Amerika hat gewählt und die Welt reibt sich die Augen. Eine seltsame Figur hat sich Amerika zum Präsidenten erwählt. Ist das nicht ein Anlass wert, zu versuchen den Vorgang in aller Kürze auf seine möglichen Gründe, Wirkungen und Parallelen zu analysieren.
Donald Trump ist Teil der Geldelite in den USA und ist dort fest verdrahtet und wird es auch weiterhin bleiben. Seine populistischen Aussagen sind skizzenhaft und niemand weiß, wie sie wirklich gemeint waren. Trump steht sicher nicht für soziale Gerechtigkeit, Trump steht eher für eine Haltung: Alles mir und den anderen möglichst wenig.
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Bei allem steht der Nutzen für ihn im Vordergrund. Damit bleibt er für die Eliten in jedem Fall akzeptabel, weil sie die gleiche Denke verfolgen. Trump hat den Mund populistisch weit aufgerissen und wird jetzt eine Lösung finden müssen, wie er aus der Falle der überdimensionierten Versprechungen herauskommt, ohne sein Gesicht zu verlieren. Er hat die Erwartungen zu erfüllen, etwas Neues zu kreieren, er steht dafür, dass es anders (und natürlich besser) gehen soll bzw. muss.
Hillary Clinton ist ebenfalls ein eingebetteter Teil der Geldelite in den USA. Ihr Credo “ Strong together“ war wenig glaubwürdig und ist gegenüber dem „Yes, we can“ ihres Vorgängers nur ein müder Abklatsch. Frau Clinton stand für das „Weiter so“, bloß keine Fragen stellen und damit hat sie die in Sorge um ihren Status ringende Mittelschicht nicht mehr erreicht. Sie hat die „Ängste“ in der Bevölkerung nie aufgreifen können – möglicherweise sind sie ihr auch emotional nicht zugänglich, weil sie in anderen Sphären lebt und denkt.
Bei früheren Wahlen ging die Mehrheit der Unterschicht in den USA ähnlich wie in Europa gar nicht zur Wahl. Dann taucht plötzlich in den USA der Populist Trump auf und gibt dieser wahltechnisch verlorenen Schicht eine Stimme und holt sie aus ihrer Lethargie. Plötzlich gehen mehr zur Wahl als je zuvor und es gehen neue Schichten zur Wahl und folgen natürlich ihrem Wortführer Donald Trump.
Es ist das gleiche Phänomen, das wir auch in Europa beobachten können. Auch hier haben die Regierungen einen Teil des Wahlvolks „abgeschrieben“ und als lethargisches Häuflein den Verlierern zugeschrieben. Nehmen Sie Deutschland: wir sind stolz, wenn wir deutlich mehr als 50 % Wahlbeteiligung erreichen. Die restlichen mindestens 40% schlummern wahltechnisch vor sind hin – bis Populisten, die sonst keinerlei Chance hätten, sich dieser verlorenen Häuflein annehmen, ihnen eine emotional treffende Stimme leihen und sie damit bewegen, zur Wahl zu gehen. Sie mobilisieren nicht alle, aber doch einen für die Wahlen ausschlaggebenden Anteil und sind plötzlich politisch an einem Punkt, den wir alle nicht für möglich gehalten haben – weil die Politik bzw. die Parteien mehrheitlich der Auffassung waren, diese unbeachtlich schweigende Mehrheit wird auch weiter schweigen. Dabei wird derjenige, der Ohren hat, zu hören, feststellen, dass es in diesen Schichten wild grummelt und sich die angestaute Wut in Reaktionen Luft verschafft, die wir dann als Einzelsachverhalte oder gar Entgleisungen deklarieren und unsere Polizei losschicken, die Kohlen aus dem Feuer zu holen.
Wir haben nicht nur Flüchtlinge, wir haben auch ein hausgemachtes richtiges soziales Problem. Das sind alle jene, die von dem „Schneller, Höher, Weiter“ unserer wirtschaftsbezogenen Politik keinen Beitrag erhalten und auch nie eine Chance dazu bekommen werden. Es sind u.a. jene, die wir mit der Agenda 2010 als Minijobber und Solo-Unternehmer erst in das Prekariat geschickt haben, um sie dann in 10 – 20 Jahren in die Altersarmut zu entlassen. Unsere Gesellschaft hat zudem seit den 90iger Jahren auf die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt noch immer keine sinnvolle Antwort gefunden. Wir stellen noch nicht einmal die richtigen Fragen, um das Problem überhaupt angehen zu können. Und die Parteien samt ihren Vertretern haben es bisher nicht begriffen, dass sich da ein Reservoir von frustrierten und teilweise wütenden inaktiven Wählern ansammelt, das nur darauf wartet, von einem „geschickten“ (demagogischen) Populist aktiviert und mobilisiert zu werden. Noch ist Zeit, aber die Uhr tickt. Und wie uns Donald Trump lehrt, braucht es dafür nicht allzu viel durchdachte Strategie – es geht weitgehend über den angemessenen Einsatz von ziemlich platten Emotionen.
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