Erwarten Sie keine neuen Erkenntnisse. Alles, was in den folgenden Zeilen als Information aufgegriffen wird, ist bekannt. Es wird gemeinhin aber über ein Narrativ vermittelt, das uns von der Realität in irgendwelche Wunschvorstellungen führt, die m.E. selbst bei größtem Optimismus keine wirklichen Lösungsbeiträge bereithalten:
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Es gibt keinen Zweifel mehr, wir (die Menschheit) verbrauchen mehr als uns auf lange Sicht unser Planet zur Verfügung stellen kann. Es gibt unterschiedliche Zahlenangaben, wieviele „(Erd-)planeten“ wir gegenwärtig mit unserem Lebensstil verbrauchen. Es gibt Aussagen für Europa, dass deren Verbrauch etwa 2,8 Planeten entspricht; es gibt Aussagen für die USA, sie lägen bei fünf Planeten. Die Aussagen sind unterschiedlich, weil sich die Frage ergibt, auf welcher Basis hierbei gerechnet wird: global, regional, pro Kopf, pro Nation, pro Kontinent, in Tonnen CO2 oder in Hektar verbrauchter Bodenfläche.
Nun ist es nicht so, dass für alle Länder oder Nationen der Erde die gleichen Werte gelten. Die sogenannten entwickelten Länder liegen, global gesehen, weit über dem Mittelwert und die sogenannten unterentwickelten Länder deutlich darunter. Die Schwellenländer produzieren gegenwärtig hohe Zuwächse, die man üblicher Weise mit einer einfachen pro Kopf Rechnung schnell wieder zu relativieren versucht.
Gehen wir von einem globalen Verbrauch von 1,7 Planeten aus, so täuscht diese Zahl, weil unserem (westlichen) Überverbrauch viele Länder gegenüber stehen, die deutlich unter dem Verbrauchsdurchschnitt liegen und den westlichen Überverbrauch teilweise kompensieren. Wenn wir also meinen, unser Verbrauch müsse ja „nur“ um rd. 41 Prozent (1,7 -> 1 Planeten) reduziert werden und schon wären wir auf dem globalen Verbrauchsniveau von einem Planeten, täuscht sich. Der Fußabdruck eines durchschnittlichen deutschen Bürgers liegt in der Größenordnung von 8 – 11 ha/p. P. bei einer Zielgröße von etwa 1,5 – 2 ha/p. P. (= ca. 1 Planet bei globaler Gleichverteilung). Das ist unbestreitbar eine gewaltige Herausforderung!
Parallel wollen aber (verständlicherweise) die Länder mit dem unterdurchschnittlichen Verbrauch „wachsen“, d.h. sie wollen sich mindestens dem gegenwärtigen Durchschnittsverbrauch annähern. Das hat zur Folge, dass unsere Anstrengungen unseren Verbrauch zu senken, über das jetzt erkennbare Niveau wohl deutlich hinausausgehen müssen.
Wenn wir dieses Bild vor Augen haben, dann müssen wir uns die Frage stellen, drehen wir mit all den gegenwärtig angewandten Methoden an den richtigen „Schrauben“, um das Problem zu lösen? Ist das Predigen von Nachhaltigkeit ein angemessener Ansatz? Wollen wir wirklich „nachhaltig“ auf 1,7 Planeten verharren? Nachhaltigkeit ist zweifelsohne hinsichtlich der Fristigkeit und der Qualität des Handelns ein wichtiger Aspekt, aber doch erst dann, wenn wir den Verbrauch auf einem Planeten reduziert haben. Es ist auch sinnvoll Nachhaltigkeit bei einem auf Kurzfristigkeit orientierten Überfluss zu fordern, aber er löst in keiner Weise die notwendige Verbrauchsreduzierung.
Ist die Klimakrise der richtige „Kriegsschauplatz“, damit die Bürger über eine Einsparung von CO2 auch Maßnahmen akzeptieren, die uns von einem Verbrauch von 1,7 auf einen Verbrauch von nur einem Planeten reduzieren soll? Die Einsparung von CO2 ist keinesfalls falsch, aber ist sie die richtige „Schraube“, an der wir drehen, um innerhalb eines Zeitrahmens von einer Generation den Verbrauch auf einen Planeten zu reduzieren? Und die Zeit wird mit jedem verlorenen Jahr knapper, um die unbestreitbar auftretenden Schäden und notwendigen „Reparaturen“ in finanzierbaren Grenzen zu halten.
Haben Politik, Wirtschaftswissenschaft und die Vertreter der Wirtschaft wirklich verstanden, dass Wachstum in den (westlich geprägten) Überschlussgesellschaften des Planeten überhaupt kein Argument sein kann, wenn wir uns systematisch auf den Verbrauch eines Planeten einstellen bzw. beschränken müssen? Es gibt hier keinen Plan B! Selbst wenn wir die Problemlösung auf die kommenden Generationen verschieben wollten, die Schadenhäufigkeit und der Schadenumfang nehmen nach allem, was wir wissen, mit jedem Jahr zu. Mit der Natur kann man nicht verhandeln!
Wir müssen uns aber auch vor Augen führen, dass eine Gesellschaft, deren Paradigma in den letzten Jahrzehnten von Individualismus, Erfolgsverherrlichung und Wachstum geprägt ist, sich nur schwer mit dem Gedanken einer Reduktion abfinden kann oder will. Zur Reduktion braucht es Solidarität, Ein- und Rücksicht, und ein Konzept (Narrativ), das die Reduktion als „Erfolgsmodell“ zu verkaufen in der Lage ist. Dabei haben wir viel zu lange das Heil im Wachstum gesehen. Es hat vielen Menschen Zuversicht und Zukunft vermittelt. Aber dieses Heilsversprechen aufrecht zu erhalten, erweist sich als undurchführbar. Und das muss in die Köpfe der Bürger dringen!
Wenn ich mir vorstelle, was Werbung und Marketing in Bezug auf das Konsumverhalten mit unseren Gehirnen macht, bin ich zuversichtlich, dass auch der Paradigmenwechsel gelingen kann. Das Problem stellen die erfolgsgewohnten Schichten dar, die ihr Selbstverständnis zum einem großen Anteil aus dem Konsum ziehen. Reduktion bedeutet ihnen u.U. so etwas wie Aufgabe eines Stücks ihrer Identität.
Die Gesellschaft, also wir, müssen akzeptieren lernen, dass wir uns komplett verrannt haben und ein Paradigmenwechsel aufgrund der fatalen Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen unabdingbar wird. An dieser Aufgabe wird zweifelsohne wissenschaftlich gearbeitet, aber selbst wenn die Sozialwissenschaft kurzfristig hier so etwas wie einen Durchbruch erzielen, die Politik und auch die Wirtschaft müssen die Erkenntnisse aufgreifen, die Konsequenzen verstehen und umsetzen. Ob das gegenwärtige Demokratieverständnis diesen Vorstoß aushält, bleibt abzuwarten. Umso wichtiger ist es, diesen Schritt politisch strategisch vorzubereiten wie eine gutgemachte Marketingstrategie. Eigentlich muss die Strategie besser sein als das landläufige Marketing.
Die Wirtschaft, die heute noch vom Wachstumsgedanken lebt, macht uns die Gehirnwäsche täglich vor: Eine Wirtschaft ohne Wachstum? Das bedeutet ein Rückfall in die Steinzeit! Und wir wollen natürlich nicht in Höhlen wohnen, da sind wir uns ganz sicher! Aber es gab eine Wirtschaft vor dem Neoliberalismus und es wird auch eine Wirtschaft nach der Reduktion geben. Aber es wird eine andere Wirtschaft sein – eher versorgungsorientiert und nicht so stark geldfixiert.
Viele Wirtschaftsvertreter hoffen auf eine globale Klima-Aktion in der Erwartung, dass diese globale Einigung nie stattfinden wird. Bis sich der letzte Nationalstaat zur Reduktion auf globaler Ebene entschlossen hat, wird es zu spät sein. Die Handlungsmacht muss bei den Nationalstaaten oder bei ihren Zusammenschlüssen wie der EU liegen. Die Staaten, die handeln, müssen sich durch Ausgleichzölle gegen jene abgrenzen können, die nicht mitziehen wollen (und letztlich auf ein ungerechtfertigtes Schnäppchen hoffen). Der jeweilige ökologische Ansatz des Nationalstaates muss durch Ausgleichszölle abgesichert werden.
Die Gegner werden viele sein, weil die Umstellung auf den ökologisch vertretbaren Verbrauch von einen Planeten eine große Zahl von bestehenden Geschäftsmodellen in Frage stellen wird, insbesondere jene Geschäftsmodelle, deren Ziel nicht (in einem weitreichenden Sinne) der Versorgung der Bevölkerung zu sehen ist.
Es gibt zahllose wissenschaftlich basierte Ausarbeitungen, die sich mit Fragen beschäftigt, was wir alles ändern müssen, um unsere Aktivitäten auf den einen Planeten zu konzentrieren. Meine letzten Beiträge verweisen auf eine kleine Auswahl solcher Ausarbeitungen. Es fehlt aber an gut begründeten Ausarbeitungen, wie wir unsere MitbürgerInnen für diesen Schritt begeistern können, um eine ausreichend Zustimmung zu dieser „großen Transformation“ zu erhalten. Wir stehen (möglicherweise) vor einem Jahrhundertsprung und müssen auf irgendeine Weise die Gehirne und Herzen unserer Mitbürger gewinnen, damit sie freiwillig diese Transformation unterstützen, mindestens aber tolerieren. Dieses „Wie?“ sollte aber nicht in englischsprachigen Wissenschaftsartikeln dargestellt und diskutiert werden, sondern das „Wie?“ muss in ein verständliches Narrativ verpackt werden, das die Köpfe und Herzen berührt. Auftraggeber hierzu könnte die Bundesregierung oder eine interministerielle Arbeitsgruppe sein. Hier ist noch viel Spielraum, aber die Zeit drängt!
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