 2038 kein fairer Kompromiss, sondern eine Vergewaltigung, weil die Hauptbetroffenen (Umwelt und künftige Generationen) überhaupt nicht am Verhandlungstisch saßen und deshalb auch keine Rolle gespielt haben. Man lässt aber jedem Beteiligten aus einer als verkehrt erkannten Vergangenheit seine inakzeptablen Maximal-Forderungen stellen, rechnet die externen Effekte (Verschmutzungen i.w.S.) nicht gegen und stimmt den Forderungen des lieben Friedens willen auch noch zu. Und nennt das dann einen gelungenen Kompromiss!

Wenn ein überdimensionaler Orkan als Folge falschen Handelns in der Vergangenheit über unser Land hinwegfegen würde, könnte ein riesiger Schaden entstehen, der uns um 10 – 15 Jahre zurückwerfen würde. Dann würden die steilen Geld-Forderungen der Beteiligten aus dem Kompromiss auch fraglos weiter begleichen. Obwohl dieser Orkan durchaus als eine Folge des durch diesen Kompromiss mitverursachten Schadens angesehen werden müsste. Eine solche Vorstellung ist einfach grotesk!

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