Eigentum und die Große Transformation – ein Beitrag

Die große Transformation als Beschreibung der Veränderung unseres Wirtschaftssystems in eine nachhaltige Form des Wirtschaftens geht davon aus, dass sich in vielen Ecken unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems Grundsätzliches ändern muss. Eigentum ist aus meiner Sicht ein konstituierendes Element des Wirtschaftssystems. Ohne den Begriff ist das gegenwärtig bestehende System nicht denkbar.

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Wenn das System nun transformiert werden soll, wird sich m.E. auch der Eigentumsbegriff verändern. Gegenwärtig kann man die These aufstellen, dass Eigentum wie eine „heilige Kuh“ gehandelt wird, d.h. es hat eine absolute und nahezu unangreifbare Priorität. Und die in unseren Verfassungen formulierten Einschränkungen der Eigentumsrechte sind nicht das Papier wert auf dem sie stehen.

Um Missverständnissen gleich vorzubeugen: es geht nicht um die Aufhebung von (Privat-) Eigentum, es geht um eine Veränderung des Verständnisses von Privateigentums unter der Prämisse von künftiger wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Es geht möglicherweise darum, die Frage zu stellen, ob die Ausübung von Eigentumsrechten im heutigen Sinne Gemeinwohl schafft wie es manche Landesverfassungen seit Ende der 1940iger Jahre fordern.

Was ist Eigentum?

Das Wirtschaftslexikon von Gabler drückt es so aus: „Das Eigentum grenzt die Herrschaft über Sachen und andere Vermögensgegenstände zwischen Personen ab. Es gewährt eine umfassende Gewalt. Innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen kann eine Person über ihr Eigentum grundsätzlich nach Belieben entscheiden.“

Die Gegenposition stellt J.P. Proudhon (1809 – 1865) in seinen Ausführungen zum Thema „Was ist Eigentum?“ dar, in denen er schlicht feststellt: „Es ist Diebstahl.“ Diese Feststellung steht ganz am Anfang seiner Ausführungen und die nachfolgenden Begründungsversuche sind Inhalt seines Werkes. Proudhon’s Position stammt aus 1840 und erregt auch heute noch manche Gemüter, obwohl sich das Institut des Eigentums als solches nicht mehr wegdenken lässt. Was könnte es sinnvoll ersetzen?

Es ist aber durchaus zweckmäßig, sich zu fragen, wie Eigentum in unser Dasein gelangt ist. Als der Mensch im Rahmen der Evolution auf der Weltbühne erscheint, hatte er kein Eigentum. Die Welt stand ihm und seinen Mitgeschöpfen zur Nutzung offen. Heute würde man sagen: es war eine Situation des „Opensource“. Niemandem gehörte irgendetwas, aber jedermann durfte das (im Überfluss) Vorhandene nutzen.

Man könnte der Auffassung sein, dass die damals vorhandene „Opensource“-Situation so etwas wie Gemeineigentum gewesen sein könnte. Das wäre aber nur denkbar, wenn „Eigentum“ zu diesem Zeitpunkt schon eine Institution gewesen wäre. Aber wer sollte dieses Institut geschaffen haben?

Irgendwann entwickelte sich eine Form der Aneignung als rechtliche Vorstufe zu dem, was wir heute Eigentum nennen und je weiter sich der persönliche Besitz in der Gesellschaft als eigenständige Form ausbreitete, desto mehr hat sich der Eigentumsgedanke gefestigt und wurde durch rechtliche Regelungen allgemein gültig gefasst. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Proudhonsche Feststellung, dass Eigentum Diebstahl sei, zu relativieren. Diebstahl setzt im Zeitpunkt des Diebstahls ein bestehendes Institut des Eigentums voraus. Aneignung, wenn es denn so geschah wie beschrieben, ist kein Diebstahl, weil die angeeignete Sache im Zeitpunkt der Aneignung herrenlos war. Nebenbei bemerkt, hat Proudhon mit der Diebstahlshypothese die bürgerliche Gesellschaft sicherlich schocken wollen. Er verfolgte damit ein politisches Ziel in seiner Zeit, auf das ich hier nicht weiter eingehen will.

Die Definition des Eigentums durch Gabler ist zu „glatt“, weil Eigentum darin quasi zweckfrei beschrieben wird. Da der Eigentumsbegriff die Herrschaft über eine Sache zum Ausdruck bringt, und Herrschaft nie zweckfrei ist (sonst wäre der Herrschaftsanspruch sinnlos), sollte die Definition den gesellschaftlichen Zweck des Eigentums mit erfassen.

Die sehr zurückhaltend formulierte und die Folgen verwischende Definition in Gabler’s Wirtschaftslexikon sollte deshalb zumindest ergänzt werden:

Eigentum vermittelt dem Eigentümer das Recht, andere willkürlich vom Besitz als auch von der Nutzung (im Rahmen der Gesetze) auszuschließen. Erst diese Eigenschaft führt dazu, dass Eigentum seine herrschaftliche Bedeutung gewinnt. Erst durch dieses Herrschaftsverständnis schafft Eigentum so etwas wie ‚künstliche‘ Knappheit und wird damit zur konstituierenden Institution für unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem. Kapitalismus ohne das Institut des Eigentums funktioniert m.E. nicht.

Eigentum ist entgegen des oft vermittelten Eindrucks kein undifferenzierter Block. Eigentum kennt viele Facetten:

  • das unbedingte Eigentum an einer beweglichen und reproduzierbaren Sache,
  • das unbedingte Eigentum an Rechten,
  • das unbedingte Eigentum an nicht vermehrbarem Grund und Boden,
  • das zeitlich bedingte Eigentum im Rahmen eines Erbbaurechtes,
  • das Teileigentum im Rahmen einer Eigentümergemeinschaft
  • das Gemeineigentum als Allmende und
  • das öffentliche Eigentum,

um einige wesentliche Eigentumsausprägungen aufzuzählen.

Eigentum ist auch der Ausgangspunkt für den Aufbau von Vermögen. Eigentum lässt sich auch unterteilen in Eigentum an Gebrauchsgütern, die dem Eigentümer längerfristig dienen und Eigentum an Verbrauchsgütern gleicher Art und Güte, die i.d.R. kurzfristig dem Konsum dienen.

Aspekte, die sich aus einer Transformation ergeben können

Folgt man den zahlreichen Vorschlägen der letzten zehn Jahre des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung (WBGU), so befinden wir uns zunehmend in einer Transformation unseres Wirtschaftssystems hin zum nachhaltigen Wirtschaften. Dieser Aussage Glauben zu schenken fällt mir nicht leicht. Zu stark sind die beharrenden Kräfte, die noch schnell und rücksichtslos ein paar Euro auf Grundlage der alten Masche machen möchten, ohne dass diesem verfehlten Handeln nachhaltig enge und klare Grenzen gesetzt werden würden.

Zur Nachhaltigkeit gibt es keine allgemein gültige Begriffsbestimmung, obwohl festzustellen ist, dass die meisten Bürger den Begriffsinhalt verstehen und ihn positiv bewerten. Nachhaltigkeit hat viele Gesichter. Der Wissenschaftliche Beirat hat sich nicht auf eine abstrakte Diskussion über die Nachhaltigkeit als Begriff eingelassen, sondern sondiert und analysiert gesellschaftlich-wirtschaftliche Aktionsfelder, für die er dann nachhaltige individuelle Strategien und Vorgehensweisen entwickelt und vorschlägt. Er vermeidet es dabei, Nachhaltigkeit in einem rein „theoretischen Rahmen“ zu diskutieren und versucht, soweit es in der Beratung möglich ist, konkrete Sachverhalte unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu strukturieren.

Auf den ersten Blick sind Eigentum und Nachhaltigkeit sehr eng verbunden. Mit Eigentum verbinden wir in aller Regel ein längerfristiges Engagement. Das Grundgesetz betont diesen Aspekt, indem es feststellt, dass Eigentum verpflichtet (Art. 14, II GG, Art. 158 Bayer. Verfassung). Eine Verpflichtung ist eine Beziehung, die aufgebaut und gepflegt werden muss und die deshalb Kurzfristigkeit ausschließt. Verpflichtung im hier verstandenen Sinne lässt auch Haftung für das betreffende Eigentum entstehen.

Dem widerspricht unser Konsumverhalten, das in seiner Häufigkeit kurzfristig orientiert ist und deshalb nur sehr bedingt als nachhaltig bezeichnet werden kann. Um Konsum im Sinne der Nachhaltigkeit gestalten zu können, sind andere Kriterien notwendig (Qualität, Produktionsweise, Vermarktungsformen, Haftung, u.a.).

Eigentum ist gefühlt mit längerfristigem Gebrauch und gewöhnlich mit einer bewussten Investition verbunden. Konsum basiert auch auf Eigentum, neigt aber schwerpunktartig zum kurzfristigen Verbrauch. Diese Differenzierung wird in der Ökonomie nicht gepflegt. Dort ist die gesamte Einkommensverwendung grob aufgeteilt in Konsum und Sparen, wobei Sparen meist als ein temporärer Konsumverzicht verstanden wird, der – so die Hoffnung – zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Konsum umschlagen soll. Die Tatsache, dass Einkommen ggfs. auch zur Eigentumsbildung verwendet werden kann, fehlt in deren Betrachtung und beschränkt sich aufs „Sparen“. Ziel einer Eigentumsbildung ist der Aufbau von Vermögen. Vermögen wiederum vermittelt die Chance auf ein leistungsloses Zusatz-Einkommen.

Wenn Eigentum einen grundsätzlich langfristigen Charakter hat und mit einer Verpflichtung verbunden ist, kommt man zu der einfachen Feststellung, dass spekulative Geschäfte mit dem Begriff Eigentum wenig gemein haben können. Spekulation hat weder eine langfristige Orientierung noch verbindet sich mit der Spekulation eine irgendwie geartete Verpflichtung in Bezug auf das Wirtschaftsgut. Man könnte daraus ableiten, dass große Teile unserer Wirtschaft, die im Wesentlichen spekulativ unterwegs sind, im Rahmen einer Transformation unseres Wirtschaftssystems zur Nachhaltigkeit künftig starken Einschränkungen unterliegen werden.

Eine uralte Forderung hinsichtlich der Vermeidung von Spekulation bei Grund und Boden geht in die gleiche Richtung. Bewegliche Wirtschaftsgüter lassen sich grundsätzlich reproduzieren und mengenmäßig anpassen. Grund und Boden ist nicht reproduzierbar und der Vorrat ist offensichtlich endlich. Als Folge wird der Bedarf an Grund und Boden bei wachsenden Bevölkerungszahlen auf längere Sicht nicht befriedigt werden können. Spekulationsgewinne sind heute schon die Folge.

Es wird nicht gelingen, das Rechtsinstitut des Eigentums dahingehend einzuschränken, dass Bodenspekulation nicht mehr möglich ist. Aber man kann die vormaligen Steuerregeln wieder aktivieren, indem private und gewerbliche Spekulationsgewinne innerhalb einer bestimmten Frist (z.B. zwei oder mehr Jahre) mit dem individuellen Steuersatz in voller Höhe steuerpflichtig gemacht werden. Zusätzlich könnte man den Druck dadurch erhöhen, dass die Spekulationsverluste nur zur Hälfte angerechnet werden können. Für Börsenspekulationsgewinne können bei Anwendung des individuellen Steuertarifs eventuell kürzere Fristen gelten. Dabei fällt der Vorzugssteuersatz von max. 25% ersatzlos weg. Für wesentliche Beteiligungen (ab 25% des Kapitals) an Unternehmen gelten die gleichen Regeln wie für Grund und Boden. Diese wenigen, aus der Vergangenheit schon bekannten Regelungen hätten einen gewaltigen Einfluss auf die Transaktionsgeschwindigkeit der meisten Geschäfte im Finanzsektor. Das schnelle Rein und Raus (der schnelle Euro) würde deutlich eingeschränkt. Die Wirtschafts- oder Geschäftsmodelle müssten sich notgedrungen auf einen längerfristigen Ertrag und damit i.d.R. auf ein höheres Risiko einrichten.

Um aber Grund und Boden frei von Spekulation fungibel halten zu können, sollte das Instrument des Erbbaurechtes verstärkt genutzt werden. Heute sind für jeden Mieter und jeden künftigen Wohnungs- und Hauseigentümer die spekulativ aufgeblähten Grund- und Bodenwerte eine starke finanzielle Belastung. Wenn der Investorenkreis sich Grund und Boden (trotz der noch positiven und ziemlich sicheren Spekulationsaussichten) zur Erbpacht entschließen würde, hätte diese Vorgehensweise den Vorteil, dass die Kosten für den Grund und Boden über die Zeit von 33, 66 oder 99 Jahre verteilt würden. Die Anschaffungskosten würden dramatisch sinken. Das würde bis auf die Mieten durchschlagen können. Der Grundstücksinhaber behält sein Eigentum und bezieht über einen langen Zeitraum zwar moderate, aber regelmäßige Einkünfte aus Erbbauzins. Die Abwicklung nach Ablauf von Jahrzehnten kann zu einer Erneuerung des bestehenden Vertrags oder zu einem Verkauf der aufstehenden Immobilie führen.

Wenn Eigentum nachhaltig verwaltet werden soll, kommt auch die Frage auf, wie lange künftig Gebäude gebrauchsfähig sein sollten: 25 oder 50 Jahre, oder wie die Bausubstanz aus der Gründerzeit, über 100 Jahre. Wir müssen, wie auch bei unseren anderen Produkten, schon bei der Planung vorsehen, dass die Grundstrukturen generalüberholt werden können (also generell reparaturfähig sind) und die Reparatur/Generalüberholung muss angesichts der Anschaffungskosten eine wirtschaftlich sinnvolle Option bleiben. Das lässt sich bei der Planung durchaus berücksichtigen. Billig und schnell ist unter dem Primat der Nachhaltigkeit sicherlich keine Option mehr.

Aus den sicher unvollständigen Ansätzen wird deutlich, dass mit Nachhaltigkeit nicht nur die Lebensdauer der Güter sich verlängern wird. Es hat für mich den Anschein, dass auch aufgrund der neuen Qualität der Produkte die Durchsatzgeschwindigkeit herabgesetzt wird. Nachhaltigkeit symbolisiert auch ein anderes Ziel. Der linear orientierte Wettbewerb, das sinnlose Rennen im Rahmen einer Spekulation um die scheinbar ersten Plätze, ist der alleinige Zweck des seltsamen Spiels. In der Nachhaltigkeit verliert sich die Linearität eines „Weiter, Schneller, Höher“ durch die Dynamik einer Kreislaufwirtschaft. Kreisläufe haben ihre eigene Dynamik, aber immer schneller im Kreise zu laufen, ist wenig sinnvoll. Da ist die Frage, wer der erste und der Letze ist, oft nicht zu entscheiden. In der Nachhaltigkeit liegt auch ein Verständnis für die Qualität des Ankommens, für den Genuss des Augenblicks und für das zeitweise Verharren. Das schließt Dynamik nicht aus, aber sie ist nicht mehr alternativlos und linear. Mit dieser Hoffnung schließe ich den Versuch – wie zu Beginn angesprochen – ab.

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