Diesel und notwendige Kante – eine unendliche Geschichte

Die Unterhändler der Autoindustrie geben sich hart und uneinsichtig. Und die Politik geht – wie immer – darauf ein. Ich verweise auf meine hier dargestellten Ausführungen zum Feinstaub. Es ist erschreckend: Die Automobilindustrie hat betrogen. Das ist zwischenzeitlich unstreitig. Ob es noch justiziabel ist, wird mit jedem Verhandlungstag unwahrscheinlicher.

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Die Verjährung droht und man wird sich wieder Mal ganz einfach einigen können, wenn die Verjährung für alle Betrugsfälle gegriffen hat. Der Imageschaden ist immens, aber der juristische Druck ist dann raus.

Die Politik eiert

Die Politik ist mit dem bisherigen Ergebnis natürlich nicht zufrieden. Sie eiert zwischen den Positionen hin und her. Das Hauptdruckmittel der Industrie gegenüber der Politik sind die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie. Hier ist die Politik in einer Zwickmühle: egal, was passiert, die Automobilindustrie wird in den nächsten paar Jahren dramatisch Arbeitsplätze abbauen müssen, aber nicht als Folge des Dieselskandals, sondern aus Folge der Tatsache, dass die Automobilität in Form des privaten PKWs an ihre Grenzen stößt. Aber das sagt die Industrie natürlich nicht, sondern sie wird ggfs. die Politik dafür verantwortlich machen. M.a.W.: egal, was die Politik tut und macht, sie steht immer am Pranger – und dann wäre es doch gleichgültig, aus welchem Grund. Das hat zur Folge, dass Härte in den Verhandlungen von Seiten der Politik absolut angebracht wäre: die Politik hat nichts zu verlieren, was nicht schon verloren wäre. Sie wird sich so oder so den künftigen Schuldzuweisungen der Industrievertreter und deren Medien erwehren müssen.

Es drohen Fahrverbote in diversen Städten. Und es werden die Geschütze geladen, um bei fehlender Umsetzung persönliche Konsequenzen für die politischen Spitzen einzuleiten. Die Automobilindustrie will mit der ihr zur Verfügung stehenden Macht vermeiden, dass sie als Verursacher die Last der Konsequenzen aus dem Betrug trägt. Ein merkwürdiges Ansinnen – offensichtlich hat die Industrie immer noch nicht verstanden und akzeptiert, dass sie betrogen hat, und wenn sie so weiter macht, verliert sie auch noch den letzten Rest ihres ramponierten Ansehens.

Die Automobilindustrie will indirekt die öffentlichen Hände zwingen, im Falle von Fahrverboten enorme Zusatz-Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr vorzunehmen. Schon heute wird in den Metropolregionen das Automobil eher als Hindernis denn als schnelles und bequemes Transportmittel angesehen. Ein weiterer Effekt muss sein, dass die Subventionen, die heute auch in die Automobilindustrie fließen, vernünftiger Weise nicht mehr zur Verfügung stehen können. Und es wird doch klar, dass in den Verhandlungen eventuelle Subventionen oder Überbrückungen wegen des Dieselskandals kein Platz finden kann. (Vorausgesetzt, die Politik schafft es, der Machtanmaßung konsequent die Stirn zu bieten.) Welcher demokratische Staat kann es sich denn leisten, betrügerisches Verhalten auch noch zu belohnen!

Klare Kante

Die dänische Regierung hat verlauten lassen, dass der Verkauf von Verbrennungsmotoren ab 2030 (also in nur 12 Jahren) in Dänemark verboten wird. Das ist eine klare Ansage! Der Vorteil Dänemarks liegt in der Tatsache, dass dieses Land über keine nennenswerte Automobilindustrie verfügt – also hält sich der Aufschrei der Betroffenen sehr in Grenzen. Aber jeder Betroffene (auch im Ausland) kann sich jetzt darauf einstellen.

Vergleichbare Erwartungen in eine klare Ansage habe ich für Verpackungsplastik gefordert (es hat mir nur verständlicherweise keiner gehört). In zehn Jahren wäre Schluss damit und die Industrie, die sich immer wieder als so flexibel verkauft, hätte jetzt zehn volle Jahre Zeit, den größten Teil des Plastikverpackungsmülls zu vermeiden und sich dafür auf nachhaltigere Produktlösungen zu besinnen. Was die dänische Politik kann, sollte man auch von der unsrigen erwarten dürfen.

Mancher wird argumentieren, dass Verpackungsplastik zu unscharf abgegrenzt ist. Einverstanden, dafür gibt es Fachleute – aber wenn wir z.B. 85% des Verpackungsplastikmülls nicht mehr produzieren, kann er auch logischerweise nicht mehr in der Landschaft herumfliegen und die Meere verseuchen. Das Übel ist an der Wurzel zu packen und es darf nicht an den Symptomen herumgedoktert werden. Und es soll mir kein Unternehmer klagen, dass zehn Jahre nicht genug Zeit darstellen. In unserer heutigen Zeit ist ein Produkt, das man zehn Jahre lang unverändert lässt, ein Dinosaurier, ein Auslaufmodell. Der Innovationssprung, der jetzt erwartet wird, ist eben ein bisschen größer als sonst, aber für die Mehrzahl machbar. („Ein guter hält es aus, und um die anderen ist es nicht schad‘“, sagt der Bayer – das klingt hässlich (ist es auch), aber es entspricht exakt unserer Philosophie des kapitalistischen Wirtschaftens).

Jetzt kommt dann sofort wieder das Totschlagargument: das müsse international geregelt werden. Lieber Leser, da wartet doch jeder auf den anderen und bewegt sich nicht. Das ist Mikado-Politik. Einer muss den Anfang machen und sich trauen, dann springen die anderen hinten auf.

Natürlich ist diese Veränderung kein Spaziergang. Es wird Verwerfungen geben. Aber einen stärkeren Handlungsspielraum für die Ökologie ist nur zu haben, indem wir den Handlungsspielraum der Ökonomie einschränken. Das ist politisch ein steiniger Weg, aber alles andere ist Humbug (um das Wort „Bullshit“ zu vermeiden).

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