Unter der Überschrift „versichert und verkauft“ deutet Herbert Fromme in der SZ an was den Versicherungsnehmern wohl blühen wird. Die großen alten Versicherungs -„Dampfer“ wie Viktoria-Leben, Hamburg-Mannheimer oder Volksfürsorge, die immer mit dem Brustton der Überzeugung ihre Leistungen darstellten, sind in Schwierigkeiten und wollen ihre Versicherungsnehmer wie lästige Fliegen loswerden.
» weiterlesen
Der Markt unterliegt ständigen Veränderungen
Der Markt hat sich grundlegend zum Nachteil der Versicherungswirtschaft und ihre alten Zusagen verändert. Die Verträge mit den Versicherungsnehmern (VN) sind aber gleichgeblieben und keiner dieser Versicherungsdampfer konnte sich vorstellen, dass das kurzfristig orientierte Geschäft in einer Marktwirtschaft mit einer zwanzig- oder gar dreißigjährigen Zusage von Anfang an im Konflikt stehen könnte. Eine Zusage auf dreißig Jahre ist mit einer kapitalistischen Marktwirtschaft nicht vereinbar, weil die langfristige Bindung dem Grundgedanken unseres Wirtschaftssystems widerspricht. Das will zur damaligen Zeit aber niemand gemerkt haben.
Rendite steht im Vordergrund
Das ausschließliche Ziel der Versicherungswirtschaft ist es Rendite zu machen. Der Versorgungsgedanke ist nur Marketinggerede. Der Versorgungsgedanke war bei den ‚Versicherungen auf Gegenseitigkeit‘ oder bei den ‚genossenschaftlich organisierten Versicherern‘ noch darstellbar. Hier war der Versicherungsnehmer nicht nur die Kuh, die man melken wollte, sondern er hatte auch Gestaltungsrechte oder sein Wohl war Teil der Satzung. All diese „lästigen“ Einschränkungen hat man aber über Bord geworfen als man sich als Kapitalunternehmen unter dem Beifall der Politik an der Börse präsentierte. Heute stehen die Versicherungsunternehmen zum Verkauf und die Versicherungsnehmer gleich mit.
Verschiebung der Risiken
Die neuen Versicherungsverträge garantieren nichts mehr und sind allgemein auf Fondsbasis aufgebaut. Mit anderen Worten, das für den Altersversorgungsgedanken breiter Massen notwendige Sicherheitsversprechen wird abgestreift und dafür werden Policen angeboten, die das Erfolgsrisiko von der Kapitalgesellschaft auf den VN übertragen. Nach dem alten System war die Versicherung in der Haftung und wenn sie groß genug war, konnte man sicher sein, dass die Rücklagen auch dann reichen, wenn der Markt Kapriolen schlägt. Heute liegt das Risiko voll und ganz bei VN, der aber aufgrund der Vertragsgestaltung den Fonds nicht wechseln kann, wenn er merkt, dass das Fonds-Management wenig Fortüne besitzt. All die Freiheiten, die ein Anleger hat, sind ihm genommen. Beim ‚rein‘ in den Vertrag gibt es vielleicht eine Wahl, dann ist der VN aber über die Dauer des Vertrages bis zu dreißig Jahren der Gefangene des Vertrages und der Leistungsfähigkeit des Fonds. Diese Erkenntnis gewinnt der VN meist erst im Laufe der Vertragslaufzeit. Der Fondsmanager kennt diese Konsequenz des Vertrages von Anbeginn. Was sollte ihn dazu bewegen, ein maximales oder wenigsten optimales Ergebnis für den VN zu erzielen – bestenfalls sein sportlicher Ehrgeiz, und das ist eine sehr dünne Grundlage.
Effizenzsteiegerung durch Zusammenlegung
Jetzt werden die alten Vertragsbestände oder gleich die ganze Gesellschaft verkauft. Ich bin mir nicht sicher, ob die Käufer am Kapitalmarkt die Bestände weiterhin in Deutschland führen werden. Es wäre denkbar, dass die Vertragsverwaltungen in den Konzernen zusammengelegt werden. Die Entscheidungen über Zweifelsfragen werden dann möglicherweise im Ausland getroffen. Da kann es dann schwierig werden, eine Klageschrift wirksam zustellen zu wollen. Wenn sie einen kompetenten Ansprechpartner jenseits der stereotypen Aussagen des deutschsprechenden Callcenters haben wollen, dürfen sie sich als Folge der Globalisierung in fremder Sprache üben.
Deutschlandrente
Nach Auskunft wird als Ersatz der privaten Altersversorgung über eine „Deutschlandrente“ diskutiert. „Die Beiträge für die Deutschlandrente werden vom Staat eingezogen, der sie von privaten Fondsmanagern verwalten lässt und selbst kein Gewinninteresse verfolgt. Die Kosten wären sehr niedrig. In Schweden funktioniert das gut.“ Das klingt auf den ersten Blick recht vielversprechend. Insbesondere, wenn der Staat zumindest für kleinere Rentenverträge eine gewisse Sicherheitsgarantie abgäbe. Aber: Ist es den Befürwortern dieses Ansatzes klar, dass Fonds heute mehrheitlich nicht durch realen Kauf und Verkauf von Wertpapieren agieren, sondern Fonds-Bestände hält, die mehrheitlich aus Derivaten und Terminkontrakten bestehen – also aus heißer Luft, die nur solange einen Wert darstellen, solange der Markt reibungslos funktioniert und sichergestellt ist, dass die Derivate und die realen Anteile deckungsgleich sind. Wir wissen doch aus anderen Quellen, dass der Derivatemarkt um ein Vielfaches größer ist als reale Transaktionen vorhanden sind. Hier wird ein Risiko aufgebaut, das der Staat eigentlich gar nicht tragen will. Da er aber die Finger im Spiel hat, wird es eine Fülle von Regressansprüchen geben, wenn der Markt einmal zusammenbricht und deutlich wird, dass außer heißer Luft nichts da ist, dem man einen Wert beimessen könnte.
Risiken aus Finanzprodukten
Die Begeisterung für Finanzprodukte ist in der Branche und in der Politik so groß, dass sich niemand die Frage stellt, ob der Markt nicht in den nächsten paar Jahren wieder einen Zusammenbruch erlebt wie 2008/2009. Wir haben ja nichts geändert! Warum müssen wir immer wieder die gleichen Fehler machen? Geld ist nur eine Konvention, Finanzprodukte sind eine Konvention auf Basis einer Konvention. Aktien sind der monetäre Ausdruck eines realen Hintergrundes. Wenn die Konvention aufgehoben wird, bleibt der reale Wert des Unternehmens grundsätzlich bestehen. Wie er sich dann in Geld ausdrückt, muss offen bleiben, aber der reale Wert lässt zumindest hoffen. Für Finanzprodukte gibt es hier keine Hoffnung – sie lösen sich in Luft auf. Und alle Welt schaut, wo sie eine Institution findet, die sie für die riesigen Verluste haftbar machen kann. Da wird dann aber nichts mehr sein.
Das Risiko der staatlichen Organe
Wenn in diesem Zusammenhang der Staat die Finger im Spiel hat, ist klar, bei wem man seine Forderung ablädt und die Politik wird über den üblichen Wählerdruck nicht umhin können, hier weitgehende Zugeständnisse machen zu müssen. Dann doch lieber gleich das bestehende Rentensystem erweitern und heute alle Arbeitskräfte zu Beitragszahlern machen (also auch Unternehmer, Selbstständige und Beamte). Und das ganze System ohne Kapitalmarkt aufbauen. Der Kapitalmarkt ist viel zu fragil und volatil, um die für eine Altersversorgung notwendige Sicherheit zu gewährleisten. Wie wir inzwischen leidvoll wissen, bricht der Finanzmarkt in regelmäßigen Abständen zusammen, wenn wir ihm in friedlichen Zeiten nur genug Zeit geben, um Blasen zu entwickeln. Das ist für eine Rente keine seriöse Lösung. Zumindest nicht für die unteren Einkommensgruppen, die auf diese Rente im Alter bitter angewiesen sind.
» weniger zeigen