Zwei Studentinnen haben aus einem Container Esswaren entnommen, die ein Discounter aufgrund des Ablaufs der Frischgarantie entsorgt (weggeworfen) hat. Sie wurden dabei erwischt und in zwei Instanzen mit einer verqueren Argumentation als „Diebe“ (zugegeben milde) verurteilt. Die Sache liegt jetzt beim Verfassungsgericht, weil jeder vernünftig denkende Mensch mit den ergangenen Urteilen nichts anfangen kann.
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Die Urteile erfolgten unter der geltenden Eigentumsprämisse, einer Prämisse, auf der unser ganzes Wirtschaftssystem fußt; deswegen tun sich die Gerichte auch so schwer. Alles starrt gebannt auf die Frage, ob des sich hier um ein Eigentumsdelikt handelt oder nicht. Offensichtlich fragt sich niemand, ob hier verantwortlich mit dem umgangen wurde, das wir Eigentum nennen. Müll ist nach herrschender Ansicht Eigentum, das mit der Deklaration als Müll anscheinend nicht aufgegeben wurde. Die Entnahme von Müll ist demnach Diebstahl. Wir haben aber nicht nur im Art. 14 des GG eine Eigentumsgarantie, sondern im Absatz II auch eine starke (leider oft vergessene) Verpflichtung zum Wohl der Allgemeinheit. Eine Änderung dieser Rechtsverhältnisse kann nur durch ein Gesetz erfolgen, mit anderen Worten: Wenn Müll Eigentum ist, und nachgewiesen ist, dass die Ware, die dort als Müll deklariert wird, noch großenteils einwandfrei verzehrbar ist, so muss vom Gesetzgeber sichergestellt werden, dass der Einzelhandel in der Deklaration von Müll eingeschränkt wird. Es gäbe dann drei Kategorien: Ware mit Verwendungsdatum, Ware, bei der das Verwendungsdatum überschritten ist und Müll! Die Ware mit Verwendungsdatum wird zum vollen Preis verkauft, die Ware mit abgelaufenem Verwendungsdatum kostet deutlich weniger (z.B. 30% – 50% weniger) und der Müll ist „Müll“, weil für den menschlichen Verzehr absolut ungeeignet. Dann gibt es auch kein Containern mehr und die beiden Studentinnen hätten ihr Ziel erreicht: im Einzelhandel wird dann weniger vermeidbarer Abfall produziert.
Im Augenblick streiten sich die Parteien und fokussieren sich auf die heilige Kuh, das Eigentum. Ist es Diebstahl oder ist es gerechtfertigt, sich verzehrbaren Müll anzueignen. Da wird rumdiskutiert, ob hier der Mundraub-Paragraph oder der Diebstahl-Paragraph anzuwenden ist oder nicht. Hätte die Politik ihre Aufgabe verstanden, hätte sie den Missstand von zu viel Müll, der größtenteils durch die gesetzlichen Vorschriften herausgefordert wird, schon vor Jahren aufgegriffen – aber wir müssen erkennen, dass je mehr Müll produziert wird, desto mehr „Wachstum“ können die Regierungen für sich reklamieren – also tun sie nichts! Ein weiterer Gesichtspunkt der Politik ist die hirnrissige Abwägung zwischen der Frage Müllproduktion oder falschverstandener marktwirtschaftlicher Grundsätze, nach dem Prinzip: „Don’t touch a winning team!“. Sie nehmen lieber mehr Müll in Kauf als dass die Politik bereit wäre, hier klärend einzugreifen. Was ist wichtiger: der Grundsatz oder die Beseitigung eines schwachsinnigen, aber gesetzeskonformen Verhalten, das sich für unsere langfristige Entwicklung als völlig kontraproduktiv erweist.
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