Wenn man die neue Ansage der Regierung mit ihrem Klimakabinett ernst nehmen will, so bleibt die Frage, ob außer dem hoffentlich guten Willen auch mehr möglich oder zu erwarten ist. Es kursiert Zahlenmaterial, das immer wieder die Frage nach der Begründbarkeit aufwirft. Das Umweltbundesamt bietet die Ermittlung des jeweiligen CO2-Fußabdrucks und zeigt dabei, dass der Durchschnittsverbrauch an CO2 – Äquivalenten (der deutsche Fußabdruck) gegenwärtig bei 11,6 t/Jahr und Person liegt.
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Unterstellen wir, dass die Zahlen in ihrer Tendenz zumindest nicht falsch sind, so bleibt die Frage, was ist das Ziel, wenn wir „klimaneutral“ sein wollen. Wenn ich mich richtig erinnere, liegt der Zielwert bei 2,5 t/Jahr. Mit andere Worten, es ist nicht nur ein bisschen Massage notwendig, das sind geforderte Einsparungen von 78,5% des heutigen Verbrauchswertes. Angesichts dieser Herkulesaufgabe wirken die Maßnahmen der Bundesregierung irgendwie „lächerlich“.
Wir können versuchen unseren Abdruck von 11,6 t/Jahr aufzuteilen, um zu erkennen, wo denn Spielräume zu finden sind, die in einem ersten Schritt genutzt werden sollten, bevor wir ans „Eingemachte“ gehen müssen. Die Aufteilung des Fußabdrucks, wie ihn das Bundesumweltamt darstellt, unterscheidet zwischen öffentlichen Emissionen (0,7 t/Jahr), Heizen und Strom (2,4 t/Jahr), Mobilität (2,2 t/Jahr) und Ernährung (1,7 t/Jahr) und Konsum (4,6 t/Jahr). Das sind in Summe die angesprochenen 11,6 t/Jahr, die ein Durchschnittsbürger (den es nur in der Theorie gibt) im Jahr an CO2 – Äquivalenten verbraucht. Es gibt also Menschen, die liegen deutlich darunter und es gibt folglich Menschen, die diesen Wert bei weitem übersteigen.
Es ist zweifelsohne ein sinnvoller Ansatz, sich die größten Brocken herauszusuchen, bei denen man unterstellen kann, dass hier auch das größte Einsparungspotenzial liegen müsste. Diese Darstellung, so wie ich sie verstehe, erfasst natürlich nicht nur den CO2-Ausstoß der Privathaushalte, sondern die Summe des privaten und gewerblichen Verbrauchs und teilt diese Summe dann durch die Anzahl der Bevölkerung (Durchschnitt). Mit anderen Worten: Ist es sinnvoll, beim privaten Bürger den Anfang zu machen, wenn letztlich feststeht, dass die großen „CO2“-Schleudern nicht unbedingt im Einflussbereich des Individuums liegen, sondern vermutlich im gewerblichen Bereich. Es ist nicht sinnvoll, uns Bürgern ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn gleichzeitig ganze Industriezweige immer noch subventioniert werden, um möglichst viel CO2 zu produzieren. Es geht um die Subvention bei Diesel, es geht um die Subventionierung von Flugbenzin (Kerosin), es geht um die Freistellung großer Energieverbraucher von den Lasten des EEG, es geht um die Braunkohlesubventionierung. Sie können als Bürger lange an ihrem persönlichen CO2-Fußabdruck „herumschrauben“, solange diese Milliardenbeträge dafür ausgegeben werden, damit die betreffenden Industrien „brummen“ und Unmengen von CO2 ausstoßen.
Die ganze CO2-Diskussion sollte doch in erster Linie in der Politik dazu führen, dass alle existierenden Subventionen darauf überprüft werden, inwieweit sie den Fußabdruck berühren. Es ist ein wahres Vergnügen den Subventionsbericht der Bundesregierung aufzuschlagen, um zu erkennen, wo die Stellschrauben für eine Senkung des CO2-Ausstosses zu finden sind. Wichtig ist dabei zu erkennen, dass es neben den im Bundesbericht aufgezählten Subventionen auch noch 16 Landesberichte geben müsste, um hier ein klares Bild zu erhalten. Das geht natürlich ins Mark unserer Wirtschaft und macht gleichzeitig deutlich, dass eigentlich so gut wie nichts in diesem Land ohne Subventionen läuft. Jetzt wäre es ein guter Anlass, angesichts des Drucks der Klimadiskussion, alle die staatlichen „Zuwendungen“ auf ihre Konformität mit den Anforderungen eines Klimawandels hin zu überprüfen.
Wenn Sie versuchen sollten, anhand der Berechnung des Fußabdrucks festzustellen, ob und wie sie ihren Fußabdruck verkleinern können, so werden Sie bitter enttäuscht. Was immer sie an Einsparung oder Veränderung vorschlagen oder planen, die dadurch ausgelöste Reduktion ihres persönlichen Fußabdrucks ist so unbedeutend gering, dass das Ergebnis für jemanden, der ehrlich bemüht ist, hier neue Wege zu gehen, überaus frustrierend ist. Der Ansatz mit dem Fußabdruck ist ja recht plakativ, aber er muss so individualisiert werden, dass die Stellschrauben zur Verfügung gestellt werden, an denen ich als Handelnder einen Erfolg sehen kann. Es ist klar, am Gesamtbild ändert sich dabei nicht viel, aber jeder, der mitmacht und auf seiner Schiene einen Erfolg erkennen kann, wird weitermachen, egal, ob das große Ganze noch weit davon entfernt ist, die 78,5% Einsparung auch nur in etwa zu erreichen. Aber der Prozess beginnt bei jedem, der mitmacht, indem er diesen Prozess unterstützt. Der Einzelne muss sich gut fühlen können, weil er das, was in seiner Macht steht, getan hat.
Die Aufmerksamkeit derer, die ihren Fußabdruck verkleinern wollen, wird von den Betreibern des Fußabdrucks (BUA) auf Heizung und Strom und auf Mobilität gelenkt, zusammen etwa 40% des Duchschnitts-CO2-Ausstoßes; bei der Ernährung (knapp 15%) fragt man sich, wie kommt der Wert zustande? Ist hier die intensive Landwirtschaft nach dem Vorbild von Monsanto & Co enthalten oder wie lautet die Rechnung? Nichts mehr Essen, ist keine Option, aber die Herstellung von Lebensmitteln anders (sinnvoller) gestalten, wäre sehr wohl eine Alternative.
Der größte Brocken von Umweltsünden wird bei dem Fußabdruck als „Konsum“ bezeichnet. Dieser Teil umfasst etwa 40 % der besagten 11,6 t/Jahr CO2-Ausstoß. Auf diese Kategorie geht der Fußabdruck kaum ein. Es ist klar, hier beginnt nach unserem Verständnis die Schmerzgrenze – wie schrecklich, wir können nicht mehr shoppen gehen und müssen unsere dadurch zum Ausdruck gebrachte Langeweile anders „töten“. Das ist die Seite der Bequemlichkeit. Aber weniger Konsumieren hat ja weitreichende Folgen in einem System, in dem der Konsum als die Wohlstandsicherung verstanden wird. Dabei geht es gar nicht so sehr um weniger Konsum als darum, eine andere Art von Konsum zu etablieren.
Konsum ist heute Masse, die möglichst schnell zu Müll umgewandelt werden soll, damit wieder ein Bedürfnis nach Masse entsteht. Das ist ein wesentliches Grundprinzip unserer Wirtschaftsform. Wenn Nachhaltigkeit wirklich Einzug hielte, hat das zwei sofortige Auswirkungen: Die Dinge, die unseren Konsum beflügeln, müssen langer halten, sie müssen reparierbar bzw. überholbar sein, ohne dass das Reparieren an der Frage des günstigeren Neukaufs scheitert. Die ‚Massenproduktion‘ muss teurer werden. Sie wird damit natürlich ihren Massecharakter verlieren. Masse ist ja genau das Gegenteil von der viel geschworenen Vielfältigkeit, die wir leben wollen.
Unsere Einstellung zum Konsum muss sich grundlegend ändern – es kann nicht sein, dass ein Artikel eine neue Farbe erhalten hat, und deshalb der „alte“ seine Wertschätzung verliert und der Wunsch gesellschaftlich unterstützt wird, diesen Artikel statt des alten erwerben zu wollen. Diese Haltung ist nur deshalb durchzusetzen, weil die Ware scheinbar billig ist. Aber die unverantwortliche Ressourcenverschwendung zur Produktion der Ware, der Hungerlohn für die Herstellung, der Transport der Ware über weite Strecken und die Aufwendungen für deren Beseitigung sind in dem billigen Preis nicht angemessen abgebildet – das zahlt nicht der momentane Konsument, das zahlt die Gesellschaft über Steuern, über Abgaben, über das EEG, über Aufwendungen für Migration, über immaterielle Schäden einer rechtsradikalen Haltung, und vieles mehr. Es gibt in unserem Wirtschaftssystem eine Fülle von „Sidepayments“, die wir leisten und uns darüber gar nicht bewusst sind, dass das „Nebenwirkungen“ unserer teilweise falschen Lebensumstände sind.
Die Überlegungen haben immer Folgen für das Wachstum – eine der heiligen Kühe unserer Regierungen. Sowie der Konsum tangiert wird, hat das Auswirkungen auf die idiotische Maßzahl alles Wirtschaftens – den sogenannten Wachstumsquotient oder kurz – das Wachstum. Wachstum heißt im Klartext: wir müssen jedes Jahr mehr konsumieren als im Jahr davor, sonst machen die Herren des Geldes lange Gesichter und heben mahnend den Finger, indem sie uns verkünden, ab jetzt ginge es bergab. Es gibt gesicherte Untersuchungen, dass Lebenszufriedenheit der Menschen und Wachstum schon seit den 1960er Jahre auseinander laufen. Was heißt das? Die ersten Jahre nach dem Kriege wurde aufgebaut. Zu dieser Zeit laufen Zufriedenheit der Bevölkerung und Wachstum in die gleiche Richtung. Ab einem gewissen Punkt – er liegt wohl Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts endet diese Parallelität. Die Messzahl der Lebenszufriedenheit der Bevölkerung sinkt bzw. nimmt über die Jahre stetig ab, während die Kennzahl des Wachstums (mit einigen Dellen) stetig wächst. Diese Feststellung trifft nicht nur Europa, das ist in der ganzen westlichen Hemisphäre zu beobachten. Konkret bedeutet diese Entwicklung, dass die Ökonomie eine Entwicklung misst, die für die Bevölkerung überhaupt keine Relevanz besitzt. Die Ökonomie geht immer davon aus, dass die Gier nicht zu befriedigen sei, während die reale Bevölkerung schon längst intuitiv begriffen hat, dass „Mehr, Höher, Schneller“ – das Mantra des Kapitalismus – nicht zur mehr Zufriedenheit führt.
Solange wir unseren Erfolg am Wachstum orientieren, werden wir von dem CO2 nicht herunterkommen. Die Frage muss heißen, wieviel CO2 brauchen wir, um zufrieden leben zu können und deshalb müssten die Regierungen die andere Sichtweise (die der Zufriedenheit) propagieren, damit die Leute verstehen lernen, dass das Wachstum nur eine künstliche (statistische) Größe ist, die einem engen, kleinen Personenkreis ständig neues Geld zuführt. Geld, das andere für sie verdienen. Das Dumme ist, dass sich viele Menschen zu jenen zählen, die glauben von dem System zu gewinnen, weil sie sich Konsum leisten können, der ihnen in der Jugend unvorstellbar war. Aber die Statistik zeigt unnachgiebig, dass in diesem System nur noch die obersten Zirkel an Vermögen zulegen und darunter verlieren statistisch alle ohne Ausnahme! Sie merken es nur nicht, weil subjektiv viele das Gefühl haben, sie sitzen am Tisch der Gewinner (sie dürfen ja mitreden), und spüren nicht wie sie im Hamsterrad für die Erträge Dritter arbeiten.
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