Jetzt machen wir einen gedanklichen Sprung und tun so, als ob wir das Ziel, unseren globalen Verbrauch an die Vorgabe von einem Planeten anzupassen, erreicht hätten. Wir haben es also geschafft, uns realistisch auf den Verbrauch auf Basis von einem Planeten zu reduzieren. Was glauben Sie, wird diesen Kraftakt möglich gemacht haben?
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Die Nachhaltigkeit, die Klimaneutralität, die erneuerbaren Energien, Künstliche Intelligenz oder technologische Zaubertricks? Oder schlicht ein strikter Weg in die Suffizienz (in die Reduktion)?! Wir werden unsere Ansprüche auf das herunterfahren müssen, was für den Planeten verträglich ist[1]. Das ist eine extrem abstrakte Aussage, aber egal, was Politik und Wirtschaft an Ausweichmanöver[2] in die Welt setzen: am Ende gilt als erste Priorität: Reduktion!
Es bleibt nur die Frage, wer oder was wird uns die Genügsamkeit lehren. Ich empfinde die durch die russische Kriegserklärung ausgelöste Energiekrise als eine Ironie des Schicksals. Wir reden seit 50 Jahren über eine Energiewende und bekommen nichts auf die Reihe, was das virulente Energieproblem lösen könnte. Dann wird aus Gründen geopolitisch absehbaren Machtspielchen der Gashahn zugedreht, und plötzlich bewegt sich was: Helle Aufregung – kein Plan B, jetzt wird ad hoc alles in Bewegung gesetzt, um den Energieverbrauch zu reduzieren und neue Quellen aufzutun.
Wir fahren also eine Politik der Suffizienz (auch wenn wir sie nicht so nennen). Bis zu zwanzig Prozent Einsparung und mehr erhofft man sich in Deutschland, in der EU eine Einsparung von 15 Prozent. Unter uns gesprochen: hätte die Politik und die Wirtschaft diesen seit Jahrzehnten notwendigen Schritt ohne den geopolitischen Anlass erwogen, es wäre nicht vorstellbar oder die Regierung wäre innerhalb weniger Tage aus dem Rennen geflogen. Das ist im Grunde ein Armutszeugnis für unsere Regierungsform. Erst durch einen extern geschaffenen Sachzwang werden Regierung und Wirtschaft nun gezwungen das Notwenige zu tun und eine Mehrheit der Bürger signalisiert der handelnden Regierung ihre Zustimmung. Also geht doch was! Es kommt offensichtlich auf das begleitende Narrativ an.
Bleiben wir gedanklich in der Zeit, in der wir unseren Verbrauch an den einen Planeten angepasst haben. Beginnen wir dann wieder, unbelehrbar wie wir sind, „Gas“ zu geben, und Wachstum zu produzieren? Oder müssen wir erkennen, dass Wachstum keine wirkliche Lösung mehr darstellt. Wachstum ist dann ggfs. regional und temporär vorstellbar, aber eine Wirtschaft auf Wachstum auszurichten und zu hoffen, die Mehrzahl der sozialen Fragen über den sogenannten „Trickle down“ – Effekt lösen zu können, ist nicht mehr realistisch.
Der Planet mit seinen ökologischen Restriktionen wird die natürliche Grenze allen Wirtschaftens bestimmen. Das wird politisch wohl nicht mehr durch Moderation, sondern nur noch durch Gestalten umzusetzen sein. Wir sind dann dort angekommen, wo Herman E. Daly eine „Steady State Economy“ ins Gespräch bringt. In einer Steady-State Economy (SSE) herrscht ein fließendes Gleichgewicht der Leistungs- und Geldströme. Wachstum ist die Ausnahme und muss durch ein Schrumpfen an anderer Stelle ausgeglichen werden.
Aus heutiger Sicht ist es schwierig, konkrete Aussagen zum SSE zu machen. Es wird sich ein genereller „Mind-Shift[3]“ (ein Paradigmenwechsel) vollziehen müssen, der viele Sachverhalte in einer neuen Perspektive präsentiert. Herman E. Daly glaubt plausibel machen zu können, dass nachfolgende Aspekte erhalten bleiben[4] Seine Ausführungen sind im Folgenden sinngemäß dargestellt, aber stark verkürzt:
- Der künftige Ressourcenverbrauch wird über einen Zertifikate-Handel gesteuert. Der Verbrauch erfolgt in Quoten und wird gedeckelt in Anhängigkeit von der Erschöpfung oder der Verschmutzung. Durch die Versteigerung der Quoten werden Knappheitsrenten für eine gerechtere Umverteilung erzielt. Der Handel ermöglicht eine effiziente Zuordnung zu den gewünschten Verwendungszwecken. Diese Vorgehensweise erscheint transparent und nachvollziehbar. Es wird deutliche Grenzen für die Erschöpfungsrate der jeweiligen Ressource und den Grad der Verschmutzung geben, die die Wirtschaft dem Ökosystem auferlegen darf.
- Ökologische Steuerreform – Verlagerung der Steuerbemessungsgrundlage von der Wertschöpfung (Arbeit und Kapital) hin zu „dem, zu dem Wert hinzugefügt wird“, nämlich dem entropischen Durchsatz von Ressourcen, die der Natur entnommen (Abbau) und der Natur wieder zugeführt werden (Verschmutzung). Dadurch werden externe Kosten internalisiert und Einnahmen gerechter erhoben.
- Begrenzung der Ungleichheit in der Einkommensverteilung. Ohne aggregiertes Wachstum erfordert die Verringerung der Armut eine Umverteilung. Es werden faire Grenzen für die Bandbreite der Ungleichheit angestrebt. Der öffentliche Dienst, das Militär und die Universität kommen mit einer Spannweite der Ungleichheit von Faktor 15 bis 25 aus. Manche Industrienationen liegen unter 25.
- Erweiterung der Möglichkeiten für Teilzeit- oder Home-Arbeit. Ohne Wachstum ist eine externe Vollzeitbeschäftigung für alle schwer zu schaffen. Die Flexibilisierung richtet sich primär nach den Bedürfnissen der Arbeitnehmer.
- Regulierug des internationalen Handels – Begrenzung des Freihandel, der Kapitalmobilität und Globalisierungsbestrebungen. Einführung von Ausgleichszöllen, nicht um ineffiziente Unternehmen zu schützen, sondern um sicherzustellen, dass eine effiziente nationale Politik der Kosteninternalisierung vor standardsenkendem Wettbewerb geschützt wird.
- Herabstufung des IWF-WB-WTO zu so etwas wie Keynes‘ ursprünglichem Plan für eine multilaterale Zahlungsverrechnungsunion. Sie erhebt Strafzinsen sowohl auf Überschuss- als auch auf Defizitsalden der Nationen – Ziel ist das Streben nach Ausgleich auf Leistungsbilanz und dadurch Vermeidung hoher Auslandsschulden und Kapitaltransfers.
- Die Kontrolle der Geldmenge muss wieder in den Händen der Regierung liegen und nicht mehr in Händen privater Banken. Letztere werden damit nicht mehr in der Lage sein, Geld aus dem Nichts zu schaffen und es gegen Zinsen zu verleihen.
- Vermeidung von künstlicher Verknappung. Schutz der verbleibenden Commons (Gemeingüter) des rivalisierenden Naturkapitals (z. B. Atmosphäre, elektromagnetisches Spektrum, öffentliches Land, Wasser) durch Überführung in öffentliche Trusts und Bepreisung der Gemeingüter im Rahmen eines gedeckelten Zertifikate-Handelssystem oder durch Steuern
- Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung. Es ist ein Gleichgewicht anzustreben, in dem Geburten plus Einwanderer gleich Todesfälle plus Auswanderer entsprechen. Das ist umstritten und schwierig, aber zunächst einmal sollte Verhütung überall zur freiwilligen Anwendung angeboten werden.
- Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist zu reformieren – das BIP ist in eine Kostenrechnung und eine Leistungsrechnung aufteilen. Vergleichsmaßstab ist der Saldo beider Buchhaltungssysteme.
Wenn Daly mit den zehn Punkten im Wesentlichen richtig liegt, wird es für Großkonzerne schwierig, Märkte zu finden, die ihren Massendurchsatz aufnehmen können. Der Arbeitsmarkt wird schrumpfen, damit wird der Massenkonsum zurückgehen, weil das Masseneinkommen geringer wird. Nicht umsonst gibt es auch in Arbeitgeberkreisen Arbeitsgruppen, die sich mit Formen eines bedingungslosen Grundeinkommens befassen. Das Ziel ist dabei nicht soziale Gerechtigkeit, das Ziel ist die Erhaltung der Massenkaufkraft und damit des Umsatzes für die Produzenten. Die Finanzierung wird sicherlich noch ein Streitpunkt werden. Wenn der Arbeitsmarkt schrumpft, könnte sich ggfs. die Wochenarbeitszeit reduzieren, um mehr Beschäftigung zu schaffen. Niko Paech[5] sieht in der Verringerung der Arbeitszeit mehr Freizeit, aber auch weniger Einkommen. Hier trifft er sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen. Mit wachsender Freizeit könnte die Wahrnehmung von ‚Subsistenz‘ dazu führen, dass mehr Reparaturen, mehr Ehrenamt, mehr soziale Fürsorge u.a. in den Vordergrund rückt. Wettbewerb ohne systematisches Wachstum verliert seinen ‚Drive‘. Kooperation wird den Platz des Wettbewerbs einnehmen und wir werden feststellen können, dass Innovation kein Ableger des Wettbewerbs ist, sondern auf Kooperation aufbaut. Es bleibt spannend!
[1] Vgl. in diesem Blog auch: „Ist Wirtschaften unter „steady state“ möglich (13.04.2021)“; und: „Wachstum, „steady state“ und Finanzen“ (28.04. 2021)“.
[2] „Wir müssen uns dringend ehrlich machen. Wenn wir so weitermachen ist das klimaneutrale Bayern 2040 eine Politshow zur Beruhigung der Bevölkerung” (GF der VBEW), in: SZ v. 27.7.2022, S. R9
[3] Vgl. Maja Göpel, The Great Mind-Shift, 2016
[4] Vgl. H. E. Daly, Vortrag: From a Failed Growth Economy to a Steady-State Economy. 2009,
[5] Vgl. N. Paech, Befreiung vom Überfluss, München, 2012;
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