Die europäischen Gazetten sind sich einig: Donald Trumps Auftreten ist fragwürdig, sein Führungsstil zweifelhaft und seine Persönlichkeit wird als hochgradig narzisstisch umschrieben – also insgesamt nach den in Deutschland verbreiteten Meinungen eine eher unmögliche Figur auf dem internationalen politischen Parkett. Soweit – so gut! Wir erleben aber in dem Präsidenten der USA auch eine Person, die einen ganz anderen Durchbruch geschafft hat: Seine Beratungsresistenz scheint dem Primat der Politik wieder Geltung verschafft zu haben.
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Er schert sich nicht um die Meinung der Wirtschaft, er schert sich nicht um die internationale Gemeinschaft, er schert sich auch nicht um die ideologische Dogmatik, wie mit dem Markt umzugehen sei – er handelt oder er versucht zu handeln, soweit es die ‚Checks and Balances‘ der amerikanischen Strukturen zulassen. Mit anderen Worten: sein egomanes Selbstverständnis bricht mit vielen eingefahrenen Konventionen, soweit sein begrenztes Verständnis von Politik reicht. Ob dieses Vorgehen zu einem Erfolg führt, bleibt abzuwarten.
Sein politisches Vorgehen ist so völlig anders als wir es in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren. Die Politik hat sich angewöhnt, verbindlich auf leisen Sohlen daher zu kommen. Man könnte auch den Eindruck gewinnen, die Politik hat in dieser Zeit an Einfluss verloren. Der Primat der Politik ist Schritt für Schritt aufgegeben worden. Horst Seehofer hat einmal in einer schwachen Minute in ein Mikrofon sinngemäß den Satz gesagt: „Die, die gewählt sind, haben nicht zu entscheiden und die die entscheiden, sind nicht gewählt.“ Diese Erkenntnis reduziert den Spielraum der Politik.
Wenn man das Verhalten der Automobil-Bosse im unsäglichen Dieselskandal beobachtet, so muss man sich fragen, wer vertritt denn eigentlich den Wähler, der durch die zahllosen zulassungsgefährdeten Dieselfahrzeugen objektiv geschädigt ist: Hier wäre doch der Primat der Politik, die Herren einzubestellen, ihnen klar zu machen, wo der ‚Bartel den Most holt‘, um dann, wenn keine angemessene Reaktion kommt, politischen Druck auszuüben. Das ist nicht passiert oder es wurde in den Hinterzimmern der Macht so dezent wahrgenommen, dass sich die betroffene Industrie weiterhin in Untätigkeit hüllen kann. Die Politik tut so, als ob sie der Dieselskandal gar nichts angehe. Können Sie sich vorstellen, wie aufgeregt die Politik hyperventilieren würde, wenn die betrügerischen Verluste aufgrund der Abgasprobleme den Kapitalmarkt oder gar die Aktionäre (also die Besitzenden) massiv treffen würden. Die ‚Märkte‘ wären in ‚Gefahr‘!! Aber die Politik begreift nicht, dass ihre Wähler in Gefahr sind, diesen Mummenschanz nicht länger zu tolerieren. Die Politik hat offensichtlich nicht einmal eine gemeinsame dezidierte Meinung zu dem Sachverhalt entwickelt.
Es gibt jetzt zahlreiche kleine Anbieter von technischen Lösungen, zu denen die Automobilindustrie sich offensichtlich nicht fähig sieht. Aber es braucht den politischen Willen, Zulassungen und Zertifizierungen kurzfristig zu definieren und letztlich muss die Politik ihre Funktion als ‚Volksvertreter‘ dahingehend wahrnehmen, dass sie eine Lösung der finanziellen Seite unmissverständlich fordert und einleitet. Wenn nicht die Damen und Herren Volksvertreter, wer dann sollte die Interessen der Diesel fahrenden Wähler aufgreifen? – Vielleicht irgendein amerikanischer Rechtsanwalt gegen Abtretung von 90% der erzielbaren Ansprüche? Das wäre ein Armutszeugnis für das deutsche Justizsystem! Das System ist in der ‚glücklichen‘ Lage, dass der im Einzelfall erzielbare Gewinn des Rechtsanwalts angesichts der Arbeit zu klein und für den Anwalt damit uninteressant ist.
Ein anderer Gesichtspunkt, der den Primat der Politik so schwach erscheinen lässt: Mies und Wernicke haben dem Begriff einer Fassadendemokratie ein ganzes Buch gewidmet (Mies, Wernicke (HG): Fassadendemokratie und tiefer Staat, Wien, 2017) (https://www.rubikon.news/artikel/die-wahrheit-uber-die-demokratie). Dabei beschreibt die Fassadendemokratie ein heruntergekommenes Demokratiesystem, das zwar noch alle Rituale einer funktionierenden Demokratie wahrnimmt, aber die wirklichen Entscheidungen fallen außerhalb der demokratischen Öffentlichkeit und werden dann mediengerecht verkündet. Eine Fassadendemokratie ist autoritär ausgestaltet und es ist die Kunst der öffentlichen Meinungsmanipulation, dem Wähler das Gefühl zu geben, ihre Wahlentscheidung wäre für das Herrschaftssystem wichtig.
Wenn wir davon ausgehen, dass wir zumindest teilweise in einer Fassadendemokratie leben, so erhebt sich die Frage: Wo sitzen die Entscheider, deren Beschlüsse dann durch die Politik ‚salonfähig‘ gemacht werden müssen? Es sind die sogenannten „Eliten“, wobei sich der Elitenbegriff der Einfachheit halber auf das Eigentum reduzieren lässt. Eine repräsentative Demokratie ist das Vehikel, wo sich Elemente einer Demokratie (das gefällt den Wählern) und die Eigentumsgarantie (das ist das Elitenziel) zusammenlaufen. Diese stark verkürzten Ausführungen lassen aber ahnen, warum der Primat der Politik der demokratisch gewählten Regierung abhandengekommen ist. Die Elite ist nicht gewählt, sie ist Elite nicht aufgrund einer besonderen demokratischen Haltung oder Einstellung, sondern ausschließlich aufgrund ihres Vermögens. Und dafür tun sie alles, um es zu mehren. Jede Maßnahme, die den Status quo der Vermögen dieser Klasse auch nur in Frage stellen könnte, nimmt die Elite zum Anlass, ihren geballten Einfluss auf die Öffentlichkeit wahrzunehmen. Das erfolgt nicht direkt (das würde ja die Deckung aufheben), sondern über die Medien und über die Jahre wurden sie zu einer überaus wirksamen Waffe geformt. Unsere Medien stehen im Eigentum von fünf oder sechs Personen, die zum Kreis der Besitzeliten zählen und es ist doch nicht zu weit hergeholt, dass die Medien von dieser „Elite“ gezielt genutzt werden, um Haltungen, Einstellungen und Meinungen in die breite Masse zu transportieren.
Zurück zum scheinbaren Primat der Politik bei Donald Trump. Trump zählt wie die meisten führenden Köpfe der US-Administration zum Kreis der Besitzelite. Seine Strategie von „America first“ ist nicht neu, steht aber in enger Verbindung zu seinem unternehmerischen Credo: „Trump first“. Trump wurde gewählt von den ‚Abgehängten‘ des mittleren Westens. Seine Versprechen, die er diesen Wählern gegeben hat, werden von ihm versucht umzusetzen, aber die anderen Elitenmitglieder achten akribisch darauf, dass negative Einflüsse auf die Vermögen und die Macht der Eliten verhindert werden. Man könnte dieses Spiel als abgekartet bezeichnen. Trump macht den Präsidentenkasper, versucht möglicherweise ehrlich einen Rest seiner Glaubwürdigkeit zu erhalten, aber die anderen Elitenteilnehmer (egal ob Demokraten oder Republikaner) sorgen dafür, dass sich die versprochenen Maßnahmen nicht negativ auf ihre Vermögen auswirken. Der erhoffte Primat der Politik erscheint deshalb recht hohl und ist wohl mehr der Persönlichkeit des Amtsinhabers geschuldet als einem neuen Verständnis von Politik.
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