Wir werden jeden Tag mit irgendwelchen statistischen Ergebnissen zu Corona bombardiert. Vielfach ist nicht klar, wie es zu diesen Zahlen kommt und was sie letztendlich aussagen sollen. Es ist erstaunlich, dass erst allmählich sich die Erkenntnis durchsetzt, dass bei zweckmäßigem Einsatz von statistischen Methoden mehr aus den Zahlensalat herauszuholen ist, als „Erbsen zu zählen“.
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Gegenwärtig nutzen wir nur die sogenannte deskriptive Statistik und die auch noch unkoordiniert und unzureichend definiert. Es ist klar, was ein Infizierter ist (eine Person, bei der Corona-Virus definitiv festgestellt wurde), aber was ist mit den vielen, die nicht wissen, dass sie infiziert sind und die keine Symptome zeigen. Das sind in der Mehrzahl ganz jungen Menschen ohne erkennbare Vorerkrankungen, die über ein intaktes Immunsystem verfügen.
Das reale Bild werden wir mit der deskriptiven Statistik nicht in den Griff bekommen. Statistik wurde aber entwickelt, um aus kleinen Gruppenmessungen auf ein Ganzes schließen zu können. Man nennt das Verfahren auch Stichproben-Theorie. Sie ist allgemein bekannt, weil unsere Wahlanalysen auf dieser Theorie aufbauen. Dazu wartet man nicht, bis die Zahlen einem über den Kopf steigen, sondern man kann durch gezielte Stichproben ein ziemlich klares Bild über das Problem erhalten, ohne zu warten, bis sich das Ergebnis beim „Erbsen zählen“ niederschlägt. Die Zahlen werden nicht eindeutig sein, aber die Gültigkeitsintervalle lassen eine bessere Aussage zu als im „Nebel herumstochern“.
Wie geht das Prinzip? Man definiert das anstehende Problem und muss sich über die Verteilung Gedanken machen. Wenn die Stichprobe groß genug angelegt werden kann, ist auch die Verteilung sekundär. Dann wird eine Stichprobe von Personen gezogen, die alle (ohne Ausnahme) untersucht werden und deren demographischen und medizinischen Merkmale erfasst werden. Auf der Basis lassen sich dann Hochrechnungen auf die Ausprägungen der Gesamtheit von 83 Mio. Einwohner in Deutschland machen. Die getroffenen Aussagen treffen i.d.R. mit 95% Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Zustand der Bevölkerung. Es wäre feststellbar, wieviel inzwischen infiziert sind, wieviel davon erkranken, wieviel schwere Symptome zeigen werden. Wir können bei einem richtigen Design auch feststellen, wieviel Prozent der Bevölkerung wieviel Vorerkrankungen hat und wie hoch der Anteil der Risikopatienten der Bevölkerung ist. Das einzige, was man nicht abschätzen kann, sind die Todesfälle. Aber auch das wäre über die gleiche Stichprobe zu einem späteren Zeitpunkt grundsätzlich feststellbar.
Alle diese Zahlen haben wir heute nicht. Wir wissen nur etwas von „Infizierten“. Schon die Frage, ob und wann die „Infizierten“ wieder „Desinfizierte“ sind, stößt auf Schwierigkeiten. Wer die Markierung als Infizierter erhält, wird u.U. nicht einmal krank, oder er wird krank und wird ohne Komplikationen oder mit Komplikationen gesund. Die einzigen, die wir erfassen, sind diejenigen, die aufgrund ihrer Vorerkrankungen schwere Komplikationen bekommen und versterben. Sie sind dann aber nicht an ihren multiplen Erkrankungen verstorben, sondern die „statistische“ Todesursache ist dann leichtfertig das Corona-Virus. Eine eingehendere Ursachenerforschung würde ja Geld und Manpower kosten (und nutzt dem Verstorbenen auch nicht mehr).
Es gibt Anzeichen, dass das Krisenmanagement diese Defizite erkannt hat. Es gibt Petitionen und es hat auch den Anschein, dass jetzt Statistiker (und nicht nur Virologen) hinzugezogen werden, damit dieser unkoordinierte Zahlenwust eine definierte Aussagen-Struktur erhält. Und es sollte schnell gehen.
Heute haben wir einen Ansatz, dass wir eine gewissen „shut-down“ der Gesellschaft mit dem Ziel haben, die Sozialkontakte wegen der Ansteckungsgefahr pauschal zu reduzieren. Der Grund liegt darin, dass das Krisenmanagement Sorge hat, dass die verfügbaren Krankenstationen mit hoher Serviceleistung nicht ausreichen könnten. Das ist im ersten Ansatz sicher nicht falsch, aber je länger der „shut-down“ andauert, desto unruhiger werden insbesondere jene Bevölkerungsteile, für die der Virus kaum lebensbedrohliche Formen annimmt und die vor dem finanziellen Aus stehen. Die angeblich großzügige Finanzierung durch den Staat wird scheitern, wenn ich höre, dass die Jobcenter überlastet sind, Emails verschickt werden mit seitenlangen Fragebögen, die alle auch noch vom Antragstellen und danach vom Jobcenter bearbeitet werden wollen. Das erste Geld wird fließen, wenn das Geld nichts mehr nützt.
Eine Drehung um 180 Grad scheitert an den Analysekapazitäten, die notwendig wären, um alle zu testen, um nur jene in Quarantäne zu schicken, die tatsächlich ein Risiko sind oder ein erhöhtes Krankheits-Risiko haben. Um für diesen Ansatz eine Datenbasis zu finden, wäre die gezielte Anwendung eines Stichprobenverfahrens von Nöten und würde vermutlich über die Strukturen Hinweise liefern, die ein Einschätzung der Folgen möglich macht. Wenn es wirklich so ist, dass insbesondere ältere Mitbürger (mit multiplen Vorerkrankungen) bevorzugte Opfer des Virus sind, so ist in diesem Kreis von Menschen eine Quarantäne leichter durchzuhalten, weil diese Menschen schon längere Zeit durch ihr Handicap daran gehindert wird, ihre sozialen Kontakte intensiv auszuleben. Diese Vorgehensweise hätte – die Solidarität und Hilfe der nicht Betroffenen vorausgesetzt – eine zu erwartende größere Wirksamkeit, weil die Quarantäne dann aufgrund der guten Gründe eher eingehalten wird als die allgemeine Verfügung eines „shut-down“.
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