Eine private Rente für alle ?

Ulrich Schäfer plädiert in der SZ vom 13./14. Februar 2016 (S. 25) für eine private Rente für alle. Eine Begründung für seine Ansicht liefert er nicht. Weder sagt er, dass das öffentliche Rentensystem schlecht oder unzureichend sei, noch macht er deutlich, ob das private ‚Riester‘ Rentensystem auch nur im Entferntesten die Erwartungen erfüllt, die an das System gerichtet sind.

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Dabei kann es nicht um die Sicht der Politik und der Versicherungswirtschaft gehen, sondern um die Sicht der Einzahler (Sparer oder Anleger), die von dem Versicherungssystem irgendeinen Nutzen für den Einzahler erwarten. Dieser Nutzen steht ernsthaft in Frage.

Herr Schäfer, bevor Sie eine private Rente fordern, haben Sie sich mal den gegenwärtigen Zustand der Lebensversicherungsbranche genauer angesehen. Sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst verglichen mit den Zahlen vor 30 Jahren. Der Absatz ganz normaler Lebensversicherungen geht stark zurück, weil dieses Produkt, egal an was man es anhängt, keine vernünftigen Renditen bei überschaubarem Risiko abwirft und die präsentierten Hochrechnungen vermarktungstechnische Traumzahlen vorgaukeln, die diese Institutionen absehbar nie erreichen werden. Es ist ein Wahnsinn, einem Arbeitnehmer mit geringem Einkommen eine solche private Versicherung „aufzuschwätzen“, wenn heute schon erkennbar ist, dass das Risiko, das dieser privaten Versicherungsart absehbar inne wohnt, unkalkulierbar sein wird.

Herr Schäfer, lassen Sie ihren wirtschaftlich geschulten Blick schweifen: die ganze Versicherungswirtschaft ist, insbesondere dann, wenn es sich um Kleinverträge handelt, mit solchen Verträgen schlicht überfordert. Und es ist auf lange Sicht und bei dem immanenten Risiko der Altersversorgung ein Frevel, hier einer privaten Versicherung das Wort zu reden. Norbert Blüm sagte damals, von vielen belächelt: „Die Rente ist sicher“ und das ist eine Aussage, die immer noch stimmt. Und sie wird auch noch in 20 Jahren stimmen, weil man die Millionen Rentner politisch nicht im Regen stehen lassen kann – anderes ist gar nicht durchsetzbar. Die demographische Studie, die diesen „Mist“ vor über 10 Jahren ausgelöst hat, war vermutlich von der Versicherungswirtschaft bezahlt und hanebüchen schlecht recherchiert. Sie hatte nur ein Ziel, die Bürger kräftig zu verunsichern und das öffentliche System als unfinanzierbar madig zu machen.

Alle diese privaten Kleinverträge werden irgendwann die Versicherungswirtschaft in den Wahnsinn (oder in den Ruin) treiben. Nur verhältnismäßig wenige Verträge werden zu Ende geführt, die Stornoquoten sich hoch. Ich habe mal frech behauptet, dass die Versicherungswirtschaft uns (der Solidargemeinschaft) eines Tages diesen „Schrott“ vor die Füße legen wird und dem Staat die Pistole auf die Brust setzt: Subventioniere unsere Verwaltungsaufwendungen oder wir legen diese Pakete der Bundesrentenanstalt vor die Tür: Wir können und wollen uns nicht mehr um den wenig lukrativen Kleinkram kümmern.
Soviel zur privaten Rente. Dabei geht es nur um den „kleinen Mann“. Die anderen gehen sowieso andere Wege und haben schon lange verstanden, dass der Riester-Weg keinen Erfolg verspricht. Nur die in Aussicht gestellten Subventionen zwingen den kleinen Sparer in diese ‚Missgeburt‘ von privater Riester Rentenversicherung, weil sonst keine seriösen, für sie finanzierbaren Alternativen offen stehen.

Wenn nun der von Ihnen ins Gespräch gebrachte Staatsfonds realisiert wird, dann frage ich mich, was daran privat sein muss? Was unterscheidet den Staatsfonds von der öffentlichen Rente? Die öffentliche Rente wird durch die Beiträge der jeweils aktiven Arbeitnehmerschaft solidarisch gedeckt, während der Staatsfonds vermutlich erst Geld sammelt und dann verteilt. Die Verteilung wird aber vermutlich nicht solidarisch aufgebaut, sondern, wie bei der privaten Versicherungen üblich, individualistisch ausgerichtet – keiner kriegt mehr als er einbezahlt hat. Und wenn er in Schwierigkeiten kommt, so ist das sein Pech. Hat einer viel verdient, kann er viel einbezahlen; ist er ein armer Schlucker, dann bleibt er das auch im Alter. Warum versucht man jetzt ein System aufzubauen, das einer Ideologie der sogenannten Freiheit folgt, wenn sich das alte bestehende Rentensystem mit einigen Anpassungen bewährt hat? Zumal die Demographiestudie, nach der die Deutschen „aussterben“ sollen, von fehlerhaften Prämissen ausgeht. Muss es wieder so sein, dass das neue System einen privatwirtschaftlichen Anstrich bekommt, öffentlich administriert eine große Zahl von dubiosen privaten Geschäftsmodellen Tor und Tür öffnet, die Vertreter des schnellen Geldes sich mit großen, meist leeren Versprechungen bedienen dürfen und der „kleine Mann“ mal wieder die berühmte „A(rsch)“-Karte zieht.

Der Staatsfonds wäre wieder ein großes politisch motiviertes Projekt, vielleicht so groß wie die auf trügerischen Prämissen durchgeführte Einführung der Atomkraft, von der Ihr Kollege Balser heute (SZ, 16.2.2016) trocken feststellt, immer dann, wenn eine politisch gewollte Sache wirtschaftlich ausgelutscht ist, dann darf es der Bürger wieder richten: Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste. Ist dieses Ergebnis am Ende der Lohn der sogenannten wirtschaftlichen Freiheit?

Es gibt Staaten, die diese Art Fonds schon betreiben. Die Erfahrungen dieser Fonds mit der Finanzkrise sind aber sehr unterschiedlich. Einige sind aufgrund der Zinssituation in ernsten Schwierigkeiten, andere haben sich schlicht verzockt. Müssen wir mal wieder – nur um der Ideologie der Privatisierung blindlings zu folgen – die gleichen Fehler wiederholen? Es geht um sehr viel akkumuliertes Geld und privatwirtschaftlich verwaltete Summen Geldes ziehen magisch die Korruption an und fordern den Egoismus heraus. Die Geschäfte werden dann sehr schnell nicht mehr zum (Gemein-)Nutzen der Vielen gemacht, die die Beiträge leisten, sondern es geht dann nur noch um den Nutzen der Wenigen, die die Fäden solcher privater Einrichtungen im Hintergrund ziehen.

Alle diese Überlegungen, Herr Schäfer, könnten Sie mit Ihrer Expertise viel schöner ausführen, wenn Sie sich von der Ideologie des vorgeblich effizienten privatwirtschaftlichen Ansatzes freimachen könnten und pragmatisch das Machbare und das Nützliche gegeneinander abwägen würden. Gewichtete, gut recherchierte Informationen sind im Mainstream dringend notwendig, aber keine ideologisierenden Meinungen! Davon gibt es schon viel zu viel.

Ein Medienbeitrag ähnlichen Inhalts und vergleichbarer Zielsetzung  findet sich in ZEIT Online vom 18.2.20216. Haben sich die Vertreter des Mainstreams möglicherweise  abgesprochen? Ist das jetzt der neue Hype, der nun durch mediale Dorf getrieben werden soll?

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