Feinstaub, Digitalisierung und Lkw-Maut

Nach einer mehrwöchigen Reise durch Norddeutschland zurück, muss ich feststellen, ich weiß nicht, wo man sinnvollerweise anfangen soll. Manche Entwicklungen sind ja recht erfreulich: Auch die deutsche Justiz meint jetzt wohl, Herrn Winterkorns Aktivitäten kritisch beurteilen zu müssen. Auf jeden Fall tut sich hier etwas trotz des Zögerns der Politik. Aber der öffentliche Druck scheint es möglich zu machen.

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Feinstaub

Hamburg will nach einer Meldung die Dieselfahrzeuge aus der Innenstadt aussperren, um ihr problembewusstes Handeln zu unterstreichen. Was ist denn mit den Container- und Kreuzfahrtschiffen, die den Hamburger Hafen besuchen? Dagegen ist der Feinstaub von Dieselautos wohl vernachlässigbar. Aber im Hafen gibt es keine Stationen, die Feinstäube gemessen – so meine Informationen vor Ort – demnach ist der Hafen auf dem Papier absolut feinstaubfrei. So einfach ist das!

In München wurden aufgrund der gleichen Probleme auch einige der innerstädtischen Messstationen versetzt, und schon ist das Problem dank fehlender Daten weitgehend entschärft. Das ist keine Lösung, sondern nur ein Datenbetrug: Die Messdaten sagen doch nichts über die Wirklichkeit aus – es kann zum Himmel stinken, wenn aber keine Messdaten dazu vorliegen, kann der Gestank im öffentlichen Bewusstsein nicht ankommen.

Die EU hat sich entschlossen, die Bundesregierung wegen der laxen Anwendung ihrer Feinstaubrichtlinien zu verklagen. Wie wirkt ein solches Verhalten? Die diversen Gesetze und Verordnungen zur Eindämmung der Feinstaubbelastung in den Städten wurden von der Politik dem Wähler gegenüber stets als großer Fortschritt verkauft. Im gleichen Atemzug signalisiert offensichtlich die Regierung den Vertretern der Wirtschaft: Das ist nur unsere Kür vor den „lästigen“ Wählern – nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Mit der Folge, dass sich die Exekutive, angeregt durch die Wünsche der Politik, auf Regelungen und halbseidene Vereinbarungen eingelassen hat, die „cum grano salis“ nur als Betrügereien einzustufen sind. Der sogenannte „Dieselskandal“ ist zu einem guten Teil auch ein Skandal der Exekutive, die sich in die krummen Geschäfte der Autoindustrie hat hineinziehen lassen oder im „vorauseilenden Gehorsam“ die notwendige Zivilcourage nicht aufgebracht hat, die Politik an Recht und Gesetz zu erinnern. Wenn nicht bei Gesetzesverstößen, insbesondere der ‚Großkopferten‘, die als (fragwürdige) Elite eine Vorbildfunktion für sich in Anspruch nehmen, nicht hart durchgegriffen wird, allein um klar zu demonstrieren, dass insbesondere auch für diese ‚Klasse‘ der Wortlaut des Gesetzes gilt, dann droht mittelfristig das gesellschaftliche Chaos. Da kann es auch kein Freikaufen geben, wie es heute auf der obersten Ebene durchaus üblich ist. Vergleichen Sie einmal die Strafen, die bei Normalbürgern und jenen straffälligen Eliten ausgesprochen werden – wenn es irgend geht, wird die Strafe mit einer Geldauflage auf Bewährung ausgesetzt und der Normalbürger wandert hinter Gittern, gilt dann als vorbestraft und ist für sein weiteres Berufsleben im Abseits.

Digitalisierung

Die Kanzlerin hat sich vermehrt zur Digitalisierung geäußert. Dabei befasst sie sich vornehmlich mit Fragen der Wirtschaft und der Technologie und macht deutlich, dass die Politik glaubt, die Bedeutung dieses Phänomens verstanden zu haben. Über die andere Seite der Medaille, nämlich zur Frage, wie sich diese Technologie möglicherweise zukünftig auf die Menschen und deren Arbeitsplätze, auf die gesamte Erwerbsarbeit insgesamt auswirken könnte, hat die Kanzlerin bisher kein Wort verloren.

Jedem, der sich mit dieser Frage detaillierter auseinandersetzen möchte, sei an dieser Stelle das Buch von David Richard Precht – Jäger, Hirten, Kritiker (Goldmann, 2018) ans Herz gelegt. Einer begründeten Analyse folgen schwerpunktmäßig Elemente einer humanen Utopie, wie wir und insbesondere unsere Politiker mit den absehbaren Folgen der Digitalisierung umgehen sollten. Sie finden vieles, was ich auch schon ausgeführt habe, nur schöner formuliert, gründlicher recherchiert und mit einem optimistischeren Zungenschlag. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Gespräch zwischen Precht und Gregor Gysi (https://www.youtube.com/watch?v=KO3qo6ofK4c) vom 6. Mai 2018.

Maut

Es ist immer wieder erschreckend, wenn aus geheimen Verhandlungen Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Seit offensichtlich 14 Jahren verhandelt die BRD vor einem (privaten) Schiedsgericht Forderungen gegen die Eigentümer der Toll-Collect. Diese Gesellschaft wurde gegründet, um das Kassieren der LKW-Maut zu privatisieren – eine klar umrissene Aufgabe. Toll Collect ist eine Institution der Großindustrie und hat es in den Anfangsjahren nicht geschafft, zeitnah ein funktionierendes Abrechnungssystem auf die Beine zu stellen. Der Verdacht geht jetzt soweit, dass die eklatante Verzögerung der Umsetzung nicht auf Unfähigkeit, sondern auf Vorsatz zurückzuführen sei.

Mit Ende des alten Vertrages und bis zur Abwicklung der neuerlichen Ausschreibung wird der Bund vorübergehend Eigentümer der Toll Collect werden und hat damit unbegrenzten Zugriff auf deren bis dato privaten Unterlagen. Man munkelt, dass dieser Sachverhalt dazu beigetragen habe, dass jetzt kurz vor Ende der Vertragslaufzeit eine Einigung herbeigeführt wurde, um Fakten zu schaffen. Bei dem Kompromiss wurde vermutlich (so ist das unter Juristen üblich) auch die Einstellung jeglicher juristischer Untersuchung gegen die Eigentümer und das Management vereinbart. Man erteilt eine sogenannte Entlastung, d.h. man schneidet bei der Einigung alle weitergehenden privatrechtlichen Ansprüche ab.

Das ganze System der Mauterhebung dürfte heute wohl vollautomatisch erfolgen. Trotzdem wird – man könnte sagen – aus ideologischen Gründen – das Kassieren der Maut privatisiert. Die Aufgabe steht jetzt wieder zur Ausschreibung, weil der alte Vertrag nach 15 Jahren ausläuft. Die erwarteten Umsätze belaufen sich künftig auf 7.5 Mrd. Euro pro Jahr, die das Inkassounternehmen nach Abzug seiner Kosten an den Bund überweist. Da sich die Telekom wieder um den Zuschlag bemüht, dürfen wir davon ausgehen, dass diese Inkassotätigkeit attraktiv vergütet wird. Wenn der Bund das Unternehmen in eigener Regie weiterführen würde, könnte man diese attraktive Vergütung sparen, weil der Bund die Leistung ohne Gewinnaufschlag durchführt. Man könnte also die Transportwirtschaft entlasten oder dem Steuersäckel einen höheren Beitrag zukommen lassen.

Die Zusammenarbeit läuft unter dem Begriff der Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP). Das Besondere an diesen ÖPP-Verträgen sind deren Geheimhaltungsklauseln, die gewöhnlich zwischen den Parteien vereinbart werden. Das ganze Geschäft wird somit der Öffentlichkeit bewusst entzogen, obwohl das Geldaufkommen ähnlich einer Steuer ausschließlich an den Staat abgeführt werden soll und muss. Man könnte zu der Auffassung gelangen, dass hier Einnahmequellen des Bundes der öffentlichen Kontrolle entzogen werden sollen. Dieser Eindruck wird auch durch die Geheimhaltung des Schiedsgerichtsverfahrens unterstrichen.

Wie ich schon in einem hier veröffentlichten Beitrag festgestellt habe, gibt es zu den ÖPP-Verträgen der öffentlichen Hand keinerlei Transparenz. Es werden auch zentral keine Unterlagen geführt und die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben nach meinen Informationen auch keinen Zugriff. Insgesamt lassen informelle Gespräche mit Beamten die Vermutung zu, dass das gesamte ÖPP-Geschäft für die öffentliche Hand als eher nachteilig einzustufen ist. Das Verhalten der angesprochenen Beamten lässt erkennen, dass dieser Punkt für sie extrem heikel ist: Sie sind von ihren vorgesetzten Stellen unter Androhung von Karrierekonsequenzen zum Stillschweigen verpflichtet. Was des einen Nachteil ist, ist des anderen Vorteil – von privater Seite wird deshalb versucht, ständig neue Projekte aufzulegen. Meinem Eindruck nach ist die Verwaltung bemüht, diesem politischen Irrwitz, wo immer es geht, einen Riegel vorzuschieben. Hier muss dringend Transparenz geschaffen werden und öffentlich eine unabhängige Bewertung der Frage erfolgen, ist die Öffentlich-Private Partnerschaft ein sinnvoller Konstrukt oder nur eine Möglichkeit, unter Ausschluss der Öffentlichkeit die öffentliche Hand zu melken?

Übrigens: haben Sie noch etwas von der Pkw-Maut gehört? Es war ein großes Thema unseres vormaligen Verkehrsministers Alexander Dobrint und hat ob seiner verqueren Argumentation enorme Wellen geschlagen. Aber: ein völlig unbekannter bayerischer Politiker ist plötzlich bundesweit bekannt, wohl nicht wegen seiner Führungsqualitäten, aber es hat seiner Karriere sehr geholfen. Es ist merkwürdig ruhig geworden. Sollte die CSU dieses kostspielige Aufregerthema zur Positionierung des Herrn Dobrint still und heimlich entsorgt haben?

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