Die Umwelthilfe hat in einem ersten Schritt darauf aufmerksam gemacht, dass die Exekutive wohl auf Anweisung der Politik gewisse Grenzwerte zwar misst, sie aber trotz eines Verstoßes gegen geltendes Recht nicht nutzt, um Maßnahmen zur Einhaltung dieser Grenzwerte einzuleiten. Der nächste Schritt der Umwelthilfe war die Klage gegen diverse Städte vor den Verwaltungsgerichten, die sie alle für sich entscheiden konnten.
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Die Exekutive und ihre politischen Spitzen wurden damit systematisch in die Enge getrieben, endlich aktive Maßnahmen aufzunehmen. Dabei kann offen bleiben, ob nun Fahrverbote die einzig mögliche Lösung darstellt. Und wieder ist die Politik nicht in der Lage, darauf angemessen zu antworten. Es passiert außer Aktionismus nichts. Die Koordinationserfordernisse haben den gesamten Elan aufgefressen. Als Folget holte die Umwelthilfe den nächsten Hammer aus dem Sack und droht den politischen Spitzenpersonen Zwangsmaßnahmen an und kommt damit juristisch durch. In meinen Augen ist das eine politische Bankrotterklärung der politischen Kräfte unseres Gemeinwesens.
Die (falsche, aber nachvollziehbare) Versuchung der Exekutive, durch den Abbau von Messeinrichtungen das Problem zu lösen, ist auch gescheitert. Die Umwelthilfe und andere Umweltverbände, teilweise sogar Privatleute haben sich mobile Messvorrichtungen besorgt und haben sie offiziell eichen lassen. Die Öffentlichkeit ist also auf die Ergebnisse der kommunalen Messungen nicht mehr angewiesen. Die ‚privaten‘ Messungen zeigen, dass Feinstaub nicht nur ein Problem einiger weniger Verkehrstrassen in Großstädten ist, sondern viel weitere Kreise zieht.
Dummerweise hat eine Think Tank-Einrichtung eine Aussage getroffen, dass durch den Feinstaub jährlich 6.000 Tote zu verzeichnen seien. Die methodische Vorgehensweise, die zu dieser Aussage führt, ist aber so windig, dass der Aussage kein Glauben zu schenken ist. Aber die Aussage ist nun mal ‚geboren‘ und es wird viel Diskussionen und Aufgeregtheit auslösen bis diese Zahl wieder im Papierkorb der Geschichte verschwindet.
Das soll aber keinesfalls heißen, dass Feinstaub gesundheitlich unbedenklich sei. Die gesetzlichen Grenzwerte bestehen zu Recht. Sie sind vor Jahrzehnten in einem demokratisch legalen Verfahren festgelegt worden und sind seit dieser Zeit für die Politik und die Exekutive verbindlich. Das Empörende an den Zusammenhängen ist der Versuch der politischen Spitzen, die Überschreitungen des Grenzwertes zu übersehen bzw. zu bagatellisieren. Dabei werden fraglos die monetären Interessen der Autoindustrie gegen die grundsätzliche Gesundheitsbeeinträchtigung einer Mehrzahl von Bürger aufgerechnet. Diese Art Abwägungen vollziehen sich im politischen Alltag leider täglich. Sie sind aber nicht immer so offensichtlich.
Wenn Fahrverbote, die gerichtlich durchgesetzt werden können, von den politischen Spitzen nicht umgesetzt werden, drohen persönliche Zwangsmaßnahmen. Es ist einem Politiker nicht zuzumuten, für die Fehler der Autoindustrie in Haft genommen zu werden. Da wird der Politiker verständlicherweise seine Verteidigungslinien für den Industriezweig aufgeben und entscheidet sich für die gesetzlich gebotene Maßnahme. Dabei gibt es, nach meinen Informationen, eine technische Lösung des Problems. Das würde die Problematik elegant entspannen. Aber es würde die Autoindustrie eine Stange Geld kosten und dazu sind sie (noch) nicht bereit. Lieber bringt sie ihre steten Befürworter auf der politischen Ebene in die Bredouille und zerschlagen damit Schritt für Schritt ihr politisches Porzellan.
Die Politik und insbesondere die Industrie versucht dem Bürger damit zu drohen, dass durch die Feinstaubmaßnahmen Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Wie heißt es in politischen Kreisen dann immer so schön: Sie übersehen die Chancen für viele neue Arbeitsplätze. Das beurteilen zu wollen, erscheint mir angesichts der großen Problemstellungen vermessen, denen sich dieser Industriezweig auf absehbare Zeit gegenüber sieht. Da gibt es größere und machtvollere, teilweise technologisch bedingte Einflüsse auf die Beschäftigungslage dieser Branche als ausgerechnet die Feinstaub-Problematik. Schwieriger sind die Folgen eines Fahrverbots für die Infrastruktur der ÖPNV zu beantworten, die für eine solche (relativ plötzliche) Veränderung keine zusätzlichen Kapazitäten verfügbar hat. Gleiches gilt für den Lieferverkehr in die Innenstädte, die mehrheitlich mit dieselbetriebenen Lkws erfolgt. Dort ist aber vielfach (insbesondere bei den neueren Typen) die vorgesehene technische Lösung vorgesehen. Sie wird aber von den Betreibern aus Kostengründen und mangelndem öffentlichen Druck vernachlässigt und oft nicht verwendet.
Die Autoindustrie vermittelt uns den Eindruck, dass ihre neuen Pkw (die nach dem Betrug hergestellt werden) technisch so ausgestattet seien, dass die Feinstaub-Grenzen möglicherweise in der Zukunft kein Problem darstellen. Aber die Pkw kommen gegenwärtig nicht auf den Markt, weil deren Zertifizierung durch die öffentlichen Stellen nicht schnell genug umgesetzt werden kann. Vor dem Dieselskandal hätte die öffentliche Hand sich auf Aussagen der Industrie verlassen und hätte dadurch für einen Übergang Zeit und Handlungsspielraum gewonnen. Nach dem Betrug ist auch hier das Eis dünn geworden. Man schaut lieber selber nach.
Wenn man sieht, wieviel öffentliche Infrastrukturmaßnahmen vom Staat vorgenommen werden müssten, um das Feinstaubproblem durch ein Fahrverbot in den Griff zu bekommen und man andererseits erkennen kann, dass es eine private technische Lösung gibt, so wäre ich geneigt, der Industrie eine deutliche Ansage zu machen, bevor ich befürworten würde, die Kosten für die zusätzliche öffentliche Infrastruktur in Deutschland letztlich dem Steuerzahler aufzubürden. Da wedelt der Schwanz wohl mit dem Hund.
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