Indirekte Steuersenkung

Der Markt wird immer schwieriger, die Bedürfnisse sind eigentlich gedeckt. Den Konsum nochmals zu steigern erfordert einen hohen Einsatz an finanziellen Ressourcen. Zusätzlich sind die Unternehmensleitungen durch den Kapitalmarkt getrieben, immer höhere Gewinne zu erwirtschaften. Das neoliberale Mantra: „Privatisierung, Steuersenkung und Sozialabbau“ hat dabei dank der politischen Erfüllungsgehilfen eine neue Ausprägung gefunden: Das Geschäftsmodell der ‚indirekten Steuersenkung‘ durch staatliche Maßnahmen!

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Die Politik hat mit Blick auf die staatliche Verschuldungssituation dafür gesorgt, dass der Zins niedrig bleibt. Diesen Vorteil nutzen aber nicht nur die staatlichen Stellen, auch die Unternehmen können damit ihre Gesamtkapitalrendite (Rendite vor Fremdkapitalzinsen) tendenziell in eine Eigenkapitalrendite verwandeln, weil die Fremdkapitalzinsen gegen Null streben. Die Kapitaleigner müssen nicht mehr für das zur Verfügung gestellte Fremdkapital nennenswerte Zinsen aufbringen. Das spart gegenüber einer früher üblichen Zinslast von 4 – 6 % (und mehr) auf den Fremdkapitalbestand erheblichen Aufwand. Der Ertrag aus der Zinssenkung erhöht den Gewinn und fließt ausschließlich den Kapitaleignern zu. Was heißt das im Klartext: Die Zinsen wurden in früheren Zeiten an die Bank geleistet und belasteten das Unternehmensergebnis vor Steuern. Bei einer Nullzinspolitik entfallen die Zinsen weitgehend. Der freigewordene Gewinn wird den Anteilseignern zugeschlagen.

Diese Entwicklung beflügelt wieder die Börse, die ja nun feststellt, dass allgemein das Kurs-Gewinn-Verhältnis deutlich gesunken ist und dass – nach deren Verständnis – wieder Luft für einen neuerlichen Anstieg bei den Börsenkursen vorhanden sei. Was die Börse nicht sehen will, ist die heiße Luft des Gewinnanstiegs, weil keine Unternehmensleistung dahinter steckt, sondern nur eine lapidare zinspolitische Maßnahme der EU.

Nachdem die Unternehmen die Zinsmarge erfolgreich ausgenutzt haben und dabei feststellen konnten, wie leicht Gewinnsteigerungen durch staatliche Maßnahmen erzielbar sind, wächst die Begehrlichkeit und das Geschäftsmodell der ‚indirekten Steuersenkung‘ kommt zur Anwendung. Dazu braucht man ein Unternehmen, das Gewinn erwirtschaftet, denn nur wenn es Gewinne gibt, sind nach herrschender Auffassung auch Ertragsteuern fällig. Und sie betragen ohne Sondereinflüsse in Deutschland etwa 30%. Wenn es also gelingt, diese Steuerlast legal abzustreifen, würde sich die Eigenkapitalrendite um den Betrag der Steuerentlastung erhöhen lassen. Wer einmal in der Wirtschaft tätig war, weiß, dass solch hohe Gewinnsteigerung über den Markt nur in Ausnahmefällen und nur unter großem Einsatz von finanziellen Ressourcen und einer gehörigen Portion Risiko zu schaffen ist. Die hohe Attraktivität des Geschäftsmodells der ‚Steuergeschenke‘ begründet sich gerade darin, dass weder der Einsatz zusätzliche Ressourcen bindet, noch ist das Geschäftsmodell mit Risiko behaftet.

Es ist zwar moralisch abzulehnen, aber angesichts einer solchen Chance werden die Herren des Geldes regelmäßig schwach, verweisen auf den Markt und seine zweifelhafte Ethik, zumal die ausländischen Wettbewerber dieses Geschäftsmodell schon lange nutzen. Und die zusätzliche Attraktivität liegt nun darin, dass keine Maschinen angeschafft werden müssen, kein Personal erforderlich und das Risiko dank der politischen Einstellung in unserem Lande recht überschaubar und klein ist (wenn nur nicht diese verdammten „Leaks“ wären!). Je weniger im Unternehmen von diesem besonders effizienten Geschäftsmodell wissen, desto besser! Ein ganz kleiner Kreis im Unternehmen ist in der Lage, das ganz große Geld zu machen – oft sogar legal. Dafür müssen dann zwar erhebliche Summen an „Konstruktionskosten“ für bestimmte Fachleute abgedrückt werden, aber die sind im Wesentlichen nur einmal fällig. Die laufende Betreuung wird auch nicht billig, aber bei dem Volumen der meisten Nutzer dieses Geschäftsmodells (Konzerne) sind das „Peanuts“.

Die meisten Politiker in Deutschland kennen die Zusammenhänge, aber eine sinnvolle Vorgehensweise verbietet die neoliberale Ideologie (der Staat hat sowieso zu viel Geld und Macht und Privatisierung ist immer gut), oder sie erstickt in dem Kompetenzgerangel in Deutschland (NRW puscht die Steuerfandung, Bayern rühmt sich, hier kein Personal vorzuhalten) und sie scheitert am massiven Einfluss der Lobbyisten jener Unternehmen, die diese Löcher zu ihrem Vorteil weiter nutzen wollen. Die dazu geplanten Maßnahmen der EU werden seit Jahren durch die fehlende Zustimmung der Bundesregierung nicht wirksam. Und wir reden hier nicht von Steuerhinterziehung – also einem illegalen Mittel dem Staat Steuern vorzuenthalten. Nein – es sind in der Mehrzahl legale und damit bekannte Schlupflöcher, die der Staat aus welchen Gründen auch immer nicht stopfen will. Ganz offensichtlich fehlt bei uns der politische Wille hierzu oder sagen wir es anders: die Politik sitzt auf dem Schoß der Wirtschaft. Es stünden zusätzlich jährlich zwei- bis dreistellige Milliarden Euro Steuerbeiträge zur Verfügung, wenn man sich die Mühe machen würde, diese Löcher zu stopfen.

Das Chaotische an diesem Zustand ist, dass wir einen Finanzminister hatten, der die schwarze Null ‚reitet‘ und den Bürgern dafür Zugeständnisse abringt, während die Eigentümer des ‚großen Geldes‘ unbehelligt Milliarden in die eigene Tasche lenkt. Wenn man die politischen Eiertänze sieht, wenn der Harz IV Satz erhöht werden soll und dann mit hässlichen Argumenten gestritten wird, ob 5 Euro pro Person vertretbar sind, dann fasst man sich an den Kopf – wo sind denn da die Prioritäten? Im gleichen Atemzug flutschen Millionen Steuergelder unwiderruflich mal schnell in private Taschen. Ist sich die Politik nicht darüber im Klaren, das die Merkel‘sche Aussage: ‚es geht uns gut‘, nur eine weitgehend gekaufte Potemkin‘sche Fassade darstellt, weil Nullzins und Milliarden Steuergeschenke die Konjunktur und insbesondere den Kapitalmarkt beflügeln. Dahinter steht aber keine wirklich erkennbare Leistung, sondern nur eine hässliche Umverteilung von unten nach oben: Das ist ein Skandal, denn diese Alimentierung der Vermögenden wird mangels Gelegenheit vom „kleinen Mann“ überhaupt nicht realisiert. Es geschieht in Einkommens- und Vermögenssphären, die ihm völlig fremd sind. Er nimmt es scheinbar hin, ständig gemolken zu werden, angeblich, ohne es zu bemerken. Wie lange noch?

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