Die Aufarbeitung des Cum-Ex-Betrugsfalles

Der Staatsanwalt ermittelt und Razzien finden in aller Stille statt. Es geht nach den vorliegenden Meldungen um eine Betrugssumme von bis zu 10 Milliarden Euro. Wie muss man sich einen solchen Betrug vorstellen? Bei der Summe meint man, müsste ein Betrug doch ziemlich schnell auffliegen. Aber es brauchte Jahre und eine lange Ermittlungszeit. Aber Schritt um Schritt:

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Dividenden erhält nur die Person, die zu einem Stichtag im Besitz der Aktie(n) ist. Da der Aktienmarkt elektronisch abläuft, kann es nun passieren, dass ausgerechnet am Stichtag mehr als eine Person als Aktionär angesehen werden kann. Um 9:00 Uhr ist es Herr A, um 12:00 Uhr Frau B und kurz vor Schließung der Börse wird das Paket weiterverkauft und Herr C ist um 17:45 Uhr der letzte Eigentümer an diesem Tag.

Was bedeutet das? Die ausschüttende Aktiengesellschaft hat den Ausschüttungsstichtag festgelegt und führt ordnungsgemäß die auf die Dividende entfallende Steuer an das Finanzamt ab. Damit keine Doppelbesteuerung der Dividende anfällt, erhält der ausländische Aktionär mit der Dividendenzahlung eine Steuerbescheinigung, die er in seiner Steuererklärung mit seiner Steuerlast verrechnen kann. Was ist aber, wenn nun drei unterschiedliche Personen (A, B und C) am Stichtag die Bedingung des Eigentums kurzfristig erfüllen? Da haben die Banken im Zweifel eben drei Bescheinigungen ausgestellt. Diese Vorgehensweise entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes und insbesondere ist der Fiskus massiv geschädigt: Einmal Steuereinnahme von der Aktiengesellschaft und in unserem Fall dann dreimal eine Bescheinigung zum Verrechnen der einmal gezahlten Steuer mit den persönlichen Steuern der ausländischen Personen A, B und C. Ausländer sind auch im Ausland ansässige Gesellschaften, bei denen alle Gesellschafter als deutsche Inländer anzusprechen sind.

Diese fragwürdige Praxis sollte nun dadurch legalisiert werden, dass das entsprechende Gesetz geändert wird. Hierzu haben die Banken über ihren Verband Kontakt mit der Legislative aufgenommen und haben nicht nur ihre konkreten Wünsche kundgetan, sondern auch noch gleich einen ehemaligen Richter mit Finanzmarkterfahrung dem Ministerium zur Unterstützung angeboten. Diese Unterstützung wurde dankend angenommen, weil der Herr sein Salär von den Bankverbänden erhielt, so dass das Ministerium keinen zusätzlichen Aufwand hatte. Der beigestellte Richter wurde auch gleich mit dem neuen Gesetzesentwurf befasst und hat dafür gesorgt, dass in den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes ein Passus übernommen wurde, der mit dem Wunschschreiben des Bankenverbandes wortgleich war. Der Passus besagt, dass es rechtens ist, wenn eine ausstellende Bank auch zwei Steuerbescheinigungen für den Stichtag ausstellt. Die Folge ist, dass die Banken ihre alte Praxis jetzt weiterführten und nur darauf zu achten hatten: nicht mehr als zwei Bescheinigungen für den gleichen Vorgang auszustellen. Diese Regelung legalisierte die Abschöpfung der Dividendensteuer im Verhältnis 2:1 (einmal Geldeingang und zweimal Verrechnung des Geldeingangs mit der Steuerlast Dritter). Auf diese Weise entstand ein Schaden für den Fiskus in der Größenordnung von Angabe gemäß 10 Milliarden Euro.

Inzwischen wird der Fall im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geprüft, wobei die bodenlose Leichtfertigkeit im Umgang mit unseren Gesetzen deutlich zu Tage trat. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen und der Staatsanwalt sucht nach Möglichkeiten, die Praxis der letzten Jahre justiziabel zu machen, um die zu viel verrechneten Steuerbeträge wieder zurückzufordern. Die Aussichten sind nicht allzu schlecht, weil es Kreise gegeben hat, die dieses als „Cum-Ex“ bezeichnete Verfahren systematisch als Geschäftsmodell zum Schaden des Fiskus angewendet haben. Man hat also nicht mehr zufällig oder fehlerhaft zu viel Bescheinigungen ausgestellt, sondern vorsätzlich dafür gesorgt, dass mehrere Bescheinigungen ausgestellt wurden.

Die Mehrzahl der Bürger findet kaum Informationen über diesen Vorfall – er ist auch nur dort relevant, wo große Summen bewegt werden. Die Höhe des Schadens ist bemerkenswert, denn im Zweifel zahlt der Steuerzahler diese Beträge, wenn die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft nicht erfolgreich sind.

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