Die Entscheidung des EUGH

Der Verkehrsminister Scheuer bedauert die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) mit Krokodilstränen. Damit findet offensichtlich eine unter falscher Flagge aufgezogene Kampanie der CSU ihr unrühmliches Ende. Ich darf erinnern: der erste Name, unter dem ich von dieser Maut erfuhr, lautete „Ausländer-Maut“. Das war ca. 2010 oder 2011, als die CSU die ersten Versuche unternahm, um Unterstützer für ihr künftiges und unverzichtbares „Alleinstellungsmerkmal“ zu erlangen.

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Während die EU versuchte, Einigkeit zu zeigen, wurde in Bayern die Ausländermaut aus der Taufe gehoben. Mit Ausländern waren dabei genau jene EU-Mitglieder gemeint, die aufgrund der geographischen Lage Deutschlands regelmäßig über unsere Autobahnen reisten. Mit dem Begriff Ausländer wurde auch gezielt CSU-Stammtischpolitik betrieben. Den zahlreichen Rechtsaußen-Mitgliedern der CSU musste Gesprächsstoff geliefert werden und ihre fremdenfeindliche Haltung gefüttert werden. Je unsinniger, desto besser.

Aber jedem, der bis drei zählen konnte, war klar, dass die durch die ‚Ausländer-Maut‘ zum Ausdruck gebrachte Diskriminierung vor keinem Gericht der Welt Bestand haben würde. Eine Maut, so der Vorschlag, sollten ja bloß die ausländischen Nutzer unseres Straßensystems zahlen; die Inländer – so die erste Version – sollten unverändert mautfrei das Straßennetz nutzen dürfen. Deshalb hat man in einer neuen Version (Version zwei) gemeint, die Maut müsse dann von allen Nutzern bezahlt werden. Man hat also den Einstieg über die „Ausländer“ gewählt, um vorhersehbar, dann aber unter dem ablenkenden Hinweis auf die „bösen“ Gerichte, die Maut für alle Nutzer ins Leben gerufen.

Diese Entwicklung haben viele Bürger vorhergesehen und waren nicht damit einverstanden. Um deren Einwände zu beruhigen, hat man eine weitere Version (Version drei) ins Leben gerufen: Es sollte die Kfz-Steuer ganz oder teilweise auf die Maut, die ähnlich konzipiert sein sollte wie die „Pickerl“ in Österreich, anrechenbar sein. Der EU – Verwaltung war diese Maßnahme im Grund gleichgültig, weil es sich als eine nationale Maßnahme handelte und die EU damit über keine rechtliche Handhabe verfügte, weil dadurch in der EU kein Schaden entstanden ist.

Deshalb sprangen die Länder Österreich und Niederlande in die Bresche und übernahmen die Aufgabe, diese Benachteiligung ihrer Bevölkerung vom EUGH beurteilen zu lassen. Und jeder, der dieser Entwicklung folgt, wird zugeben, dass die Diskriminierung zu Recht festgestellt wurde. Das Urteil war nur deshalb überraschend, weil alle Welt glaubte, dass der EUGH in gleicher Weise wie die sie umschwirrenden CSU-Lobby-Satelliten beeinflussbar sei. Wenn man ehrlich ist, muss man feststellen, dass die Richter gar kein anderes Urteil hätten sprechen können, ohne der Funktion des EUGHs Schaden zu zufügen. Alle Satelliten waren durch intensive Massagearbeit der CSU-Lobby öffentlich zu der Erkenntnis gelangt, dass das Verrechnen der Leistungen keine Diskriminierung darstelle. Aber man hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Der EUGH durfte auf gar keinen Fall in das gleiche Horn pusten, wie die Satelliten – das hätte seiner Unabhängigkeit schwer geschadet.

Das ganze Theater soll den Steuerzahler (und nicht nur die Bayern) zwischen 40 Mio. und 140 Mio. Euro gekostet haben. Ich kann die Wut der jungen Generation so gut verstehen! Die CSU braucht Profil und das Profil bezahlen die Steuerzahler zusätzlich zur Parteienfinanzierung.

Dabei ist die Frage, warum die CSU sich für eine solche Maut stark gemacht hat, nicht beantwortet. Welcher Teufel reitet eine Partei wie die CSU, ohne Not über fast zehn Jahre eine solche (rechtlich im Grunde unhaltbare) Position zu beziehen? Ist es nur die Erschließung neuer Finanzierungsquellen? Das wäre staatsmännisch gedacht, aber bringt doch keinen Nutzen für die Partei. Die geplanten Maut-Pauschalen (analog zum „Pickerl“) hatten weder eine soziale noch eine ökologische Komponente, also keine Differenzierung nach der Größe der Fahrzeuge, nach der Fahrleistung, nach dem Co2-Ausstoß. Das Projekt war einfach nur als politische Wegelagerei gedacht mit dem Ziel, Manövriermasse in die Staatskassen zu spülen, mit der stillschweigenden Bindung der Mittel zur Förderung des Individualverkehrs. Der Öffentliche Personen- und Güter-Verkehr wäre mit einiger Sicherheit nicht einbezogen gewesen.

Die Unerklärbarkeit des Maut-Projektes der CSU hat mich veranlasst, am 23.3.2019 in diesem Blog den Zusammenhang in einer Strategie zu sehen, die offensichtlich zeitgleich in der Regierung umgesetzt wurde: Die Regierung hat die Autobahnen in eine Aktiengesellschaft eingebracht. Die Aktiengesellschaft gehört dem Bund und kann lt. Zusicherung der Bundesregierung auch „in alle Ewigkeit“ nicht in private Hände fallen. Dieses Vermögen (die aus Steuergeldern geschaffenen Autobahnen) liegt wirtschaftlich gesehen brach. Und nun kommt die CSU ins Spiel: Mit der Durchsetzung dieser pauschalen Maut wäre es der CSU gelungen, der Autobahnaktiengesellschaften ein einträgliches Geschäftsmodell zu realisieren. Das Vermögen in Form von Autobahnen erhielte plötzlich eine Renditemöglichkeit und damit wird diese Aktiengesellschaft für private Investoren interessant. Verkaufen geht nicht, aber pachten ist nicht ausgeschlossen. Damit wäre das Modell immer noch funktionstüchtig. Der Staat würde verdienen(Pacht), der Pächter würde verdienen (Maut) – nur der Bürger wäre dabei (wiedermal) gekniffen. Das ist jetzt vorerst vom Tisch!

In jüngster Zeit hat sich der politische Wind gedreht. Wir müssen unsere Emissionen reduzieren. Diese Einsicht greift langsam Raum, weil den Verhinderern einer nachhaltigen Wirtschaft das Stimmvolk wegläuft. Mindestens dreißig Jahre lang galt es, jede Einmischung in die Wirtschaft aus ideologischen Gründen zu vermeiden. Wenn man den Demonstrationen Glauben schenken will, ist dieses goldene Kalb inzwischen geschlachtet. Die immer wieder propagierte freiwillige Verpflichtung der Wirtschaft hat sich wegen Nutzlosigkeit einfach totgelaufen; es ist schlicht nichts passiert, was einer Verpflichtung gleich käme. Es sind steuernde Eingriffe in der Diskussion und dabei wäre eine Maut wieder denkbar, aber mit klaren Erwartungen an den Eingriff hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Implikationen. Der Primat des Wachstums und der Gewinnmaximierung scheinen gebrochen. Es ist noch zu früh, hier Prognosen abzugeben, aber die Stoßrichtung der Demonstrationen ist eindeutig. Und sie ist eindeutig nicht von Wachstum und Gewinn geprägt.

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