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Ökonomischer Irrwitz

Die Wirtschaftswissenschaften teilen sich in eine makroskopische Vorgehensweise (Volkswirtschaftslehre oder Economics) und einen mikroskopischen Ansatz, der gewöhnlich mit Betriebswirtschaftslehre oder Business Administration bezeichnet wird. Beide Ansätze gehen ursprünglich auf ein gemeinsames Menschenbild zurück, das den Menschen auf den ‚Entscheider‘ reduziert.

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Alles, was dieser ‚Modellmensch‘ tut, ist angeblich rational begründbar. Dieses ‚seltsame Tier‘ nennt man unter Ökonomen den homo oeconomicus. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es keiner Emotionen besitzt und wenn doch, dann in der Lage ist, diese rational zu begründen.

Dieser Modellmensch ist mit einer Rationalität begabt, die übermenschlich ist – er kommt den Göttern nahe – aber man muss an ihn und sein Verständnis von Rationalität glauben. Er löst angeblich jedes Problem mit logisch-rationaler Schärfe, kennt immer im Voraus alle Alternativen der Problemlösung und muss nur noch gemäß seinem Ziel der monetären Gewinnmaximierung die „richtige“ Alternative auswählen. Alles was nicht monetär gefasst werden kann, ist nicht Gegenstand seiner Rationalität. Vernunft spielt bei ihm also nur insoweit eine Rolle, als er das Vernünftige in Geld ausdrücken kann.

Dieser emotionale ‚Krüppel‘ war einvernehmlich die Diskussionsgrundlage der Ökonomie. Nicht lange nach dem Kriege entwickelte sich unter dem Druck der Märkte ein Wissensgebiet in der mikroskopischen Ökonomie, das wir heute Marketing nennen. Es befasst sich intensiv mit der Frage, wie man den konkreten Menschen (also nicht den ‚Krüppel‘) durch Manipulation dazu bringt, mehr zu konsumieren als er braucht. Das neue Fach ‚Marketing‘ hat natürlich mit der gemeinsamen Basis des homo oeconomicus begonnen. Die Vertreter dieses Faches haben aber sehr schnell realisiert, dass die meisten Menschen nicht rational, sondern eher emotional handeln. M.a.W. dieses Wissensgebiet hat die Sichtweise des homo oeconomicus auf den Müll der Methodengeschichte gepackt. Es hat sich durch die Psychologie und Soziologie inspirieren lassen, um zu erreichen, dass nachweislich erfolgreiche Methoden der Vermarktung entwickelt werden können. Der Modellmensch kann das nicht leisten. Er ist viel zu abstrakt und zu weit vom wirklichen Leben entfernt, als dass mit ihm solche Methoden begründet und bereitstellt werden könnten.

Rationale Entscheidungen sind im wirklichen Leben nicht ausgeschlossen, aber wird bei jeder Entscheidung die Ratio bemüht? Wieviel Entscheidungen mit weit tragenden Folgen werden routinemäßig getroffen? Haben wir im wirklichen Leben die Informationen, die notwendig sind, um eine rational begründbare Entscheidung herbei zu führen? Nein! Und die Industrie ist heute mit Hilfe des Marketings intensiv bemüht, uns vom Pfad der Rationalität abzulenken. Die Emotion wird strapaziert. In der Erwartung, dass unsere Emotion wohl in aller Regel stärker auf unsere Entscheidungen durchschlagen als die viel besungene Ratio.

Damit bewegt sich die Ökonomie in einem irrwitzigen Rahmen: Der makroskopische Teil dieses Untersuchungsgebietes glaubt steif und fest an die Rationalität der Entscheider. Das Marketing tut genau das Gegenteil – es werden Milliarden Euro eingesetzt, den Entscheider von der Ratio wegzulocken, um ihm die Welt der Emotionen zu vermitteln. Wenn die Ratio irgendeinen wesentlichen Einfluss auf unsere Konsumentscheidungen hätte, wäre jede Werbung nutzlos, weil ja der Verstand des Menschen sofort erkennen würde, dass er überrannt werden soll. Und das würde dazu führen, dass diese Methoden weitgehend ohne Einfluss blieben. Das Gegenteil ist zu beobachten. Eine Industrie, in der Wettbewerb stattfindet, kann sich kein exzessives Marketing leisten, wenn es keine Erfolge aufzuweisen hätte. Das können wir als einen starken Hinweis werten, dass Marketingmethoden keinem methodischen ‚Glauben‘ entspringen, sondern durch viele Fakten belegt werden können. Die gleiche Erwartung auf die Grundlagen der Ökonomie (Economics) zu richten, läuft aber ins Leere bzw. in die schöne neue Welt des ‚Glaubens und Hoffens‘.

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Für eine schlüssige Mobilitätspolitik

Wir nehmen den Betrug der Autoindustrie hinsichtlich der Abgas- und Verbrauchsangaben zu ihren Produkten verärgert zur Kenntnis und hoffen auf die Justiz. Man erkennt auch, dass die Politik ihr Heil in einer forcierten Elektro-Doktrin zu finden hofft. Die Wasserstofftechnologie für Antriebe spielt politisch offensichtlich keine große Rolle. Am Horizont zeichnet sich die Idee vom autonomen Fahren ab.

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Gleichzeitig droht die Politik mit dem Beharren auf dem vollmundigen Klimaziel sich lächerlich zu machen, weil der gute Wille erklärt wird, aber das „Fleisch“ in der Regel viel zu schwach ist, um sich gegen die industriellen Interessen durchzusetzen.

In den Metropolregionen verzichten viele jüngere Menschen schon heute auf ein Auto, nicht weil sie es sich nicht leisten können, sondern weil sie nicht wissen, wohin damit, wenn der Feierabend kommt. Und ganz ehrlich, es wird immer wieder behauptet, das Auto sei schneller als der ÖPNV in der Überwindung der Entfernung, aber angekommen, muss der Fahrer so lange nach einem Parkplatz suchen, dass der mögliche Vorsprung sich schnell verflüchtigt. Der Öffentliche Personen Nahverkehr (ÖPNV) wird Jahr für Jahr ein wenig leistungsfähiger, aber das Haupttransportmittel der meisten Menschen  – das  Automobil – wird von Jahr zu Jahr in den Metropolen unattraktiver. Das Automobil scheint sich in diesen Räumen selbst ad absurdum zu führen.

Die Gemengelage ist sehr unübersichtlich und es gibt – wie immer in solchen komplexen Zusammenhängen – keine einfache Lösung, die mit ein paar kleinen Korrekturen den Status quo fortschreibt. Das wäre politisch zwar am einfachsten durchzusetzen, aber die erkennbaren Umbrüche sind zu groß.

Der klassische Verbrennungsmotor wird uns noch einige Jahre begleiten. Diese Technologie ist ausgereift und die Infrastruktur steht. Man wird an dem Schadstoffausstoß ein wenig herumflicken, um ihn nicht ganz aus dem Ruder laufen zu lassen. Das Automobil ist sowohl in den Metropolregionen als auch auf dem flachen Land eingeführt und entspricht weitgehend unseren Erwartungen an diese Technologie. Wir vergiften uns nur allmählich und in den Metropolen wird die Blechlawine, die sich täglich durch die Straßen wälzt, hinsichtlich Lärm, Schmutz und Platzverbrauch unerträglich.

Wenn man nun das gleiche Szenario mit der E-Mobil-Technologie beschreiben will, entfallen Schadstoffausstoß der PKWs und der Lärm. Damit wäre die Situation ein bisschen besser. Was ist aber mit dem gewerblichen Verkehr, den wir unter dem Begriff LKW erfassen? Von dem LKW-Verkehr wird im Rahmen der E-Mobilität überhaupt nicht gesprochen. Als ob es keine LKWs gäbe! (Ausgerechnet die Post befaßt sich mit dieser Frage, weil sie auf dem deutschen Automobilmarkt mit ihrem Anliegen keinen Produzenten gefunden hat).

Ist der Kohlendioxydausstoß bei einer E-Mobilität wirklich geringer? Der Strom muss ja produziert werden und entwickelt dabei CO2. Die Frage, ob hier dann wirklich Kohlendioxyd eingespart wird, ist nicht abschließend geklärt, solange nicht ausschließlich erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.

Das E-Mobil hat eine recht begrenzte Reichweite. Das kennen wir aus den Anfangsjahren des Verbrennungsmotors auch noch. Kraftstoff zu fassen war und ist eine Sache von zehn Minuten, Elektrizität in Batterien zu speichern ist noch eine Sache von Stunden. Die dazu notwendige Infrastruktur muss erst noch aufgebaut werden. Die Kosten werden erheblich sein. Eine Größenordnung ist mir nicht bekannt. Die Batterien sollen nur 10 – 15 Jahre verwendbar sein, dann müssen sie ausgewechselt und ‚entsorgt‘  werden. Einerseits liegen die damit verbundenen Kosten  weit jenseits des halben Fahrzeugneupreises (je nach Größe des Fahrzeugs). Andererseits ist die Entsorgung solcher Autos vorprogrammiert: wer investiert in ein 15 Jahre altes Auto nochmals den halben Anschaffungspreis. Das ist völlig unrealistisch. E-Mobilität wird dadurch richtig teuer. Die Umweltschäden, die diese Technologie in der Dritten Welt auslöst, werden noch mehr Afrikaner zum Anlass nehmen, ihr Heil unter Lebensgefahr in Europa zu suchen.

Ein weiterer Mangel der so verstandenen E- Mobilität liegt darin, dass wir nichts sparen: Der heutige Energieverbrauch unserer Verbrennungsmotoren wird auf das Stromnetz übertragen. Wenn meine Informationen richtig sind, fahren wir mit den gegenwärtigen Energienetzen an der Kapazitätsgrenze. Wenn also dann alle E-Mobile ihren „Kraftstoff“ aus dem Strom-Netz beziehen, müssten die erforderlichen Kapazitäten schon heute in Angriff genommen und vielleicht verdoppelt oder verdreifacht werden, um diesem Ansturm gerecht werden zu können. Ist das der Fall? Nach meiner Kenntnis passiert diesbezüglich gegenwärtig  nichts.

In den bisherigen Betrachtungen taucht die Option des autonomen Fahrzeugs nur am Rande auf. Das autonome Fahren ist im Grunde ein Taxi ohne menschlichen Fahrer. Was bedeutet das für die Mobilität? Das autonome Fahren ist in einem ersten Schritt völlig unabhängig von der Antriebstechnologie. Ob Verbrennungsmotor oder Elektromotor oder gar ein Wasserstoffantrieb, das ist dem autonomen Fahrer (dem Algorithmus) völlig gleichgültig.

Mit dem autonomen Fahren wird der Besitz eines Automobils jeden Charme verlieren. Der Besitzer kann sich in den Metropolregionen über die Größe seines Autos sozial nicht mehr differenzieren. Die Autohersteller werden bequeme Einheitsfahrzeuge bereit stellen, die man immer dann, wenn man sie braucht, ruft und benutzt. Was ist die Folge? Heute ist ein Auto bei den meisten Menschen eine überaus unwirtschaftliche Anschaffung: Das Auto steht ca. 22 Stunden eines Tages auf der Straße, nimmt Platz weg und wird in den zwei Stunden des Tages im Schnitt etwa 25 – 50 km bewegt, um dann wieder zu stehen. Ein autonom gesteuertes Fahrzeug ist im Prinzip 24 Stunden (abzüglich ‚Kraftstoff‘-Aufnahme und Service) unterwegs. Wenn es A nicht nutzt, nutzt es B. Die Bestellung eines Fahrzeugs erfolgt digital. Wenn man davon ausgeht, dass morgens und abends eine große Nachfrage nach Fahrzeugen auftreten wird, ist trotz allem festzustellen, dass die absolute Zahl von Fahrzeugen durch das autonome Fahren drastisch sinken wird. Für Städte gibt es Simulationen, die davon ausgehen, dass der Fahrzeugbestand dort aufgrund der veränderten Fahrtechnologie auf zehn Prozent des gegenwärtigen PKW-Bestandes sinken würde. Neunzig Prozent des Bedarfs an Autos lösen sich dann in Luft auf. Was für einen Platz gewönne man in den Städten!

Das autonome Fahren würde damit auch aus Umweltgesichtspunkten selbst bei den bestehenden Verbrennungsmotoren einen Beitrag zur Reduzierung von CO2 leisten können, den sich die Regierung in ihren kühnsten Träumen nicht erhofft hat. Deshalb ist auch bei der Beurteilung der E-Mobilität mit Vorsicht zu argumentieren: E-Mobilität zusammen mit autonomem Fahren senkt die PKW-Zahlen drastisch und damit die zu erwartenden Infrastrukturaufwendungen und senkt mit gewissen Einschränkungen aufgrund der geringeren Automobilzahlen auch den Energiebedarf und die  damit verbundenen Infrastrukturfolgekosten in der Energieversorgung. Vor diesem Hintergrund sollte man nicht mit einer fragwürdigen E-Doktrin durch die Lande ziehen, sondern vielmehr dafür sorgen, dass sich das autonome Fahren realisiert und politisch durchgesetzt wird. Hier liegt offensichtlich einer der Dreh- und Angelpunkte, gewissermaßen die Schnittmenge der anstehenden Probleme.

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Private Altersversorgung – quo vadis?

Unter der Überschrift „versichert und verkauft“ deutet Herbert Fromme in der SZ an was den Versicherungsnehmern wohl blühen wird. Die großen alten Versicherungs -„Dampfer“ wie Viktoria-Leben, Hamburg-Mannheimer oder Volksfürsorge, die immer mit dem Brustton der Überzeugung ihre Leistungen darstellten, sind in Schwierigkeiten und wollen ihre Versicherungsnehmer wie lästige Fliegen loswerden.

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Der Markt unterliegt ständigen Veränderungen
Der Markt hat sich grundlegend zum Nachteil der Versicherungswirtschaft und ihre alten Zusagen verändert. Die Verträge mit den Versicherungsnehmern (VN) sind aber gleichgeblieben und keiner dieser Versicherungsdampfer konnte sich vorstellen, dass das kurzfristig orientierte Geschäft in einer Marktwirtschaft mit einer zwanzig- oder gar dreißigjährigen Zusage von Anfang an im Konflikt stehen könnte. Eine Zusage auf dreißig Jahre ist mit einer kapitalistischen Marktwirtschaft nicht vereinbar, weil die langfristige Bindung dem Grundgedanken unseres Wirtschaftssystems widerspricht. Das will zur damaligen Zeit aber niemand gemerkt haben.

Rendite steht im Vordergrund
Das ausschließliche Ziel der Versicherungswirtschaft ist es Rendite zu machen. Der Versorgungsgedanke ist nur Marketinggerede. Der Versorgungsgedanke war bei den ‚Versicherungen auf Gegenseitigkeit‘ oder bei den ‚genossenschaftlich organisierten Versicherern‘ noch darstellbar. Hier war der Versicherungsnehmer nicht nur die Kuh, die man melken wollte, sondern er hatte auch Gestaltungsrechte oder sein Wohl war Teil der Satzung. All diese „lästigen“ Einschränkungen hat man aber über Bord geworfen als man sich als Kapitalunternehmen unter dem Beifall der Politik an der Börse präsentierte. Heute stehen die Versicherungsunternehmen zum Verkauf und die Versicherungsnehmer gleich mit.

Verschiebung der Risiken
Die neuen Versicherungsverträge garantieren nichts mehr und sind allgemein auf Fondsbasis aufgebaut. Mit anderen Worten, das für den Altersversorgungsgedanken breiter Massen notwendige Sicherheitsversprechen wird abgestreift und dafür werden Policen angeboten, die das Erfolgsrisiko von der Kapitalgesellschaft auf den VN übertragen. Nach dem alten System war die Versicherung in der Haftung und wenn sie groß genug war, konnte man sicher sein, dass die Rücklagen auch dann reichen, wenn der Markt Kapriolen schlägt. Heute liegt das Risiko voll und ganz bei VN, der aber aufgrund der Vertragsgestaltung den Fonds nicht wechseln kann, wenn er merkt, dass das Fonds-Management wenig Fortüne besitzt. All die Freiheiten, die ein Anleger hat, sind ihm genommen. Beim ‚rein‘ in den Vertrag gibt es vielleicht eine Wahl, dann ist der VN aber über die Dauer des Vertrages bis zu dreißig Jahren der Gefangene des Vertrages und der Leistungsfähigkeit des Fonds. Diese Erkenntnis gewinnt der VN meist erst im Laufe der Vertragslaufzeit. Der Fondsmanager kennt diese Konsequenz des Vertrages von Anbeginn. Was sollte ihn dazu bewegen, ein maximales oder wenigsten optimales Ergebnis für den VN zu erzielen – bestenfalls sein sportlicher Ehrgeiz, und das ist eine sehr dünne Grundlage.

Effizenzsteiegerung durch Zusammenlegung
Jetzt werden die alten Vertragsbestände oder gleich die ganze Gesellschaft verkauft. Ich bin mir nicht sicher, ob die Käufer am Kapitalmarkt die Bestände weiterhin in Deutschland führen werden. Es wäre denkbar, dass die Vertragsverwaltungen in den Konzernen zusammengelegt werden. Die Entscheidungen über Zweifelsfragen werden dann möglicherweise im Ausland getroffen. Da kann es dann schwierig werden, eine Klageschrift wirksam zustellen zu wollen. Wenn sie einen kompetenten Ansprechpartner jenseits der stereotypen Aussagen des deutschsprechenden Callcenters haben wollen, dürfen sie sich als Folge der Globalisierung in fremder Sprache üben.

Deutschlandrente
Nach Auskunft wird als Ersatz der privaten Altersversorgung über eine „Deutschlandrente“ diskutiert. „Die Beiträge für die Deutschlandrente werden vom Staat eingezogen, der sie von privaten Fondsmanagern verwalten lässt und selbst kein Gewinninteresse verfolgt. Die Kosten wären sehr niedrig. In Schweden funktioniert das gut.“ Das klingt auf den ersten Blick recht vielversprechend. Insbesondere, wenn der Staat zumindest für kleinere Rentenverträge eine gewisse Sicherheitsgarantie abgäbe. Aber: Ist es den Befürwortern dieses Ansatzes klar, dass Fonds heute mehrheitlich nicht durch realen Kauf und Verkauf von Wertpapieren agieren, sondern Fonds-Bestände hält, die mehrheitlich aus Derivaten und Terminkontrakten bestehen – also aus heißer Luft, die nur solange einen Wert darstellen, solange der Markt reibungslos funktioniert und sichergestellt ist, dass die Derivate und die realen Anteile deckungsgleich sind. Wir wissen doch aus anderen Quellen, dass der Derivatemarkt um ein Vielfaches größer ist als reale Transaktionen vorhanden sind. Hier wird ein Risiko aufgebaut, das der Staat eigentlich gar nicht tragen will. Da er aber die Finger im Spiel hat, wird es eine Fülle von Regressansprüchen geben, wenn der Markt einmal zusammenbricht und deutlich wird, dass außer heißer Luft nichts da ist, dem man einen Wert beimessen könnte.

Risiken aus Finanzprodukten
Die Begeisterung für Finanzprodukte ist in der Branche und in der Politik so groß, dass sich niemand die Frage stellt, ob der Markt nicht in den nächsten paar Jahren wieder einen Zusammenbruch erlebt wie 2008/2009. Wir haben ja nichts geändert! Warum müssen wir immer wieder die gleichen Fehler machen? Geld ist nur eine Konvention, Finanzprodukte sind eine Konvention auf Basis einer Konvention. Aktien sind der monetäre Ausdruck eines realen Hintergrundes. Wenn die Konvention aufgehoben wird, bleibt der reale Wert des Unternehmens grundsätzlich bestehen. Wie er sich dann in Geld ausdrückt, muss offen bleiben, aber der reale Wert lässt zumindest hoffen. Für Finanzprodukte gibt es hier keine Hoffnung – sie lösen sich in Luft auf. Und alle Welt schaut, wo sie eine Institution findet, die sie für die riesigen Verluste haftbar machen kann. Da wird dann aber nichts mehr sein.

Das Risiko der staatlichen Organe
Wenn in diesem Zusammenhang der Staat die Finger im Spiel hat, ist klar, bei wem man seine Forderung ablädt und die Politik wird über den üblichen Wählerdruck nicht umhin können, hier weitgehende Zugeständnisse machen zu müssen. Dann doch lieber gleich das bestehende Rentensystem erweitern und heute alle Arbeitskräfte zu Beitragszahlern machen (also auch Unternehmer, Selbstständige und Beamte). Und das ganze System ohne Kapitalmarkt aufbauen. Der Kapitalmarkt ist viel zu fragil und volatil, um die für eine Altersversorgung notwendige Sicherheit zu gewährleisten. Wie wir inzwischen leidvoll wissen, bricht der Finanzmarkt in regelmäßigen Abständen zusammen, wenn wir ihm in friedlichen Zeiten nur genug Zeit geben, um Blasen zu entwickeln. Das ist für eine Rente keine seriöse Lösung. Zumindest nicht für die unteren Einkommensgruppen, die auf diese Rente im Alter bitter angewiesen sind.

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Aphorismen aus der ‚Business Welt‘

Der Kolumnist und erfolgreiche Autor Martin Suter (geboren am 29.02.1948) analysierte schon vor Jahren mit spitzer Feder die sogenannte ‚Business Class‘. Hier einige seiner Ausführungen zu dieser besonderen ‚Klasse‘ von Menschen:

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CEO (Chief  Executive Officer): „Hinter dieser Anhäufung von Superlativen steht nichts anderes als ein Angestellter, der das große Wort führt, ein paar Entscheidungen trifft, die Untergebene für ihn erarbeitet haben, und der keinerlei persönliches Risiko trägt. Das Testosteron geschwängerte, hohle, Epauletten behangene der wilhelminischen Epoche findet sich heute wieder in der Großmannssucht des Spitzenmanagements. Mit dem Unterschied vielleicht dass sich die Leader von heute nach Niederlagen nicht mehr erschießen, sondern mit millionenschweren Abfindungen auf die Fettlebe im Alter einrichten.“

„Dort oben hin, wo es keine Kontrolle mehr gibt und man alle Fehler machen darf, streben die mittleren Chargen … und dafür zahlen sie jeden Preis, und töten jeden Anstand, jede Selbstachtung in sich ab. … (Die) Betriebswirte und Controller werden durch die Zumutungen, die ihnen der Aufstieg abverlangt, so beschädigt, dass sie, oben angekommen, nur noch Charaktermasken sind.“

„CEOs beherrschen ihren Job nicht, weil sie nicht dafür qualifiziert sind. CEOs wissen nur, wie man CEO wird. Davon, wie man CEO ist, haben sie keine Ahnung. Woher auch? Der Kampf um die Position verlangt ganz andere Qualitäten als die Position selbst. Da hat man jahrelang Mitbewerber ausgetrickst, sich auf Kosten anderer profiliert, Verantwortung abgewälzt und Erfolge für sich beansprucht, opportune Entscheidungen getroffen und richtige vermieden (…) und plötzlich ist man am Ziel und weiß nicht, was man dort zu tun hat.“

Wann immer Sie in Gefahr sind, dem eindrucksvollen Auftritt dieser ‚Klasse‘ von Managern mental zu erliegen, so erinnern Sie sich einfach an die Worte von Martin Suter oder stellen Sie sich die Person in einer aus der Zeit gefallenen Badehose vor – das hilft i.d.R. vor falscher Ehrerbietigkeit. Wenn Sie ihn Ihre mangelnde Ehrfurcht spüren lassen, dürfen Sie aber nicht auf Gnade hoffen, denn Sie zerstören ein entbehrungsreich aufgebautes Image, von dem mancher Spitzenmanager glaubt, es beschreibe seine Identität.

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Arme Justitia

Die Zahl der Wirtschaftsfälle, an denen die Justiz scheitert, obwohl erkennbar große Schäden verursacht wurden, ist erschreckend. Manche der Gazetten kommen dabei zu dem Schluss, dass die Gesetzgebung die Komplexität der Fälle nicht mehr erfassen kann. Das mag bei einzelnen neuen Sachverhalten durchaus richtig sein, aber der eigentliche Grund liegt vermutlich ganz woanders.

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Schauen wir uns doch diese Frage aus dem Blickpunkt eines frischgebackenen exzellenten Anwalts an. Früher gingen solche Leute ins Richteramt. Heute wird der Kandidat so mit Angeboten der Wirtschaft bombardiert, dass er diese Option schnell fallen lässt. Es beginnt bei den Arbeitsbedingungen im Amt und endet beim Einkommen als beamteter Richter.

Beginnen wir bei den Arbeitsbedingungen. Neben der Frage nach der unterstützenden Technik, die meist schon viele Jahre in der Anwendung ist und die die letzten Updates nicht erreicht haben, ist die Frage, wie gearbeitet wird. Stehen die notwendigen Arbeitskräfte zur Verfügung, die qualifiziert zuarbeiten können? Ertrinkt der Kandidat in Fällen, die schon sein Vorgänger bei vielen Überstunden nicht bearbeiten konnte? Die personelle Ausstattung lässt grundsätzlich zu wünschen übrig.

Der Staatsapparat soll nach der neoliberalen Doktrin schlank und effizient sein. Man kann dabei den Eindruck nicht unterdrücken, dass die Politik sich als Büttel der Wirtschaft gemüßigt sieht, viele rechtlichen Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben statt die Frage zeitnah und treffend (gerade weil es wehtut) zu behandeln und zu entscheiden. Folgerichtig wird die Personalausstattung in der Justiz auf einem Minimum gehalten. Überlastete Mitglieder der Justiz ‚rödeln‘, um den Terminen hinterher zu hecheln.

Was ist die Folge? Der „Brain Drain“ von guten Juristen in die Wirtschaft lässt die Justiz in der Tendenz qualitativ immer schlechter werden. Die Spitzenleute entwickeln jene Modelle, mit denen sich dann, wenn die ersten Modelle an der ökonomischen Wirklichkeit gescheitert sind, die Justiz befassen darf ohne zuvor jemals etwas von diesen halbseidenen Wegen der Wirtschaft erfahren zu haben. Es ist nicht darstellbar, dass die Creme des Berufsstandes dauernd auf Schulungen zu finden ist, um die neuesten Entwicklungen zu lernen und umzusetzen. Gleichzeitig muss es in der Justizverwaltung Abteilungen geben, die ebenfalls in solchen Schulungen sitzen und sich vorausschauend gezielt auf die kritische Würdigung solcher Konstruktionen einstimmt. Die Wirtschaft hat die Perspektive, wie können wir vermeintlichen Freiraum gewinnen und die Justiz hat die verdammte Aufgabe, im Vorfeld schon Strategien zu entwickeln, wie diese Ideen justiziabel werden können. Wenn es sich herausstellt, dass das mit dem gegenwärtigen Handwerkszeug nicht zu machen ist, ist der Gesetzgeber aufgefordert, hier die Lücke sinnvoll zu schließen. Die Gesetzteslücke soll dann auf politischer Ebene genau von den Juristen (der großen Kanzleien) geschlossen werden, die zuvor die Idee der Lücke entwickelt haben. Ob sie wirklich ein Interesse haben, ihre eigenen Modelle zu konterkarieren? Das erscheint nicht sehr wahrscheinlich. Das Ergebnis der jüngeren Gesetzgebung scheint die Erwartung allzu oft zu bestätigen.

Wenn der Hypo-Alpe-Adria-Fall jetzt nach 10 Jahren geschlossen wird, ist es betrüblich, dass die Akten zu einem Schaden von insgesamt ca. 40 Mrd. Euro mit einer Geldbuße von ein paar zehntausend Euro abgewickelt werden. Es erfolgt zwar kein Freispruch, sondern ein Ende des Prozesses durch Zeitablauf. Er hat sich also totgelaufen und ist an Auszehrung gestorben. Aus den Kommentaren der Gazetten war zu entnehmen, dass die Justiz es in zehn Jahren nicht geschafft habe, den Fall so aufzubereiten, dass hier am Ende Klarheit herrscht und ein Urteil gesprochen werden könnte. Die Geldstrafe spielt dabei keine Rolle. Geld ist jener Faktor, über den diese ‚Klasse‘ von Beschuldigten in aller Regel in einem Umfang verfügt, dass die Strafe unter den Begriff des „Peanuts“ fällt. Wichtig wäre eine Schadenersatzforderung zu entwickeln und ein Urteil, das das Verhalten der jeweils in Frage kommenden Manager angemessen verurteilt. Der vorliegende Fall wird wieder die Auffassung über unser Justizsystem fördern: Die Kleinen hängt man, und die Großen werden verschont.

Die Staatsanwaltschaft hat sich inzwischen auch mit dem Cum-Ex-Betrug befasst. Dabei kommt auch Mr. Cum-Ex, einer der führenden Rechtsvertreter in diesem Fall, ins Scheinwerferlicht. Lt. SZ sieht er sich als Kämpfer für bürgerliche Freiheitsrechte. Eine merkwürdige Einstellung – Cum-Ex ist Betrug am Steuerzahler, egal ob hier eine Gesetzeslücke herrschte oder nicht. Einen Betrag durch einen „Trick“ grundlos mehrfach zu kassieren, ist auch dann, wenn es nicht ausdrücklich verboten ist, eine Schweinerei. Offensichtlich versteht er unter ‚Freiheit‘ die Aufhebung des ‚Jochs‘ der Redlichkeit. Anstand sieht anders aus und nicht alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt. Diese eher angloamerikanische Rechtsauffassung unterscheidet sich diametral von unserer europäischen.

Es ist sehr beruhigend, feststellen zu können, dass im Rahmen des Dieselskandals die Mühlen der Justiz bereits mahlen – aber werden Staatsanwaltschaften eingesetzt, die personell wirklich in der Lage sind, mit solchen „Klienten“ umzugehen? Sind sie in der Lage deren Tricks zu kontern und sind sie so ausgestattet, dass man innerhalb einer akzeptablen Zeitspanne eine fundierte Anklageerhebung erwarten darf? Und einen Prozess, der dann nicht wieder heimlich und leise durch Zeitablauf mit einer Minimalstrafe von ein paar „Kröten“ geschlossen wird.

Wäre es nicht sinnvoll, dass die Justiz sich für solche (sich sicherlich häufenden) Großfälle eine Spezialstaatsanwaltschaft zulegt, deren Mitglieder nicht mit Kleinkram befasst sind und auf Augenhöhe mit den Konzernspitzen umzugehen lernt? Sie müssten von ihrer Aufgabe her so dotiert sein, dass mancher Anwalt in der Wirtschaft ins Grübeln kommt, ob er auf der richtigen Seite steht und nicht die Seiten wechseln sollte. Wenn eine solche Einheit aus tarifrechtlichen Gründen nicht darstellbar ist, dann schafft eine „öffentliche“ Kanzlei an, die als Dienstleister außerhalb des Tarifrechts steht und exklusiv der Staatsanwaltschaft zuarbeitet. Es geht darum, eine „Waffengleichheit“ zwischen den beteiligten Parteien herzustellen.

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Ein öffentliches Ärgernis?

„Nach den Debatten um ausufernde Kosten für öffentlich-private Partnerschaften geraten damit  auch öffentlich geplante Bauprojekte in die Kritik.“ – so Markus Balser in der SZ vom 14. September 20217. Sicher besteht bei der öffentlichen Projektplanung Raum für Verbesserung. Aber wie sind 80 Bauprojekte mit Kostenüberschreitung zu werten? Wieviel Projekte wurden denn insgesamt abgewickelt?

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Da hier keine Angaben gemacht werden, darf man in einem politischen Umfeld getrost davon ausgehen, dass die 80 Projekte im Rahmen des Bau-Gesamtvolumens der öffentlichen Hand einen wesentlichen Anteil haben. Womit die Zahl erschreckend hoch ist. Von ‚Ausrutschern‘ kann da nicht die Rede sein.

Da werden systematisch Fehler begangen und -. Schlimmer noch – sie werden ständig wiederholt. Das System scheint nicht lernfähig zu sein. Und das ist besonders ärgerlich. Aber es ist nicht recht einsichtig, dass die betreffenden Bauleitungen so unfähig sind – es erscheint eher wahrscheinlich, das sich die mangelnde Lernfähigkeit aus der politischen Handhabung heraus entwickelt (siehe unten das Beispiel, das einer tatsächlichen Abwicklung nachempfunden ist).

Aber zurück zu den ‚Debatten‘ um die öffentlich-privaten Partnerschaften:
Dort wo die Verwaltung verantwortlich zeichnet, wissen wir wenigsten von den Problemen und Herausforderungen. Bei den öffentlich-privaten Partner-Projekten weiß die Öffentlichkeit gar nichts, denn die dort üblichen Verträge im Rahmen dieser ‚Partnerschaft‘ enthalten mit hohen Strafzahlungen bewehrte Verschwiegenheitsklauseln, die sicherstellen, dass die Öffentlichkeit (die Medien, die politischen Gremien u.a.) keine Informationen erhalten. Damit ist der politischen Öffentlichkeit jede Chance genommen, festzustellen, ob die von den Lobbyisten so gelobte Partnerschaft zwischen Privat und öffentlicher Hand wirklich eine „Win-win-Situation“ darstellt oder schlimmstenfalls im Desaster ertrinkt (siehe die jüngsten Pressemeldungen über die drohende Insolvenz des Betreibers der A1 oder der unerlaubte Griff privater Partner in die gemeinsame Kasse bei einem anderen ÖPP-Projekt).

Die Vorstellung, dass der private Partner automatisch Bau-Projekte besser realisiert, ist reichlich naiv. Diese Projekte sind in ihrer Durchführung komplex und anspruchsvoll und erfordern ausgewiesene Fachleute. Der private Partner schätzt natürlich die Mitwirkung der öffentliche Hand: einmal wegen der Finanzierungssicherheiten (wenn es schief geht, ist immer noch die öffentliche Hand im Spiel mit dem Druck der öffentlichen Meinung) und zum anderen scheint die öffentliche Hand sich nur schwer auf die privatwirtschaftlichen Usancen einstellen zu können, was dem privaten Partner oft zum Vorteil gereicht. Wenn zwei Unternehmen Aktivitäten gemeinsam angehen, so wissen beide Partner von vornherein, dass das ein Balanceakt wird und beide ziehen dem gemeinsam zu gestaltenden Prozess enge Korsettstangen ein, um sicherstellen zu können, dass die Risiken dieses Geschäftes wirklich gleichmäßig verteilt bleiben. Konkret heißt das, dass jede Seite regelmäßig ihre jeweiligen Controller losschicken, um ‚Nachlässigkeiten‘ aufzuspüren. Tiefes wechselseitiges Misstrauen bestimmt den Alltag der ‚Partnerschaft‘.

Im Gegensatz dazu vertraut man im öffentlichen Raum darauf, sich auf die strikte Einhaltung der Verträge verlassen zu können. Es ist ihnen nicht vermittelbar, dass der Vertrag nur immer insoweit gilt, als die Vertragsklauseln in der täglichen Praxis immer wieder neu eingefordert werden. Dazu braucht es einen Controller (einen „Wadelbeißer“), der kontinuierlich darauf achtet, dass sich der ‚Partner‘ auch nach Vertragsabschluss vertragsgemäß verhält. Die Vorstellung der öffentlichen Hand, man könne ja immer noch den Klageweg einschlagen, verkennt die schnelllebige Praxis – klagen ist zu aufwändig, zu zeitraubend und im Ergebnis viel zu unsicher.

Es fällt auch auf, dass Alexander Dobrindt 2014 in der Presse die Auffassung vertrat, dass ein bestimmtes ÖPP-Projekt 40 % einspart hätte. Im Gegensatz dazu stellt dann der Bundesrechnungshof fest, dass bei diesem Projekt eine Kostenüberschreitung von 28% vorliegt. Die Differenz in den Aussagen von 68 % bedeutet, dass entweder Herr Dobrindt lügt oder das er möglicherweise von einer anderen Projektdefinition ausgeht. Alexander Dobrindt rechnet sich das Projekt vermutlich schön, indem er nur Teile des Projektes betrachtet. Und der Rechnungshof begutachtet natürlich das fertige und komplette ‚Werkstück‘.

Diese seltsame (ausschnittsweise) Betrachtungsweise hat im politischen Alltag leider Methode. Auf diese Weise kommen vermutlich auch die eingangs von der SZ genannten z.T. unverständlichen Kostenüberschreitungen bei öffentlichen Aufträgen zustande. Das schließt aber nicht aus, dass von Fall zu Fall auch technische Abwicklungsfehler aufgetreten sind.

Ein einfaches, möglicherweise symptomatisches Beispiel für die politische Behandlung von Projekten mag der folgende Sachverhalt umschreiben: Die Projektumsetzung wird in einer ersten seriösen Kostenschätzung der planenden Ingenieure mit 250 Millionen Euro angesetzt. Das Entscheidungsgremium der Politik (z.B. ein Ausschuss) kommt zu der Auffassung, dieses Volumen könne man dem Plenum so nicht vorlegen – das Projekt würde dann angeblich keine Mehrheit finden. Also ergeht der an sich schon unseriöse Auftrag an die Ingenieure, es billiger zu rechnen. Die zucken mit den Achseln und machen deutlich, das geht nur dann, wenn das Projektvolumen reduziert wird – z.B. Außenanlagen weglassen, Betriebsvorrichtungen weglassen u.s.w.. Der neue niedrigere Kostenvoranschlag findet dann die Zustimmung des Gremiums und das unvollständig erfasste Projekt wird fälschlicherweise unter dem unverändert gleichen Namen dem Plenum vorgestellt und dort auch genehmigt. Keiner im Plenum merkt, dass er nur einem rudimentären Rumpf-Projekt zugestimmt hat.

Aufgrund der Zustimmung wird gebaut und siehe da, die Kosten des fertiggestellten Projektes belaufen sich am Ende aller Tage auf rd. 250 Millionen Euro. Verglichen mit dem Kostenansatz der Plenumsentscheidung liegt eine gewaltige Kostenüberschreitung vor, weil natürlich der volle Umfang des ‚Werkes‘ (mit Außenanlagen, mit Betriebsvorrichtungen u.ä.) letztlich gebaut wurde. Das Projekt wäre ja sonst eine Bauruine geworden. Und wenn es angefangen wurde, ist es politisch nicht zu vertreten, dass es nicht fertiggestellt wird. Man nennt so etwas Salami-Taktik. Also wird mit politischem Groll im Herzen nachfinanziert.

Und dieser politisch induzierte Unsinn führt dann zu dem medienwirksamen Aufschrei: Die öffentliche Hand sei nicht in der Lage, kosteneffizient zu bauen. Es stellt sich heraus, dass der ursprüngliche Kostenansatz der Ingenieure völlig richtig ermittelt wurde, aber die politischen Gremien so lange an dem Kostenansatz (ohne die Baumassen ausreichend zu beachten) ‚herumgedoktert‘ haben, bis das rauskam, was sie für ihre politischen Zwecke benötigten – und für die Kostenüberschreitung sind sie nicht haftbar zu machen (und wer weiß, wer dann zu diesem Zeitpunkt an deren Stelle sitzt). Die Ingenieure wiederum haben das gebaut, was ursprünglich geplant und funktionell sinnvoll war, aber eben zu Kostenüberschreitungen gegenüber dem „politischen Ansatz“ geführt haben. Wenn die Medien nach der Fertigstellung des Projektes die Ingenieure gefragt hätten, hätten diese stolz berichtet, sie haben das Projekt plus minus zehn Prozent in dem Rahmen vollendet, den ihre sachverständige Bewertung bei sorgfältiger Schätzung vorausgesagt hatte. Für die Politik fühlen sie mit Recht nicht zuständig. Aber sie kommen ständig zwischen die politischen Mühlsteine und müssen mit den oft substanzlosen Vorwürfen der Medien leben, die sich nicht die Mühe machen, das politische Ränkespiel zu durchschauen. Das ist zweifelsohne das größere öffentliche Ärgernis!!

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Die Qual der Wahl

Wir sollen wieder mal wählen. Es könnte sein, dass der eine oder andere dieses Ansinnen aufgrund des ‚rasanten‘ Wahlkampfs noch gar nicht bemerkt hat.

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Die Strukturen sind seltsam – die CDU/CSU mit knapp 40 % der Stimmen (so die Voraussagen) glaubt sich auf einem Höhepunkt ihrer Deutungshoheit. Die SPD mit etwas mehr als 20% hat sich in den letzten 10 – 15 Jahren in ihrer Bedeutung halbiert und hat die Deutungshoheit zu aktuellen politischen Problemstellungen völlig abgegeben und versucht mit krampfhaften Klimmzügen Aufmerksamkeit zu erzielen. Die anderen kleineren Parteien folgen ihr auf diesem Strategiepfad. Keiner dieser potenziellen ‚Verlierer‘ – mit Ausnahme der Linken – hat genügend ‚Substanz‘ in der Hose, um die Deutungshoheit der CDU/CSU und ihrer neoliberalen Gefolgschaft auch nur anzugreifen. Das funktioniert nicht, indem man fein ausdifferenziert darstellt, wo die Unterschiede liegen. Das muss sich aus der Art des Wahlkampfes und der dort bearbeiteten Themen von selbst ergeben.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Mehrzahl der im Bundestag vertretenen Parteien die Sichtweise der CDU/CSU übernommen hat. Mutti Merkels „Uns geht es gut“ ist hier der Grundtenor. Alle Herausforderungen und Probleme werden dadurch erstickt. Es ist auch klar, dass die SPD als Mitglied der großen Koalition immer wieder das Totschlag-Argument zu hören bekommt: Das haben wir doch gemeinsam beschlossen! Und im Wahlkampf wirkt das besonders lähmend.

Für die nachgeordneten bürgerlichen Parteien gilt allgemein: Alle hängen sie an dem neoliberalen Tropf und dessen Selbstverständnis. Keine der Parteien ist intellektuell in der Lage und unabhängig genug, diese Phalanx zu durchbrechen. Sie alle kämpfen mit den im Prinzip gleichen Argumenten um die Gunst des Wählers. Um aber Aufmerksamkeit in einer Gesellschaft zu finden, in der die Mehrheit dem intellektuellen Einfluss des digitalen Entertainments erliegt, müsste man bewusst und konkret andere Wege beschreiten.

Stellen Sie sich vor, die kleineren bürgerlichen Parteien (einschließlich SPD) würden sich in einem ersten Schritt von der Herrschaft der PR-Agenturen freimachen. Statt die Frage nach der Öffentlichkeitswirkung als erste Priorität zu akzeptieren, wäre es hilfreich, erstmal eine weitgehende Analyse der bedeutenden Problemfelder in der deutschen Politik zu identifizieren und in ihren vielfältigen Bezügen zu beschreiben. Wenn man die Zusammenhänge erfasst und die möglichen konkreten Maßnahmen verstanden hat, wählt man daraus die wichtigsten Fragestellungen aus und lässt sie auch ggfs. kontrovers aufbereiten. Mit dieser Ideen-Vorgabe wird die PR-Agentur ‚gefüttern‘, um sich diesen Ansatz mediengerecht gestalten zu lassen. Es bedarf dringend eines frischen Windes, um den kleinkarierten Mief der letzten Jahrzehnte zu vertreiben.

Gegenwärtig scheint es so, dass die Parteien immer wieder ihre alten anspruchslosen Aussagen aus der Kiste von vor vier Jahren ausgraben, die zur gegenwärtigen Problematik nur bedingt passen. Die Sprüche werden an die PR-Agenturen geleitet, in der Hoffnung, dass ihnen die Agentur mediengerecht Inhalte vermittelt. Aber, verehrter Leser, wo nichts drin ist, kann auch eine PR-Agentur nur schwer etwas hineininterpretieren.

PR-Agenturen sind eine Erfindung unseres Wirtschaftssystems – sie sind – wie die ganze Denkweise in diesem System – auf kurzfristigen Erfolg angelegt. Sie setzen einerseits immer wieder auf die Vergesslichkeit der Massen. Andererseits hat die PR – Kreativität mit den Jahren auch sehr gelitten. So wie die politischen Themen über neuen Inhalt anders gefasst werden müssen, so müssten auch deren ‚Vermarktungen‘ neue Weg finden.

Wählbare Politik sollte das Stadium der kleinkarierten taktischen Auseinandersetzungen überwinden. Da darf doch ruhig eine etwas längerfristige Denke Platz greifen. Dieser Anspruch findet sich mit Sicherheit unter dem Stichwort einer ‚Politik für unsere Enkel‘ in den politischen Programmen der meisten bürgerlichen Parteien – aber ganz klein geschrieben. In der politischen Praxis der Umsetzung wird dieser Anspruch dann schnell vergessen. Der perspektivlose Spruch „Uns geht es gut“ ist das Ergebnis einer solchen Vermittlungspraxis. Er klingt angesichts längerfristiger Perspektiven einfach als zu kurz gesprungen, inhaltslos und zementiert eine hochgradig egoistische Sichtweise. Die verfassungsmäßige Verpflichtung aufs Gemeinwohl klänge anders.

Wir müssen irgendwann von dem unbefriedigenden „Uns geht’s doch gut“ weg und uns hin zu den Fragestellungen unserer Enkel bewegen. Dazu sind Analysen erforderlich, die nicht aus der Feder von zweifelhaften Medien, PR-Abteilungen, Lobbyorganisationen oder Think Tanks stammen, sondern von einer (hoffentlich noch) unabhängigen Wissenschaft kommen. Deren Erkenntnisse sollten auch nicht durch die alltäglichen Korrumpierungen durch Drittmittelbeschaffungen geprägt sein.

Wenn man feststellt, dass die gegenwärtige Vorgehensweise im Wahlkampf nur Langweile auslöst und Desinteresse fördert, so sollte man sich insbesondere bei den kleineren Parteien überlegen, ob hier nicht ein neuer Ansatz Platz greifen soll. Die Partei, die sich gegenwärtig als Gewinner sieht, wird keine Anstalten unternehmen, diesen für sie äußerst angenehmen Zustand zu ändern. Ihre Strategie des „Uns geht es doch gut“ ist für ihre Zwecke plausibel, aber nützt der Gesellschaft wenig und steht einem Aufbruch überaus ablehnend gegenüber. Das ist die Schwachstelle von Frau Merkel und ihrer Partei. Wenn die kleinen Parteien nicht so ‚geil‘ aufs Mitregieren und mehr auf Veränderung und Vision gepolt wären, würden sie den Laden umkrempeln oder zumindest interessanter gestalten können. So aber wollen sie alle die zweifelhafte Chance nutzen, bei ‚Mutti‘ mitreden zu dürfen und machen sich freiwillig in ihrem Handeln komplett abhängig. Was für eine Vergeudung von Chancen!!

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Mehr Zentralismus wagen!

Mit dieser Überschrift hat Peter Bofinger (Mitglied des Sachverständigenrates) einen Artikel in der FAZ vom 12.8.2017 veröffentlicht, indem er aufgrund des vielfältigen Marktversagens die absolut vernünftige Frage aufwirft, ob die „Märkte“ aufgrund ihres häufigen Versagens die ihnen zugeschriebenen Aufgaben überhaupt gerecht werden können. Dabei führt er eine Reihe von Beispielen an und untermauert damit die Berechtigung seiner Fragestellung. (vgl. http://www.nachdenkseiten.de/?paged=3 ). Antworten gibt er keine.

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Wenige Tage später weist die FAZ auf eine Replik der verbleibenden vier (neoliberal orientierten) Mitglieder des Sachverständigenrates hin, ohne dass die eigentliche Replik im Wortlaut irgendwo auftaucht. In dieser Replik, so wird in dem Artikel dargestellt, werfen die Mitglieder Bofinger – verkürzt ausgedrückt – vor, sein Handwerkszeug nicht zu verstehen, ohne jedoch auf seine Argumente in irgend einer Weise einzugehen. Jens Berger hat in den Nachdenkseiten das Notwendige zusammen getragen und nachvollziehbar kommentiert.

Was mich immer wieder verwundert, ist der Stil der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Man fragt sich ernsthaft, ob das noch irgendetwas mit Wissenschaft zu tun hat. Wissenschaft lebt vom kritischen Dialog, so habe ich das jedenfalls verstanden – aber mein Eindruck in fast 50 Jahren Beobachtung des ökonomischen Diskurses lässt mich immer mehr zu der Überzeugung kommen, dass Wirtschaftswissenschaft zu einer Religion verkommen ist: „Glauben macht seliger denn Wissen“. Als „Marktreligion“ verstanden, ist es dann auch nachvollziehbar, dass man Häretiker in einem kurzen Prozess und ohne ausreichende Gründe niedermacht. Die neoliberale Inquisition ist genauso gnadenlos und korrupt wie die kirchliche. So wie die Inquisition ein Machtinstrument der Kirche ist, so wirkt Inquisition auch im ökonomischen Umfeld. Nur die ‚Rechtgläubigen‘ kommen ins Himmelreich der Ökonomie. Und die ökonomischen Atheisten, die schlicht die Fähigkeiten des „Marktgottes“ anzweifeln, müssen zu Lebzeiten unter dem Bannstrahl der Inquisition leiden und dürfen wohl das neoliberale Walhalla der Ökonomie nicht betreten.

Nach den Ausführungen der Medien haben wir ein Terrorismus-Problem, weil einige Irregeleitete ihre Religion missverstehen und keinem vernünftigen Argument zugänglich sind. In der ökonomischen Wissenschaften haben wir ein ähnliches Problem, nur sind die Mittel dort (noch) etwas zivilisierter: ob die neoliberalen Vertreter als irregeleitet bezeichnet werden können, bleibt abzuwarten – aber dass sie keinem vernünftigen Argument zugänglich sind, erschreckt den Beobachter schon. Irregeleitet sind sie insoweit als sie sich als Vertreter einer nicht begründbaren Marktreligion im Besitz der letzten ökonomischen Wahrheit wähnen und die Möglichkeit einer Weiterentwicklung des wirtschaftlichen Denkens kategorisch ausschließen wollen. Karl Popper warnte vor gut 50 Jahren die „offene Gesellschaft“ vor ihren Feinden. Der Neoliberalismus zählt heute ohne Frage zu ihren mächtigsten Feinden.

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Geplanter Verschleiß

Prof. Dr. Christian Kreiß hat schon 2014 ein Buch zum „Geplanten Verschleiß“ veröffentlicht. Es ist mir leider erst kürzlich über den Weg gelaufen. Trotz der drei Jahre, die das Buch im Markt ist, bleibt das Thema aktueller denn je. Es hat mit der „Diesel-Affäre“ zusätzliche Bedeutung erhalten. Ich will versuchen, das Lesen des Buches schmackhaft zu machen ohne den Inhalt auszubreiten.

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Der Begriff des geplanten Verschleißes ist mehrseitig. Anders als Kreiß stelle ich zum Verständnis der Zusammenhänge die Verschleißplanung dem geplanten Verschleiß gegenüber: Verschleißplanung ist eine technische Größe, die bei jedem größeren Produkt zu Anweisungen führt, wie und wann Service stattfinden und was dabei ausgewechselt werden sollte, um die Gebrauchsfähigkeit des Produktes möglichst lange zu erhalten. Das ist ein Vorgang, der von der (meist industriellen) Kundschaft grundsätzlich positiv beurteilt wird. Auch deshalb, weil der „Serviceplan“ (weitgehend) offengelegt wird und er damit in die Kaufentscheidung sinnvoll einfließen kann. Das ist die positive Seite, die insbesondere bei Geschäften B2B (Business to Business) Anwendung findet.

Der geplante Verschleiß dagegen ist ein ökonomisch dominierter Begriff. Die Methode des ‚Geplanter Verschleißes‘ bietet die Möglichkeit bei hohem Wettbewerb und ausgereizten Märkten zusätzliche Marge zu machen. Da sich der Umsatz nur schwer und sich nur mit hohen Kosten ausweiten lässt, ist der Hersteller insbesondere im B2C-Geschäft versucht, die Qualität seines Produktes bei gleichem Preis abzusenken, ohne dass der Kunde den Vorgang bemerkt. Durch die unbemerkte Herabsetzung der Qualität kann in erster Linie die Lebensdauer des Produktes verkürzt werden (Neukauf wird forciert). Oder die Reparaturfähigkeit des Produktes wird hochgradig spezialisiert oder gar unmöglich gemacht. (Serviceleistung oder Neukauf wird forciert). Das Ganze geschieht unter vorgehaltener Hand – der Kunde darf davon nichts wissen und wenn der frustrierte Kunde (oder die Verbraucherzentralen) die Hersteller darauf ansprechen, weisen sie den Vorwurf weit von sich.

In dem Buch von Christian Kreiß wird in zahllosen Beispielen deutlich, dass geplanter Verschleiß im B2C Geschäft (Business to Customer) tägliche Praxis ist, aber die Hersteller diese Tatsache einfach öffentlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Sie müssten gegenwärtig weniger rechtliche Sanktionen fürchten denn nachteilige Marktreaktionen. Kreiß bietet neben den vielen Beispielen auch ökonomische Zusammenhänge, die das Verhalten der Hersteller erklären, aber keinesfalls billigen. Die Erklärungen lassen die Haltung der Hersteller als lächerlich und naiv erscheinen. Aber auch Kreiß kann trotz des erdrückenden Materials leider nicht den justiziablen „Beweis“ des systematischen Kundenbetrugs führen. Hierzu müssten lt. Kreiß Gesetze geändert werden, und – so meine Meinung – darauf werden wir noch lange warten müssen. Es besteht jedoch eine kleine Chance, das sich die Hersteller, wie im Falle der ‚Diesel-Affäre‘ so unmöglich benehmen, dass eine größere Zahl der Kunden aus seinem Dauerschlaf aufwacht und der Politik Beine macht.

Kreiß enthält sich solcher Bemerkungen und analysiert sauber und nachvollziehbar. Sehr interessant ist sein Versuch, nach umfangreicher Analyse und Informationsaufbereitung, Maßnahmen vorzuschlagen, wie das Problem des ‚Geplanten Verschleißes‘ gelöst werden kann. Beim Lesen viel Vergnügen!

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Automobilindustrie – quo vadis

Es ist teilweise geradezu peinlich, welche Kommentare zum Dieselgipfel und zur Verantwortlichkeit der Automobilindustrie vorgebracht werden: Es sei sachlich richtig, dass die Automobilindustrie den Verbraucher betrogen hat, aber – und hier wird es dann peinlich – die Vorschriften, die die Politik erlassen hätten, wären ja auch lax gewesen, dass das jetzige Ergebnis niemanden verwundern darf. Das sind Verknüpfungen, die einen fassungslos machen:

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Wer hat Betrug begangen? Doch wohl die Automobilindustrie und nicht die Politik. Es gibt in jedem Gesetzeswerk Lücken und offene Stellen, aber deshalb ist niemand zum Betrug aufgerufen. Sich korrekt zu verhalten ist eine Frage der ethischen Haltung. Und sie kann mit nichts verrechnet werden, erst recht nicht mit Arbeitsplätzen (wie man ersten reflexartigen Reaktionen ablesen konnte).

Wer hat die laxen Vorschriften denn initiiert? Wer sitzt denn dauernd auf dem ’Schoß‘ der Politik und der Exekutive? Von wo kommen die „Experten“? Wir können doch beobachten, dass der Lobbyismus in Deutschland (und nicht nur dort) Blüten treibt, die nur noch Kopfschütteln auslösen können.

Man gewinnt den Eindruck, dass die Absprache im Rahmen der Lobbyisten besser funktioniert als die notwendige Absprache, wenn es darum geht, weiteren und wesentlichen Schaden von der Automobilindustrie abzuwenden. Der Schaden trifft ja nicht nur den Verbraucher. Der Schaden ist ein Vertrauensverlust ersten Ranges und er schadet zudem der internationalen Wertschätzung von „Made in Germany“. Das Einstecken von ungerechtfertigten Gewinnen ist offensichtlich leichter als die Erkenntnis, dass jetzt jedes Rumzicken die Sache nur noch schlimmer machen wird.

Man muss sich klar machen, die Automobilindustrie sieht sich in einer Art Götterdämmerung. Ihr Stern (nicht nur von Mercedes) droht zu sinken. Die Zahl der „Herausforderungen“ (um nicht von Problemen zu sprechen) hat sich schlagartig deutlich erhöht. Der Betrugsskandal ist dabei m.E. der überschaubarste Teil. Wenn jedes dritte Auto in den Export geht, dann bleiben rechnerisch zweidrittel in Deutschland. Der Deal mit den USA hat VW rd. 20 Mrd. Euro oder Dollar gekostet. (Die Denomination ist in der Presse oft nicht klar). Da hängt die Latte hoch, denn niemand wird verständlicherweise einer Lösung zustimmen wollen, die deutlich geringere Zahlungen pro PKW an deutsche Halter zur Folge haben wird. Das zehrt am Gewinn oder dreht ihn sogar in einen Verlust.

Gleichzeitig sieht sich die Autoindustrie einer wenig rosigen Zukunft gegenüber. Erstens: Die Aufforderung der Politik zu Forcierung der Entwicklung eines E-Mobils, obwohl völlig unklar ist, wie die Ladetechnik (eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des E-Mobils) funktionieren könnte. Was die Lösung des letzteren Problems für die Stromversorgungsinfrastruktur bedeutet, wird dabei noch gar nicht öffentlich diskutiert. Zweitens: die sich abzeichnende Technologie eines selbststeuernden Automobils wird die gesamte Automobilindustrie umkrempeln. Alles, was heute als werbliches Verkaufsargument ins Feld geführt wird (einschließlich der verbreiteten Haltung: freie Fahrt für freie Bürger), wird entfallen. Dem steuernden Algorithmus fehlen pubertäre Regungen und das Gefühl für Geschwindigkeitsrausch – er steuert das Auto mit der optimalen Geschwindigkeit, die dem Verkehr angepasst ist und bezieht die weit vorausliegende Straßenverkehrssituation in sein Kalkül ein. Viel teuer verkaufter Schnickschnack wird dem rationalen Verhalten des Computers zum Opfer fallen. Das Statussymbol Automobil verliert seine Faszination. Möglicherweise entfällt bei vielen sogar der Wunsch, ein Automobil zu besitzen, wenn man jederzeit per Smartphone für wenig Geld ein selbstfahrendes Taxi rufen kann. Drittens: Allein diese Kombination von E-Mobil (viel einfacher zu konstruieren und damit billiger zu bauen) und der Fähigkeit der Selbststeuerung wird das gesamte bestehende Mobilitätkonzept in Frage stellen. Einmal wird in den Ballungszentren mit Einführung der Technologie die Zahl der PKW drastisch abnehmen. Studien schätzen den PKW Verkehr in den Ballungszentren auf etwa 10 % des gegenwärtigen Fahrzeugdurchsatzes. Plötzlich stellen wir fest, dass die Straßen für ein Zehntel der PKW viel zu breit sind, die Parkplatzsituation entspannt sich grundlegend, weil die Mehrzahl der Selbstfahrer ‚auf Tour‘ sind und nicht wie die heutigen PKW 8 – 9 Stunden herumstehen und Platz beanspruchen. Die weiteren Folgen wie Feinstaubreduzierung, neue Grünflächen, wo vorher PKW geparkt haben, die Auswirkungen auf die Öffentlichen Personennahverkehrs u.s.w. führen hier zu weit.

Viertens: Die Digitalisierung wurde bisher noch nicht angesprochen. Sie wird die Produktionsstätten grundlegend verändern. Künftig werden bis zu 50 % (so erste Studien) der heutigen Belegschaft nicht mehr gebraucht. Die Digitalisierung trifft aber nicht nur die Automobilindustrie, sie zieht weitere Kreise.

Es muss auch klar sein, dass diese Veränderungen – wenn sie wie beschrieben eintreten – erst in etwa 20 Jahren (plus) realisiert werden können. Aber die geballte Ladung an schlechten Aussichten erfreut die heutige Automobilindustrie wenig und stellt deren bisheriges Geschäftsmodell vor gewaltige Veränderungen. Ob die schwerfälligen ‚Jumbos‘ dieser strukturellen Herausforderung gewachsen sind, darf ruhig bezweifelt werden. Große Tanker können effizient manövrieren, wenn es mehr oder weniger geradeaus geht. Wenn aber Untiefen auftreten, fehlt ihnen Einfallsreichtum, Inventionsfähigkeit, Reaktionsschnelligkeit und Wendigkeit. Die Vorstände führen sich manchmal auf wie kleine Götter, aber die Dämmerung droht, wenn sie nicht ganz schnell die richtigen Schritte einleiten. Dabei haben sie nur einen ‚Schuss‘ und der muss sitzen.

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