Finanzkrise und Globalisierung als kumulative Risiken

Entgegen den aus der Politik zu vernehmenden Meinungen ist die Finanzkrise 2008 noch in keiner Weise beendet oder gar gelöst. Die Politik weigert sich standhaft, anzuerkennen, dass diese Krise nicht durch technische Tricks wie Gelddrucken, sondern nur durch zweifelsohne schmerzhafte Schritte bzw. Schnitte  zu lösen ist. Man muss irgendwann akzeptieren, dass Fehler der Vergangenheit einfach Konsequenzen auslösen, die umso schlimmere Auswirkungen haben werden, je länger man sich weigert, die Realität anzuerkennen.

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Der angedachte Schnitt träfe jedoch primär jene Bevölkerungsschichten, die gegenwärtig durch die Gelddruckerei begünstigt sind – denn jeder Schuld, die entsteht, steht auch ein Geldbetrag gegenüber, der nur darauf wartet, vereinnahmt zu werden. Die Vereinnahmung erfolgt aber nicht beim berühmten „kleinen Mann“, sondern dort, wo schon große Vermögen existieren. Jeder Schnitt träfe also jene großen Vermögen in besonderem Maße. Das ist vermutlich ein wesentlicher Grund, warum konkrete Schritte mit allen Mitteln von den sogenannten ‚Eliten‘ verhindert werden.

Ein ergänzender Grund könnte auch darin liegen, dass bei fortgeschrittener Globalisierung ein Schnitt viel unbarmherzigere Wirkungen erwarten lässt als sie z.B. im Rahmen der großen Wirtschaftskrise von 1929 auftraten: Die Arbeitsteilung hat sich seit 1929 dramatisch erhöht. Die Industrie jener Zeiten war primär national oder sogar regional orientiert und verfügte über lange Wertschöpfungsketten in den Unternehmen. Heute besteht eine hochgradig arbeitsteilige Struktur. Denken wir nur an die vielen logistischen Prozesse, die nur dann zu bewältigen sind, wenn kein Glied in der Prozesskette ausfällt. Je arbeitsteiliger wir den Prozess im Rahmen einer Globalisierung gestalten können, umso anfälliger werden die Strukturen. Zwar hat es den Anschein, dass durch die Arbeitsteilung kosteneffizient gearbeitet werden kann, aber die Effizienz wird durch ein vielfach erhöhtes Prozessablaufrisiko erkauft. Solange man davon ausgehen darf, dass es global im Wesentlichen friedlich bleibt, dass die Transportwege ungerechtfertigt billig und insbesondere auch sicher bleiben, mag das Risiko in den Augen der betroffenen Unternehmen als überschaubar gelten. Aber die Risiken der nicht bewältigten Finanzkrise und die zunehmenden Risiken der Globalisierung kumulieren sich zusehends.

Wenn morgen an irgend einer Stelle des Systems für eine hinreichend informierte Mehrheit erkennbar wird, dass mit der ständigen Schuldenausdehnung nur heiße Luft (ohne realen Wert) produziert wird, wenn es dann zudem in den Köpfen der Leute Klick macht, weil sie zu begreifen beginnen, dass Kapital, das keinen Zins auslöst, auch keinen ‚Wert‘ darstellt, – denn nach der Logik des Kapitalismus gilt: was nichts kostet (keinen Preis hat), kann auch nichts Wert sein! Wenn dann hinzukommt, dass die Leute, d.h. konkret die Steuerzahler eventuell verstehen lernen, dass das gegenwärtig angewendete System der wundersamen Geldvermehrung so konstruiert ist, dass sie für diesen Wahnsinn, (der keine nachhaltigen Werte zu bilden in der Lage ist) am Ende aufkommen müssen, ist die Globalisierung für die Menschen und für die Wirtschaft keine sinnvolle Option mehr. Jay Kawatsky (Kommentator auf www.finanzen100.de) führt dazu aus: “Denken Sie über zwei einfache Dinge nach: Erstens sind die Lieferketten viel länger  und erheblich stärker verwoben als vor 85 Jahren (also 1929). Wenn die Lieferketten wegen Pleiten auseinanderbrechen, erreichen die Güter des täglichen Bedarfs nicht jene Menschen, die sie brauchen. Zweitens: Im Vergleich zu 1929 müssen (heute) Milliarden mehr Menschen  ernährt werden, während es immer weniger Menschen gibt, die wie Landwirte, tatsächlich wissen, wie Güter des täglichen Bedarfs produziert werden. Notenbanker können zwar Geld drucken, aber nicht Lebensmittel, Energie oder andere Rohstoffe bereitstellen, die lebensnotwendig sind.“

Damit gewinnen Begriffe wie Subsistenz und Resilienz eine Bedeutung, die man bisher großzügig der Postwachstumsökonomie überlassen hat. Wenn die globalen Risiken einerseits als auch die Risiken aus der unbewältigten Finanzkrise andererseits zusammen kommen, so erhalten die Begriffe auch für jene Bedeutung, die sie bisher weit von sich gewiesen haben. Subsistenz meint im Kern eine Reduzierung der Arbeitsteilung (Verlängerung der Wertschöpfungskette im Unternehmen). Aus der Reduzierung der Arbeitsteilung würde eine Reduzierung des Risikos folgen, das sich aus der globalen Arbeitsteilung und ihrer inhärenten Logistik ergibt. Als Folge wäre möglicherweise eine Kostenerhöhung unvermeidbar, aber viel schlimmer – wir haben möglicherweise verlernt, die anstehenden Arbeitsschritte inhouse effizient durchzuführen. Man müsste ja wieder klassisch produzieren. Dazu braucht es Know-how, das wir leichtfertig vor Jahren in ferne Länder transferiert haben und es dort lassen müssen, weil Arbeitskräfte mit diesen Fähigkeiten u.U. gar nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die öffentliche Wahrnehmung von Resilienz hätte zur Folge, dass wir beim Ausbau unserer Versorgungsstrukturen darauf achten, unsere Prozesse nicht so überaus verwundbar zu gestalten – insoweit gehen Subsistenz und Resilienz Hand in Hand. Wussten Sie, dass es ernstzunehmende Szenarien gibt, nach denen ein Zusammenbruch unseres Logistiksystems dazu führen würde, dass nach nur drei Tagen sich in den Großstädten Hunger ausbreiten wird, weil die Supermärkte dann ausverkauft sind und keinen Nachschub erhalten werden. Großstädte müssten sich deshalb aus Gründen der Resilienz hinsichtlich des Grundbedarfs prinzipiell und gezielt aus ihrem Umland versorgen können, um die Abhängigkeit von den wachsenden logistischen Risiken im Rahmen der Globalisierung eingrenzen zu können.

Zudem scheint der Zug der Zeit kriegerischer zu werden. Das „Säbelrasseln“ kommt wieder in Mode. Ist den Herren der Macht klar, dass damit das Konzept der Globalisierung grundsätzlich gefährdet wird? Wenn die Transportwege unsicher werden, scheitert zu allererst das globale Konzept. Die Sicherungsmaßnahmen, wie nötig wären, um das Konzept in ‚unruhigen Zeiten‘ aufrecht zu erhalten, sind anders als die extern ausgelösten Umwelt- und Armutseffekte der Globalisierung, eindeutig bezifferbar und drohen das Konzept an den verursachten Kosten scheitern zu lassen.

Die Globalisierung als Produkt einer einseitigen Marktstrategie der Großkonzerne nimmt sich viel zu wichtig. Ist Ihnen aufgefallen, dass wir hier zwar von Risiken sprechen, aber noch mit keinem Wort die kapitalistische Ikone „Profit“ in den Mund genommen haben? Solange man die Globalisierung aus der einseitigen Perspektive des Profits diskutiert, (und das tun wir gegenwärtig bis zum Erbrechen,) die inhärenten Risiken aber nicht offen ansprechen, kommen wir zu fatal falschen Schlüssen. Fakt ist, dass die Welt absehbar nicht friedlicher wird, die USA, die sich als führende Nation versteht, mit ihrem Führungsanspruch und ihrer geostrategischen Ideologie sich nicht zu einem bedingungslosen Frieden verpflichtet fühlt, so wird deutlich, dass durch die Globalisierung nicht Profit und Wachstum zunehmen, sondern primär die Risiken dieser Marktstrategie. Globalisierung ist hochgradig ein Politikum und kann nicht nur mit lächerlichen ökonomischen Forderungen nach ‚mehr Profit‘ und ‚mehr Markt‘ diskutiert und begründet werden wie das im Rahmen von TTIP gegenwärtig immer wieder versucht wird.

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