Ein merkwürdiger Zufall oder gezielte Strategie?

Vor knapp 10 Jahren – für die Politik eine unvorstellbar lange Zeit – wurde ein Mann namens Alexander Dobrint in seiner Partei als nützlich erkannt und systematisch zum Paradiesvogel aufgebaut. Wie kann man so etwas behaupten, ohne den Herrn noch die Umstände näher zu kennen? An Dobrint wurde von der Partei hinsichtlich seines äußeren Erscheinungsbildes jahrelang hingearbeitet, um aus einem eher unauffälligen jungen Mann etwas zu formen, was politisch verwertbar sein könnte, ohne die Erscheinungsbilder der Parteigranden zu beschädigen.

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Und das war die Rolle des Paradiesvogels, eines Menschen, der ein bisschen durchgeknallt wirkt, dem aber auch körpersprachlich anzumerken war, dass die Rolle seiner Persönlichkeit nicht so recht entspricht. Dann haben die Parteistrategen diese Kunstfigur mit strategischem Kalkül auf die PKW-Maut angesetzt mit dem Argument, wir müssen insbesondere die „Ausländer“ auf unseren Autobahnen zur Kasse bitten. Der Ausländergedanke war für die Ansprache der rechten Partei-Klientel hilfreich und die Aufregung über die dabei zum Ausdruck kommende Diskriminierung überdeckte die politische Grundfrage: Brauchen wir eigentlich eine Maut? Ob Dobrint politisch auch für irgendetwas anderes stehen könnte, ist den meisten Beobachtern gar nicht in den Sinn gekommen.

Alexander Dobrint hat das Maut-Thema mit einer Penetranz und Einseitigkeit verfolgt, die schon beachtlich waren. Jedem politisch Interessierten war klar, wenn er damit ernst macht, ‚pfeift‘ ihn die EU wegen Diskriminierung der EU-Ausländer zurück. Aber die rechtslastige Klientel war offensichtlich stark beeindruckt. Und siehe da, bei der nächsten Regierungsbildung war Herr Dobrint dabei, zeigte seine Paradiesvogelqualitäten als „Wadlbeißer“ und „Enfant terrible“ und durfte dann (mangels anderer Qualitäten, aber möglicherweise aus Dank) den Verkehrsminister spielen. Als er dann tatsächlich an die Realisierung seines Maut-Plans ging, kam, was kommen musste (und was schon eingeplant war): die EU erhob Einspruch. Wenn schon eine Maut, dann müssten alle Nutzer der Autobahnen (nicht nur die Ausländer) ein Nutzungsentgelt leisten, also auch die Inländer. Man tat sehr überrascht und als neue Variante hieß es jetzt: wir verrechnen die Maut oder doch Teile von ihr mit der KFZ-Steuer. Auch dieser Schwenk war erkennbar vorbereitet. Das schien zwar nicht besonders pfiffig, aber die EU hat sich nicht mehr angesprochen gefühlt, weil das eine sogenannte nationale Maßnahme darstellte.

Parallel dazu hat die Bundesregierung ein neues Gesetz geschaffen und hat Teile ihrer Infrastruktur, nämlich ihre Autobahnen, in eine Autobahn-GmbH eingebracht. Diese GmbH wurde nach dem Übertragungsbeschluss des Parlaments schnell in eine AG umgewandelt. Da alle Welt zu Recht glaubte, dass die Bundesregierung die vom Steuerzahler finanzierten Autobahnen privatisieren (verkaufen) wolle, wurde öffentlich von der Bundesregierung die Zusage effektvoll lanciert, dass der Bund als Eigentümerin der AG die Autobahnen „auf ewige Zeiten“ als Eigentum behalten würde.

Bis hierhin sind zwei Handlungslinien erkennbar: die eine Entwicklungslinie führte dazu, dass die Autobahnen für eine Privatisierung vorbereitet wurden (Übertragung aller Autobahnen auf die AG) und die andere Maßnahmenlinie führte über den Verkehrsminister Dobrint mit seiner Maut. Der Paradiesvogel, der bei vielen nur Stirnrunzeln auslöst, hat mit seiner Maut dafür gesorgt, dass die Autobahnen plötzlich Renditen produzieren. Mit dieser Strategie wurde eine wichtige Infrastruktur, die in erster Linie Kosten verursacht, aufgepeppt und markttechnisch so aufbereitet, dass die Privatinvestoren, die dringend im Rahmen einer Nullzinspolitik nach einer Geldanlage suchten, endlich wieder ein Objekt ihrer Begierde gefunden hatten. Dumm dabei ist nur die Tatsache, dass die Bürger eine Sache entschädigungslos finanziert haben, die jetzt Grundlage für private Gewinne darstellen: Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren! Was sonst? Und wenn eines schönen Tages der Zeitpunkt kommt, dass aus dem Infrastrukturprojekt keine Gewinn mehr gezogen werden kann, geht die Infrastruktur wieder in die öffentlichen Hände zurück: ausgelutscht und am untersten Rand einer möglichen Instandhaltung angesiedelt. Es braucht dann Milliarden, um diese Infrastruktur wieder auf einen angemessenen Erhaltungszustand zu bringen. Alle die Milliarden, die durch die Verpachtung (hoffentlich) eingenommen wurden, dürfen wieder zur Unzeit investiert werden. Wo liegt da auf lange Sicht – und das ist die einzig angemessene Sicht auf die Infrastruktur – für den Wähler der Vorteil?

Aber war da nicht die Zusage der Bundesregierung, dass die Autobahnen nicht veräußert werden dürfen? Richtig! Aber die Zusage bezieht sich nur auf das Eigentum. Von der Nutzung der Autobahnen durch Privatinvestoren, also gewissermaßen die Vermietung oder Verpachtung, war ja nie die Rede und sie ist damit auch nicht ausgeschlossen. Wer da wen auf die Rolle genommen hat, wollen wir gar nicht untersuchen. Die Durchführung ist einfach ärgerlich und einer Demokratie mangels Transparenz nicht würdig.

Das Autobahn-Projekt als Vermarktung von Infrastruktur scheint vorerst abgeschlossen – „Misson completed“! Herr Dobrint wurde kurzfristig durch Herrn Scheuer ersetzt. Der ehemals unbekannte Alexander Dobrint schien in seiner Partei zu einer gewichtigen Person geworden zu sein. Den Paradiesvogel-Kasper muss er nicht mehr geben. Aber die politische ‚Mehrzweckwaffe‘ Dobrint ist politisch geradezu unauffällig seriös geworden. Am Nockherberg war er nicht einmal mehr einer Erwähnung für würdig erkannt – „der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“? (Schiller)

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