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Nachdenken tut weh?

In der Süddeutschen Zeitung vom 7.8.2024 hat Christina Berndt unter dem gleichen Titel (aber ohne Fragezeichen) ein Artikel veröffentlicht, der sich u.a. auf eine psychologische Metastudie des Projektleiters Eric Bijleveld von der Universität Nijmegen (NL) bezieht. Ich bin mir dabei nicht sicher, ob Chr. Berndt den Titel ihres Beitrags als Aussage versteht oder doch eher als eine ironische Übertreibung der beschriebenen Zusammenhänge.

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Es wäre wahrscheinlich interessant, sich ein Bild von der Zielsetzung der Studie zu machen. Aber da Nachdenken lt. des Berichtes immer den einfachsten Weg nimmt, verzichte ich darauf, weil ich mir von dem, was ich verstanden habe, keinen persönlichen Nutzen erwarte. Mein weiteres Problem liegt darin, dass die Ausführungen ‚Denken‘, ‚Entscheiden‘ und ‚Handeln‘ nicht klar auseinander halten. Denken sollte der Entscheidung vorausgehen, die Entscheidung ist noch nicht das Handeln. So kann man sich z.B. entscheiden, nicht zu handeln.

Wenn „nachdenken weh tut“, ist es m.E. nicht das Denken, das „weh tut“, sondern die Konsequenzen aus dem Denken, die oft zu einer (notwendigen) Entscheidung führen und damit möglicherweise die Komfortzone in Frage stellt. Das Lesen des Artikels hat mich zum Nachdenken angeregt, ob ich dazu Stellung beziehen soll. Die Entscheidung für eine Stellungnahme führt zur Handlung und macht mir jetzt „Arbeit“, deren Sinnhaftigkeit man in Frage stellen kann. Einen Nutzen kann ich noch nicht erkennen.

Chr. Brandt zitiert eine Pressemitteilung, in der Eric Bijleveld ausführt: „Gewöhnlich können Menschen geistige Anstrengung wirklich nicht leiden“. Gegenfrage: Gilt das nicht für jede Form menschlicher Anstrengung? Eine Anstrengung – egal in welcher Form – nehmen wir Menschen doch nur in Kauf, wenn wir uns davon eine Vorteil versprechen. Und wenn wir ein geistige Anstrengung nicht zu leisten in der Lage sind oder ihren Nutzen nicht erkennen können, neigen wir dazu, sie zu unterlassen, was aber nicht zwangsläufig zu „Schmerzen“ führt.

Es erscheint mir nicht zwingend, anzunehmen, dass ‚Nachdenken‘ bei den Menschen gewöhnlich als ‚geistige Anstrengung‘ beurteilt wird. Von Descartes soll der Satz stammen: „Ich denke, also bin ich“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Descartes das Nachdenken als lästig oder anstrengend empfunden hat Die Fähigkeit zum Denken war für ihn Grundlage der menschlichen Existenz und damit unausweichlich, ob mir das passt oder nicht.

Der Versuch, im Denken den „Weg des geringsten Widerstandes zu wählen“ basiert m.E. auf einem Missverständnis. Das Denken unterliegt doch keinen Widerständen, es sei denn, die vorhandene intellektuelle Kapazität reicht für den Denkvorgang nicht aus. Denken erfolgt doch jenseits der Realität oder Praxis, im Idealfall unter Einschluss der Erfahrung. Erst wenn eine Lösung erkannt wurde, muss ich mir Gedanken machen, wie ich die Lösung realisiere; Dann erst stellt sich die Frage ob und wie die Umsetzung mit dem „geringst möglichen Widerstand“ erfolgen kann.

Bemerkenswert finde ich die Feststellung, dass aus einem ‚Stirnrunzeln‘ oder Heben der Augenbrauen denkrelevante Verhaltensweisen in Richtung Schmerzhaftigkeit abgeleitet werden. Ich kenne viele Menschen, die dann, wenn sie sich konzentrieren wollen oder müssen, ihre Augenbrauen zusammenziehen. Diese Maßnahme ist schlicht ihr persönlicher Ausdruck erhöhter Konzentration.

In einem kurzen Abschnitt wird Martin Korte zitiert: „Entscheidungen zu treffen, ist metabolisch sehr anstrengend“. Dem steht nichts entgegen, aber Entscheiden und Nachdenken ist nicht das Gleiche. ‚Denken‘ eröffnet Potenziale, ‚Entscheiden‘ reduziert sie wieder und das ist das Anstrengende, auf mögliche Potenziale bewusst zu verzichten.

Nun taucht für mich die Frage auf, was will uns Eric Bijleveld mit seiner Metastudie eigentlich sagen? Hierzu wäre es nötig, die Studie und ihre konkrete Problemstellung zu lesen und es wäre auch von Interesse, wer die Studie letztlich finanzierte, denn ich kann mir nicht vorstellen, das das Ziel der Studie der Nachweis ist, den Lesern klar zu machen, dass wir das Denken besser lassen, weil es viel zu anstrengend sei. Damit verlasse ich den Beitrag von Christine Berndt und wende mich ein paar anderen Überlegungen zu.

Vor rd. dreihundert Jahren hat Europa die Aufklärung durchlebt und war stolz, dass wir hier und da es gewagt haben, uns unseres Verstandes zu bedienen (Kant). Und nun stellen wir fest, Vorsicht, denkt nicht zu viel, es könnte weh tun. Was für eine verrückte Welt!

Das Denken kann nicht weh tun. In jeder Meditation werden wir von der Fülle unseres Gehirns erschlagen und brauchen viel Disziplin, um die gewünschte Ordnung einzuleiten. „Die Gedanken sind frei, sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten“ – von Schmerz oder Unbehagen keine Spur. Erst der Ordnungsgedanke oder der Zweck des Denkens schränkt die Fülle ein. Diese erste Einschränkung bedeutet Entscheidung und auch Arbeit. Man kann sogar noch zwischen Denken und Verstand unterscheiden. Das Denken ist weitgehend kreativ ungebunden und kann auch das Unmögliche entwickeln. Mit dem Verstand spiegelt sich das Denken an der Erfahrung, am sogenannten Mainstream und an der Konvention. Trotzdem bleiben immer noch eine ganze Reihe von ‚guten‘ Gedanken übrig und vermutlich muss das Bewusstsein sich nun entscheiden und sich von den vielen anderen Gedanken verabschieden, gewissermaßen ‚Verzicht‘ leisten.

Wie schnell der Prozess abläuft, ist eine Frage der zu erwartenden Konsequenzen. Normale, routinemäßige Abläufe verlaufen schnell und effektiv. Sind die Konsequenzen aber unangenehm, verzögert sich die Entscheidung, weil man intuitiv nach Alternativen sucht. Manchmal erscheint als Ausweg nur die Verdrängung möglich – sie verschiebt die notwendige Lösung in die Zukunft. Ob die Zukunft eine bessere Lösung bereit hält, bleibt ein schwer abwägbares Risiko.

Meine Überlegungen habe ich einer Bekannten vorgetragen, die in der Erwachsenen- und Berufsausbildung tätig ist. Ihre Antwort war ernüchternd: „Du lebst in einer Blase der Privilegierten, denen Denken als mögliche Spielwiese vermittelt wurde und die dieses Medium mit einem gewissen Vergnügen benutzen können. Außerhalb deiner Blase sieht die Welt völlig anders aus.“ Dort wird meist nicht die Denkfähigkeit vermittelt, sondern es wird in vielen Fällen ein Satz von (relativ komplexen) Regeln bereitgestellt, der von dem Anwender erlernt werden kann oder soll und mit dem er oder sie das Leben gestalten wollen. Immer dann, wenn der Regelanwender im Leben auf eine Situation trifft, für die er oder sie im Regel-Vorrat keine adäquate Maßnahme findet, tritt Verunsicherung ein. Jetzt müsste man denken können. Man ist darin allerdings durch den häufigen Regelgebrauch im Denken ungeübt und nutzt das Denken nur mit mäßigem Erfolg. Das frustriert ihn und wir haben eine denkbare Verifizierung der Aussage: Nachdenken tut (scheinbar doch) weh.

Das klingt auf den ersten Blick plausibel. Es ist aber zu einfach gedacht. Regelsätze sind in praxi nichts anderes als Routinen und Rituale, die sich sowohl die sogenannten Privilegierten als auch der Rest der Welt teilweise selber bauen oder Bewährtes von anderen Institutionen übernehmen, um sicherzustellen, dass Wiederkehrendes nicht ständig neu durchdacht werden muss. Personen, die im Denken geschult sind, sind sich der laufenden Veränderung von Routinen oder Ritualen bewusst, weil sie die verwendeten Regeln regelmäßiger hinsichtlich ihrer notwendigen Voraussetzungen in Frage stellen können.

Regelwerke, die in der täglichen Praxis befriedigende Ergebnisse liefern, werden schnell zu Selbstläufern und erhalten einen Status, der ein Infragestellen der Regeln schwermacht, weil der Grund für deren Einführung im täglichen Klein-Klein oft verloren geht.

Vor diesem Hintergrund bleibt es dabei: „Wage es, Dich deines Verstandes zu bedienen.“(Kant) Auch wenn es eine Herausforderung darstellt. Es gibt m.E. keine sinnvolle Alternative.

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Ein paar Gedanken zur Bevölkerungsentwicklung

Die Bevölkerungsentwicklung eines Landes hat mindestens zwei ökonomische Aspekte: Einmal kann die Bevölkerung aus dem Blickwinkel der notwendigen Arbeitskräfte betrachtet werden, also als sogenannter Produktionsfaktor und der zweite Aspekt ist der des Konsumenten, der das Geld, das er oder sie im Rahmen der Produktion verdient, als Konsument zum Erwerb von Endprodukten einsetzt. Und „Sparen“ sollten er und sie dann auch noch.

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Wie sieht das heute konkret aus? Es ist schwer, einen ordentlichen Fach-Handwerker zu finden. Wir warten bei vielen Ärzten, insbesondere bei sogenannten Spezialisten, oft Monate auf einen Termin. In den Krankenhäusern und Pflegestationen sind je nach Aufgabe zwischen 20 – 50% Pfleger und Ärzte, die einen Migrationshintergrund haben. Wer sich einmal unter die Bauleute mischt, stellt fest, auch dort haben große Teile der Belegschaften einen Migrationshintergrund aufzuweisen. Die Handwerksberufe suchen dringend, aber bekommen kaum Lehrlinge. Da läuft doch was grundsätzlich aus dem Ruder.

Es gibt nun Zahlen, die davon ausgehen, dass dieses Land bei einer etwa gleichbleibenden Wirtschaftsentwicklung jährlich bis zu 400.000 Arbeitnehmer durch Zuwanderung brauche. Parallel zieht die AfD auf Stimmenfang durch die Lande mit einer Vorstellung von „Remigration“ und „Deutschland den Deutschen“. Wo leben diese Politiker eigentlich? Wer kümmert sich denn um deren Eltern, wenn bis zu 30% u.m. „remigriert“ werden? Haben sich die Vertreter der AfD jemals klar gemacht, was passieren würde, wenn morgen am Tag alle Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund aufstehen und ihre Arbeit demonstrativ nur für eine Stunde niederlegen würden? Lösungen haben diese Herrschaften der AfD nun wirklich nicht, nur hohle Sprüche.

Die jährlichen Zuwanderungszahlen, die von einer Reihe von Ökonomen als notwendig betrachtet werden, fallen ja nicht vom Himmel. Woher sollten diese Menschenströme denn kommen? Wohl kaum aus der EU, denn in den meisten EU-Ländern haben wir ähnliche Probleme. Sind wir darauf eingerichtet, solche „Ströme“ auch angemessen zu behandeln (Integration, Sprachkurse, Wohnungsmarkt, Kitaplätze, Schulkapazitäten u.ä.). Wir haben uns in diesen Fragen in den letzten Jahrzehnten nicht mit Ruhm bekleckert!

Es gilt nach wie vor als Staatsräson, dass Wachstum unverzichtbar sei. Aber Wachstum funktioniert nur, wenn Innovation, materielle Ressourcen und humane Ressourcen zusammenspielen. Der Verbrauch von materiellen Ressourcen steht im Feuer. Er wird von der Ökonomie mit dem Argument der Innovation und einer zunehmenden Effizienz ziemlich unglaubwürdig gerechtfertigt. Aber auch in die Bereitstellung von ausreichend Personal für den wirtschaftlichen Bedarf sieht es traurig aus.

Das Argument immer steigender Effizienz ist ähnlich unsinnig wie ewiges Wachstum. Effizienz braucht zur Umsetzung immer mehr Energie. Hier wird die Kostenseite irgendwann dem Wahn ein Ende setzen. Effizienz ist ja nicht nur eine wirtschaftliche Fragestellung. Auch die Physik spielt hier eine maßgebliche Rolle. Nach meinen Gefühl (das Wissen dazu fehlt mir) verläuft Effizienz asymptotisch: im Unendlichen erreicht sie das Optimum, aber die Kosten explodieren lange vor der Unendlichkeit.

Ökonomie, so wie wir sie heute verstehen, steht auf drei Pfeilern: Kapital (i.w.S.), materielle Ressourcen und Menschen (auch als Humankapital bezeichnet). Ist einer dieser drei Faktoren defizitär, so ist die gewünschte Entwicklung massiv gestört. Wenn die erforderliche Zahl von Zuwanderern wirklich pro Jahr 400.000 Neubürger wäre, so ist naturgemäß die erste Frage: Wo sollen diese Menschen herkommen? Je größer die Bildungsunterschiede und je ‚fremder‘ der kulturelle Hintergrund sind, desto schwieriger wird die Eingliederung und umso länger wird sie dauern; von den gesellschaftlichen Kosten der Eingliederung ganz zu schweigen. Obwohl dieser Zuwachs von 400.000 Neubürgern jährlich nur 0,5% des Bestandes der Bevölkerung beträgt, kann man gegenwärtig nicht davon ausgehen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung diese Entwicklung begrüßt (obwohl keine sinnvolle Alternative erkennbar ist).

Die Folge unserer gegenwärtigen Entwicklung ist eine starke Alterung vieler Gesellschaften in Europa. Immer mehr alte Menschen brauchen Unterstützung und Zuwendung, um ihren Lebensalltag zu gestalten. Die Rentensysteme sind darauf nicht eingestellt. Das bestehende Rentensystem geht im Grundsatz davon aus, dass die Beiträge der Jungen den Bedarf der Alten decken. Diese Rechnung wird absehbar nicht aufgehen können. Auch nicht bei jährlich 400.000 hoffentlich jüngeren Neubürgern. Unser Rentensystem ist in der Finanzierung seit Anbeginn auf den Faktor Arbeit begrenzt. Ob in einer alternden Gesellschaft dieser Grundsatz noch Gültigkeit behalten kann, erscheint zweifelhaft. Heute schon wird aus anderen Töpfen zu finanziert.

Je mehr die Wirtschaft wächst, desto mehr Konsumenten (im In- oder Ausland) braucht sie, damit die Produkte Abnehmer finden können. Der Bedarf einer alternden Gesellschaft schrumpft aus sich heraus. Alte Menschen haben zum Konsum ein anderes Verhältnis als junge. Das Statusdenken entwickelt sich zurück, es gibt andere, neue Ziele, die durch das klassische Marketing kaum zu beeinflussen sind. Die alternde Gesellschaft ist eine Vorstufe zu einer schrumpfenden Gesellschaft. Ökonomisch bedeutet dieser schleichende Prozess, dass die Voraussetzungen für Wachstum in Europa möglicherweise aus Mangel an (jungen) Arbeitskräften und damit insbesondere auch an Konsumenten künftig gar nicht gegeben sind.

Was könnten die Ursachen für diese Entwicklung sein? Unsere Fertilitätsrate ist mit 1,34 Kindern zu niedrig, um die Sterberate und die Zunahme der allgemeinen Lebensdauer der Menschen auszugleichen. Die Fertilitätsrate beschreibt die durchschnittliche Zahl an Kindern, die eine Frau im gebärfähigen Alter in ihrem Leben zur Welt bringt. Unsere Bevölkerungsstruktur droht aus dem Ruder zu laufen und rasche Änderungen sind bei diesen langfristigen Prozessen nicht zu erwarten.

Wenn wir davon ausgehen können, dass die Gebährfähigkeit einer Frau nicht grundsätzlich in Frage steht, so muss es andere Gründe geben, warum sich die Rate so abgesenkt hat. Man wird dieser Problematik nur dann gerecht, wenn man versucht, die Perspektive der Frau einzunehmen und grundsätzlich davon ausgeht, dass die Entscheidungen der jeweils betroffenen Frau verantwortlich getroffen werden. Die Entscheidung, ein Kind in die Welt zu setzen, bedeutet für die Frau bewusst eine Abhängigkeit für mindestens 20 Jahre einzugehen. Das gilt prinzipiell auch für den beteiligten Partner, aber dessen konkreter Beitrag ist eher gering, wenn er die Mit-Verantwortlichkeit nicht akzeptiert.

Hat die Gesellschaft ausreichend Vorkehrungen getroffen, um eine Entscheidung für Kinder in diesem Zusammenhang sozial sinnvoll abzufedern? Die Nachkriegshaltung zur Rolle der Frau ließ sich durch die drei Buchstaben K-K-K beschreiben: (Küche, Kinder, Kirche). Etwa zehn Jahre vor meiner Eheschließung wurde erst das Gesetz aufgehoben, dass eine berufliche Tätigkeit der Ehefrau nur mit der Zustimmung des Ehemannes wahrgenommen werden konnte. Nicht viel besser verhielt es sich mit dem spät eingeführten Wahlrecht der Frau. Die konservative Politik war noch Jahre von dem Schema der drei ‚K‘ geprägt. Manchmal meint man feststellen zu können, diese Auffassung spukt auch heute noch in deren Köpfen herum.

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich seit dieser Zeit grundlegend geändert. Die Frauen haben die „Küche“ verlassen, haben hinsichtlich beruflicher Erwartungen mit den Männern nachgezogen, aber sie sind unverändert physiologisch jener Teil der Menschheit, der exklusiv Einfluss auf die Entwicklung unserer Spezies nehmen kann. Je mehr alternative Lebensentwürfe den Frauen möglich werden, desto mehr Konfliktstoff baut sich bei einer Entscheidung für Nachwuchs auf. Und hier haben wir, die Gesellschaft, – so meine These – die Frauen mit dem Entscheidungsproblem und den damit verbundenen Risiken weitgehend allein gelassen. Das Ergebnis ist ein Fertilitätsfaktor von 1,34 und eine überalterte Gesellschaft.

Die Entscheidung für ein Kind ist deutlich anders als z. B. eine Entscheidung für ein Auto oder eine Waschmaschine. Ein Kind ist ohne Zweifel eine Bereicherung, aber was muss eine Frau gewöhnlich an alternativen Lebensperspektiven dafür aufgeben und welche Risiken geht sie mit ihrer Entscheidung für das Kind ein? Warum gibt es denn so viele alleinerziehende Mütter? Warum im Vergleich nur so wenig alleinerziehende Väter? Warum gibt es ernstzunehmende Statistiken, die davon ausgehen, dass jedes fünfte Kind an der Armutsgrenze lebt? Warum ist die Altersversorgung der Frauen i.d.R. deutlich schlechter als die der Männer? Könnte es sein, dass hier ein gewisser Zusammenhang besteht?

Ohne tiefer in die Ursachen einzusteigen (dafür gibt es kompetentere Beiträge), erscheint mir die Frage einer gesicherten auskömmlichen Grundversorgung als ganz wesentlich. Diese Grundversorgung sollte unabhängig von den jeweiligen Lebensumständen der Frau gewährt werden. Egal, wie das Leben so spielt, Mutter und Kind (oder auch Vater und Kind) stehen auf einer gesicherten und auskömmlichen finanziellen Grundlage. Das nähme m.E. viel Druck aus der Nachwuchsentscheidung der jeweiligen Frau heraus.

Dieses Modell gibt es ja schon, es wird unter der Bezeichnung „bedingungsloses Grundeinkommen“ immer wieder erprobt, für gut befunden, aber nicht realisiert, weil einige Politiker immer noch glauben, dass der Leistungsgedanke dadurch untergraben würde. Die Empirie zu diesem Modell zeigt aber, dass das nicht der Fall ist, aber der Leistungsgedanke als Disziplinierungspeitsche bei Lohn – und Gehaltsverhandlungen verlöre natürlich viel von seiner Wirkung.

Wenn jeder in unserem Lande lebende Mensch ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ bezöge, werden wohl die Unternehmen die ersten sein, die diese Einkommensanteile bei der nächsten Lohnverhandlung einfach verrechnen werden. Mit anderen Worten, das bedingungslose Grundeinkommen wäre eine nachhaltige Konjunkturspritze, indem der Lohn- und Gehaltsfaktor in den Unternehmen um die Höhe des einheitlichen bedingungslose Grundeinkommens gekürzt würde. Als Folge steigen ceteris paribus die Gewinne der Unternehmen und damit auch die von ihnen abzuführenden Steuerbeträge. Damit ließen sich zumindest große Teile des „bedingungslosen Grundeinkommens“ finanzieren. Es bestünde m.E. sogar die Möglichkeit, den Gewinnsteuersatz anzuheben. Aber das muss politisch verhandelt werden. Es handelt sich um eine grundlegende Umverteilung mit dem Ziel, langfristig die Überalterung zu beseitigen und die Altersstruktur zukunftsfähig zu machen.

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Die Macht der Narrative

Narrative als ein anderes Wort für Erzählung oder „Märchen“, bestimmen in vielen Teilen das Verständnis über unsere „Welt“, in der wir leben. Narrative müssen nicht wahr sein, erringen aber oft den Status einer Wahrheit. Werden wir konkret: Das religiöse monotheistische Narrativ hat uns über nahezu zweitausend Jahre die Welt erklärt. Ob der Inhalt des religiösen Narrativs wahr ist, werden wir nie erfahren. Es wird erwartet, dass wir daran „glauben“.

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Eine m.E. sehr wirkmächtige Aussage des Narrativs fordert vor über 2000 Jahren auf, der Mensch solle sich die Welt untertan machen. Zu dieser Zeit war es eine eher unerfüllbare Forderung. Mit dem Aufkommen von Wirtschaft und Technologie unterstützt dieser „alte Spruch“ die Entwicklung der Menschheit der letzten 250 Jahre auf fatale Weise.

Die Macht dieses Narrativs verliert mit der Entwicklung der Technologie und des Ökonomischen. Die Aufklärung und die Entwicklung der Wissenschaften haben diesem Narrativ Schritt für Schritt das Wasser abgegraben. Dabei verlor das Narrativs die Möglichkeit, unser komplexes Leben zu dominieren und ist heute vielfach auf eine private Lebensauffassung reduziert. Aber der „alte Spruch“ spukt noch in den Köpfen der Menschen herum. Den Platz des ehemals religiösen Narrativs hat ein neues Narrativ eingenommen. Nennen wir es pauschal das ‚ökonomische Narrativ‘. Es steht hinsichtlich seiner normativen Kraft dem „alten“ Narrativ nicht nach, es hat sich der Aufklärung und teilweise dem Stand der Wissenschaften angepasst, ohne deshalb wahr sein zu müssen.

Teile des neuen Narrativs basieren auf einer Handlungsanweisung , die in der Philosophie unter dem Namen ‚Utilitarismus‘ geführt wird und deren Handlungsanweisungen auf der Basis einer rationalen Nützlichkeit entschieden werden. Hinzu kommen noch die „(Natur-)Gesetze“ der Ökonomie, die es in der Natur nicht gibt. Letztere sind Folgen der normativen Grundlagen, die sich die Ökonomen im Laufe der letzten 250 Jahre ausgedacht haben, damit in der Ökonomie möglichst rasch und möglich unterkomplex gehandelt werden kann. Gerade deshalb ist die Ökonomie ein soziales Konstrukt und keine Naturwissenschaft.

Im alten Narrativ gab es einen ‚Gott‘, im neuen Narrativ gibt es den Markt. Um im alten Narrativ „gottgefällig“ zu sein, gab es eine verbindliche Moral, deren Inhalt sich am einfachsten und sicherlich verkürzt mit Hilfe der ‚sieben Todsünden‘ umschreiben lässt. Wer es schaffte, die angesprochenen Todsünden zu meiden, hatte vermutlich ein krisenfesteres Leben und – als Versprechen – die Aussicht, nach dem Tode auf einen Zugang zur angeblich besseren Hälfte des Jenseits.

Im neuen Narrativ, deren Ausführungen sich um den „Marktgott“ ranken, sind die Aktivitäten von Nützlichkeitsüberlegungen geprägt. Die Todsünden des alten Narrativs waren klar benannt und die Regelungsinstanz war anerkannt und es gab nur wenig Spielraum. Die Nützlichkeitsüberlegungen haben keine Instanz, jedes Individuum hat die Freiheit, zu entscheiden, was ihm nützlich erscheint. Die alten Regeln bestimmten das Verhalten und mit hoher Wahrscheinlichkeit konnte man darauf vertrauen, dass die Regeln eingehalten wurden. Bei den Nützlichkeitsüberlegungen gibt es ähnliche Mechanismen, aber die Bandbreite, welches Verhalten noch zuträglich ist oder schon als indiskutabel betrachtet werden muss, ist gigantisch und wechselt mit dem Verständnis von Nützlichkeit in der jeweiligen Situation. Das Verhalten wird aus der Situation mit einem oft verantwortungslosen Gebrauch von angeblicher Freiheit heraus entwickelt und die Verlässlichkeit des Verhaltens und Handelns schwankt. Die Verbindlichkeit von „richtig“ und falsch“ wurden in weiten Teilen unseres Verhaltens aufgehoben. Die alt hergebrachten Todsünden sind heute in vielen Fällen sogar Grundlage unseres ‚erfolgreichen‘ Handelns (Selbstüberschätzung, Gier, Neid, Unbeherrschtheit, Schamlosigkeit, Maßlosigkeit und Gleichgültigkeit), um den Konsum als Grundlage unseres Wirtschaftssystems wachsen zu lassen.

Das ökonomische Narrativ hat vergleichbar mit dem religiösen Narrativ auch ein klares Versprechen: Ludwig Erhard hat dieses Versprechen in den 1950er Jahren in dem Slogan: „Wohlstand für alle!“ komprimiert. Das religiöse Narrativ hatte den Vorteil, dass die Möglichkeit eines ewigen Lebens sich erst nach dem Tode des Betreffenden realisiert. Dann war Reklamation aber faktisch unmöglich und sinnlos. Ludwig Erhard war dabei viel konkreter: Wohlstand im Hier, aber eben erst in der Zukunft – er sollte nach dem Kriege erst noch geschaffen werden. Für manchen hat sich diese Aussage auch noch zu Lebzeiten realisieren lassen.

Dann hat sich ab den 1970er Jahren das Narrativ in einigen wesentlichen Schritten gewandelt. Auf dem Mont Pélerin in der Nähe von Genf haben einige Ökonomen mit dem sozialen Marktgott gehadert und wollten das Maximale ohne das Soziale, eine durchökonomisierte Gesellschaft unter dem Namen des Neoliberalismus. Die Mont Pélerin – Gesellschaft war global der große Verkünder der neuen ökonomischen Sichtweise. Und sie war zu ihrer Zeit durchaus erfolgreich. Der unbedingte Markt erfordert letztlich auch eine marktgerechte Gesellschaft. Damit legten sie sich mit der Demokratie an. Und als viele der Ökonomen überzeugt der neoliberalen Sicht huldigten, kam die Finanzkrise 2008/2009 und offenbarte, dass dieses Markt-Narrativ die Weltwirtschaft in relativ kurzer Zeit von Krise zu Krise und an den Rand des Zusammenbrauchs geführt hatte. Viele betrachten diesen Zeitpunkt als das Ende des Neoliberalismus, wenngleich er noch in den Köpfen vieler Ökonomen herumspukt.

Das wird sich im Rahmen einer neuen Entwicklung verflüchtigen, weil die Autokraten gegenwärtig weltweit versuchen, das Heft in die Hand zu bekommen. Die lange geltende Maxime „Wandel durch Handel“ setzt voraus, dass Krieg kein Mittel der Politik ist. Nicht nur Europa ist aus seinem Schlafwandel aufgeschreckt und man stellt fest, dass die alleinige Fixierung auf den Markt ihre Basis verloren hat. Die offenbaren Mängel in unserer Infrastruktur i.w.S. sind so gravierend, dass es den Anschein hat, dass dem Staat wieder eine veränderte Rolle zugewiesen werden muss. Verteidigungsbereitschaft, Cybersicherheit, Digitalisierung, Energieversorgung sind Infrastrukturmaßnahmen, die in unruhigen Zeiten nicht dem Markt überlassen bleiben können. Wie diese Entwicklung längerfristig weitergehen wird, ist m.E. angesichts der Präsidentschaftswahlen in den USA noch ziemlich unklar.

Nun zurück in die 1970er Jahre: Es wurden zu dieser Zeit die ersten Erkenntnisse veröffentlicht, die dem Wirtschaftssystem des beginnenden Neoliberalismus die globalen Grenzen aufzeigten. Das Narrativ vom ewigen Wachstum bekam Risse, weil die Wissenschaften plausibel zeigen konnten, dass ewiges Wachstum auf einem begrenzten Planeten eine physikalische Unmöglichkeit darstellt. Die Ökonomen waren sich ihrer Ideologie aber so sicher, dass sie in einem ersten Schritt die Veröffentlichungen dieser Erkenntnisse einfach ignorierten oder lächerlich machten.

Als Antwort der Ökonomie wurde vor sicherlich mehr als 30 Jahren die ‚Dematerialisierung‘ des Wirtschaftssystem als neues Narrativ zu etablieren versucht. Es war die merkwürdige Idee, man könne eine wachsende Wirtschaft auch ohne ständig wachsenden Ressourceneinsatz darstellen. Bis heute wartet die Welt seit mehr als 30 Jahren auf den Nachweis, wie diese fixe Idee realisiert werden soll. Diese Wartezeit hat die Wirtschaft exzessiv genutzt, um dem Wachstum zu huldigen. Es sollte auch den letzten informierten Menschen klar geworden sein, dass hier ein gewaltiger Dissens zwischen den Zielen des Wirtschaftssystems und den Erkenntnissen der Wissenschaften besteht. Die Wirtschaft redet von den Erfolgen des ‚Schneller, Höher, Weiter‘ des nächsten Vierteljahres (ohne sich um die längere Perspektive zu scheren) und die Wissenschaften versuchen seit 50 Jahren zu vermitteln, dass dieses Denken die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten in eine Situation führt, die – verglichen mit heute – keinesfalls erstrebenswert ist.

Die Aussage „Wohlstand für alle“ ist seit den 1950er Jahren ein Versprechen, das sich trotz der ausschließlichen Konzentration auf Wachstum nicht realisiert werden konnte. Die Vermögensverteilung hat sich weiter verschärft: es gibt immer mehr extrem vermögende Personen, der sogenannte Mittelstand verliert und die Zahl der Habenichtse wächst, trotz des Wachstums des Bruttoinlandsproduktes. Hier besteht eine klaffende Lücke zwischen Bruttoinlandsprodukt als Maß für Wachstums und dem Begriff des Wohlergehens der breiten Bevölkerungsschichten unseres Landes. Das dahinter stehende Narrativ wird unglaubwürdig. Das liegt auch daran, dass das Narrativ, das durch die Überschrift ‚Wohlstand für alle‘ umschrieben wird, im Neoliberalismus seine Bedeutung verlor. Neoliberalismus ist nicht für alle, er ist nur etwas für „Sieger“.

Es geht im Neoliberalismus um das Individuum, dass sich mit Haut und Haaren der ökonomischen Marktrationalität unterwirft und so handelt, wie es der homo oeconomicus demonstriert. Eine Gesellschaft oder Gemeinschaft, die naturgemäß auch Ansprüche an den einzelnen stellt und stellen muss, kennt der Neoliberalismus nicht, so Margret Thatcher. Es geht nur um die (wenigen) „Sieger“, die sich gewöhnlich nicht um andere kümmern. Die Begriffe ‚Sieger‘ und ‚alle‘ schließen sich wechselseitig aus. Das neoliberale Narrativ ist das Narrativ der Siegertypen, wobei man nicht fragen darf, über welche Verhaltensweisen der Sieger seine Position erreicht hat: durch eigene Leistung, durch glückliche Umstände oder vielleicht durch „Selbstüberschätzung, Gier, Unbeherrschtheit, Scham-, Maß- und Verantwortungslosigkeit“.

Wir sehen also mindestens folgende Problemstellungen: Das religiöse Narrativ hat seine Verbindlichkeit verloren, aber die dort vertretende Moral hat in vielen Fällen unbewusst noch Gültigkeit. Das ökonomische Narrativ hat sich abgenutzt und das Versprechen ‚Wohlstand für alle‘ wurde nicht eingelöst. Dieses Narrativ steht zudem unter Druck durch die Wissenschaften, die darstellen können, dass unsere gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung nicht zukunftsfähig ist.

Was es braucht, ist ein neues positives Narrativ, das eine Antwort auf die veränderten Bedingungen bereitstellt. Dabei haben die Versprechen der alten Narrative, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind, immer noch einen gewissen Einfluss. Narrative arbeiten nicht unbedingt intellektuell, sondern bevorzugt mit Emotion, die nicht erkennen will, dass deren Versprechen nicht mehr in die Zeitumstände passen. In Zeiten, die als unsicher begriffen werden, greift die Emotion gerne auf eine vermeintlich bessere Vergangenheit zurück, statt sich einer realistischen Vorstellung von den künftigen Chancen zu widmen.

Sehr ärgerlich ist dabei die Ignoranz und Phantasielosigkeit die Ökonomen, die durch ihre Haltung jede Gemeinsamkeit mit den sie zurecht kritisierenden Wissenschaften ablehnt. Wirtschaften im Sinne der Ökonomie ist ohne Wachstum nicht möglich, sagen sie. Es fehlt den Ökonomen an Phantasie, das Wirtschaften auf eine andere Grundlage zu stellen. Statt einer Ökonomie, die durch den Kapitaleinsatz das Angebot bestimmt, das dann durch Marketingmaßnahmen dem Konsumenten manipulativ nahegebracht wird, wäre eine Ökonomie der Nachfrage denkbar, bei der nicht das Bedürfnis, sondern der effektive Bedarf die Produktion bestimmt. Das Dogma der grenzenlosen Bedürfnisse ist eine Erfindung des Marketing, um Wachstum und Skaleneffekte künstlich zu erzeugen. In der Historie hatten wir lange Zeit ein ganz geringes Wachstum und die Welt ist dabei nicht zusammengebrochen. Heute ist das System weitaus komplexer und vielfältiger. Das gäbe völlig neue Chancen. Es könnte aber sein, dass die ideologische Blase, die die Ökonomie sich geschaffen hat, dadurch in sich zusammenfällt und ihr Einfluss auf unser tägliches Leben künftig stark zurückgedrängt wird.

Welches Versprechen könnte das künftige Narrativ machen, ohne von vornherein als unglaubwürdig oder inakzeptabel zu sein? Es muss den Nerv der Vielen treffen und es muss ein Versprechen sein, das langfristig erreichbar scheint und das eine breite Zustimmung findet. Da ist noch viel Platz nach oben.

Eine andere Möglichkeit wäre, der alten Forderung „Wohlstand für alle“ eine neue (gerechtere) Bedeutung zu geben. Das Ziel müsste doch sein, die Gesellschaft wieder hinsichtlich der Wohlstandverteilung homogener zu machen, die vorhandene Spreizung von ‚superreich‘ bis ‚Grundsicherung‘ zu reduzieren. Dazu braucht es m.E. klare Begrenzungen und innerhalb der Grenzen ein deutliche Reduzierung der Bürokratie. Das könnte ungeahnte Kräfte freisetzen, weil die eingefahrenen Selbstverständlichkeiten neu definiert werden müssen und Kreativität gefragt ist, mit den neuen Grenzen konstruktiv umzugehen. Dann kann aber das Bruttoinlandsprodukt nicht mehr das Kriterium für Wohlstand sein, sondern z. B. der Gini-Index als Maß der Vermögensverteilung oder etwas Vergleichbares, jedoch einfacher strukturiert und besser kontrollierbar. Es geht dann nicht mehr um Wachstum, sondern um eine regelmäßig vergleichende Darstellung der Spreizung der Vermögens, mit dem Ziel, die Spreizung mittelfristig zu reduzieren.

Ein weiterer Ansatz könnte unter dem Begriff „für alle“ mehr erfassen als nur die Arbeitnehmerschaft, die wohl ursprünglich mit dem Slogan gemeint war. „Alle“ könnte auch unsere Mitwelt erfassen, der wir mit unserer Wirtschaftsweise ihre Chancen auf ein respektiertes Leben (i.w.S.) verweigern. Diese Sichtweise setzt wohl auch voraus, dass wir auch global der Spezies Mensch diese Chance auf ein respektiertes Leben realisieren. Dieses Ziel ist bisher weder über Wachstum noch über große Sprüche großer Konferenzen erreicht worden.

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Klimawandel und das ‚liebe Geld‘

Klimawandel ist leider angesichts anderer drängender Herausforderungen etwas in den Hintergrund getreten. Vielfach reicht auch nicht die vorhandene Perspektive, um zu erkennen, dass die Klimakrise sehr umfassend unser Leben schon beeinflusst bzw. künftig beeinflussen wird, egal wie viel andere Aspekte unseres Zusammenlebens sich zeitweise in den Vordergrund schieben werden. Einen Gesichtspunkt des Klimawandels vermisse ich aber ganz besonders: den Gesichtspunkt der Finanzen.

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Dabei geht es nicht um die Schuldenbremse oder andere eher kleinkarierter Regulierungen, sondern um den Versuch einer Bewertung alternativer Lösungsszenarien. Ganz grob gestrickt gibt es nach meiner Auffassung nur zwei realistische Szenarien: das konservative, verharrende Szenario des „Augen zu und weiter so“ und als Alternative den Ansatz einer Transformation, wobei ich den Beinahmen „groß“ vorsichtshalber weglasse. Sollte der Ansatz in seinen wesentlichen Gesichtspunkten gelingen, können wir ihn immer noch rückblickend mit diesem Attribut versehen.

Das verharrende, als konservativ etikettierte Szenario lebt von der Hoffnung, dass der Klimawandel nur ein vorübergehendes Phänomen ist und der ‚Markt‘ das Problem auf die eine oder andere Art zu lösen in der Lage ist. Das Missverständnis besteht darin, dass der Markt immer in Symbiose zum Staat und seinen Institutionen steht. Nur der Staat ist in der Lage, die Voraussetzungen zu schaffen, die ein funktionierender Markt benötigt: Rechtssicherheit, Durchsetzung von Regeln, Regelung des Eigentums, Gerichtsbarkeit im Falle von Konflikten u.v.m..

Die alternative Forderung nach einer Transformation ist noch mehr als der Ansatz des „weiter so“ auf den Staat und seine funktionierenden Institutionen angewiesen, weil hier aktiv ein bewusster Wandel vollzogen werden soll und es schwer fällt, zu erkennen, ob unsere politischen Strukturen absehbar die Schubkraft vereinen können, ein solches Projekt an den Start zu bringen, geschweige denn auch durchzuhalten. Die Transformation wäre keine Frage einer Legislaturperiode oder einer bestimmten Partei, eher könnte man von einer Generstionenaufgabe sprechen.

Um diese Herausforderung nachvollziehbar zu machen, gehe ich nicht darauf ein, was wir im einzelnen alles verändern müssen oder sollten, sondern frage mich, was wird geschehen, wenn wir das Schadenereignis „Ahrtal“ (13.7. – 16.7.2021, auch als „Sturzflut Bernd“ bezeichnet) als Beispiel zu Grunde legen. Dieser Großschaden hat Kosten von 40 Mrd. Euro ausgelöst. Der Wiederaufbau ist heute nach etwa 3 Jahren immer noch nicht abgeschlossen. Und in Mai/Juni 2024 setzen Starkregenfälle einmal das Saarland und dann große Teile Süddeutschlands unter Wasser. Und jüngst auch die südlichen Teile der Schweiz Die dabei auftretende Schadenhöhe ist noch nicht seriös abschätzbar, weil es sich nicht nur um realisierte Wasserschäden handelt, sondern auch um Folgeschäden (Ernteschäden, Infrastrukturschäden u.v.m.).

Das konservative Szenario lebt von der Hoffnung, dass diese Schäden nur vorübergehend sind und dass wir (die Gesellschaft und Wirtschaft) damit umgehen können, ohne ernsthaften Schaden zu nehmen. Diese Annahme ist äußerst fragwürdig, weil die Schadenhäufigkeit seit rd. 30 Jahren „Fahrt aufnimmt“. Ein Rückgang der Schadenhäufigkeit ist nicht zu erwarten. Das Absurde der Situation liegt darin, dass unser politischer Wohlstandbarometer den Schaden gar nicht wahrnimmt. Stattdessen wird der Wiederaufbau der Zerstörung als weiteres Wachstum erfasst und stützt damit die scheinbare Vorteilhaftigkeit der Alternative „weiter so“. Die Tatsache, dass in diesem Fall der Maßstab absolut ungeeignet ist, wird gerne übersehen.

Die konservative Hoffnung ist also trügerisch. Die Großschadenereignisse nehmen weltweit zu. Die Beschleunigung der Schadeneintritte bereitet der Versicherungswirtschaft ernsthafte Sorgen. Die international agierende Sachversicherungsbranche lebt (anders als die Politik) davon, die Großschadenshäufigkeiten hinsichtlich der Schadenerwartungswerte (Schadenhöhe x Eintrittswahrscheinlichkeit) möglichst präzise zu antizipieren, um im Falle des Schadeneintritts in der Lage zu sein, die versicherten Schäden auch finanziell bedienen zu können. Für sie ist jede Fehleinschätzung der bestehenden Großrisiken bestandsgefährdend. Man kann davon ausgehen, dass hinter dieser Sorge ein reales, wissenschaftlich belegtes Risiko steckt, das die Branche in vollem Umfang und uneingeschränkt anerkennt. Damit ist die Wirtschaft der Politik, insbesondere deren Vertreter vom rechtsradikalen Rand, in der Erkenntnis der Sachlage meilenweit voraus. Wenn also die Wirtschaft unter Einsatz von Kapital sich auf ein wachsendes Problem versucht einzustellen, wäre es eigentlich an der Zeit, auch politisch das Reden durch Handeln zu ersetzen.

Die Statistiken der letzten 30 Jahre zeigen eine Zunahme der Häufigkeit von großen Schadenereignissen. Die Schadenerwartung zwingt die Sachversicherer eine ausreichende Vorsorge zu betreiben. Die Prämien werden steigen, weil die Höhe und die Zahl der Schäden zunimmt. Die Versicherer werden ihre Kunden verpflichten müssen, künftig auf eigene Kosten Schadenvorkehrungen und -vermeidung zu betreiben. In meinem Heimatort habe ich noch nie so viele „vollgelaufene“ Keller erlebt. Aus jedem zweiten Neubau wurden enorme Grundwassermengen abgepumpt. Die Kanalisation war stellenweise nicht in der Lage (lange nach dem Regenfall) das abgepumpte Wasser aufzunehmen.

Was bedeuten die Schadensphänomene von zuviel Wasser, zuviel Hitze und Dürre für die absehbare Zukunft? Das Ahrtal kämpft nach drei Jahren immer noch mit der Bürokratie und mit fehlenden Handwerkern. Stellen wir uns vor, dass solche Großschäden nicht mehr nur alle 10 Jahre in Deutschland auftreten, sondern alle fünf Jahre, dann alle drei Jahre, denn wir produzieren weiterhin munter CO2 und Methan und andere „Kostbarkeiten“, die die Wetterereignisse vor sich hertreiben. Anfänglich bleibt es punktuell, mal im Norden, mal im Süden der Republik, dann sowohl als auch und dann nahezu gleichzeitig. Und viele Schäden werden nicht versichert sein. Deutschland wird sich dann von einer Exportnation in eine „Reparaturnation“ wandeln. Die Schäden werden soviel Arbeitskapazitäten binden, dass wir über kurz oder lang die Schadenaufarbeitung zeitlich werden strecken müssen. Die Schadensfälle laufen damit unweigerlich ineinander und kumulieren sich in ihrem Aufwand. Das eine Ereignis ist noch nicht „verdaut“, da gibt es schon ein neues Schadenereignis.

Was bedeutet das für unsere Wirtschaft? Der Arbeitskräftemangel wird sich weiter verschärfen. Die Handwerksberufe werden möglicherweise eine neue Blüte erfahren, denn wer soll die Reparaturen sonst durchführen? Die Industrie ist darauf nicht eingestellt. Ihr allgemeiner Fokus liegt auf dem Verkauf von Neuware, und nicht auf der Reparaturdienstleistung. Die ständigen Reparaturen werden teuer werden, weil die Arbeitskräfte knapp sind. Das Einkommen, dass in der Vergangenheit reichlich in den Konsum floss, wird jetzt zwangsläufig in Reparaturen investiert. Bei dem damit verbundenen Rückgang des Konsums werden große Teile unserer Wirtschaft kurzarbeiten müssen. Denken wir an die Gastronomie oder an die Touristik, denken wir an Kultur und sogenannte Events. Wir laufen, ob wir wollen oder nicht, in eine uns vom Klimawandel aufgezwungene Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, bei der sich die konservativen Vertreter des „Weiter so“ verwundert die Augen reiben werden: „Das haben wir so nicht gewollt!“ Sie können dann nur hoffen, dass das Erinnerungsvermögen ihrer Wählerklientel deutliche Mängel aufweist. Das, was mit dem ‚konservativen‘ Ansatz auf jeden Fall vermieden werden sollte, nämlich bewusst eine tiefgreifende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auszulösen, muss dann als gescheitert bezeichnet werden. Wir haben dann genau jenen Zustand erreicht, den der ‚konservative‘ Ansatz auf jeden Fall vermeiden wollte.

Wir müssen davon ausgehen, dass die große Anzahl von Reparaturen erhebliches Kapital binden werden, der Konsum mangels verfügbarem Einkommen erheblich zurückgefahren wird, als Folge sinkt der Wohlstand. Es ergibt sich das Paradoxon, dass das Wachstum aufgrund der Reparaturen zunimmt, aber der Wohlstand der Bevölkerung m.E. deutlich sinkt. Diese Entwicklung könnte zur Folge haben, dass vermutlich der CO2– und der Methanausstoß drastisch abnehmen. Diese Entwicklung wäre nicht auf Deutschland beschränkt und könnte dazu führen, dass der Klimawandel eingebremst wird. Ob damit sichergestellt werden kann, dass die bis dahin eingetretenen Kipp-Punkte für die Klimaentwicklung rückgängig gemacht werden können, erscheint zweifelhaft. Diese Prozesse sind i.d.R. nicht reversibel.

Die Entwicklung dieser Vorgänge und ihre Folgen kann man nur mit einem großer Maß an Unsicherheit in eine Zeitfolge setzen. Es kann sein, dass die beschriebene Entwicklung aufgrund der Trägheit der Beteiligten und dem schwer einzugrenzenden Risikoverlauf eine exponentielle Entwicklung nimmt und damit der Verlauf des Geschehens auf der Seite des Klimawandels nicht mehr kalkulierbar sein wird. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die gesellschaftlichen Veränderungen eine Entwicklung nehmen, die man mit dem konservativen Slogan „weiter so“ gerade ausschließen wollte. Die staatlichen Institutionen könnten zusammenbrechen.

Die Kosten für die ständig notwendigen Reparaturen werden überproportional ansteigen und werden den Wohlstand in Frage stellen. Der Klimawandel hätte dabei eine ähnliche Auswirkung auf die Wirtschaft wie eine kriegerische Auseinandersetzung: Alle Kraft konzentriert sich auf die Schadenbegrenzung bzw. die Reparaturen. Aber mit dem Klimawandel ist nicht zu verhandeln. Das Spiel geht so lange, bis die Wirtschaftsleistung sinkt. Bis dahin verschärfen wir mit jedem Jahr des Wachstums die Klimakrise. Die laufenden Reparaturaufwendungen werden gewaltige Kapitalbeträge binden, die für alternative Projekte nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Auch dadurch wird die Wirtschaftsleistung tendenziell sinken. Wo soll bei sinkender Wirtschaftsleistung das Einkommen herkommen, mit dem die ständig neuen Reparaturen bezahlt werden sollen? Das ist ähnlich einer Kriegswirtschaft: Wir werden mehr Schulden machen müssen. Auf längere Sicht wird diese Entwicklung das Vertrauen in unsere Währung bestimmt nicht stärken.

Das hier grob umrissene Szenario hat in ähnlicher Form, aber auf anderer Grundlage, vor 22 Jahren eine Gruppe von Wissenschaftlern um Paul Raskin1 entwickelt, wobei sich dieser Kreis noch auf wesentlich mehr Hypothesen stützen musste. Die Ausführungen sind breiter angelegt, es wird allgemeiner argumentiert, sie sind aber im Ergebnis m.E. vergleichbar.

Wenden wir uns der Alternative zu, die unter dem Begriff der Transformation behandelt wird. Die Wissenschaft weiß in groben Zügen und mit einem zugegeben weiten Unsicherheitsbereich, wie diese Transformation vollzogen werden könnte. Was eindeutig fehlt, sind Politiker, denen wir diese Mammutaufgabe zutrauen können und eine Bevölkerung, die die Notwendigkeit einer Transformation erkennt und gewillt ist, diese Transformation zu unterstützen. Was wäre die Chance, die sich mit der Transformation verbinden ließe: Man hätte eine Möglichkeit, den Prozess zeitlich deutlich zu verkürzen bzw. in Teilen auch zu steuern.

Wie ist das zu verstehen? Solange wir weiterhin das „Weiter so“ praktizieren, werden aufgrund der Erwärmung der Atmosphäre die Schadenereignisse sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer Mächtigkeit zunehmen. Das wird erst dann ein Ende finden, wenn global die Wirtschaftstätigkeit durch die Schäden soweit reduziert wird, dass wir im Grunde auf ein Niveau kommen, das der Atmosphäre die Möglichkeit bietet, ein neues dynamisches Gleichgewicht zu entwickeln. Diese Prozesse sind globale Prozesse, die zu ihrer Stabilisierung oft Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte benötigen. Man kann auch überschlägig abschätzen, was uns die Alternative „Weiter so“ kosten wird. Es wird möglich sein, sich zu fragen, ob nicht die Forcierung der Transformation für die Menschheit die deutlich günstigere Alternative ist. Die Frage dabei bleibt, ob wir es stemmen, neben den ‚Reparaturleistungen‘ auch noch eine strukturelle Umbauleistung (eine reale Transformation) voranzubringen.

Je länger wir uns nicht trauen zu handeln, desto größer wird die später notwendige Anstrengung sein, ohne je die Garantie zu haben, dass es gelingt. Man kann m.E. keine seriöse Aussage treffen, in wieweit dieser Planet dann noch im heutigen Sinne bewohnbar sein wird. Aber je länger der Reduktionsprozess dauern wird, desto heißer wird die Erdoberfläche sein.

Die angestrebte Transformation wird diese Tendenz nicht grundsätzlich ändern können, hätte aber die Chance den Anpassungsprozess zeitlich deutlich zu verkürzen. Je schneller wir die Reduktion auf ein verträgliches Maß einleiten können, desto weniger Schäden werden wir zu reparieren haben und desto weniger „Desaster“ werden wir akzeptieren müssen.
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1Paul Raskin et al., Great Transition – Umbrüche und Übergänge auf dem Weg zu einer planetarischen Gesellschaft, Deutsche Fassung (2002) – HG der dt. Ausgabe: Hessische Landesstiftung der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. (HGDÖ), S.33 – 35 u. S. 37 – 39

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Kreislaufwirtschaft – was könnte das sein?

Bei Gesprächen zum Thema Umwelt taucht immer wieder der Begriff der Kreislaufwirtschaft auf. Viele werden an den Begriff des sogenannten Wirtschaftskreislaufs in der Ökonomie erinnert und damit endet das Erinnerungsvermögen. Man glaubt damit das Phänomen ausreichend verstanden zu haben. Bei genauerem Hinsehen muss man feststellen, dass kaum einer so recht weiß, was damit gemeint ist, je nach dem, ob er aus den Naturwissenschaften oder aus der Ökonomie kommt.

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Die Ökonomie verwendet Kreislaufmodelle, aber die beschreiben nur den Kreislauf des Geldes. Den dahinter stehenden Mengendurchsatz kann die Ökonomie gar nicht erfassen, noch beurteilen. Was nicht in Geld ausgedrückt werden kann (wie z.B. Externalitäten), taucht in dem Modell auch nicht auf. Bei genauerer Betrachtung reduziert sich der in Geld erfasste Durchsatz an Material im Grunde auf eine schlicht lineare Beziehung: Ressourcenbereitstellung als Beginn der arbeitsteiligen Wirtschaft und deren komplexe Verarbeitung bis zum Endabnehmer. Also kann von Kreislauf keine Rede sein. Dabei werden die durch die Natur gesetzten Grenzen der Ressourcen umgangen, indem die Ökonomie keine Grenzen akzeptiert, sondern mit einer ewigen Substitution arbeitet. Und nach dem Verkauf an den Endkunden haben alle hoffentlich ihr Geld verdient. Der Müll rutscht deshalb „aus den Augen, aus dem Sinn“ in die ‚Rubrik‘ der Externalitäten und taucht in der Ökonomie nicht mehr auf. Das kann mit Kreislaufwirtschaft wohl nicht gemeint sein!

Diejenigen, die den Begriff der Kreislaufwirtschaft etwas differenzierter betrachten wollen, können sich auf die Naturwissenschaften beziehen . Dabei wird oft auf die Aussage hingewiesen: Die Biosphäre kennt keinen Abfall. Damit wird der Umstand erfasst, dass für jeden sichtbar, im Herbst und Winter die „Abfälle“ zweifelsohne entstehen, aber sofort mit der Ruhephase des Naturkreislaufs jener wesentliche Teil der Biosphäre zum Einsatz kommt, der sich des „Abfalls“ annimmt und diesen Schritt für Schritt in unterschiedlichen Zeiträumen wieder so weit aufzulösen in der Lage ist, bis der ehemalige „Abfall“ in seine natürlichen Bestandteile zerlegt ist. Dieser Prozess wird auch während der Vegetationsphase im Boden (weitgehend unsichtbar) fortgeführt. Die Biosphäre wird dadurch in die Lage versetzt, im Rahmen ihrer jährlichen Wiederaufbauphase die Photosynthese und die mineralische Versorgung aufzunehmen, um eine neue Kreislaufrunde einzuleiten.

Dies ist bei aller laienhaften Beschreibung das „große Modell“ der Kreislaufwirtschaft. Was sollte dem Leser dabei auffallen?

  • Die Kreislaufwirtschaft kommt ohne den Abbau von fossilen Vorräten aus.
  • Die Energiezufuhr im „großen Modell“ beschränkt sich auf die Sonneneinstrahlung.
  • Die Biosphäre begünstigt die Produktion solcher Produkte, die qualitativ (mit gewissen Verlusten) wieder in ihre Ausgangsstoffe rückführbar sind.
  • Die Verluste sind der Entropie geschuldet.
  • Der Mensch spielt keine maßgebliche Rolle, er kann aber die Prozesse nutzen.
  • Das ‚Recyceln‘ ist die klare Produktionsoption. Die Produkte sind so gestaltet, dass recyceln selbstverständlich ist. Wegwerfen ist keine Option – wohin auch!
  • Die oft unbeachteten Zersetzungsstrukturen der Biosphäre stellen mindestens die Hälfte der Bezüge dar, die eine Kreislaufwirtschaft erst erfolgreich machen.
  • Eine Kreislaufwirtschaft verwendet zur Produktion und Zersetzung ihre eigenen Zeiträume, das eigene Maß und die dem Prozess angemessene Geschwindigkeit. Die Vorgänge werden nicht von Effizienzüberlegungen dominiert.
  • Die planetare Biosphäre arbeitet subsistent, d.h. sie produziert und sie zersetzt das Produzierte wieder. Überschüsse haben für das planetare System keinen Nutzen.
  • Das System der planetaren Biosphäre ist weitgehend selbststeuernd und recht stabil. Die gegenwärtigen menschlichen Versuche der Einflussnahme führen deshalb nicht zum Zusammenbruch der Biosphäre, sie stellen nur die dominante menschliche Spezies vor kaum lösbare Aufgaben.

Es ist zu vermuten, dass dieses „große Modell“ als Vorlage für das „kleine Kreislaufwirtschafts-Modell“ diente, das im Rahmen der extensiven Landwirtschaft entwickelt wurde. Ein landwirtschaftlicher Betrieb, der sich die Kreislaufwirtschaft zu nutze macht, hat nach meinem Verständnis das Ziel der Subsistenz: Nutzung der vorhandenen Ressourcen, Minimierung des Zukaufs und ein naturverträglicher, mit den gegebenen Möglichkeiten erzielbarer Überschuss, der über den Eigenbedarf hinausgeht. Im großen Modell ist die Erzielung eines Überschusses nicht sinnvoll. Wer sollte ihn abnehmen? Im kleinen bietet der Überschuss die Möglichkeit an einem Markt teilzunehmen, um die Vielfalt der Produkte zu erhöhen, die genutzt werden können.

Auf die landwirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen kann ich hier mangels ausreichender Kenntnisse nicht eingehen. Soweit ich es beurteilen kann, reduziert das kleine Modell i.d.R. die oft hohe Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe (Monokulturen). Wenn man nicht zukaufen will oder kann, muss das Fehlende selbst produziert werden. Das führt m.E. zum landwirtschaftlichen Allrounder, der von jedem etwas bietet, aber das Ziel hat, den natürlichen Kreislauf für den eigenen Betrieb zu gestalten und zu nutzen.

Wenn nun alle landwirtschaftlichen Betriebe Subsistenz betreiben würden, gibt es möglicherweise rasch Konflikte mit Vorstellungen, die der Spezialisierung das Wort reden. Die Arbeitsteilung, die wir insgesamt erreicht haben und die schwerlich wieder zurückgenommen werden kann, toleriert ohne Zweifel einen Anteil von schwerpunktmäßig subsistenten Betrieben, aber für eine ausreichende Ernährungssicherheit auf nationaler oder übernationaler Basis ist das „kleine Modell“ nur schwer vorstellbar.

Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft erscheint als das kleinere Problem. Kreislaufwirtschaft auf ein ganzes Wirtschaftssystem zu übertragen, ist eine deutlich größere Nummer. Und hier fehlt uns in der Ökonomie für einen erheblicher Teil des Prozesses die Theorie und Praxis. Wir müssen entweder von der reinen Geldbetrachtung verabschieden und uns auf die umgesetzten Mengen konzentrieren. Oder wir müssen erkennen, dass unsere Transformation der Prozesse in Geld hochgradig unvollständig ist; m.a.W. die Preise, mit denen wir heute hantieren, sind hinsichtlich der erfassten Ressourcen unvollständig und vernachlässigen wesentliche Teile des tatsächlichen Prozesses. Gemeint sind damit die sogenannten Gemeingüter (auch Commons genannt), die allen gehören, für die es keinen Markt gibt und die deshalb keinen Preis haben. Sie fließen gegenwärtig so nebenbei in die Produktion mit ein. Dabei ist die Hoffnung, dass bei echten Preisen aller (auch und gerade die „Preise“ der verwendeten Gemeingütern) am Prozess beteiligten Ressourcen dann ein nahezu vollständiges Bild der wirtschaftlichen Lage entsteht und so etwas wie Kreislaufwirtschaft entstehen kann bzw. möglich wird.

Wenn der Verbrauch (einschließlich der Gemeingüter) zu wahren, realen Kosten erfasst wird, werden sich die Strukturen unseres gegenwärtigen Systems sehr grundlegend ändern. Viele Produkte und Geschäftsmodelle werden sich schrittweise in Luft auflösen, weil niemand mehr bereit ist, angesichts des relativ geringen Nutzens die realen Kosten zu tragen.

Die folgenden Ausführungen gehen in Teilen auf Gedanken von Andreas Weber1 zurück, der dafür plädiert, die Wirtschaft (und damit wohl auch große Teile der Gesellschaft) an „zehn Geboten für eine humanistische Wirtschaft“ auszurichten. Ökonomisch konzentriert er sich nicht auf eine Kreislaufwirtschaft, sondern darauf, die ökonomischen Informationen (die Preise) auf eine realistische Basis zu stellen. Seine These folgt der Erkenntnis, dass die gegenwärtige Preisbestimmung nur jene „Preise“ einbezieht, die auf einem Markt entstanden sind. Diese Vorgehensweise vernachlässigt wesentliche Wirtschaftsgrundlagen. Im Wesentlichen kann man diesen Mangel auf die Unterlassung der preislichen Erfassung der Gemeingüter zurückführen, die (aufgrund des fehlenden Marktes) bisher keine Preise haben, aber ganz wesentlich dazu beitragen, dass die Wirtschaft diese Gemeingüter kostenlos nutzen und zu ihrem Vorteil verwenden kann.

Webers Begriff der Gemeingüter umfasst klassisch jene Güter, die wie Luft, Wasser, Landflächen, die im öffentlichen Besitz stehen, und von allen Bürgern unentgeltlich genutzt werden können. Ein kleiner Teil der Bevölkerung nutzt sie zu gewerblichen Zwecken. Zu den Gemeingütern zählt m. E. auch die Infrastruktur, weil man der Meinung sein kann, dass diese Struktur von allen Bürgern finanziert wurde, deren gewerbliche Nutzung also nicht einfach kostenlos gewährt werden darf. Der Gemeingüterbegriff ist seit einer Studie mit dem törichten Namen „Die Tragödie der Almende“2 in Verruf geraten. Erst die Studien von Elinor Ostrom3 haben diese Auffassung durch weltweite, empirische Untersuchungen als Ideologie entlarvt.

Das offensichtliche Problem liegt nun darin, dass es für die Gemeingüter keinen Markt gibt und auch nicht geben sollte. Wenn es keinen Markt gibt, gibt es nach herkömmlichem Verständnis auch keinen Preis. Das ist nicht zwangsläufig richtig – es gibt mangels Markt keinen Tauschwert! Es gibt aber sehr wohl einen Gebrauchswert, der in einer sogenannten Marktwirtschaft den Makel hat als eine Idee des Teufels angesehen zu werden und dessen Anwendung gerne vermieden wird. Der Gebrauchswert muss mangels eines Marktes anders bestimmt werden. Es gibt verschiedene Alternativen der Wertbestimmung, z.B. auf der Basis von Kosten oder durch die Einschätzung des individuellen oder gesellschaftlichen Nutzens der Sache. Das macht den Gebrauchswert wenig handlich und öffnet ihn auch für individuelle Bewertungsansätze.

Es gibt das Sprichwort: die Ökonomie kennt von allem den Preis, nicht aber den Wert. Auf den ersten Blick führt der gewählte Ansatz, für alle Ressourcen ‚Preise‘ anzusetzen, in die falsche Richtung. Der Grund für die obige Aussage liegt vermutlich darin, dass wir üblicherweise mit dem Marktwert hantieren und wir es wegen der fehlenden Handlichkeit vermeiden, den Gebrauchswert in Erwägung zu ziehen. Der Wert einer Sache wird beim Gebrauchswert nicht durch einen (oft spekulativen) Markt bestimmt, sondern durch ein komplexeres Verfahren, das gegebenenfalls standardisiert werden kann.

Zudem hat sich die Verwendung des Preises als Information so stark in unsere Gewohnheiten eingebrannt, das ein Ansatz von Mengenrechnungen und ähnlichen Maßnahmen wenig Aussicht auf Erfolg haben würde. Vor diesem Hintergrund erscheint der Preis durchaus als nützlich, aber eben nicht nur bezogen auf den Tauschwert, sondern auf einen umfassenderen Ansatz. Wie dieser Ansatz konkret organisiert wird, muss vorerst noch offen bleiben.

Nun zurück zur Kreislaufwirtschaft: Wenn es gelingt, allen Gütern (Wirtschaftsgütern und Gemeingütern) einen Preis zuzuweisen, so wird auch die Verwendung von Gemeingütern bei der Produktion zu zusätzlichen Kosten führen. Die Konsequenz wird sein, dass einerseits der Gedanke des Gebrauchswertes stärker in den Mittelpunkt des Geschehens rückt und der vielfach spekulative Tauschwert zurückgedrängt wird. Eine Reihe von Produkten werden aufgrund der neuen Kostenstruktur Preise auslösen, die möglicherweise in keinem Verhältnis zum Nutzen des Produktes stehen werden. Das gilt, so meine Erwartung, insbesondere für Billig- und Ramschware.

In einem weiteren Schritt können wir wieder die große Herausforderung der Kreislaufwirtschaft aufgreifen: ‚Die echte Kreislaufwirtschaft kennt keinen Müll‘. Das ist deutlich mehr als die Forderung: wir müssen mehr recyceln. Das Recyceln ist immer nur ein Bemühen. Die Aussage „keinen Müll!“ wird zu einer Grenze.

Heute produzieren wir für den Markt. Aber was mit dem Produkt nach dem Vermarktungsprozess geschieht, bleibt dem Zufall überlassen, niemand fühlt sich in unserer Gesellschaft dafür verantwortlich. In einer Kreislaufwirtschaft produzieren wir auch für den Markt und die Produzenten und der Händler stehen zusätzlich in der Verantwortung, keinen Müll auszulösen.

Heute bürden wir diese Verantwortung einseitig dem einzelnen Konsumenten auf, dem schwächsten Glied in der Prozesskette. Er hat dafür zu sorgen, dass das Produkt „recycelt“ oder doch wenigstens geordnet aufbewahrt (deponiert) wird. Das ist Unsinn, weil es der falsche Ansatz ist. Wenn das Produkt erst einmal entstanden ist, kann der Konsument es auch nicht mehr „in Luft auflösen“. Das Müllproblem muss schon bei der Konstruktion und Produktion Gegenstand des Denkens und Handelns sein und Müll verursacht Kosten. Wie das im Konkreten abzuwickeln wäre, ist eine gesellschaftliche Entscheidung und es gibt dafür gegenwärtig m.E. keine Patentlösung. Aber es wird deutlich, wo das Ziel liegen muss. Und die Zeit drängt, weil die Müllberge stetig wachsen.
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1Andreas Weber, Biokapital, Berlin, 2008

2Garrett Hardin, The Tragedy of the Commons, 1968

3Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen, München 2011

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Physik vs. Politik – wie passt das zusammen?

An einem der letzten Sonntage ergab sich die Gelegenheit, den Ausführungen eines Vertreters der angewandten Wissenschaft zu folgen. Der Vortragende ist beruflich mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften und deren Auswirkungen auf die Grundlagen der Versicherungswirtschaft befasst. Seine Ausführungen waren hoch interessant und detailliert, aber für Insider nicht unbedingt überraschend.

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Besonders interessant fand ich seine Hinweise auf öffentlich zugängliche Informationen, die für die Versicherung von Investitionen, Anlagengüter in allen Branchen künftig von Wert entscheidender Bedeutung sein werden.

Es geht in der Versicherungswirtschaft um die Frage, können wir das geschaffene Vermögen hinreichend versichern oder führt die bestehende und künftig erwartbare Datenlage dazu, dass die Prämien ‚explodieren‘ bzw. eine positive Versicherungszusage aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht mehr erfolgen kann. Die Versicherungswirtschaft kann sich nicht auf das Wirtschaftswachstum als Ausdruck einer merkwürdigen Statistik berufen. Sie hat ein konkretes finanzielles Risiko (mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit) bezüglicher künftiger Ereignisse zu bewerten, um ihre grundsätzliche Zahlungsfähigkeit im Zeitpunkt des Schadenereignisses sicher stellen zu können.

Der Blick auf die Ahrtal-Überflutung kann vielleicht deutlich machen, wo sich Politik und Physik hinsichtlich ihrer Wahrnehmung unterscheiden. Das Ahrtal-Ereignis hat einen Gesamtschaden von rd. 40 Mrd. Euro ausgelöst. Davon sind etwa 12 Mrd. Euro unmittelbar Schäden, die von der Versicherungswirtschaft übernommen werden. Der Rest sind vermutlich persönliche Verluste bzw. Verluste der öffentlichen Hand im Rahmen der Infrastruktur.

Es wäre ein Akt der Vernunft, diesen Schaden auch in der Wahrnehmung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung als ein Schaden wahrzunehmen. Es sind Menschen umgekommen, sie haben große Teile ihres Vermögens verloren, aber die große politische Kennzahl, das Bruttoinlandsprodukt (BiP) als angeblichem Ausdruck für Wachstum und ‚Wohlstand‘, wird davon kaum berührt. Alle Rettungsmaßnahmen, die durchgeführt werden mussten, haben im Gegenteil Beiträge zum Bruttoinlandsprodukt ausgelöst und damit zusätzliches Wachstum geschaffen, also jene Kennzahl gepuscht, an der die Politik regelmäßig ihre ‚Erfolge‘ misst. Da läuft doch irgend etwas falsch!

Der Überschwemmung des Ahrtals hat beim BiP so gut wie keine Spuren hinterlassen. Der Wiederaufbau des Ahrtals wird durch öffentliche und privatwirtschaftliche Leistungen bezahlt und fließt damit als zusätzlicher Wachstumsbeschleuniger in das BiP ein. Wenn man diese Logik sarkastisch kommentieren möchte, so könnte es sein, dass das geringe Wachstum, das wir gegenwärtig auszuweisen haben, ausschließlich deshalb noch positiv ist, weil ein paar solcher Schadengroßereignisse zu verzeichnen sind. Noch gehässiger wäre die Vermutung, dass die Großschäden der Politik willkommener Anlass sind, weil ja dadurch richtige Wachstumsschübe auszulösen sind, die sonst in der Wucht nicht mehr erreicht werden. Dummerweise ist Wachstum jene Größe, die die Klimaschäden besonders begünstigt. Lässt sich da eine gewisse Systematik erkennen, die Wasser auf die Mühlen jenes Teils der Politik leitet, die im Klima-Bremserhäuschen sitzt?

Wenn Josef A. Schumpeter „kreative Disruption“ als Merkmal des Kapitalismus beschrieb, so übernimmt jetzt der Klimawandel stellvertretend diese Aufgabe, weil wir mit fehlerhaften bzw. fehlleitenden Kennzahlen arbeiten?

Es wurden innerhalb von 24 Stunden Volks- und Privatvermögen (i.w.S.) im Wert von 40 Mrd. Euro vernichtet und unser ‚Wohlstandsradar‘ ist nicht in der Lage, diesen Tatbestand angemessen zu registrieren, noch den Verlust als solchen darzustellen.

Ein wesentlicher Grund für diese Diskrepanz könnte darin liegen, dass wir einerseits Wohlstand und Vermögen als solches erkennen und bewerten (siehe Vermögensverteilung). Das Bruttoinlandsprodukt (BiP) ist aber eine Zahl, die keinen ‚Bestand‘ darstellt, sondern Einkommensströme abbildet, die durch die Produktion und den Markt entstehen. Was mit der Produktion nach dem Verkauf passiert, wird als Externalität nicht dargestellt.

Wenn wir statt des Einkommensstroms die punktuellen Bestände darstellen wollten, müssten wir auch die vorhandenen Müllbestände (-berge) bewerten. Wir würden dann vermutlich feststellen können, dass der einzige, gigantisch wachsende Bestand jene „Güter“ erfasst, die wir aus unserer Betrachtung üblicherweise als Externalität ausklammern. Unser Verständnis von Ökonomie erfasst nur Währungsbeträge, während kg, t, Stückzahl, u.ä. Größen nicht erfasst werden, weil erst durch den Markt ein Preis entsteht. Was wir wegwerfen, hat mangels Markt keinen Preis mehr, es hat sich aber trotzdem nicht in Luft aufgelöst (siehe unsere Müllberge).

Im Rahmen einer (nationalen) Vermögensbetrachtung müssten wir bei Schadensereignissen konsequenterweise die Schäden von den Vermögensbeständen abziehen und sie beim Müllbestand hinzu buchen. Wenn wir bei der bestehenden Einkommensbetrachtung bleiben, wird der Unsinn offensichtlich: Je mehr Schadenereignisse auftreten, desto mehr Wachstum werden wir erzielen (vorausgesetzt, die Schäden sind nicht so groß, dass sie die Produktion blockieren). Mit anderen Worten: je mehr Schadenereignisse, desto mehr ‚Wohlstand‘ wird geschaffen?! Diese Sichtweise endet erst dann, wenn die Schäden aufgrund fehlender Ressourcen bzw. fehlender Produktionsstätten nicht mehr durch Wachstum kompensiert werden können. Dann ist aber ein planetarisches Zustand erreicht, bei dem die menschlichen Handlungsalternativen gegen Null laufen.

Wenn wir hier mit dem Begriff ‚Physik‘ ganz allgemein den Ansatz der Naturwissenschaften zur Problemlösung verstehen, dann wird vielleicht klar, warum ‚Politik‘ als Überbegriff gesellschaftlichen Handelns und die ‚Physik‘ nur schwer einen gemeinsamen Nenner finden können.

Die Naturwissenschaften waren in den letzten hundert (und mehr) Jahren der „Schlitten“ auf dem die „Politik“ ihr Narrativ vom Schlaraffenland transportieren konnte. Die Naturwissenschaften waren der Garant für „Fortschritt“ und „Technologie“, die den politisch vertretenden Zukunftsoptimismus unterstützten. Wir wissen zwar nicht wohin, aber aber wir sind eher da!?

Seit etwas 50 Jahren bekommt der „Schlitten“ Risse. Die Evidenz der Wissenschaften lässt erkennen, dass unsere gegenwärtige Vorstellung von einem ‚guten Leben‘ nicht nachhaltig ist. Ausgerechnet die naturwissenschaftliche Basis des politischen Narrativs bröckelt weg. Und die Politik muss ein Jahrhunderte altes Narrativ vom Schlaraffenland aufgeben bzw. durch ein neues Narrativ ersetzen, das es aber in der gewohnten Akzeptanz noch nicht gibt.

Das ist leider kein intellektuelles Problem, das verstandesmäßig bewältigt werden könnte. Es ist eine zutiefst emotionale Infragestellung von Gewohnheit und Bequemlichkeit gegen die sich viele wehren, weil sie die Zusammenhänge nicht verstehen und es niemanden gibt, der ihnen die Zusammenhänge in verdaulichen Häppchen so präsentiert, dass daraus eine neue, zukunftsträchtige Perspektive wird.

Dabei spaltet sich die Gesellschaft in mindestens zwei große Lager: in jene, die in der vermeintlich so glückliche Vergangenheit ihre emotionale Zuflucht nehmen wollen und die glauben, dass dabei autoritäres Auftreten eine Lösung sei und in jene, die die reellen Chancen für ein neues sinnvolleres Narrativ erkennen können, sich aber mit der vorherrschenden Masse der trägen Bequemlichkeit schwertun.

Der Fehler der autoritären Haltung liegt darin, dass die Autokraten auch nicht wissen, wo die Lösung liegt, aber so tun, als hätte sie die ‚Erleuchtung‘ geküsst. Sie schneiden sich bewusst von einer, zugegeben mühsamen, gemeinsamen demokratischen Problemlösung ab, um die Unsicherheiten zu nutzen, schnell ihre Taschen und die Machtbedürfnisse ihrer Klientel zu (er)füllen. Dabei wird der Nationalismus meist als emotional geprägter „Schlitten“ benutzt, auf dem sie ihre meist fehlerbehafteten, ‚löcherigen‘ Visionen aufbereiten. Die Mahnungen der evidenzbasierten Naturwissenschaften werden mangels Urteilsfähigkeit in den Wind geschrieben. Erst die folgenden, hoffentlich nur kleineren Desaster werden die Unfähigkeit dieser Haltung entlarven und dann sind wir wieder am gleichen Ausgangspunkt wie heute angelangt, nur sind dann wertvolle Jahre vergangen, viele der zu erwartenden Kipp-Punkte werden eingetreten sein und die Wahl der Maßnahmen wird durch das sogenannte ‚Desaster‘ diktiert werden.

Warum tut sich die demokratisch orientierte Politik so schwer, die Mahnungen der Wissenschaft aufzugreifen und umzusetzen? Gegenwärtig treiben NGOs über den Hebel der deutschen und europäischen Justiz die demokratischen Regierungen vor sich her, weil die Maßnahmen der Politik ihren eigenen Gesetzen nicht genügen oder gar widersprechen. Der Grund kann darin gesehen werden, dass Naturwissenschaft und die politischen Versprechen auf eine verheißungsvolle Zukunft bisher relativ leicht zusammengingen. Fortschritt war das große Zauberwort. Die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft machen aber deutlich, dass dieser linear orientierten Fortschrittsgläubigkeit eindeutig globale Grenzen gesetzt sind und die Zahl der Spezies homo sapiens so schnell wächst, dass die Versorgung der Biosphäre absehbar in Frage stehen könnte.

Thomas Malthus (1766 – 1834) lässt grüßen – seine Grundaussage bleibt richtig, nur die Randbedingungen haben sich geändert. Malthus unterstellte seinerzeit, dass das exponentiell erwartete Bevölkerungswachstum die eher lineare Nahrungsmittelentwicklung übersteigen wird und es dadurch zwangsläufig zu einer Hungersnot käme. Das exponentielle Wachstum der Bevölkerung haben wir inzwischen erreicht und die Nahrungsmittelproduktion wurde zwar gewaltig gesteigert, der Hunger ist global ein Problem geblieben.

Malthus sah zu seiner Zeit keinen Anlass, anzunehmen, dass aufgrund des Klimawandels und des weltweiten Wohlstands- und Bevölkerungsanstiegs die landwirtschaftlichen Anbauflächen knapp werden könnten. Malthus hat zu seiner Zeit auch nicht über die Erkenntnis verfügt, dass die globalen Wetterveränderungen die künftige Höhe der Ernteerträge in Frage stellt. Unser heutiger Fleischkonsum setzt durch die globale Landnutzung für Viehhaltung die Effizienz der globalen Nahrungsmittelproduktion deutlich herab. Von dem ‚Flächenfraß‘ durch die fortschreitende Urbanisierung der Menschheit ganz zu schweigen.

Alle die hier angesprochenen groben Entwicklungsalternativen geschehen nicht morgen, sondern sind längerfristige Perspektiven. Und hier scheint mir das Problem mit der Politik erkennbar zu sein: Die politischen Strukturen, die wir unterhalten, sind wesentlich kurzfristig orientiert. Viele Politiker denken in Legislaturperioden von max. vier oder fünf Jahren. Und in dieser Zeit muss der demokratisch gewählte Politiker so etwas wie „Erfolg“ vorweisen können, sonst schmelzen seine künftigen Wahlchancen wie Eis in der Sonne. Neben der Wissenschaft, die sich im wesentlichen auf der langfristigen Schiene bewegt, gibt es noch die Wirtschaft, deren Grundannahmen und sogenannten ‚Axiome‘ sich mit Haut und Haaren auf die Kurzfristigkeit aller ihrer Handlungsalternativen konzentriert. In diesem Spannungsfeld von vollkommen gegensätzlichen Weltbildern sollte die Politik vermitteln, kann dieser Aufgabe aber nur unzulänglich gerecht werden, weil sie selbst Vertreter von relativer Kurzfristigkeit ein Weltbild vertritt, dass mit den Perspektiven der Wissenschaft überfordert ist. Wir stehen m.E. vor dem Problem, dass sich die auf die Kurzfristigkeit konzentrierten Konfliktparteien eher kurzschließen (Politik u. Wirtschaft) und einen trügerischen Konsens finden werden, als dass sie sich dem politischen und wirtschaftlichen Risiko aussetzen, notwendig erkannte längerfristige Perspektiven zu vertreten. Es droht m.E. eine fatale Entwicklung.

Was könnte helfen, diese strukturelle Verkrustung aufzubrechen? Bestimmt nicht noch mehr Struktur (oder deutlicher gesagt: Bürokratie), sondern eine gezielte Einführung von Elementen einer direkten Demokratie, um die starren Strukturen zu bezwingen. Wer nicht gewählt werden muss, wer keine strukturell definierten Positionen innehat und sie verlieren könnte, ist bei ausreichender Information eher geneigt, längerfristig zu denken.

Dabei gibt es genug Ansätze (u.a.):

  • Die meisten kennen den Artikel des Grundgesetzes (Art. 38, I), dass die Abgeordneten nur ihrem Gewissen zu folgen hätten und an Weisungen und Aufträge nicht gebunden sind. Dieser Artikel wird durch den Fraktionszwang unterlaufen, der automatisch gilt, wenn er nicht ausdrücklich mit einfacher Mehrheit aufgehoben wird. Ich denke, es müsste gerade umgekehrt geregelt sein: ein Fraktionszwang gilt nur dann, wenn er ausdrücklich für den zu entscheidenden Sachverhalt mit Mehrheit beschlossen wird. Einer Änderung stehen die Interessen der Parteien entgegen, die mit der Änderung ein starkes Instrument der Disziplinierung ihrer Abgeordneten verlieren würden.
  • Politiker unterliegen einem dichten Netz von Lobbyisten, die sich ihrem Einfluss auf das Parlament damit erkauft, dass sie wohlformulierte Vorlagen bereitstellen bzw. gewisse Unterstützungen für die Parlamentsarbeit liefern. Diesen Einfluss abzuwehren ist nicht einfach. Der Ausbau von Bürgerräten (wird teilweise schon realisiert) könnten auf allen politischen Ebenen (das ist leider noch offen) die Sicht der Bürger und deren unmittelbare Interessen in die Entscheidungen einfließen lassen. Der Bürgerrat wird durch Los bestimmt, wobei der Bürgerrat i.d.R. die gesellschaftliche Schichtung unseres Landes weit besser darzustellen vermag, als unser Parlament, das hochgradig einseitig (durch Akademiker und Beamte) besetzt ist. Bürgerräte werden aufgrund von freiwilliger Mitarbeit berufen, erhalten einen Auftrag und eine Einführung in die sachliche Problematik und beginnen dann unmittelbar mit ihrer sachbezogenen Arbeit. Ist das Projekt beendet und liegt der Bericht vor, löst sich der Bürgerrat wieder auf und gibt den Lobbyisten auf diese Weise wenig Chancen, hier Einfluss zu nehmen.
  • Die Politik vermeidet Verbote wie der Teufel das Weihwasser. Verbote haben mindestens einen Fehler – sie müssen überwacht werden, sonst sind sie nicht das Papier wert, auf dem sie fixiert sind. Aber ohne klare Grenzen wird es nicht gehen. Grenzen auf der Ebene des Konsums anzusetzen, ist Unsinn. Grenzen müssen bei der Entstehung (Produktion) gesetzt werden. Die Grenzen können dann auf wenige Grundtatbestände (Materialien, Verfahren) beschränkt werden und können nicht durch kleine rechtliche „Hintertreppen“ umgangen werden. Ihre geringe Zahl bleibt auch mit wenig Aufwand kontrollierbar. Bei der Atomkraft haben wir diese Grenze nach zahllosen Irrungen mühsam gefunden und laborieren seit mehr als 25 Jahren immer noch an der Endlagerung des bisher angefallenen Atommülls herum ohne Aussicht auf eine vernünftige Lösung! Die „Asse“ lässt grüßen!

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Klimakrise und künstliche Intelligenz (KI)

Mein Wissen über Künstliche Intelligenz (KI) ist begrenzt. Die Bezeichnung „KI“ erscheint mir angesichts der verwendeten Algorithmen gegenwärtig noch deutlich überzogen. Das liegt aber daran, dass ich Intelligenz und Fakten-Wissen nicht in einen Topf packe. Fakten sind wichtig, aber die Verfügbarkeit von Fakten macht noch keine intelligente Aussage, wenn die Zusammenhänge nicht verstanden werden.

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Ein junger Bekannter aus der Generation meiner Kinder hat mich dann in die für jedermann verfügbaren Formen der KI eingeführt, indem er mir die Zugänge aufzeigte und mich Fragen an das System stellen ließ. Es hat Spaß gemacht und die Antworten sind je nach Fragestellung durchaus komplex. Dabei habe ich mich dann auf „phind.com“ konzentriert, weil diese KI klare Hinweise auf die verwendeten Quellen gibt.

Meine Test-Fragen an das System wurden immer „hinterfotziger“ und als Krönung habe ich auf die Frage: „ Wer sagte: „Heinrich, Heinrich, mir graut vor Dir“ in welchem Zusammenhang?“ folgende unerwartete Antwort erhalten: „Die Phrase „Heinrich, Heinrich, mir graut vor Dir“ wurde von Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in einem Plenum des Hessischen Landtags verwendet. Dieser Ausdruck wurde in Bezug auf Heinrich Heidel (FDP) geäußert, während einer Diskussion über den Naturpark und die Bäume in der Region. Heidel hatte zuvor über die Bäume und den Baumbestand gesprochen, was zu einer kritischen Reaktion von Al-Wazir führte.“ Ich gehe davon aus, dass die Beschreibung des Vorfalls stimmt, aber die KI hat in keiner Weise die Zusammenhänge des Zitats erkannt.

Einerseits wurde nicht erkannt, dass dieses Zitat aus Goethes Faust stammt und das Gretchen diese Aussage in einem Zustand großer existenzieller Verzweiflung macht. Zum anderen wäre es auch sehr interessant, welche konkreten Zusammenhänge Tarek Al-Wazir veranlassten, diese Formulierung zu wählen. Aber ein Algorithmus, dessen ‚Wahrnehmung‘ durch Korrelationen bestimmt wird, kann so nicht „um die Ecke“ denken. Da beginnt dann vermutlich die natürliche, menschliche Intelligenz.

Im Bezug auf den Klimawandel lassen sich bei der KI viele Fragen platzieren und die Antworten sind nicht immer befriedigend, aber nehmen doch viel Recherchearbeit ab. Oder sagen wir es präziser, mit den Antworten fängt die Arbeit erst richtig an. Die Antworten sind in Sekundenschnelle verfügbar, deren Prüfung auf Plausibilität erfolgt bei mir dann natürlich analog und frisst richtig Zeit, weil manchmal von der KI Fakten und auch Meinungen herangezogen werden, die mir unbekannt oder in diesem Zusammenhang nicht vermittelbar sind.

Dabei kam mir der Gedanke zu versuchen, durch Fragen an das KI-System das dort erfasste ‚Bild‘ der Bevölkerung zur Klimakrise „herauszukitzeln“, das dann vermutlich das Bild wiedergibt, das sich die Öffentlichkeit von der Klimakrise macht und das nach meiner Auffassung nur bedingt die Erkenntnisse der Wissenschaft widerspiegelt. Dabei geht es darum, im Zusammenhang mit der Klimakrise die „richtigen“ Fragen zu stellen, mit dem Ziel, das System an seine ‚Grenzen‘ zu führen. Ob das gelingt, muss sich zeigen.

KI ist ein mächtiges Instrument, um die Nutzer des Systems nahezu unbemerkt mental dorthin zu ‚schubsen‘ (neudeutsch: zu nutchen), wo dem Systemproduzenten unsere Meinungsbildung nützlich erscheint. Kann man im Falle der Klimakrise (und ähnlich politisch brisanter Themen) weitgehend ausgeschlossen werden, dass hier mit KI ein zusätzliches Tor der Manipulation geschaffen wurde?

Denken wir zurück an die Anfänge des Internets – niemand hat die Entwicklung des Internets zu einem globalen Markt, die Entwicklung der Social Media und deren zweifelhaften Einfluss auch nur im Ansatz vorher gesehen. Man geht gerne von einer kritischen Öffentlichkeit aus, vergisst aber die sehr weit verbreitete intellektuelle Bequemlichkeit, wenn auf meine individuell gestellte Frage schriftlich eine wohlformulierte Antwort ‚vorgekaut‘ wird.

Künstliche Intelligenz, so wie sie heute ausgeprägt ist, wird anhand der veröffentlichte Meinung trainiert. KI ist ein kommerzielles Projekt (und wenn es das heute noch nicht sein sollte, so ist die Kommerzialisierung das Ziel der Betreiber). Jede an das System gerichtete Frage wird über Korrelationen und Häufigkeitsverteilung zu einer Antwort geführt und das geht unvorstellbar schnell. Einfache Fragen werden auch über einfache Korrelationen verarbeitet. Wenn ich also eine substanziellere Antwort haben möchte, muss ich das System „stressen“, um hinsichtlich der Korrelationen und Wahrscheinlichkeiten für die Aufbereitung der Antworten auf ein höheres Anspruchsniveau zu kommen. Und das ist nicht trivial und fordert den Frager heraus.

Hier sind wir m.E. nun an einer Weggabelung: KI ist nur dann ein Mittel zur Steigerung unserer Fähigkeiten, wenn der Frager in der Lage ist, das System mit seinen Fragen auf ein immer anspruchvolleres Niveau zu treiben. Trivale Fragen werden auch trivial beantwortet – gewissermaßen mit dem Kenntnisstand des Mainstreams. Irgendwelche Erkenntnisse lassen sich daraus kaum gewinnen. Wenn das System einen Nutzen haben soll, so muss der Fragesteller, einem Kriminalisten ähnlich, bemüht sein, den ‚Delinquenten‘ in die Enge zu treiben. Dann, so mein Eindruck, wird die Antwortqualität stetig besser. Zur Ehrenrettung des Systems muss man darauf hinweisen, dass die KI am Ende jeder Ausführung weiterführende Fragen vorschlägt, deren Beantwortung oftmals in die gewünschte Richtung weisen können.

Je weiter man das Spiel auch treibt, so bleibt die Frage, ob der Frager noch in der Lage ist, die verfügbare Antwort zu beurteilen. Wie viel Arbeit steckt darin, die Antwort zu bewerten, wenn man nicht blind den Aussagen der KI vertrauen will? Zusätzlich kam mir eine Frage aus den 68-er Zeiten in den Sinn, als man sich die Frage stellte: Kann man Quantität in Qualität überführen? Oder lässt sich Qualität über rein quantitative Methoden beurteilen? Was ist also naheliegender, als diese Frage der KI zu stellen? (siehe unten)

Um meine Wahrnehmung ein wenig auf Plausibilität zu unterlegen, habe ich (wenig systematisch) insgesamt 25 Fragen aus dem Bereich der Klimakrise gestellt und die präsentierten Antworten verwendet, um daraus weitere Fragen abzuleiten. Die Antworten umfassen über 30 Seiten Text, deren Präsentation den üblichen Umfang dieses Artikels sprengen würde. Im Anhang habe ich die 25 Fragen zusammengestellt; jeder kann sich die Antworten bei „phind.com“ selber holen.

Wenn ich nun versuche, ein Fazit zu ziehen, wird es schwierig: Wenn ich die Antworten so auf mich wirken lasse, könnte ich den Eindruck gewinnen, dass doch alle Zweifel überflüssig sind. Die Antworten werden im Brustton der Überzeugung vorgebracht. Man könnte meinen, alles sei bedacht, wir müssten eigentlich zur Umsetzung übergehen. Und die KI trifft hierbei sicherlich den Nerv vieler Klima-Aktivisten.

Aber: Wenn man zu diesen Fragen (manchmal) dicke Bücher liest, dann kommen Zweifel, ob sich die KI mit Hilfe von Korrelationen und Wahrscheinlichkeiten einen besseren Durchblick verschaffen kann, als die oft filigranen Argumente eines Narrativs. Manchmal wünsche ich mir die Reduzierung auf das Wesentliche, zu der die KI hoffentlich beitragen kann. Dann kommt wieder die Lebenserfahrung, dass es bei der Umsetzung nicht nur um Sachthemen geht, sondern um die Fähigkeit, seine Mitmenschen ein Stück weit mitzunehmen. Und da habe ich den Eindruck, dass die KI noch viel Luft nach oben hat.

Zum Schluss die Beantwortung der Kernfrage: Gibt es einen Punkt, an dem Quantität sich zu Qualität wandelt?

Antwort von KI (phind.com):

Ja, es gibt einen Punkt, an dem Quantität sich zu Qualität wandelt, ein Konzept, das in der dialektischen Philosophie, insbesondere im dialektischen Materialismus, diskutiert wird. Dieses Konzept wird als „Umschlag von Quantität in Qualität“ bezeichnet und besagt, dass auf einem bestimmten Punkt rein quantitative Änderungen zu einer qualitativen Veränderung des sich verändernden Objekts führen. Umgekehrt kann eine qualitative Änderung auch Auswirkungen auf die quantitativen Merkmale des Objekts haben. Dieses dialektische Grundgesetz ist ein zentraler Bestandteil der dialektischen Philosophie und wird in verschiedenen Kontexten, von der Naturwissenschaft bis zur Sozialwissenschaft, angewendet, um die Dynamik von Veränderungsprozessen zu erklären.

Es ist wichtig zu beachten, dass dieses Konzept sowohl Anerkennung als auch Kritik erfahren hat. Kritiker argumentieren, dass die dialektischen Grundgesetze, einschließlich des Umschlages von Quantität in Qualität, oft als bloße Wortspielerei oder als Versuch, komplexe physische und chemische Prozesse zu vereinfachen, angesehen werden. Sie werfen vor, dass diese Ansätze die tatsächlichen Mechanismen und Prozesse, die hinter solchen Übergängen stehen, eher verdecken als zu klären. Trotz dieser Kritik bleibt das Konzept des Umschlages von Quantität in Qualität ein nützliches Werkzeug, um die Art und Weise zu verstehen, wie Systeme und Prozesse sich entwickeln und transformieren können.“

Da sind wir vor über 50 Jahren schon mal gewesen. Ich hatte die Hoffnung, es gäbe zu dieser Frage inzwischen etwas Handfesteres, etwas Greifbareres. In den 68-er Jahren hat mich diese Ausführung nicht überzeugen können. Das hat sich über die Zeit nicht geändert. Für meine Verständnis gibt es eben zwei Zugänge, die Realität zu beschreiben und nur dann, wenn beide Zugänge ausreichend untersucht wurden, kann man so etwas wie „richtig“ oder „angemessen“ erwarten. Die KI ist ein Kind der Quantität, also dürfen wir keine Aussagen erwarten, die etwas zur Qualität beizutragen haben. Sollten trotzdem qualitative Aussagen gemacht werden, ist große Vorsicht angebracht.
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Anhang
Fragenkatalog:
1. Was ist ökonomische Effizienz und welche Bedeutung hat siefür das Wirtschaftssystem?
2. Wer sagte: „Heinrich, Heinrich mir graut vor dir?“ und in welchem Zusammenhang?
3. Welche Modell und Erhebungsverfahren werden zur Bewertung externer Effekte verwendet?
4. Was umfasst das Coase-Theorem?
5. Wie wird das Coase_Theorem in der Praxis angewendet?
6. Wo liegen die offensichtlichen Defizite der kapitalistischen Wirtschaftsweise?
7. Welches sind die wesentlichen Treiber der Klimakrise?
8. Welche Maßnahmen können die Auswirkungen der Klimakrise neutralisieren?
9. Wie können Unternehmen dazu beitragen, die Auswirkungen der Klimakrise zu neutralisieren?
10. Welche ökonomischen Aktivitäten stehen im Widerespruch zur Klimakrise?
11. Wie kann das Wirtschaftswachstum aufgehalten werden, um die Umweltbelastung zu reduzieren?
12. Wie wird sichergestellt, dass die Internalisierung von Umweltkosten fair und transparent ist? Was ist in diesem Zusammenhang als „fair“ zu betrachten?
13. Kann man grundsätzlich unterschiedliche Strategien und Ansätze zur Abwehr der Klimakrise feststellen?
14. Gibt es Ansätze, die die Wachstumsideologie ernsthaft in Zweifel ziehen?
15. Welche Auswirkungen hat die Postwachstumsökonomie (Degrowth) auf die Wirtschaft?
16. Welche ökologischen Grenzen werden in den ökonomischen Modellen respektiert?
17. Welche Bedeutung haben die Ansätze der „Suffizienz“?
18. Wie könnte die Umstellung von Wirtschaftswachstum auf Suffizienz umgesetzt werden?
19. Welche alternativen Wirtschaftsmodelle werden aktuell werden in Forschung und Praxis untersucht?
20. Welche Bedeutung hat das Eigentumsprinzip für die Klimakrise?
21. Welche konkreten Maßnahmen können ergriffen werden, um das Eigentumsprinzip zu ändern und eine gerechtere Verteilung von Ressourcen zu fördern?
22. Wie wird der Klimawandel die menschliche Gesellschaft beeinflussen?
23. Welche ökologische Auffassung steht am meisten in der Kritik?
24. Welche Alternativen oder Ergänzungen zur ökonomischen Bewertung der Natur schlagen die Kritiker vor?
25. Wie können ökonomische Instrumente so gestaltet werden, dass sie die Treiber der Naturzerstörung treffen?
26. WElche Anreize können angewendet werden, um die Nutzung von Ressourcen zu steuern und die Naturzerstörung zu reduzieren?
27. Gibt es einen Punkt, an dem Quantität sich zu Qualität wandelt?

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Physik vs. Ökonomie -wie passt das zusammen?

Die Physik steht hier eigentlich für die Naturwissenschaften. Das Weltbild der Physik und jenes der Ökonomie sollten die gleiche Welt beschreiben. kommen aber zu völlig unterschiedlichen Beurteilungen über deren Zustand. Die Naturwissenschaften versuchen die Welt zu verstehen und überprüfen ihre Erkenntnis an der Realität. Die Ökonomie versucht die Welt, ihre Welt, normativ zu formen, dabei gelingt es ihr selten, einen nachvollziehbaren Bezug zur Realität sicherzustellen.

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Seit mehr als fünfzig Jahre versucht die Naturwissenschaft das notwendige Gehör zu finden, dass wir mit unserer Art zu Wirtschaften ein System aufgebaut haben und unterstützen, das unsere allgemeinen Lebensumstände aus naturwissenschaftlicher Sicht absehbar zerstören wird. Man würde erwarten, dass die Ökonomie auf diesen Vorwurf eine begründbare Antwort wüsste. Das scheint nicht der Fall zu sein, denn nach deren Weltverständnis ist der Einfluss des Klimawandels, gemessen am Bruttoinlandsprodukt als Basis ihrer Wachstumsideologie so gering, dass sie keinen Grund sieht, darauf zu reagieren. Wie kann das sein?

Das Bruttoinlandsprodukt

Das Bruttoinlandsprodukt ist die Grundlage dessen, was die Ökonomie als ‚Wachstum‘ verkauft. Das Bruttoinlandsprodukt erfasst alle Waren und Leistungen, die auf einem fiktiven Markt einen Preis erzielt. Dinge, die aus vielerlei Gründen keinen Preis haben, sind nicht Gegenstand des Bruttoinlandsproduktes. Diese Kennzahl zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass jede Katastrophe, die z.B. durch Klimawandel ausgelöst wird, die Kennzahl im positiven Sinne hochschnellen lässt, weil die weiträumige Schadensbeseitigung wiederum durch eingepreiste Waren und Leistungen erfolgen wird.

Die Beiträge einzelner Branchen zum Bruttoinlandsprodukt kann man isolieren. Dabei stellt sich heraus, dass die Grundstoffbereitstellung i.w.S. als wichtiger Bezugspunkt der Ökonomie zu unseren natürlichen Lebensgrundlagen nur einen recht kleinen Anteil am Bruttoinlands-‘Kuchen’ haben. Wenn also z.B. die Preise auf diesem Sektor aus Gründen des Klimawandels „explodieren“, so ist der statistische Einfluss auf das (insgesamt erwartete) Wachstum u.U. sehr gering. Daraus schließen die Mainstream-Ökonomen messerscharf, dass Klimawandel sie nicht zu interessieren hat. Der Einfluss auf das Bruttoinlandsprodukt erscheint ihnen zu gering. Damit gilt aus ihrer Sicht das Wachstum absehbar als gesichert und deshalb wird ein „Einfach weiter so“ verfolgt.

Diese Sichtweise greift natürlich zu kurz. Wenn die Ressource nicht mehr zur Verfügung steht, steht der „Laden“! Diese Erkenntnis umgehen die Ökonomen mit dem Institut der Substitution und der vagen Hoffnung: Es wird sich schon eine Ersatzressource oder eine neue Ersatztechnologie finden lassen.

Die Systemtheorie und Wachstum

Seit den fünfziger Jahren gibt es eine Systemtheorie, die aus der Biologie heraus entwickelt wurde und die erst in den letzten dreißig Jahren als eine Art Metatheorie vielfach Anwendung findet. Ihr Erkenntniswert liegt in der Behandlung von komplexen, dynamischen Systemen. Sie kann viele Verhaltensweisen dieser komplexen Systeme gut erklären und vorhersagen. Danach ist der Planet ein weitgehend geschlossenes, dynamisches System, d.h. alles, was auf dem Planeten geschieht, gelten als ‚innere‘ Prozesse, die weder nach außen dringen, noch „Nachschub“ von außerhalb erwarten können, mit Ausnahme der Sonnenenergie. Alle planetarischen Prozesse sind somit durch die Systemgrenzen eingeschränkt und auf den planetarischen Binnenraum begrenzt.

In diesem System ‚Erde‘ hat nun die Ökonomie ein System entwickelt, das unendliches Wachstum anstrebt und das so gebaut ist, dass seine Überlebensfähigkeit auch wesentlich von diesem Wachstum abhängt. Unendliches Wachstum wird mathematisch durch eine Exponentialfunktion beschrieben. Deren Eigenschaft liegt darin, dass die Funktion in Abhängigkeit von der Zuwachsrate relativ schnell ins Unendliche ‚explodiert‘. Nun haben wir offensichtlich einen Widerspruch! Einerseits ist das System der Biosphäre im wesentlichen auf den Planeten begrenzt, auf der anderen Seite füttern wir ein System der Ökonomie auf diesem begrenzten Planeten, das funktional ins Unendliche strebt. Also ist die Wachstumsaussage auf eine Unmöglichkeit gerichtet!

Nach einem Beitrag von Crelis Rammelt1 „erfordert (unser Wirtschaftssystem) eine kontinuierliche Kapitalakkumulation und gerät ins Stocken, wenn es in diesem Prozess behindert wird. Die typische Reaktion auf die ökologische Krise besteht daher nicht darin, das Wirtschaftswachstum einzuschränken, sondern alle Hoffnung werden auf Effizienz, Kreislaufwirtschaft, Dematerialisierung, Dekarbonisierung und andere (und systembedingt natürlich) gewinnorientierte grüne Innovationen im Kapitalismus konzentriert.“

Cross-over-Betrachtung

Rammelt schreibt weiter, dass diese Hoffnung falsch ist und begründet die Auffassung mit Überlegungen, die nicht aus der Ökonomie stammen, sondern sich auf die Naturgesetze stützen. Derartige Cross-over-Beobachtung werden wir immer öfters feststellen können: wir verfügen nur über eine Welt, aber unser Denken in isolierten Kästchen ist so verbreitet, dass die Betreiber jedes Kästchens glauben, ihre oft eng begrenzten Erkenntnisse müssten sich ungeprüft auf das Ganze übertragen lassen. Im Kleinen betreiben wir dieses Spiel u.a. in der Medizin – ein kranker Mensch, und unzählige „Experten“ (Kardiologen, Endokrinologen, Orthopäden, Podologen, Urologen, Neurologen, Augenärzte, Hals-Nasen-Ohren, Zahnärzte, Proktologen, u.a.) und jeder stellt eine Diagnose, verschreibt Pillen und lässt oft einen ziemlich überforderten Patienten zurück. Für hilflose Patienten gibt es aber noch keinen Experten. (Ketzerische Aussagen gehen soweit, dass man von immer weniger Sachverhalten immer mehr weiß; wenn diese Strategie konsequent fortentwickelt wird, bedeutet es, dass man am Ende von Nichts alles weiß??)

In einer großen Dimension können wir dieses Phänomen auch bezüglich des Klimawandels feststellen. Solange wir uns im „Klein-klein“ bewegen, lassen sich viele Problemstellungen im Rahmen unseres Kästchen-Denkens lösen. Auf planetarischer Ebene wird die Problemlösung deutlich komplexer, weil die Grenzen der Sparten eher behindern als Beiträge zur Lösung leisten zu können.

Wir sehen diese Haltung auch an der Ökonomie: der Blick auf das Klima-Problem fokussiert sich auf den großen Treiber des Kapitalismus, das Wachstum, und nach dem Weltbild der Ökonomie wird diese Funktion offenbar nicht ernsthaft berührt. Also machen sie weiter wie zuvor. Dass durch den Klimawandel, der durch die Forcierung des Wachstums ständig befeuert wird, die Welt möglicherweise in wenigen Jahrzehnten so verändert sein wird, dass große Teile der Menschheit in vielen Regionen der Welt nicht mehr werden leben können, ist offensichtlich keine ökonomische Frage und gilt als unbeachtlich. Wenn aber eine so große Anzahl von Menschen (als Konsumenten bzw. billige Arbeitskräfte) ‚ausfallen‘, so könnte man meinen, wird das ein veritables ökonomisches Problem darstellt.

Der Ansatz der Physik

Die Physik hat da einen deutlich differenzierten Blick auf die Vorgänge. Sie unterscheidet im Rahmen der Thermodynamik zwischen reversiblen und irreversiblen Prozessen. Der Klimawandel und auch die Ökonomie zählen zu den irreversiblen Vorgängen, d.h. der Prozess ist nicht umkehrbar, der Ausgangszustand ist nicht wieder herstellbar. Der angeregte Prozess verliert ständig etwas, was ihm die „Rückabwicklung“ verbaut. Dieser Prozessverlust wird u.a. als ‚Entropie‘ erfasst.

Rammelt versucht, diese Aussage bildhaft verständlich darzustellen: „ Im Herzen eines Waldes findet ein Affe konzentrierte chemische Energie in Form einer Banane. Der Affe wandelt die Banane schnell in nutzbare Energie um, um seine körperliche Verfassung aufrechtzuerhalten, auf Bäume zu klettern, Feinde zu bekämpfen, u.s.w.. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass Energie ihre Form ändern, aber nicht erzeugt oder zerstört werden kann. Die anfängliche chemische Energie, die in der Banane enthalten ist, wandelt sich (also) um in chemische Energie, die die Zellen im Körper des Affen regeneriert, kinetische Energie, die seine körperlichen Aktivitäten antreibt, und thermische Energie, die als Körperwärme abgestrahlt wird.2“ Die einmalige Energiezufuhr, die der Affe aus der Biosphäre erhält, wird bei ihm auf verschieden Formen von Energie verteilt. „Energie verändert seine Form, verschwindet aber nie.3

Rammelt stellt dann die Frage, warum wir in eine Energiekrise geraten, wenn Energie doch unzerstörbar ist? Hier kommt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, auch Entropiegesetz genannt, ins Spiel. Energie lässt sich nicht festhalten oder fixieren. Wo immer Energie auftritt, hat sie die Eigenschaft, sich in Richtung der energieärmeren Sektoren auszudehnen bis sie gleichmäßig verteilt ist. „ An diesem Punkt erreicht die Entropie, ein Maß für die Energiestreuung, ihr Maximum. Gemäß dem Entropiegesetz fließt Wärmeenergie spontan von einem heißeren Körper zu einem kälteren, niemals umgekehrt. (…) Nach dem Entropiegesetz neigen daher sowohl Energie als auch Materie dazu, sich (zunehmend kleinteiliger) zu verteilen, wodurch die Gesamtentropie zunimmt.4

Energie ist zwar unzerstörbar, aber Energie als auch Materie (als eine Form von gebundener Energie) hat die Eigenschaft, sich mehr oder weniger gleichmäßig zu verteilen. Energie existiert uneingeschränkt, kann aber aufgrund ihres Entropiebestrebens ab einem gewissen Verteilungsgrad wirtschaftlich nicht mehr genutzt werden. Ein Beispiel: Fels ist Materie mit einer geringen Entropie, wenn der Fels über einen langen Zeitraum zu Sand zerfallem sein wird, hat die gleiche Menge an Materie eine hohe Entropie angesammelt. Nach den thermodynamischen Hauptsätzen ist klar, dass sich unsere Umgebung durch die Entropie nicht nur laufend verändert, sondern sehr langfristig einem Zustand maximaler Entropie zustrebt, den man nicht mehr als lebensförderlich beschreiben kann.

Dieser offensichtlich unvermeidlichen Entwicklung stellt sich ein Gegengewicht in den Weg. Im Rahmen der Evolution haben sich in der Biosphäre Strategien entwickelt, die der Entropie entgegenarbeiten. Sie können die Entropie zwar nicht aufheben, durch die Gegenmaßnahmen wird die Entropie aber deutlich verlangsamt. Die Biosphäre kann „dieses Defizit durch die unerschöpfliche Energie der Sonne aus(gleichen). Die Biosphäre nutzt die Sonnenenergie, um „nützliche Arbeit“ zu leisten, nämlich die Konzentration verteilter Energie und Materie in Form von neuen Bananen (wie im ersten Untergesetz des Entropiegesetzes vorgeschrieben) zu schaffen. Eine gesunde und gut funktionierende Biosphäre ist somit die einzige Kraft auf der Erde, die in der Lage ist, den Anstieg der Entropie auszugleichen.5

Wie funktioniert das? „(…) Wie konzentriert sich Energie, wenn sie, dem Gesetz der Entropie folgend, sich doch spontan zerstreut? Die Antwort liegt in einem Untergesetz des Entropiegesetzes: Wärme kann nur von einem kalten Körper zu einem warmen Körper fließen, indem sie im physikalischen Sinne „Arbeit verrichtet“. Dies bedeutet, dass zusätzliche Energie erforderlich ist, um Energie von einem dispersen auf einen konzentrierten Zustand rückzuführen. (…) Eine Energiekonzentration erfordert zusätzliche Energie.“ Diese kommt in der Biosphäre aus anderen Energiequellen (z.B. aus fossilen Speichern) und ganz wesentlich von der Sonne.

Ein zweiter Untersatz des Entropiegesetzes besagt, dass keine Energieübertragung in Nutzarbeit zu 100 % effizient ist. Die Arbeit gilt als „nützlich“, wenn sie die Entropie verringert.6“ Es entstehen unvermeidlich Verluste, weshalb die Prozesse als irrersibel gelten.

Die Rolle unseres Wirtschaftssystems

Rammelt beschreibt unser Wirtschaftssystem als „ein gefräßiges Tier, (das) alle 20 Monate das Äquivalent der Ressourcen eines gesamten Mount Everest (verschlingt). Es beschleunigt auch seinen Stoffwechsel und verkürzt diesen Zeitrahmen innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte auf nur 10 Monate. Während es seinen Bauch füllt, erschöpft das Biest seine Umwelt und belastet sie mit Abfall, wodurch natürliche Systeme zur Ressourcenerneuerung und Abfallbewirtschaftung gestört werden. Letztendlich vernichtet es seinen eigenen Lebensraum.7“ Diese Vorgehensweise ist nur möglich, indem die fossilen, gebundenen Energievorräte massiv eingesetzt werden. Dabei werden Energiemengen frei, die u.U. Jahrmillionen im Erdreich gebunden schlummerten.

„(Die) Ökosysteme haben sich über Millionen von Jahren entwickelt, um den Energieverbrauch in ökologischen Nahrungsnetzen zu optimieren und die Entropie (wie oben versucht darzustellen) durch Biodiversität zu verzögern und zu reduzieren. Tragischerweise bewirken wachstumsorientierte Volkswirtschaften genau das Gegenteil, indem sie gegen diese natürliche Ordnung vorgehen und die Entropie mit verheerender Geschwindigkeit erhöhen.

(…) Wenn die Natur Grenzen setzt, sucht der Kapitalismus aktiv nach Wegen, diese zu umgehen, was unweigerlich zu neuen Grenzen führt. (…) Leider hat dieses (Handlungs-)Muster schwerwiegende Folgen, wie die anhaltende Klimakrise und der Rückgang der Artenvielfalt zeigen. Der Kapitalismus schadet in seinem Streben nach unaufhörlichem Wachstum der Biosphäre, auf die er angewiesen ist, um seine entropieverstärkenden Aktivitäten abzuschwächen.“

Die Ökonomie pflegt seit etwa 30 Jahren das Narrativ der Entkoppelung und der Effizienz ohne entsprechende Erfolge aufweisen zu können. „Auf den ersten Blick mag es scheinen, dass noch ein enormes Potenzial für Kreislaufwirtschaft und Effizienz besteht, wenn man bedenkt, dass die Weltwirtschaft weniger als 10 % des Abfallmaterials zurückgewinnt und nach der Umwandlung nur 28 % des weltweiten Primärenergieverbrauchs zurückerhält. (…) Das Potenzial für Zirkularität ist auf lediglich 29 % des Gesamtdurchsatzes beschränkt. Der verbleibende Teil umfasst Nahrungsmittel und Energie, die irreversiblem Abbau unterliegen, sowie Nettozugänge bei Gebäuden und Infrastrukturen, die nicht für das Recycling zur Verfügung stehen.“

Rammert schreibt weiter: „Wie erläutert, erfordert die erneute Verdichtung disperser Materialien Energieinvestitionen und geht mit unvermeidlichen Übertragungsverlusten einher, die die Gesamtentropie erhöhen. Der Energieverbrauch nimmt mit steigenden Recyclingquoten zu und Energie selbst kann nicht recycelt werden. Und selbst wenn wir Zugang zu unerschöpflichen erneuerbaren Energiequellen hätten, würden geschlossene Kreisläufe für Agrochemikalien, Beschichtungen, Schmierstoffe, Klebstoffe, Tinten und andere komplexe Materialien nicht entstehen können, weil es für sie keine Recyclingtechnologie gibt.“

Was ist die Alternative?

„Unsere vermeintliche Herrschaft über die Natur ist eine Illusion. So clever technische Innovationen auch erscheinen mögen, sie unterliegen weiterhin den Gesetzen der Thermodynamik. Folglich ist eine wachstumsorientierte kapitalistische Wirtschaft in vergeblichen Versuchen gefangen, sich vollständig von der Natur abzukoppeln – mit dem Ziel einer 100 % kreislauforientierten, dienstleistungsorientierten und abfallfreien Existenz. Diese Besessenheit rührt von der Unfähigkeit her, sich eine Wirtschaft vorzustellen, die nicht wächst und deren Stoffwechsel sowohl quantitativ als auch qualitativ innerhalb sicherer ökologischer und planetarischer Grenzen bleibt. Daher müssen wir nach radikal anderen Wegen suchen (…).8

Rammert sieht eine Lösung im „Degrowth“(= Postwachstumsökonomie). „Im weitesten Sinne stellt Degrowth eine angestrebte sozioökonomische Transformation dar, eine Reduzierung und Umverteilung von Material- und Energieflüssen mit dem Ziel, die Grenzen des Planeten zu respektieren und soziale Gerechtigkeit zu fördern.“ Der Anspruch ist hoch! Und viele werden die Notwendigkeit einer Veränderung gar nicht verstehen wollen. Man könnte dieses Verhalten auch als Vogel-Strauss-Politik (den Kopf in den Sand stecken) bezeichnen.

Nachtrag:
Vergleichbare Gedanken zu diesem Thema hat auch Andreas Weber in seinem Buch „Biokapital“ (Berlin, 2008) auf den Seiten 79 – 86 verständlich und anschaulich dargestellt.

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1Crelis Rammelt, How entropy drives us towards degroth, in: Real-World-Economics No. 107 (2024), p.2 (Übersetzung durch VF + Google)
2Rammelt, a.a.O., S. p.2f
3Rammelt, a.a.O., p. 3
4Rammelt, a.a.O., p. 3
5Rammelt, a.a.O., p. 4
6Rammert, a.a.O., p. 4
7Rammert, a.a.O., p. 2
8Rammert, a.a.O., p 6

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Eine neue Theorie der Ökonomie?

Der „Special Issue“ des real-world-economics Review (No. 106) zu der Frage „Wie können wir eine Wirtschaftswissenschaft innerhalb der biophysikalischen Grenzen des Wirtschaftswachstums schaffen?“ hat mich einige Mühe gekostet die Mehrzahl der 200 Seiten Stoff querzulesen. Es sind eine Reihe sehr inspirierende Beiträge, die mich veranlassten, darüber nachdenken, wie ich das Problem angehen würde. Um es vorweg zu sagen, erwarten Sie bitte keine Lösung, bestenfalls kann man ein paar Ideen beitragen.

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Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist ein einfacher Grundsatz: Das Wirtschaften dient der menschlichen Gesellschaft und nicht umgekehrt! Unsere sogenannten wirtschaftlichen Erfolgszahlen (Bruttoinlandsprodukt, Wachstum, u.a.) bilden möglicherweise den Zustand unserer Wirtschaft ab, aber nicht unser Wohlergehen als Gesellschaft. Als Folge dieser einseitigen Erfolgszahlen neigen wir dazu, mehrheitlich die wirtschaftliche Perspektive höher zu bewerten als die gesellschaftliche. Deren Abbildung würden andere „Erfolgszahlen“ erforderlich machen, die es zwar gibt, aber deren Bedeutung und mediale Verbreitung eher gering einzuschätzen ist. Das ist m.E. eine Folge des gängigen Narrativs: das mächtige Narrativ des angeblich erfolgreichen Wirtschaftens überdeckt den gesellschaftlichen Anspruch, gehört zu werden.

In der oben angeführtem Sonderausgabe (Special issue) hat u.a. ein Beitrag von James K. Galbraith1 mein Interesse geweckt. Er fragt sich in einem recht kurzen Beitrag, inwieweit die ökonomische Theorie den realen Lebensprozessen und den physikalischen Gesetzen gerecht wird und greift einige Gesichtspunkte heraus, bei denen diese Erwartung fraglich ist und verweist auf sein demnächst erscheinendes Buch „Entropy Economics“:

Menschliche Wesen sind lebende Organismen. Alle menschlichen Aktivitäten, einschließlich der mentalen, entsprechen physikalischen Gesetzen. Es ist (also) naturgemäß, eine ökonomische Theorie (zu erwarten), die auf den Grundlagen der Biologie und Physik gründet. (…)

Sein erster Einwand wendet sich gegen die gängige Auffassung vom Markt:

In der modernen ‚Mainstream‘ Ökonomie gibt es zwei getrennte und unterscheidbare Institutionen oder Arenen des Handelns. Die eine ist der Markt, die andere ist der Staat (Verwaltung). Diese zwei Arenen haben getrennte Funktionen: der Markt verteilt die Ressourcen gemäß den Präferenzen der Haushalte und Unternehmen; der Staat setzt Verträge und Eigentumsrechte durch und stellt Sicherheit und Schutz. Unabhängig davon wird eine wirtschaftliche Staatsaktivität als „Intervention“ in den Markt beschrieben, was manchmal gerechtfertigt ist, aber in den meistens Fällen nicht.

Im wirklichen Leben gibt es keine Märkte ohne Staat, der sie reguliert. Regulierungen schaffen die Voraussetzungen, unter denen komplexe wirtschaftliche Aktivitäten entstehen können, und sie setzen Bedingungen und Grenzen für wirtschaftlichen Wettbewerb. (…) Wenn die Regulierungen scheitern, zerbröseln die Märkte (…).2

Ein weiterer Gesichtspunkt befasst sich mit dem Verständnis zur Wertentstehung:

Die Wert- und Produktionstheorien sind die Grundlagen der Wirtschaftstheorie. Beides sollte im Einklang mit Lebensvorgängen und physikalischen Gesetzen stehen.

(…) Der Wert ist eine Funktion der Knappheit, die zum Teil eine Frage der Produktverfügbarkeit im Verhältnis zur Marktgröße ist. Zum Teil hängt es auch von der Anzahl der Hersteller oder Dienstleister ab. (…) In der Praxis besteht die wichtigste Methode zur Verbesserung der Bewertung darin, die Anzahl der Anbieter zu verringern und so ein Monopol oder Oligopol zu schaffen.

Monopole oder Oligopole gelten in den Lehrbüchern als Vorboten der Hölle. Aber wer die Schäppchenverrücktheit der Konsumenten und die Ziele der Unternehmer richtig interpretiert, wird erkennen müssen, dass keine Seite den „vollkommenen Markt“ der Theorie anstrebt. Nur ein unvollkommener Markt (und das sind die meisten realen Märkte) ist ein Markt, den sowohl die Konsumenten als auch die Anbieter suchen, weil nur solche Märkte in Bewegung sind und deshalb Gelegenheiten für wirtschaftliche Vorteile bieten. Die Unvollkommenheit eines Marktes drückt sich auch dadurch aus, dass Ungleichgewichte auf der Anbieter- und Nachfragerseite den Markt in Bewegung halten.

Die Frage bleibt nur, wie viel Ungleichheit verträgt die ökonomische Konstruktion. Etwas Unvollkommenheit wirkt i.d.R. belebend, solange Beteiligten erkennen können, dass das Ungleiche durch eigenes Handeln ausgeglichen werden kann. Ungleichgewichte, die den Anschein einer „Betonkonstruktion“ vermitteln, wirkend lähmend auf die Wirtschaftsentwicklung (vergleiche z.B. die oben angesprochenen Monopole).

Auch „der Staat verfügt über viele Formen von Monopolen, darunter die legalisierte Gewalt, gerichtliche Strafen und Steuern. Der Staat gewährt Monopole durch Patente, geistige Eigentumsrechte, Regulierungen und Industriestandards. Unternehmen streben durch technologische Innovation und Marktbeherrschung nach Monopolen, manchmal legal und manchmal nicht. (…)

Eine einmal erworbene Monopolstellung wird natürlich geschützt (bzw. abgesichert). Die herrschende Klasse verfolgt im Allgemeinen die Politik des „Teile und herrsche“. Aus ihrer Sicht ist Monopolmacht etwas, das nicht geteilt werden darf. Die herrschende Klasse (versucht) die Beherrschten daher oft nach Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Kultur und anderen Kriterien zu trennen und ermutigt kleine Gruppen, sich als unverwechselbar und getrennt von ihren Mitbürgern zu definieren (zu individualisieren). Ebenso ziehen es Unternehmen oft vor, ihre Mitarbeiter nach Qualifikationen und Berufskategorien zu stratifizieren und mit ihnen (wenn überhaupt) im Einzelgespräch zu verhandeln, anstatt sich einer organisierten Gewerkschaft zu stellen. Diese Aufspaltung reduziert den Wert (und die Bedeutung) der Wähler in einer Demokratie und die Macht der Arbeitnehmer in einem Vertragsstreit, wodurch die Betroffenen leichter zu ‚regieren‘ sind. Monopol ist für die Mächtigen; Wettbewerb ist etwas für die Schwachen.“

Wenn eine Untergruppe sich als zu groß oder zu stark entwickelt, so dass sie die Monopolstellung der herrschenden Klasse gefährdet, besteht eine Lösung darin, sie in kleinere Einheiten aufzuspalten, die miteinander in einem (beständigen, künstlich befeuerten) Konflikt stehen. (Man spricht dann gern davon, die auseinander strebenden Kräfte zu binden) Eine andere Lösung unterdrückt die ‚Emporkömmlingsgruppe‘ (oder die Start-ups) insgesamt. Dieses Muster zeigt sich oft auf der Weltbühne und auf jeder Ebene der Organisation menschlicher Angelegenheiten, von der Familie bis zum Nationalstaat. Eine realistische Werttheorie sollte (im Rahmen der Ökonomie) berücksichtigen, wie durch die Ausübung monopolistischer Macht Werte geschaffen und erhalten (und auch vernichtet) werden.“

Bei den meisten Gütern hängt die wirtschaftliche Bewertung daher sowohl von der Häufigkeit oder Seltenheit des Produkts (im Verhältnis zum Markt) als auch von der Anzahl der Lieferanten mit Produktionsfähigkeit und Marktzugang ab. Allerdings wird die Rolle des Monopols in den meisten Gesellschaften durch gesellschaftliche Entscheidungen – (sogenannte) Regulierungen – verändert, die das wirtschaftliche Verhalten regeln, einschließlich der Preise der meisten Arten menschlicher Arbeit und der Zinssätze. Die Monopolmacht auf der Ebene des Unternehmens oder des Oligarchen ist selten absolut; es wäre nicht tolerierbar, wenn es so wäre. Oder um es evolutionär auszudrücken: Gesellschaften, die die Monopolmacht nicht begrenzen, sind im Allgemeinen instabil und bestehen nicht sehr lange.“

Neben dem Marktverständnis in der Wirtschaftstheorie irritiert Galbraith die Tatsache, dass die meisten Lehrbücher ihre Erläuterungen gleich mit dem Austauschverhältnissen und dem Markt beginnen. Aber ohne eine Produktion gibt es nichts, was für den Austausch und letztlich für den Konsum sinnvollerweise bereit stünde. Es wird offensichtlich unterstellt, dass die Güter und Dienstleistungen in der Theorie einfach als existent vorausgesetzt werden.

Wenn wir Schritt für Schritt den Wirtschaftsablauf verfolgen, so beginnt er mit der Verfügung über Ressourcen, der Produktion von Wirtschaftsgütern, dann folgt eventuell der Austausch und letztlich der Konsum. Damit endet die ökonomische Betrachtung, obwohl der letzte Schritt noch gar nicht gemacht wurde: Die ganze Produktion wird früher oder später zu Abfall oder deutlicher gesagt: zu Müll. Es wird so getan, als würde die Ökonomie erst mit dem Markt beginnen und mit dem Konsum schon wieder enden. Dann sollte jeder Beteiligte sein Geld gemacht haben?! Aber die Kette ist doch viel länger: Bereitstellung der Ressourcen, Herstellung (Produktion), Verteilung (Markt), Konsum, und am Ende Müll. Zur Produktion weiß die Ökonomie wenige beizutragen und der Lebensabschnitt der Wirtschaftsgüter, den wir unter der Bezeichnung „Müll“ zusammenfassen würden, existiert in der Theorie überhaupt nicht, obwohl dieser Lebensabschnitt inzwischen weltweit ein Geschäftsvolumen von vielen Milliarden Euro Umsatz umfasst und wir im Müll zu „ersaufen“ drohen. Müll können wir nach der heutigen Theorie bestenfalls verwalten, aber nicht verwerten, rückführen oder gar abbauen. Nicht einmal das Vermeiden funktioniert, weil wir dann unsere Entscheidungen im Rahmen der Herstellung grundlegend ändern müssten. Vermeiden beginnt beim Nicht-produzieren!

Der Wert bezieht sich auf Güter und Dienstleistungen, die produziert werden. Bei wirtschaftlichen Aktivitäten geht es hauptsächlich um die Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Der Konsum mag das ultimative Ziel der Wirtschaftstätigkeit sein, aber ohne Produktion gibt es nichts zu konsumieren. Damit eine Produktion stattfinden kann, müssen wirtschaftliche Entscheidungsträger wie Unternehmen und Regierungen die Produktionsentscheidungen treffen. Eine Produktionstheorie sollte diese Entscheidungen erklären (können).

Und wenn in dem Lehrbuch die ‚Produktion‘ dann behandelt wird, „ähnelt die sie beschreibende Theorie normalerweise stark der Austauschtheorie (des Marktes). Der Unterschied besteht darin, dass sich in der Theorie nun nicht mehr ein Verbraucher zwischen Eiern und Butter entscheidet, sondern dass ein Unternehmen verschiedene Kombinationen aus Arbeit und Kapital wählt.“

Derzeit basiert die Produktionstheorie in der theoretischen Ökonomie hauptsächlich auf dem Konzept einer Produktionsfunktion. In der durch diese Funktionen repräsentierten Theorie gibt es keine Produktionsentscheidung. Die Entscheidung wird angenommen; die Produktion erfolgt stets im größtmöglichen Umfang; Ressourcen (einschließlich Arbeitskräfte) bleiben nicht ungenutzt. Sowohl auf der mikro- als auch auf der makroökonomischen Ebene ist die Produktionsfunktion eine Parabel der Zusammenarbeit zwischen Kapital und Arbeit bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen. (…) Produktionsfunktionen dienen somit der Rationalisierung und damit der Rechtfertigung von Marktprozessen und Marktverteilungen. (…).“

Tatsächlich können Wirtschaftssysteme als Erweiterung unseres Verständnisses von Lebensprozessen und den ihnen zugrunde liegenden physischen Realitäten verstanden werden. Eine zentrale Tatsache hierbei ist, dass alle Aktivitäten – physische, biologische und wirtschaftliche – den Zugang zu und die Nutzung von Ressourcen erfordern. Doch trotz der offensichtlichen Bedeutung physischer Ressourcen schenken ihnen die gängigen Gesellschaftstheorien, darunter auch Wirtschaftstheorien, oft wenig Aufmerksamkeit. Tatsächlich werden in unserem Standardmaß für Wirtschaftstätigkeit, der Volkseinkommensrechnung, die unserem Konzept des Bruttoinlandsprodukts zugrunde liegt, alle marktbasierten Aktivitäten in (Währungseinheiten bewertet) als gleichwertig behandelt. Und dieser Rechnung zufolge machen Branchen wie Bergbau, Energieerzeugung und Landwirtschaft nur einen kleinen Teil unserer wirtschaftlichen Aktivitäten aus – wertmäßig praktisch vernachlässigbar.“

Wenn wir die wesentliche Bedeutung (sagen wir) der Kohle (oder des Öls, des Gases oder der Wasserkraft) in unserem Leben anerkennen, können wir das harte Leben der lebenswichtigen Arbeiter, der Bergleute, Landwirte und anderer Menschen, die an vorderster Front arbeiten nicht länger ignorieren, die grundlegende Ressourcen und Lebensmittel in unsere Häuser bringen. Aber wenn wir die wesentliche Rolle, die sie spielen, anerkennen und ihre Arbeitsbedingungen und Bezahlung verbessern, werden sich viele von uns den Luxus des modernen Lebens nicht mehr so einfach leisten können, wie wir ihn jetzt noch genießen.“

Es ist vermutlich auch dem letzten Bürger drastisch klar geworden, dass wir z.B. in der Energieversorgung in den letzten Jahrzehnten gravierenden Fehleinschätzungen aufgesessen sind, die sich auch durch die von uns gewählte ökonomische Sichtweise eingestellt haben.

Eine biophysikalisch (orientierte) Werttheorie erklärt das sehr geringe Gewicht natürlicher Ressourcen nach unseren Maßstäben der Wirtschaftstätigkeit – sie sind allgegenwärtig und lebenswichtig, aber sie sind reichlich vorhanden und billig. Genauer gesagt, sie waren bisher reichlich vorhanden und günstig. (…) mehrere Jahrhunderte des Ressourcenreichtums könnten bald zu Ende gehen. Was dann? Die konventionelle Mainstream-Theorien sind nicht beunruhigend; Sie unterstellen, dass neue Ressourcen die alten ersetzen können, dass sich die Technologien anpassen werden und das Leben so weitergehen wird, wie es bisher war.“

Diese Auffassung ist aus einer globalen Perspektive eine fatale optimistische Illusion und wirkt ziemlich naiv.

(Die) „biophysikalische Theorie untergräbt diese optimistische Sichtweise. (…) Wenn die Kosten für „Ressourcen steigen oder die Ressourcenqualität abnimmt, kann eine (…) Produktionstechnologie unrentabel werden und die Produktion mit dieser Technologie wird zurückgehen oder eingestellt. In der Tat haben Fixkosten (dabei) einen(…)(erheblichen) Einfluss auf den Produktionsprozess. Je stärker die Produktion auf große vorherige Anlageinvestitionen angewiesen ist, desto geringer ist die Flexibilität und desto anfälliger sind Produktionsentscheidungen gegenüber den Kostensteigerungen bei Ressourcen.“

Galbraith kommt letztlich zu dem Ergebnis, dass wir zwischen zwei Ansätzen zu wählen haben: es gibt den Ansatz, der sozial bequem, aber irreal und sinnlos ist und es gibt den Ansatz zu versuchen, die Voraussetzungen neu zu überdenken und realistische, für uns manchmal auch harsche Schlussfolgerungen zu ziehen.
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1James K. Galbraith, An economic theory compatible wirh life processes and phsysical laws, RWE-R, No 106, 2023, p. 13-17. (Eigene Übersetzungen durch VF, ergänzende Einträge in Klammern sind vom Übersetzer)

2Galbraith, a.a.O., p. 14ff.

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„Große“ Transformation – aber kleine Schritte?

Niko Paech hat nach meiner Erinnerung einmal in einem Interview auf die Frage, wie man in eine Postwachstumssituation kommt, (verkürzt) geantwortet: „by design oder by desaster“. Diese Antwort ist kein Entweder-Oder, sondern soll wohl die Bandbreite des Handelns beschreiben, ohne auf Details eingehen zu müssen.

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Es vergeht heute kein Tag, an dem nicht irgend welche Nachrichten über den Klimawandel verbreitet werden. Dabei wird immer deutlicher, dass unsere Art des Wirtschaftens einen der ganz großen Treiber des Problems darstellen. Konsequenter Weise würde man erwarten, dass sich die Wirtschaftswissenschaftler nur so drängeln, um ihren Beitrag zu diesem Vorwurf zu leisten. Aber Fehlanzeige – es herrscht bemerkenswerte Stille. Die Situation ist möglicherweise vergleichbar mit dem Bankencrash in 2008/2009. Plötzlich haben sich alle weggeduckt, weil das Problem kaum einer rechtzeitig erkannt hatte.

Heute ist das Problem m.E. noch größer, aber ich kann kaum einen prominenten Wirtschaftler erkennen, der sich dazu äußern mag. Könnte es sein, dass die bequeme Vorstellung einer Alternativlosigkeit zum gegenwärtigen Wirtschaften oder die Vorstellung vom „Ende der Geschichte“ vielen Damen und Herren der Wirtschaftswissenschaft den Atem genommen haben. Die von der Politik und von der Wissenschaft angestrebte Transformation macht aber deutlich, dass es tatsächlich Menschen gibt, die die Behauptung der Alternativlosigkeit nicht akzeptieren (wollen) und deshalb nach neuen Lösungen suchen – also sich mit Alternativen zum gegenwärtigen Wirtschaften befassen.

Es ist nachvollziehbar, dass niemand ein fertiges System aus dem Hut zaubern kann, aber es wäre doch wünschenswert, wenn die eine oder andere der Mainstream-Ökonomen seine weitgefasste Erfahrung nutzen könnte, zu erkennen, das in der Ökonomie etwas klemmt, wenn man nicht in der Lage ist, Lösungsvorschläge zur Diskussion zu stellen.

Bei der Suche nach Erklärungen für diese Wahrnehmung stieß ich auf die jüngste Ausgabe des Real-World-Economics-Review No. 106 (Dez. 2023)1, in dem sich eher heterodoxe Wissenschaftler bemühen, wirtschaftlich relevante Vorschläge zur klimapolitischen Situation der Wirtschaft zu unterbreiten. Erwarten Sie aber nicht zu viel, auch diese Damen und Herren kochen nur mit Wasser, aber sie sind in der Lage, über den Tellerrand der Ökonomie kreativ hinaus zublicken. Ich bin beim Lesen noch mittendrin und sehe mich außerstande, hier und heute eine Meinung abzugeben, weil ich manches noch nicht so verstanden habe, wie ich es mir wünschen würde.

Einen Aspekt, bei dem ich aussteigen musste, war Jamie Morgens2 Beitrag „Against the clock: Economics 101 and the concept of time“. Es ist mir klar, dass das Zeitkonzept der Ökonomie aus einer Zeit stammt, als in der Physik noch ausschließlich Newton’sche Mechanik gelehrt wurde. Mir ist auch klar, dass es in diesem Weltbild keine zeitlichen Verschiebungen zwischen Ursache und Wirkung gibt. Aber die Darstellung von Jamie Morgan mit einer logischen Zeit und einer historischen Zeit setzt ein Verständnis voraus, über das ich (noch) nicht verfüge. Und der Artikel ist für mich zu dicht und zu abstrakt, um zu verstehen, was konkret gemeint ist.

Es ist nachvollziehbar, dass die Ökonomie keinerlei Sensorium besitzt, um Ursachen und Wirkungen zu verknüpfen, wenn dazwischen, wie z.B. in der Ökologie, Monate oder gar Jahre liegen können. Alle Ereignisse, deren Zusammenhänge im Allgemeinen die Kurzfristigkeit überfordern, sind in der Ökonomie nicht zu behandeln. Als Folge sind langfristige Entwicklungen zwar ggfs. rückblickend beschreibbar, aber nicht begründbar.

Ein ergänzender Gesichtspunkt ergibt sich insoweit, dass dann, wenn zwischen Ursache und Wirkung Zeit verstreicht, die Aussage über anzustrebende Gleichgewichtszustände wenig sinnvoll erscheint. Die Ökologie, die hier einen anderen Ansatz verfolgt, geht davon aus, dass ein Gleichgewicht die Ausnahme und in komplexen Systemen ein permanentes Ungleichgewicht durchaus als normal anzusehen ist.

Andri Werner Stahel, Brasilien3 ist Spezialist für Aristoteles und beschäftigt sich demzufolge mit kluger Haushaltsführung (Oikonomie) und der Chrematistik (Lehre vom Reichtums). Dabei macht er deutlich, dass schon im Altertum zwischen Gebrauchswert und Tauschwert unterschieden wurde. Chrematistik funktioniert – vereinfacht gesagt – nur in einer Welt, die sich dem Tauschwert verschrieben hat. Dabei ist der Tauschwert jener Wert, den ein Geschäftspartner akzeptiert, wenn er davon ausgeht, dass er das Gut erwirbt, um es weiter zu verkaufen. Dem gegenüber ist der Gebrauchswert ein quasi ‚finaler‘ Wert, der sich durch den Gebrauch oder auch Verbrauch des Wirtschaftsgutes für den Erwerber darstellen lässt.

Es wird m.E. verständlich, dass sich die Motivationen deutlich unterscheiden, wenn es darum geht, ein Wirtschaftsgut zu erwerben. Der Tauschwert ist der Wert des (Zwischen-) Händlers und der Gebrauchswert ist der Wertansatz des Endverbrauchers. Dazwischen klafft eine Lücke, die Aristoteles damit erklärt hat, dass mit dem Gebrauchswert eine kluge, eventuell vorsichtige Haushaltsführung verbunden ist und nur im Falle des Tauschwertansatzes Chrematistik möglich ist.

Wenn wir uns dem Vater der modernen Ökonomie, Adam Smith, zuwenden, so können wir feststellen, dass ‚Papa‘ Smith seine Aussagen zur modernen Ökonomie auf der Basis von Gebrauchswerten gemacht hat. Von Tauschwerten war m.E. in seinen Ausführungen zum Markt nicht die Rede. Die Welt, in der Adam Smith lebte, war noch eine landwirtschaftlich geprägte Handwerker-Gesellschaft, in der man Gebrauchsgegenstände herstellte, für die es in der Vorstellung der damaligen Zeit keine Zwischenhändler, Einzelhändler u.ä. existierten. Unsere heutige Ökonomie hat diesen ‚feinen‘ Unterschied einfach übersehen oder bewusst vernachlässigt und behauptet seit vielen Jahrzehnten, dass auf dem Markt lt. Adam Smith natürlich nur der Tauschwert zum Tragen kommt. Ob bei der Verwendung des Gebrauchswertes auch die viel zitierte „unsichtbare Hand“ (im Sinne des Herrn Smith) in unserem heutigen Sinne zum Tragen kommen könnte, erscheint fraglich.

Im Kern interessiert uns hier die Frage, was würde sich in unserem Wirtschaftssystem ändern, wenn wir statt des dominanten Tauschwertes die Idee des Gebrauchswertes verstärkt aufgreifen würden. Wenn ich ehrlich bin, fällt mir die Vorstellung schwer. In jenen Zeiten, in denen Aristoteles die Unterscheidung getroffen hat, herrschte noch in vielen Bereichen Subsistenzwirtschaft (man baute selbst an). Unter diesen Umständen hatte der Gebrauchswert eine große Bedeutung und der Tauschwert war auf eine relativ kleine Gruppe von Handel treibenden Individuen beschränkt. Heute können wir davon ausgehen, dass die Subsistenz in einem nur sehr geringen Umfang wahrgenommen wird und der Tauschwert weite Teile der Wirtschaft dominiert. Es wird aber leicht vergessen, dass die letzte Wertentscheidung beim Endverbraucher i.d.R. nicht nach dem Tauschwert erfolgt, sondern i.a.R. über die Frage entschieden wird, ob das zu erwerbende Wirtschaftsgut für den geplanten Gebrauch Verwendung finden kann und sein Gebrauchswert den individuellen Vorstellungen von Qualität und Technik entspricht.

Damit wird deutlich, dass der Tauschwert primär ein rein monetärer Wert ist, indem das Gut in der Erwartung gekauft wird, dass es im Wesentlichen unverändert mit einem monetären Aufschlag (Marge) weiterverkauft werden kann. Die Qualität oder ähnliche Überlegungen spielen dabei nur eine sehr untergeordnete Rolle, solange deswegen der Wiederverkauf nicht generell in Frage steht.

Der Gebrauchswert ist deutlich individueller und auch komplexer zu begründen. Neben der schlichten monetären Frage (Ist das Produkt mir den Preis wert? Kann oder will ich mir den Preis leisten?) ergeben sich im Sinne einer ‚klugen Haushaltsführung‘ Fragen der Qualität und einer angemessenen Technologie. Diese Aspekte sollten die Kaufentscheidung zusammen mit dem Preis auf ‚Augenhöhe‘ beeinflussen. Das ist aber nicht die Motivation des Händlers. Dessen primäres Interesse reduziert sich i.d.R. auf die angestrebte Marge. Der Tauschwert ist heute in aller Munde und wird kritiklos übernommen. Dabei wird übersehen, dass der Tauschwert ausschließlich das Interesse der Verkäuferseite darstellt.

Der Tauschwert wird von der Verkaufsseite in den Raum gestellt, vielfach mit einem großen Rabatt-Getöse, um zu demonstrieren, dass man dem Konsumenten große Zugeständnisse macht und den meisten Endkonsumenten ist nicht klar, dass ihr ureigenes Interesse nur durch den Gebrauchswert repräsentiert wird. Der Gebrauchswert tritt aber erst dann in die Aufmerksamkeit der Konsumenten, wenn der (Tausch-)Preis des Gutes die Einkommenssituation ernsthaft berührt, wenn also die Frage auftaucht, kann oder will man sich dieses Gut leisten und auf was muss durch die Kaufentscheidung alternativ verzichtet werden.

Wo besteht zwischen Tauschwert und Gebrauchswert der innere Zusammenhang? Einfach dargestellt wächst der Tauschwert mit jeder hinzukommenden Handelsstufe, weil jede Stufe mit ihrer Marge am Erfolg des Wirtschaftsgutes beteiligt sein will: Der Produzent gibt das Wirtschaftsgut zu Herstellungskosten plus Marge an den Großhandel, von dort geht das Gut zuzüglich Marge an den Einzelhandel und wird dann wieder zuzüglich der Marge dem Endkonsumenten angeboten. Der Angebotspreis entspricht dem gewünschten Tauschwert.

Wenn der Tauschwert nun die vom Gebrauchswert geprägten Preiserwartungen des Endkunden übersteigt, haben die Anbieter ein ernstzunehmendes Problem. Ihre Ware ist in diesem Fall zu dem gewünschten Tauschwert nicht verkäuflich. Und hier treffen sich Tauschwert und Gebrauchswert. Der Gebrauchswert ist der Wert, den der Endkunde zu zahlen bereit ist. Er definiert die maximal mögliche Höhe des Tauschwertes, vorausgesetzt der Endkunde begreift, wie wichtig seine individuelle Wertentwicklung und Wertentscheidung für ihn ist.

Und hier liegt der Knackpunkt! Die Angebotsseite versucht mit allen (lauteren und unlauteren) Mitteln, den Konsumenten so einzulullen, dass er diese klare Kante nicht wahrnimmt und sich lieber von den Versprechungen der Werbung und des Marketing überwältigen lässt und auf seine Rechte als Konsument freiwillig verzichtet. Nur dann, wenn der Konsument seinen Gebrauchswert kennt und konsequent einfordert, kann man davon sprechen, dass der Kunde „König“ ist. Das bedeutet aber stramme intellektuelle Arbeit!

Viele Konsumenten glauben in den Zeiten des Internets, wenn man viele Preise verglichen hat, dass man dann ein günstigstes Angebot identifizieren kann und vergisst dabei, dass es sich bei den Angebotspreisen regelmäßig nur um Tauschwerte handelt. Der Prozess muss von Seiten des Konsumenten anders herumlaufen: Man muss sich fragen, wie will ich das Produkt verwenden? Welche Qualitäten oder welche sonstigen Eigenschaften sollte deshalb das Produkt haben? Welche Lebensdauer darf ich erwarten? Welche Fristen bestehen für die Gewährleistung? Welche Reparaturgarantien bestehen? Wenn die meisten der Fragen klar beantwortet werden können, dann kommt die Frage nach dem Gebrauchswert, der dann in einem letzten Schritt zu einer abgewogenen Preiserwartung führen wird. Und mit dieser Erkenntnis kann man dann die Tauschwertangebote hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit aus der Sicht des Endkunden sinnvoll überprüfen.

Was soll nun diese Darstellung? Alle Welt sucht nach Ansatzpunkten, an denen man eine notwendige Transformation ins Rollen bringen könnte. Den einen ultimativen Triggerpunkt, der die Sache mit einem intelligenten Federstrich erledigen könnte, wird es nicht geben. Also sollte man nicht nach dem großen Wurf Ausschau halten, sondern sich eher auf viele kleinere Schritte einstellen.

Unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem wird vom Tauschwert dominiert. Hier einen Wechsel zum Gebrauchswert anzustreben, ist realistisch nicht durchführbar. Die gegenwärtige Fixierung auf den Tauschwert macht die heftige Kapitalkumulation (das Thema der klassischen Chrematistik) erst möglich. Dabei wird alles getan, damit der Endverbraucher nicht auf die Idee kommt, seine ureigensten Interessen im Rahmen der Entwicklung eines Gebrauchswertes offensiv zu vertreten. Die Mehrzahl der Konsumenten folgt den Versprechungen der Anbieter, ohne sich frei mit einer eigenen Meinung an dem ‚Spiel‘ zu beteiligen. Eine Stärkung des Verständnisses der Bedeutung des Gebrauchswertes könnte u.a. wieder qualitative und metabolische4 Gesichtspunkte in die Diskussion einführen.

Es liegt nicht im Interesse des Verbrauchers, billig zu konsumieren, wie das heute oft propagiert wird – weil bei dem billigen Angebot in aller Regel die Nutzungszeit und die Gewährleistung ausgeblendet werden. Billig erhöht nur den Durchsatz zum Nachteil des Konsumenten, der dann in kurzen Abständen wieder konsumieren muss (Stichwort: Fast Fashion). „Ich verdiene nicht genug, um billig einzukaufen!“ Das Ziel des Konsumenten muss es sein, ein ‚preiswertes‘ oder ‚preiswürdiges‘ Angebot zu nutzen. Dazu muss er aber seine Vorstellung des jeweiligen Gebrauchswertes kennen und vertreten können.

Abschließend könnte man sich auch künftig ein Fach ‚Haushaltsführung‘ in den Schulen vorstellen, in dem die Bedeutung des Gebrauchswertes im Gegensatz zum Tauschwert für den Konsumenten vermittelt wird. Denn wir sind irgendwie alle Konsumenten!
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1Real-World-Economics Review (RWE) No. 106 (Im Internat gibt es einen kostenlosen Download in englischer Sprache) Thema der Ausgabe ist „How can we construct an economics consistent with the biophysical limits to economic growth?“ mit vielen unterschiedlichen Beiträgen

2Jamie Morgan, Against the clock: Economics 101 and the concept of time, In: RWE 106, S. 78 ff.

3Andri Werner Stahel, Oikonomics and the limits to growth, in: RWE No 106, S. 27ff.

4Eine metabolische Betrachtungsweise geht weg von der ökonomischen Betrachtung, die auf den Preis fixiert ist. In der metabolischen Perspektive spielt es eine Rolle, welche Stoffe, in welchen Mengen, wie und mit welchen Mitteln verarbeitet werden oder wurden.

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