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Feinstaub, Digitalisierung und Lkw-Maut

Nach einer mehrwöchigen Reise durch Norddeutschland zurück, muss ich feststellen, ich weiß nicht, wo man sinnvollerweise anfangen soll. Manche Entwicklungen sind ja recht erfreulich: Auch die deutsche Justiz meint jetzt wohl, Herrn Winterkorns Aktivitäten kritisch beurteilen zu müssen. Auf jeden Fall tut sich hier etwas trotz des Zögerns der Politik. Aber der öffentliche Druck scheint es möglich zu machen.

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Feinstaub

Hamburg will nach einer Meldung die Dieselfahrzeuge aus der Innenstadt aussperren, um ihr problembewusstes Handeln zu unterstreichen. Was ist denn mit den Container- und Kreuzfahrtschiffen, die den Hamburger Hafen besuchen? Dagegen ist der Feinstaub von Dieselautos wohl vernachlässigbar. Aber im Hafen gibt es keine Stationen, die Feinstäube gemessen – so meine Informationen vor Ort – demnach ist der Hafen auf dem Papier absolut feinstaubfrei. So einfach ist das!

In München wurden aufgrund der gleichen Probleme auch einige der innerstädtischen Messstationen versetzt, und schon ist das Problem dank fehlender Daten weitgehend entschärft. Das ist keine Lösung, sondern nur ein Datenbetrug: Die Messdaten sagen doch nichts über die Wirklichkeit aus – es kann zum Himmel stinken, wenn aber keine Messdaten dazu vorliegen, kann der Gestank im öffentlichen Bewusstsein nicht ankommen.

Die EU hat sich entschlossen, die Bundesregierung wegen der laxen Anwendung ihrer Feinstaubrichtlinien zu verklagen. Wie wirkt ein solches Verhalten? Die diversen Gesetze und Verordnungen zur Eindämmung der Feinstaubbelastung in den Städten wurden von der Politik dem Wähler gegenüber stets als großer Fortschritt verkauft. Im gleichen Atemzug signalisiert offensichtlich die Regierung den Vertretern der Wirtschaft: Das ist nur unsere Kür vor den „lästigen“ Wählern – nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Mit der Folge, dass sich die Exekutive, angeregt durch die Wünsche der Politik, auf Regelungen und halbseidene Vereinbarungen eingelassen hat, die „cum grano salis“ nur als Betrügereien einzustufen sind. Der sogenannte „Dieselskandal“ ist zu einem guten Teil auch ein Skandal der Exekutive, die sich in die krummen Geschäfte der Autoindustrie hat hineinziehen lassen oder im „vorauseilenden Gehorsam“ die notwendige Zivilcourage nicht aufgebracht hat, die Politik an Recht und Gesetz zu erinnern. Wenn nicht bei Gesetzesverstößen, insbesondere der ‚Großkopferten‘, die als (fragwürdige) Elite eine Vorbildfunktion für sich in Anspruch nehmen, nicht hart durchgegriffen wird, allein um klar zu demonstrieren, dass insbesondere auch für diese ‚Klasse‘ der Wortlaut des Gesetzes gilt, dann droht mittelfristig das gesellschaftliche Chaos. Da kann es auch kein Freikaufen geben, wie es heute auf der obersten Ebene durchaus üblich ist. Vergleichen Sie einmal die Strafen, die bei Normalbürgern und jenen straffälligen Eliten ausgesprochen werden – wenn es irgend geht, wird die Strafe mit einer Geldauflage auf Bewährung ausgesetzt und der Normalbürger wandert hinter Gittern, gilt dann als vorbestraft und ist für sein weiteres Berufsleben im Abseits.

Digitalisierung

Die Kanzlerin hat sich vermehrt zur Digitalisierung geäußert. Dabei befasst sie sich vornehmlich mit Fragen der Wirtschaft und der Technologie und macht deutlich, dass die Politik glaubt, die Bedeutung dieses Phänomens verstanden zu haben. Über die andere Seite der Medaille, nämlich zur Frage, wie sich diese Technologie möglicherweise zukünftig auf die Menschen und deren Arbeitsplätze, auf die gesamte Erwerbsarbeit insgesamt auswirken könnte, hat die Kanzlerin bisher kein Wort verloren.

Jedem, der sich mit dieser Frage detaillierter auseinandersetzen möchte, sei an dieser Stelle das Buch von David Richard Precht – Jäger, Hirten, Kritiker (Goldmann, 2018) ans Herz gelegt. Einer begründeten Analyse folgen schwerpunktmäßig Elemente einer humanen Utopie, wie wir und insbesondere unsere Politiker mit den absehbaren Folgen der Digitalisierung umgehen sollten. Sie finden vieles, was ich auch schon ausgeführt habe, nur schöner formuliert, gründlicher recherchiert und mit einem optimistischeren Zungenschlag. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Gespräch zwischen Precht und Gregor Gysi (https://www.youtube.com/watch?v=KO3qo6ofK4c) vom 6. Mai 2018.

Maut

Es ist immer wieder erschreckend, wenn aus geheimen Verhandlungen Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Seit offensichtlich 14 Jahren verhandelt die BRD vor einem (privaten) Schiedsgericht Forderungen gegen die Eigentümer der Toll-Collect. Diese Gesellschaft wurde gegründet, um das Kassieren der LKW-Maut zu privatisieren – eine klar umrissene Aufgabe. Toll Collect ist eine Institution der Großindustrie und hat es in den Anfangsjahren nicht geschafft, zeitnah ein funktionierendes Abrechnungssystem auf die Beine zu stellen. Der Verdacht geht jetzt soweit, dass die eklatante Verzögerung der Umsetzung nicht auf Unfähigkeit, sondern auf Vorsatz zurückzuführen sei.

Mit Ende des alten Vertrages und bis zur Abwicklung der neuerlichen Ausschreibung wird der Bund vorübergehend Eigentümer der Toll Collect werden und hat damit unbegrenzten Zugriff auf deren bis dato privaten Unterlagen. Man munkelt, dass dieser Sachverhalt dazu beigetragen habe, dass jetzt kurz vor Ende der Vertragslaufzeit eine Einigung herbeigeführt wurde, um Fakten zu schaffen. Bei dem Kompromiss wurde vermutlich (so ist das unter Juristen üblich) auch die Einstellung jeglicher juristischer Untersuchung gegen die Eigentümer und das Management vereinbart. Man erteilt eine sogenannte Entlastung, d.h. man schneidet bei der Einigung alle weitergehenden privatrechtlichen Ansprüche ab.

Das ganze System der Mauterhebung dürfte heute wohl vollautomatisch erfolgen. Trotzdem wird – man könnte sagen – aus ideologischen Gründen – das Kassieren der Maut privatisiert. Die Aufgabe steht jetzt wieder zur Ausschreibung, weil der alte Vertrag nach 15 Jahren ausläuft. Die erwarteten Umsätze belaufen sich künftig auf 7.5 Mrd. Euro pro Jahr, die das Inkassounternehmen nach Abzug seiner Kosten an den Bund überweist. Da sich die Telekom wieder um den Zuschlag bemüht, dürfen wir davon ausgehen, dass diese Inkassotätigkeit attraktiv vergütet wird. Wenn der Bund das Unternehmen in eigener Regie weiterführen würde, könnte man diese attraktive Vergütung sparen, weil der Bund die Leistung ohne Gewinnaufschlag durchführt. Man könnte also die Transportwirtschaft entlasten oder dem Steuersäckel einen höheren Beitrag zukommen lassen.

Die Zusammenarbeit läuft unter dem Begriff der Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP). Das Besondere an diesen ÖPP-Verträgen sind deren Geheimhaltungsklauseln, die gewöhnlich zwischen den Parteien vereinbart werden. Das ganze Geschäft wird somit der Öffentlichkeit bewusst entzogen, obwohl das Geldaufkommen ähnlich einer Steuer ausschließlich an den Staat abgeführt werden soll und muss. Man könnte zu der Auffassung gelangen, dass hier Einnahmequellen des Bundes der öffentlichen Kontrolle entzogen werden sollen. Dieser Eindruck wird auch durch die Geheimhaltung des Schiedsgerichtsverfahrens unterstrichen.

Wie ich schon in einem hier veröffentlichten Beitrag festgestellt habe, gibt es zu den ÖPP-Verträgen der öffentlichen Hand keinerlei Transparenz. Es werden auch zentral keine Unterlagen geführt und die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben nach meinen Informationen auch keinen Zugriff. Insgesamt lassen informelle Gespräche mit Beamten die Vermutung zu, dass das gesamte ÖPP-Geschäft für die öffentliche Hand als eher nachteilig einzustufen ist. Das Verhalten der angesprochenen Beamten lässt erkennen, dass dieser Punkt für sie extrem heikel ist: Sie sind von ihren vorgesetzten Stellen unter Androhung von Karrierekonsequenzen zum Stillschweigen verpflichtet. Was des einen Nachteil ist, ist des anderen Vorteil – von privater Seite wird deshalb versucht, ständig neue Projekte aufzulegen. Meinem Eindruck nach ist die Verwaltung bemüht, diesem politischen Irrwitz, wo immer es geht, einen Riegel vorzuschieben. Hier muss dringend Transparenz geschaffen werden und öffentlich eine unabhängige Bewertung der Frage erfolgen, ist die Öffentlich-Private Partnerschaft ein sinnvoller Konstrukt oder nur eine Möglichkeit, unter Ausschluss der Öffentlichkeit die öffentliche Hand zu melken?

Übrigens: haben Sie noch etwas von der Pkw-Maut gehört? Es war ein großes Thema unseres vormaligen Verkehrsministers Alexander Dobrint und hat ob seiner verqueren Argumentation enorme Wellen geschlagen. Aber: ein völlig unbekannter bayerischer Politiker ist plötzlich bundesweit bekannt, wohl nicht wegen seiner Führungsqualitäten, aber es hat seiner Karriere sehr geholfen. Es ist merkwürdig ruhig geworden. Sollte die CSU dieses kostspielige Aufregerthema zur Positionierung des Herrn Dobrint still und heimlich entsorgt haben?

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Abschaffen oder umbauen – private KV und Riester-Rente

Katarina Kutsche kommt in der SZ vom 9.4.2018 zu dem einfachen Schluss, dass die private Krankenversicherung abgeschafft werden sollte. Der regelmäßige Zeitungsleser ist am meisten verblüfft, dass die Begründung der Abschaffung sich nicht (wie im Wirtschaftsteil gewohnt) mit den Marktverwerfungen, den möglicherweise entgangenen Provisionen und der ‚notleidenden‘ Versicherungswirtschaft beschäftigt, sondern dass Kutsche schlicht vom Menschen her argumentiert, der sich, einmal auf die private Krankenversicherung festgelegt, wirtschaftlich keinen Gefallen getan hat.

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Ich kenne eine beachtliche Zahl von sogenannten ‚Solounternehmern‘, die den Fehler begangen haben, sich aus der gesetzlichen Versicherung zu verabschieden oder nie drin waren; Rentner, die den Beitrag der privaten Versorgung sich nicht mehr leisten können; Beamte des unteren und mittleren öffentlichen Dienstes, denen das gleiche blüht. Also die private Krankenversicherung abschaffen!

Einverstanden – aber dann müssen zumindest für eine Übergangszeit Übertritte in die gesetzliche Krankenversicherung möglich sein, wobei die aufgelaufenen Rückstellungen der Privaten Versicherer der gesetzlichen Versicherung zufließen müssen. Das nimmt den Privaten natürlich die Chance, sich das Ende ihres Geschäftsmodells mit einen schönen Ertrag zu versüßen.

Gleichzeitig muss man dafür sorgen, dass alle Bürger in Deutschland automatisch Teil der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Es steht jedem frei, sich darüber hinaus mit Zusatzversicherungen zu versorgen. Wenn alle Bürger eine automatische Mitgliedschaft erwerben, wird man für diejenigen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können (egal aus welchem Grunde), eine Lösung anbieten müssen. Angesichts der künftig erwarteten Wirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt müssen hier rechtzeitig sinnvolle Modelle entwickelt werden, die auch bei hohen Arbeitslosenquoten noch umsetzbar sind.

Wenn man schon beim Durchputzen ist, sollte man auch die schwachsinnige Riester-Rente umbauen. Welcher Schwachkopf hat den Gedanken aufgebracht, das Vermögen der Altersversorgung der unteren Einkommensbezieher in Form der Riester-Rente an die Börse zu bringen? Was sollen Fonds für diese Einkommenskreise? Hat sich schon einmal jemand die Mühe gemacht und die langfristige Rentabilität von Fonds kritisch zu hinterfragen? Dazu ist mehr erforderlich als nur eine einfache Statistik, die uns glauben machen will, dass langfristig die Börse „regelmäßig“ um ca. 3% steigt. Diese Aussage ist doch nur möglich, wenn gedanklich eine imaginäre Trendlinie gezogen wird. Das ist aber nicht die Wirklichkeit, sondern ein in der Realität nicht existierender Konstrukt, der sich immer nur für die Vergangenheit darstellen lässt. Niemand kann in den „Trend“ investieren!

Wer an der Börse nicht dauernd ein Auge auf diese Anlageform hat, wird sein blaues Wunder erleben. Alle, die an der Börse „spielen“ (und nicht nur dort), müssen aus ihrer Lebenssituation heraus akzeptieren können, dass der Schuss auch nach hinten losgehen kann – das ist immer ein Risikogeschäft und da hat eine Altersversorgung der ‚kleinen Leute‘, die auf eine hohe Sicherheit angelegt sein muss, nichts verloren. Da nützt auch das Geschwätz von der Diversifikation nichts – es bleibt ein Risiko, das für den sogenannten kleinen Mann (mit geringem bis mittleren Einkommen) keine Basis für eine Altersversorgung darstellen kann.

Die vertraglichen Auszahlungsgarantien dieser Fonds gelten doch nur so lange, wie die Fonds oder der Versicherer liquide sind, keine Finanzblasen platzen, keine Schuldenkrisen den Markt durcheinander wirbeln. Finanzkrisen haben wir inzwischen alle paar Jahre. In der Altersversorgung muss auf einen Horizont von 30 Jahre oder mehr investiert werden mit der Nebenbedingung, dass über eine Inanspruchnahme (im Fall einer Lebenskrise) jederzeit verfügt werden kann. Kapitalistische Unternehmen sind nicht auf die Ewigkeit programmiert. Das ganze Wirtschaftssystem baut auf erfolgreichen Vierteljahresreports auf: Altersversorgung aber ist ein Institut, das auf 30 bis 50 Jahre angelegt sein muss. Da besteht ein elementarer Interessenskonflikt zu Lasten der kleinen Anleger. Also abschaffen bzw. umbauen!

Die Lösung im Rahmen des Umbaus: Keine unseriösen Versprechungen mehr, keine Provisionen (ohne jede Erfolgsgarantie), geringe Verwaltungskosten, seriöse transparente Ergebnisse: Das Ansparen erfolgt durch eine öffentliche Einrichtung, die wie eine Kapitalsammelstelle organisiert wird. Das Kapital der Anleger wird nicht an der Börse platziert, sondern in relativ sichere Einrichtungen des öffentlichen Wohnungsbaus investiert, die z.B. durch Mieteinnahmen moderate Renditen erwirtschaften, die der Altersversorgung gutgeschrieben werden.

Alle Stiftungen, die einen Geldbetrag hinterlegt haben und auf Zinseinnahmen angewiesen sind, haben gegenwärtig ein Problem, ihren Stiftungsaufgaben nachzukommen. Erfreuliche Ausnahmen sind nur jene Stiftungen, deren Vermögen in langfristig rentierlichen Immobilien steckt.

Das führt uns zu weiteren Gesichtspunkten  des Abschaffens und Umbauens: Markus Söder, neuer Ministerpräsident Bayerns und ehemaliger Finanzminister, hat vor Jahren, als die Löcher der Alpe-Adria-Gruppe bei der Landesbank immer größer wurden, die ‚glorreiche‘ Idee vertreten und umgesetzt, die Löcher durch den Verkauf von 30.000 öffentlich finanzierten und damit in gewissen Grenzen preisgebundenen Wohnungen in Bayern an ein großes privates Immobilienunternehmen zu verkaufen. Das Alpe-Adria-Loch scheint geschlossen. Wir können aber den exorbitanten Mietanstieg in München zu einem guten Teil auch auf die Folgen aus diesem ‚Deal‘ zurückführen.

Man darf davon ausgehen, dass Markus Söder sich im Rahmen des geplanten Deals ein Wertgutachten hat anfertigen lassen, allein schon deshalb, um dem Vorwurf eines zu niedrigen Verkaufspreises einen Riegel vorzuschieben. Was aber solche Wertgutachten gewöhnlich nicht berücksichtigen (es ist nicht Teil des üblichen Bewertungsverfahrens), ist die Erkenntnis, dass die Freigabe von 30.000 Wohnungen(!) aus einer Preisbindung dem Markt einen gigantischen Preis-Impuls versetzt. Diesen Effekt, der sich dadurch ergibt, dass ein großer Teil des Immobilienmarktes, der vordem unter öffentlicher Einflussnahme stand, ausschließlich dem privaten Gewinnstreben überlassen wird. Es sollte niemanden wundern, wenn dann die Mieten durch die Decke gehen. Diese Gesichtspunkte hätte das Gutachten ebenfalls erfassen und bewerten müssen, zumindest für die 30.000 Wohnungen. So gesehen hat Markus Söder den ganzen Komplex zu billig verhökert und Gemeineigentum zum Nachteil der Bürger verschleudert.

Jetzt (!) wurde politisch erkannt, dass öffentlicher Wohnungsbau für den Wohnungsmarkt extrem wichtig ist. Aber die Planungen in der Regierungserklärung (2018) von 2.000 Wohnungen in den kommenden Jahren in Bayern ist angesichts des Verkaufs von 30.000 Wohnungen wohl ein schlechter Witz. Wenn wir den oben angeführten Gedanken von einer öffentlichen Einrichtung aufgreifen, die als Grundlage des Umbaus der Riester-Rente vorgesehen wird, die Kapital sammelt und diese Gelder in den öffentlichen Wohnungsbau investieren würde, so wären in kurzer Zeit die öffentliche Wohnungsbaufinanzierung gesichert und der Zuwachs von öffentlichem Wohnungsraum würde dem Bedarf eher entsprechen können. Die Errichtung und Verwaltung übernehmen die kommunalen Wohnungsbaugenossenschaften. Das Programm wäre unschlagbar.

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Aussagen der Politik zur Ökologie – zunehmend Humbug

Harry G. Frankfurt empfiehlt das Wort Humbug anstelle des kräftigeren „Bullshit“ zu setzen, um das gleiche auszusagen. Er meint, es sei höflicher und harmloser. Nun will ich nicht harmloser sein, aber etwas in mir verbietet den Begriff „Bullshit“ bei schriftlicher Kommunikation zu verwenden – m.a.W. er kommt mir angesichts der politischen Aussagen zur Ökologie leider viel zu oft über die Lippen.

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Egal, mit wem man spricht, jeder schüttelt mit dem Kopf, wenn es um die Generationenfrage geht, wie soll es weiter gehen? Ist das angeblich unverzichtbare Wirtschaftswachstum die Lösung dieser Frage? Die Mehrzahl der Bürger folgt (ohne besondere ökonomische Kenntnisse) ihrem ganz natürlichen Instinkt: So kann es nicht weiter gehen! Und diese Mehrzahl steht damit im Widerspruch zu den Aussagen unserer Regierung.

Nichts auf dieser Welt wächst in den Himmel, das wissen die Bäume am besten, aber die Ökonomie träumt immer noch davon, dass es möglich sei, das sogenannte Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Wenn das den Bäumen gelänge, so würden sie in den Himmel wachsen. Ich habe aber noch keinen solchen Baum gesehen, der es trotz Dünger und guter Pflege je geschafft hat.

Jeder Physiker winkt ab, wenn man ihn auf ein Wachstum ohne Ressourcenverbrauch anspricht. Nur die Ökonomen sind eifrig dabei, den Mythos zu pflegen, ohne ihn mit Inhalt füllen zu können. Ihre windigen Argumente liefern der Politik den Vorwand, behaupten zu können, ein „grünes“ Wachstum sei möglich und zu erreichen.

Es wurde auf der politischen Ebene bisher riesige Anstrengungen unternommen und enormes Geld der Steuerzahler in sogenanntes „gründes“ Wachstum gesteckt. Es ist ein politisches Problem. Die Energiewende soll durch den Einsatz von erneuerbaren Energiequellen umgesetzt werden. Es wurden Milliarden in diesem Markt versenkt, aber die Zahlen zum CO2 – Ausstoß wollen einfach nicht sinken. Die lange Zahlenreihe zum CO2-Verbrauch weist in Folge des Abbaus der alten DDR-Industrie und deren industriellen Dreckschleudern für die Zeit 1990 bis etwa 2000 einen Rückgang aus. Diese Tatsache wurde als großer Erfolg der Klimapolitik und der Energiewende gefeiert. Heute sind wir wieder deutlich in einem höheren Verbrauch. Wann war dann nochmals ein Rückgang zu verzeichnen? In der Finanzkrise, als eine Reihe von Unternehmen ihre Leistungen stark zurückgefahren haben oder ihren Geschäftsbetrieb sogar aufgeben mussten. Aber schon im Folgejahr stieg der Ausstoß wieder auf das alte Niveau (und darüber hinaus).

Könnte es nicht sein, dass die Idee, den Wandel unseres Wirtschaftens (allein) über die Technologie erreichen zu wollen, ein grundsätzlicher Fehlgriff ist? Der Technologieansatz hat politisch natürlich seinen Charme. Die Technologie sind nicht wir. Technologie ist eine Sache, die nur richtig eingefädelt werden muss und schon ist der Erfolg gesichert. Wir, die eigentlichen Verursacher, können uns da fein raushalten. Das ist ein riesiger Trugschluss, den uns die Politik und die Ökonomie als ihr dienstbarer Knecht verkaufen wollen. Hierzu soll ein (zugegeben einfaches) Beispiel die Zusammenhänge versuchen zu erklären:

Angenommen, wir verfügen über eine neue Technologie, die in einem Wirtschaftssektor eine Ressourceneinsparung von 25% ermöglicht. Das wäre für sich genommen ein enormer Schritt in eine technologiegetragene Zukunft. Nehmen wir ein in diesem Sektor tätiges Unternehmen, das diese Technologie erfunden hat und anwendet. Die Rohstoffmengen und -kosten sind durch die Anwendung der Technologie (der Einfachheit halber) um 25% gesunken. Das Unternehmen produziert also deutlich ressourcenschonender als zuvor und verfügt dadurch in seinem Markt aus der 25%igen Kostensenkung über einen zusätzlichen Deckungsbeitrag. In einem ersten Schritt bleibt der Preis gleich, nur die technischen Faktorkosten sind um 25% gesunken.

Das könnte man als einen Beitrag zur Nachhaltigkeit betrachten, weil knapper Rohstoff nachhaltig eingespart wird. Die positiven Auswirkungen dieser Technologie bleiben den anderen Marktteilnehmern aber nicht verborgen. Insbesondere die zusätzliche Deckungsbeitragssteigerung ruft im Markt bei den Wettbewerbern Begehrlichkeit hervor. Andere Unternehmen des Marktsegments steigen mit derselben oder einer leicht abgewandelte Form der eingesetzten Technologie ein und werfen ihre Produkte auf den Markt. Wegen des tendenziellen Überangebots entsteht Wettbewerb. Der zusätzliche Deckungsbeitrag gibt ja auch Raum für einen Preiskampf. Am Ende des Preiskampfes sind alle Unternehmen auf einem Preisniveau, das etwa 25% unter dem alten Niveau liegen wird, d.h. die Einführung der effizienteren Technologie hat das Preisniveau gesenkt und die Unternehmen haben bei gleicher Absatzmenge etwa 25% ihres vormaligen Umsatzes verloren.

Aber die Gesamtsituation hat sich – bis hierher – ökologisch verbessert – weniger Ressourcenverbrauch und konsequenterweise auch weniger CO2-Ausstoß! Nur haben wir die Rechnung ohne die Unternehmen gemacht, die eine Umsatzeinbuße von besagten 25% nicht klaglos wegstecken. Sie werden alle politischen und manipulativen Hebel in Bewegung setzen und versuchen, die Absatzmengen zumindest so weit zu erhöhen, dass der Umsatzeinbruch ausgeglichen werden kann. Sofern ihnen das gelingt, war die ‚gute‘ Technologie ökologisch ein ‚Schuss in den Ofen‘ – von wegen Ressourceneinsparung!? Man nennt eine solche Entwicklung einen ‚Rebound‘. Diesen Vorgang kann man als Leitlinie für alle technologischen Ansätze zur Lösung der Wachstumsfrage verwenden. Es gibt immer wieder interessante Ansätze, die aber insbesondere dann, wenn sie wirksam werden, regelmäßig durch einen sogenannten Rebound-Effekt in ihrer Wirkung für den CO2-Verbrauch verpuffen.

Niko Paech, Professor in Siegen und ein Vertreter der Postwachstumsökonomie, bezeichnet den beschriebenen Vorgang als Produktivitätsfalle, weil immer dann, wenn eine neue Technologie Ressourceneinsparungen ermöglichen, steigt die Produktivität des Prozesses. Es kann damit billiger produziert werden, aber der dann einsetzende Preiskampf um die erhöhten Deckungsbeiträge führen dazu, dass die Preise sinken und damit die kapitalistischen Propagandamaschine zu laufen beginnt, um die Umsatzeinbuße durch erhöhte Absatzzahlen zumindest wieder auszugleichen. Wenn die Aufholjagd grundsätzlich unterbunden werden könnte, so hätten wir einen Fall von „Degrowth“, denn das Wachstum wäre dann negativ (wenn es so etwas semantisch überhaupt gibt). Und jede neue Effizienz steigernde Technologie, die wir einsetzen könnten, hätte einen vergleichbaren Effekt. Der Ressourcenverbrauch würde sich langsam, aber stetig reduzieren. Das System des Kapitalismus sieht aber die Möglichkeit, eine Aufholjagd zu unterbinden, nicht vor. Vielmehr lebt dass System von dieser Aufholjagd. Sie ist gewissermaßen sein Treibsatz.

Niko Paech kommt deshalb zu der Auffassung, dass der gesamte technologiegestützte Ansatz des „grünen“ Wachstums u.a. auch aus den obigen Gründen keinen Erfolg haben kann, obwohl die Politik quer durch alle Fraktionen und gestützt durch die Mainstream-Ökonomie dieser Chimäre nachläuft wie einem „Rattenfänger von Hameln“. Viele vermuten, dass irgendwas nicht stimmen kann (die Zahlen und Ergebnisse dieser Entwicklungsstrategie sind auch nach über 20 Jahren einfach zu schlecht), aber man kann mit dieser Wahnsinnsidee trotzdem viel Geld verdienen und die ökonomische Maschinerie wunderbar am Laufen halten – leider zum Nachteil künftiger Generationen.

Auffällig bei dieser Betrachtungsweise ist der Versuch, die Menschen, die letztlich das Problem verursachen, bei der Diskussion um sinnvolle Lösungen herauszuhalten. Solange der Fokus auf der Technologie liegt, erwarten wir eine Lösung, bei der wir Menschen nicht beteiligt werden müssen. Die Technologie wird es schon richten. Wir, die Akteure in diesem Spiel, scheinen in der glücklichen Lage, unser Verhalten nicht ändern zu müssen.

Wenn wir diese Technologie bezogene Haltung aufgeben würden und uns klar machen, dass wir, die Akteure, unser Verhalten verändern müssen (auch wenn uns vielleicht die eine oder andere Technologie eine Brücke bauen kann), dann ist der von Niko Paech vertretene Ansatz zur Postwachstumsökonomie eine durchaus diskussionswürdige Alternative. Insbesondere, weil Niko Paech inzwischen deutlich konkretere Vorstellungen über die wirtschaftlichen Folgen des Postwachstumsszenarios entwickelt hat. Dabei wird deutlich, dass dieser Ansatz durchaus Hand und Fuß hat. Offen bleibt aber in jedem Fall die Prognose, wie der Wandel (der Prozess des Übergangs) vonstattengehen könnte.

Paech kann, so mein Eindruck, aufgrund der Erfordernis einer völligen Umkehr des übersteigerten Konsumdenkens außer der Einsicht und Vernunft leider keinen hinreichenden Grund finden, warum die Mehrzahl der Bürger die Ideologie des Konsums aufgeben und sich von der ‚Befreiung‘ vom Konsum anstecken lassen sollten. Er ist wohl bei der anzustrebenden Verhaltensänderung auf den absehbaren Crash unseres Wirtschaftssystems (das ‚Desaster‘) angewiesen. Selbst wenn es heute schon gute Gründe für die Notwendigkeit einer ‚Befreiung‘ gibt, wird die Sorge um Einkommen und Status viele Menschen daran hindern, sich freiwillig und bewusst auf das Wagnis einer Postwachstumsökonomie einzulassen.

Die Postwachstumsökonomie zeigt unter dem Begriff „Wachstumsgrenzen“ genügend gute Gründe auf, warum unser Wirtschaftsmodell des „Immer schneller, immer höher, immer weiter“ an sein Ende kommen wird. Neben den bekannten ökologischen Grenzen, der erkennbaren Erschöpfung von vielen, für unser Wirtschaftssystem unentbehrlichen, aber nicht substituierbaren Rohstoffen kommt auch der Mensch selbst an seine natürlichen Grenzen: wir wollen die wachsende Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen nicht länger tolerieren. Der Massenkonsum frisst uns psychisch – wir haben gar nicht mehr die Zeit, die Dinge, die wir kaufen oder kaufen sollen, wirklich zu nutzen oder zu genießen. In den letzten zehn Jahren hat sich der Verbrauch von Pharmazeutika zur Behandlung von Depressionen vervielfacht.

Das sollte eigentlich genügen, um zu erkennen, dass das „Weiter so“ keine realistische Alternative ist. Der Wandel wird also entweder durch ein Desaster (einen Zusammenbruch) eingeleitet oder durch die vernunftgesteuerte Erkenntnis einer Mehrzahl von Menschen erreicht, die so nicht weitermachen wollen. Ob dabei die Alternative der Postwachstumsökonomie die einzig mögliche Alternative darstellt, bleibt abzuwarten. Zumindest ist sie eine denkbare Entwicklung, die dem ‚Design‘ als einem geplanten Wandel eine gewisse Chance gibt. Das ‚Desaster‘ sollten wir versuchen uns zu ersparen.

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Ist unsere Strafverfolgung unabhängig?

Der Automobilskandal wurde durch die US-amerikanische Strafverfolgung öffentlich gemacht. Wäre es nach deutschen oder europäischen „Regeln“ der Strafverfolgung gelaufen, wüssten wir heute noch nicht, wie und in welchem Umfang hier eine ganze Industrie den Kunden oder Verbraucher vorführt. Eine Razzia bei BMW vor wenigen Tagen und in USA greift die Strafverfolgung zu und verkündet prozessuale Maßnahmen. Die deutschen Kunden warten heute noch auf eine Entschädigung.

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Hier ist nicht einmal erkennbar, dass es zu dem Ziel einer Entschädigung überhaupt Untersuchungen gibt. Ist unser in der EU geltendes Recht so schwach, dass es hier keine Zähne besitzt? Oder muss man davon ausgehen, dass hinter den Kulissen die Politik ihre Finger im Spiel hat, um den von ihr gehätschelten Automobilsektor „vor Schaden“ zu schützen? Begreift denn die Politik nicht, dass sie dabei auf den falschen Gaul setzt? Wird es angesichts der Folgen von Industrie 4.0 in zehn Jahren noch eine starke Automobilbranche geben? Wir werden sicherlich mobil bleiben, aber ob dabei die Automobilbranche noch einen mit heute vergleichbar hohen Anteil haben wird, erscheint sehr fraglich.

Facebook hat nach Medienberichten über 50 Mio. User-Daten u.a. an ein privates Spionageunternehmen verkauft. Sicherlich nicht für ein „Vergelt’s Gott“ und hat  offensichtlich unsere Gesetze verletzt. Die Justiz der USA ist VW mit voller Breitseite in den Rücken gesprungen und hat ein Szenario aufgebaut, das VW veranlasste, immerhin einen Betrag von über 20 Mrd. Euro abzudrücken, um der weiteren Strafverfolgung zu entgehen. Was macht unser frisch gekürter Justizminister? Er will mit Facebook „Gespräche führen“ und Facebook hat darauf natürlich sofort Gesprächsbereitschaft angeboten – was denn sonst, wenn man die US-amerikanische Vorgehensweise im Hinterkopf hat. Was müsste passieren? Anklageerhebung, Ermittlungen und Hausdurchsuchungen (der Rechtsbruch ist Fakt und der Verursacher ist bekannt), Fixieren von Unterlagen, Festsetzung von erkennbaren Beteiligten, Abschöpfen des unrechtmäßig erworbenen Umsatzes – nichts von alle dem passiert, also ob der eklatante Rechtsbruch eine Bagatelle sei.

Die Wirtschaft entzieht Facebook inzwischen zumindest vorübergehend ihr Vertrauen, indem sie ihre Werbeaufträge aufkündigt. Das hat aber mit dem Rechtsverfolgung nichts unmittelbar zu tun. Die Unternehmen wollen nur vermeiden, mit Facebook in eine Reihe gestellt zu werden.

Es gibt ein beachtliche Zahl von Stimmen, die der Auffassung sind, wir seien eine Bananenrepublik, in der die Politik je nach Gusto in die Strafverfolgung eingreift, um darauf Einfluss zu nehmen, was strafbar wird. Der Richter ist unabhängig und durch das Grundgesetz geschützt, aber die Ermittlungsbehörde, der Staatsanwalt, der jetzt von Staats wegen ermitteln sollte, ist weisungsgebunden. Und wo kein Kläger (Staatsanwalt), nützt auch der unabhängige Richter wenig.

Nachtrag (08.04.2018): Das Verhalten und die Zielrichtung der Politik in Bezug auf Facebook wird durch den nachfolgenden Youtube-Beitrag von Dirk Müller besser nachvollziehbar: https://www.youtube.com/watch?v=CHXqiiCZSbM

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P&R – das Debakel eines Schönwettermodells

Drei Gesellschaften der P&R – Gruppe sind insolvent (AZ: 1542 IN 726/ 18 ff.). Die verbleibenden Gesellschaften der P&R – Gruppe haben keinen Insolvenzantrag gestellt und sind deshalb wohl unverändert ‚werbend‘ tätig. Es geht um etwa 50.000 Anleger, deren Investitionen mit ca. 3,5 Mrd. Euro im Feuer stehen. Dabei ist vieles noch unklar. Der vorläufige Insolvenzverwalter hat seinen Auftrag angenommen und hat zur Verstärkung offensichtlich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse hinzugezogen.

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P&R wurde 1975 gegründet und der Gründer verstarb vor einiger Zeit. Das Geschäftsmodell ist also in seinen Grundzügen über 40 Jahre alt und galt aufgrund der langen Existenz in der Branche als seriös. Das Anlegermodell ist relativ einfach: Der Anleger kauft eine bestimmte Zahl von Containern (egal ob neu oder gebraucht) und schließt gleichzeitig mit einer P&R-Gesellschaft einen Mietvertrag ab, der es der P&R erlaubt, diese Container im eigenen Namen und eigene Rechnung auf dem Weltmarkt zu vermieten. Die Container sind aufgrund von Nummern grundsätzlich identifizierbar. Der Anleger erhält eine im Vertrag fixierte Miete pro Tag garantiert, unabhängig davon, ob der Container herumsteht oder vermietet ist. Die Miete wird i.d.R. vierteljährlich nachschüssig ausgezahlt.

Wo liegen die Risiken und wer trägt sie? Der Anleger wird Eigentümer von eine Reihe von Containern, die er bezahlt und deren Verwaltung er vertrauensvoll in die Hände von P&R gibt. Was sollte er auch mit den Containern sonst machen? P&R unterhält auch deshalb eine Infrastruktur, um die Container weltweit überwachen und vermieten zu können. Sie hatte aufgrund der Mietpreisgarantie dafür zu sorgen, dass einerseits die Container nicht verloren gehen und ggfs. repariert werden (daher musste der jeweilige Mieter eine Versicherungsprämie bezahlen) und anderseits die Container regelmäßig ‚in Miete‘ sind. Man hat als Anleger keinen Einblick in die Kostenstruktur bzw. in die Mietpreisstruktur des Weltmarktes. Man darf aber davon ausgehen, dass dieses Modell, das dem Anleger in den besten Jahren Brutto-Renditen (vor Abschreibung auf die angeschafften Container) bis zu ca. 14% zuspielte, auch P&R mit guten Erträgen versorgte.

Container waren insbesondere in den Anfangsjahren knapp und die Mieten erfreulich hoch. Das hat sich mit den Jahren entspannt. Dann kam die Krise mit den Schiffskapazitäten: Die Betreiber von KG-Modellen (oder auch Schiffsbeteiligung genannt) haben ohne Rücksicht auf den Markt Schiffe produziert, die, wenn sie dann nach einer relativ langen Projekt- und Bauzeit fertig waren, keine Verwendung mehr fanden. Diese Krise riss viele Reedereien (nicht nur die Betreiber der KG-Modelle) in die Insolvenz. Möglicherweise hat sich auf dem Containermarkt ähnliches abgespielt. Dadurch hat sich der Containermarkt so stark entspannt, dass die Mietraten gefallen sind. Dabei fällt aber auf, dass bei P&R die operativen Gesellschaften nicht insolvent sind. Diese Erkenntnis führt die obigen überschlägigen Überlegungen teilweise ad absurdum. Die dargestellte Gedankenkette trifft wohl nicht die Realität. Dann bleiben immer noch sogenannte unternehmerische ‚Dummheiten‘, die dazu führen können, dass ausgerechnet die Servicegesellschaften rund um das Container-Kerngeschäft insolvent werden.

Was könnte das für die Anleger bedeuten? Er ist unverändert Eigentümer von eine Reihe von Containern, die irgendwo in der Welt hoffentlich Mieten verdienen. Dann teilt sich aber die Spreu vom Weizen: Wenn man über einen Vertrag mit der P&R Vertriebs- und Verwaltungsgesellschaft GmbH verfügt, ist der Vertrag Gegenstand der Insolvenzverfahrens. Wenn man über einen Vertrag mit der P&R Transport Container GmbH verfügt, bewegt man sich (noch) außerhalb des Konkursverfahrens, weil diese und andere Gesellschaften unverändert aktiv sind. Die Mieteinnahmen können grundsätzlich von den nicht insolventen Gesellschaften vereinnahmt werden ohne automatisch der Insolvenzmasse zugeschlagen zu werden. Auch die bisher in 2018 erfolgten Auszahlungen wurden von letzterer Gesellschaft vorgenommen. Aber mehr lässt sich aus den Meldungen und den Verträgen nicht herauslesen.

Diese hier diskutierte Anlageform ist Teil des Grauen Marktes. So wie die Schiffsbeteiligungen werden sie als unternehmerische Beteiligungen eingestuft, obwohl außer dem Eigentum alle unternehmerischen Entscheidungen abgegeben bzw. in andere Hände gelegt werden. Das hat zur Folge, dass immer dann, wenn sich die Marktverhältnisse verändern, der ‚richtige‘ Unternehmer handeln würde. Der unternehmerische Anleger, selbst wenn er es versteht, kann aber nicht handeln, weil er seine diesbezüglichen Rechte über die Vertragslaufzeit aufgegeben hat. Also handelt ein Beauftragter, der aber nur Direktiven besitzt, wie er den Fall bei ‚Schönwetter‘ zu bearbeiten hat. Deshalb ist der unternehmerische Anleger sein eigener Gefangener und das unternehmerische Etikett eher als Marketing wirksamer Schwindel zu bezeichnen. Die steuerliche Beurteilung erfolgt auf einem anderen Blatt.
Nachtrag (28.3.2018):
Die einsetzenden Recherchen der Medien fördern wenig Neues zutage. Klar wird, dass die Annahme, der Containermarkt hätte mit dem Schiffsmarkt gelitten, nicht richtig ist. Eher wird das Gegenteil vertreten – der Markt boomt. Der Eigentümer von P&R ist nicht zu erreichen – man spricht davon, er sei untergetaucht. Es gibt viele Fragezeichen, weil es durchaus möglich erscheint, dass die Insolvenz der drei Gesellschaften durch relativ einfache Mittel hätte abgewendet werden können. Alles das spricht dafür, dass das eingetreten ist, was ich als „unternehmerische Dummheiten“ bezeichnet habe, um nicht gleich ohne Nachweis von Veruntreuung, Betrug und ähnlichem Delikten sprechen zu müssen. Es bleibt spannend!

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Donald Trump und der Primat der Politik ?

Die europäischen Gazetten sind sich einig: Donald Trumps Auftreten ist fragwürdig, sein Führungsstil zweifelhaft und seine Persönlichkeit wird als hochgradig narzisstisch umschrieben – also insgesamt nach den in Deutschland verbreiteten Meinungen eine eher unmögliche Figur auf dem internationalen politischen Parkett. Soweit – so gut! Wir erleben aber in dem Präsidenten der USA auch eine Person, die einen ganz anderen Durchbruch geschafft hat: Seine Beratungsresistenz scheint dem Primat der Politik wieder Geltung verschafft zu haben.

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Er schert sich nicht um die Meinung der Wirtschaft, er schert sich nicht um die internationale Gemeinschaft, er schert sich auch nicht um die ideologische Dogmatik, wie mit dem Markt umzugehen sei – er handelt oder er versucht zu handeln, soweit es die ‚Checks and Balances‘ der amerikanischen Strukturen zulassen. Mit anderen Worten: sein egomanes Selbstverständnis bricht mit vielen eingefahrenen Konventionen, soweit sein begrenztes Verständnis von Politik reicht. Ob dieses Vorgehen zu einem Erfolg führt, bleibt abzuwarten.

Sein politisches Vorgehen ist so völlig anders als wir es in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren. Die Politik hat sich angewöhnt, verbindlich auf leisen Sohlen daher zu kommen. Man könnte auch den Eindruck gewinnen, die Politik hat in dieser Zeit an Einfluss verloren. Der Primat der Politik ist Schritt für Schritt aufgegeben worden. Horst Seehofer hat einmal in einer schwachen Minute in ein Mikrofon sinngemäß den Satz gesagt: „Die, die gewählt sind, haben nicht zu entscheiden und die die entscheiden, sind nicht gewählt.“ Diese Erkenntnis reduziert den Spielraum der Politik.

Wenn man das Verhalten der Automobil-Bosse im unsäglichen Dieselskandal beobachtet, so muss man sich fragen, wer vertritt denn eigentlich den Wähler, der durch die zahllosen zulassungsgefährdeten Dieselfahrzeugen objektiv geschädigt ist: Hier wäre doch der Primat der Politik, die Herren einzubestellen, ihnen klar zu machen, wo der ‚Bartel den Most holt‘, um dann, wenn keine angemessene Reaktion kommt, politischen Druck auszuüben. Das ist nicht passiert oder es wurde in den Hinterzimmern der Macht so dezent wahrgenommen, dass sich die betroffene Industrie weiterhin in Untätigkeit hüllen kann. Die Politik tut so, als ob sie der Dieselskandal gar nichts angehe. Können Sie sich vorstellen, wie aufgeregt die Politik hyperventilieren würde, wenn die betrügerischen Verluste aufgrund der Abgasprobleme den Kapitalmarkt oder gar die Aktionäre (also die Besitzenden) massiv treffen würden. Die ‚Märkte‘ wären in ‚Gefahr‘!! Aber die Politik begreift nicht, dass ihre Wähler in Gefahr sind, diesen Mummenschanz nicht länger zu tolerieren. Die Politik hat offensichtlich nicht einmal eine gemeinsame dezidierte Meinung zu dem Sachverhalt entwickelt.

Es gibt jetzt zahlreiche kleine Anbieter von technischen Lösungen, zu denen die Automobilindustrie sich offensichtlich nicht fähig sieht. Aber es braucht den politischen Willen, Zulassungen und Zertifizierungen kurzfristig zu definieren und letztlich muss die Politik ihre Funktion als ‚Volksvertreter‘ dahingehend wahrnehmen, dass sie eine Lösung der finanziellen Seite unmissverständlich fordert und einleitet. Wenn nicht die Damen und Herren Volksvertreter, wer dann sollte die Interessen der Diesel fahrenden Wähler aufgreifen? – Vielleicht irgendein amerikanischer Rechtsanwalt gegen Abtretung von 90% der erzielbaren Ansprüche? Das wäre ein Armutszeugnis für das deutsche Justizsystem! Das System ist in der ‚glücklichen‘ Lage, dass der im Einzelfall erzielbare Gewinn des Rechtsanwalts angesichts der Arbeit zu klein und für den Anwalt damit uninteressant ist.

Ein anderer Gesichtspunkt, der den Primat der Politik so schwach erscheinen lässt: Mies und Wernicke haben dem Begriff einer Fassadendemokratie ein ganzes Buch gewidmet (Mies, Wernicke (HG): Fassadendemokratie und tiefer Staat, Wien, 2017) (https://www.rubikon.news/artikel/die-wahrheit-uber-die-demokratie). Dabei beschreibt die Fassadendemokratie ein heruntergekommenes Demokratiesystem, das zwar noch alle Rituale einer funktionierenden Demokratie wahrnimmt, aber die wirklichen Entscheidungen fallen außerhalb der demokratischen Öffentlichkeit und werden dann mediengerecht verkündet. Eine Fassadendemokratie ist autoritär ausgestaltet und es ist die Kunst der öffentlichen Meinungsmanipulation, dem Wähler das Gefühl zu geben, ihre Wahlentscheidung wäre für das Herrschaftssystem wichtig.

Wenn wir davon ausgehen, dass wir zumindest teilweise in einer Fassadendemokratie leben, so erhebt sich die Frage: Wo sitzen die Entscheider, deren Beschlüsse dann durch die Politik ‚salonfähig‘ gemacht werden müssen? Es sind die sogenannten „Eliten“, wobei sich der Elitenbegriff der Einfachheit halber auf das Eigentum reduzieren lässt. Eine repräsentative Demokratie ist das Vehikel, wo sich Elemente einer Demokratie (das gefällt den Wählern) und die Eigentumsgarantie (das ist das Elitenziel) zusammenlaufen. Diese stark verkürzten Ausführungen lassen aber ahnen, warum der Primat der Politik der demokratisch gewählten Regierung abhandengekommen ist. Die Elite ist nicht gewählt, sie ist Elite nicht aufgrund einer besonderen demokratischen Haltung oder Einstellung, sondern ausschließlich aufgrund ihres Vermögens. Und dafür tun sie alles, um es zu mehren. Jede Maßnahme, die den Status quo der Vermögen dieser Klasse auch nur in Frage stellen könnte, nimmt die Elite zum Anlass, ihren geballten Einfluss auf die Öffentlichkeit wahrzunehmen. Das erfolgt nicht direkt (das würde ja die Deckung aufheben), sondern über die Medien und über die Jahre wurden sie zu einer überaus wirksamen Waffe geformt. Unsere Medien stehen im Eigentum von fünf oder sechs Personen, die zum Kreis der Besitzeliten zählen und es ist doch nicht zu weit hergeholt, dass die Medien von dieser „Elite“ gezielt genutzt werden, um Haltungen, Einstellungen und Meinungen in die breite Masse zu transportieren.

Zurück zum scheinbaren Primat der Politik bei Donald Trump. Trump zählt wie die meisten führenden Köpfe der US-Administration zum Kreis der Besitzelite. Seine Strategie von „America first“ ist nicht neu, steht aber in enger Verbindung zu seinem unternehmerischen Credo: „Trump first“. Trump wurde gewählt von den ‚Abgehängten‘ des mittleren Westens. Seine Versprechen, die er diesen Wählern gegeben hat, werden von ihm versucht umzusetzen, aber die anderen Elitenmitglieder achten akribisch darauf, dass negative Einflüsse auf die Vermögen und die Macht der Eliten verhindert werden. Man könnte dieses Spiel als abgekartet bezeichnen. Trump macht den Präsidentenkasper, versucht möglicherweise ehrlich einen Rest seiner Glaubwürdigkeit zu erhalten, aber die anderen Elitenteilnehmer (egal ob Demokraten oder Republikaner) sorgen dafür, dass sich die versprochenen Maßnahmen nicht negativ auf ihre Vermögen auswirken. Der erhoffte Primat der Politik erscheint deshalb recht hohl und ist wohl mehr der Persönlichkeit des Amtsinhabers geschuldet als einem neuen Verständnis von Politik.

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Systematische Unaufrichtigkeit?

Die amerikanische Justiz hat vor einigen Monaten fünf VW – Manager zur weltweiten Fahndung ausgeschrieben. Im gleichen Atemzug berichteten die Zeitungen, dass eine Auslieferung durch Deutschland nicht in Frage komme. In etwas kleineren Lettern wird darauf hingewiesen, dass auch die deutsche Justiz sich mit Fragen des Abgasskandals und ihrer rechtlichen Aufarbeitung befasst.

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Da unser System der Aufarbeitung durch Staatsanwälte immer von dem guten Willen der Politik abhängig ist (die Staatsanwaltschaft ist weisungsgebunden und nur die eigentliche Justiz repräsentiert die dritte Säule unseres Staatsaufbaus), muss sich bei jeder brisanten Erkenntnis die Staatsanwaltschaft rückversichern, ob der Vorgang auch politisch getragen wird. Je weniger aber von dem Verfahren an die Öffentlichkeit dringt, desto leichter kann die Politik Einfluss auf das Verfahren nehmen. Dieser Weg ist beim amerikanischen Vorgehen durch die massiv hergestellte Öffentlichkeit schwieriger oder sogar verschlossen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die deutsche Justiz in den nächsten zwanzig Jahren um die Sache kümmert.

Solche Betrachtungen haben auch immer mehrere Seiten. Die Politik hat zur Bewertung von der umwelttechnischen Fahrzeugabgasqualität Grenzwerte eingeführt. Die sollten eigentlich für alle gelten. Was macht die Autoindustrie? Sie schließt sich mehrheitlich zusammen und entwickelt keine Motoren, die die Grenzwerte einhalten, sondern entwickeln ein Verfahren, wie man unter günstigsten Bedingungen die Abgaswerte so misst, dass sie scheinbar eingehalten werden und verkauft diese Vorgehensweise den staatlichen Stellen als Standard. Und die staatlichen Einrichtungen machen sich zum Büttel der Industrie und übernehmen stillschweigend die Vorgehensweise und verraten damit das Vertrauen des Verbrauchers und des Wählers.

Die Automobilindustrie sieht darin eine quasi öffentliche Zustimmung zum Verfahren, um mit den so ermittelten Werten ihre Automobile besser verkaufen zu können, von denen sie weiß, dass sie im täglichen Gebrauch nie die Grenzwerte eingehalten werden. Wie darf man das nun nennen? Betrug oder organisiertes Verbrechen oder Bildung einer kriminellen Vereinigung? Was ist mit dem volkswirtschaftlichen Schaden, der durch diese Vorgehensweise der Gesellschaft entstanden ist? Die USA haben sich diesen Schaden von VW mit immerhin rd. 20 Mrd. Euro abgelten lassen. In Deutschland (und in der EU) ist man sich noch nicht so recht schlüssig, ob man nicht (wie so oft) Arbeitsplätze gegen Schadenersatz aufrechnen soll. Ethisch vertretbar ist ein solches Vorgehen nicht – es ist eine systematische Unaufrichtigkeit, ja ein Rechtsbruch und eine Missachtung der rechtlich gleichen Behandlung.

Frontal21, eine Fernsehsendung des ZDF, hat sich die Frage gestellt, ob und inwieweit die öffentlichen Stellen in diesem Abgasskandal verwickelt sind. Die dort veröffentlichten Dokumente und das Verhalten der betroffenen Politiker und Verwaltungsmitglieder lassen wenig Spielraum, davon auszugehen, hier wäre alles mit rechten Dingen zugegangen. Es ist nur überaus schwierig, einen weisungsgebundenen Staatsanwalt zu motivieren, die Exekutive oder gar die Politik auf den rechtlichen Prüfstand zu stellen. Dazu braucht es einen ‚alten‘ Staatsanwalt, der seine Karriere schon hinter sich hat und der vielleicht noch eine Rechnung mit seinem Arbeitgeber und/oder der Politik  offen hat; der es sich also leisten kann, diesen Fall ohne Karrierebruch zu überstehen. Das Problem wäre nur die Zeit – ein ‚alter‘ Staatsanwalt hat selten noch 10 Dienstjahre, um diesen Fall über alle Hürden zur Anklage zu bringen.

Man spricht in politischen Kreisen gerne über Wachstum und seine gesellschaftlich-ökonomischen Bedeutung. Das durch den Abgasskandal ausgelöste ‚negative‘ Wachstum (durch den Wertverlust der davon betroffenen verkauften Automobile) weltweit taucht in keiner Diskussion auf – aber es ist ein Faktum. Das Wachstum, eine der heiligsten Kühe unserer Politik, für die wir viele, meist überflüssige Opfer bringen, wird durch das Verhalten eines Teils der Industrie massiv in Frage gestellt und die Politik traut sich nicht, dass öffentlich und klar zu sagen. Von einem notwendigen ‚Handeln‘ ist keine Spur zu entdecken.

Verschiedene Fernseh-Berichte machen jetzt deutlich, dass dort, wo sich die hehre Automobilindustrie nicht in der Lage sieht, die Grenzwerte einzuhalten, steigen nun flexible, relativ kleine Unternehmen ein, um zu einem Preis von etwa 1.500 Euro eine marktfähige Lösung des Problems zu präsentieren. Die Frage ist nur, wer zahlt diese Summe? Das Problem liegt natürlich in der Höhe der zu veranschlagenden Gesamt-Summe. Die 20 Mrd. Euro, die durch VW in USA abgedrückt wurden, decken bei Umstellungskosten von 1500 Euro pro Diesel-PKW nur rd. 13.333 PKW. Und das reicht wohl nicht für den europäischen Markt. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die US-amerikanische Vereinbarung eine Nachforderungsklausel enthält, die dann zum Zuge kommen würde, wenn die Europäer besser gestellt werden würden. Eine solche (nicht belegbare) Vertragsklausel würde zumindest mit der gegenwärtig besonders offensiv vertretenen Haltung „America first“ gut harmonieren.

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Ricardo und sein Freihandelsmodell

Viele Kritiker der theoretischen Ökonomie sind der Auffassung, dass die Aussagen dieser „Wissenschaft“ ziemlich dünn sind. Mit David Ricardos theoretischen Freihandelsmodell  habe ich vor rd. 40 Jahren mein Examen im Nebenfach Volkswirtschaftslehre erfolgreich bestanden. Wir haben uns – soweit unsere Kritikfähigkeit gereicht hat – mit den Annahmen über die verwendeten Kurven gestritten (linear, konkav oder konvex) und sind damals zu keinem tragfähigen Ergebnis gekommen.

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Nun wurde das Theorem von der ‚Anstalt‘ im ZDF aufgegriffen. Mit wenigen gezielten Worten hat die Kabarettistin Anny Hartmann das Modell von David Ricardo, das den Vorteil des Freihandels begründen soll, elegant an die Wand gefahren: Nicht die fragwürdigen Kurvenannahmen machen das Modell verdächtig, nein – die implizit unterstellte Immobilität des Kapitals ist der springende Punkt. Leider habe ich in Gesprächen nach der Sendung feststellen müssen, dass die Zuhörer die Ausführungen zwar verbal verstanden haben, aber die Tragweite für die ökonomische Theorie nicht erkennen können.

Zudem ist David Ricardo (1772 – 1823) nur den gelernten Ökonomen und vielleicht noch den Philosophen bekannt. Ricardo war ein kluger Kopf. Er hat eine Situation beschrieben, die zu seinen Lebzeiten eine gewisse Relevanz besessen haben mag. Die heutige Situation des Freihandels bildet das Modell nicht mehr angemessen ab. Damit ist mit diesem Modell die Vorteilhaftigkeit eines Freihandels nicht mehr darstellbar. Neue und gar bessere Beschreibungen der bestimmenden Zusammenhänge sind mir nicht geläufig.

Mit dieser Aussage sind auch die uns Wählern gerne vorgeführten positiven Effekte eines Freihandelsabkommen nicht mehr aufrecht zu erhalten. TTIP hat sich von selbst erledigt. CETA und vergleichbare Großverträge zugunsten der Konzerne entbehren dadurch jeder wirtschaftlich nachvollziehbaren Begründung. Wenn die Frage aufgeworfen wird, welche ‚bahnbrechenden‘ Vorteile denn durch die Freihandelsabkommen erwartet werden können, so lautet die simple Antwort: Die Ergebnisse solcher Untersuchungen zeigen keinerlei Vorteile auf breiter Basis.

Die einzigen, die von dieser Art Freihandelsabkommen deutlich profitieren, sind die Initiatoren (die Konzerne), weil durch die als Freihandel apostrophierten Regelungen erreicht wird, dass alle nationalen Regeln und Eigenarten aufzulösen sind. Der sich ergebende konsumtive globale Einheitsbrei lässt dann keine Alternativen mehr zu. Die Kosten der Konzerne werden dadurch entlastet (und die Gewinne erhöht), weil individuelle (nationale) Lösungen nicht mehr zugelassen werden. Die Märkte werden dadurch vereinheitlicht und sparen den globalen Playern Geld. Dem Kunden und Verbraucher bleibt nur die Möglichkeit, sich dem ständig reduzierten Einheitsmassenangebot anzupassen.

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Feinstaub und seine Folgen (2)

Heute soll das Bundesverwaltungsgericht über die Konsequenzen aus den Feinstaubrichtlinien des Bundes und der Länder entscheiden. Ohne den konkreten Bescheid abzuwarten, kann jetzt schon festgestellt werden, dass eine Art Zeitenwende eingetreten ist. Seit vielen Jahren werden wir als Käufer von der Automobilindustrie an der Nase herumgeführt. Die Abgas- und Verbrauchsdaten unserer Automobile entsprachen noch nie der Wirklichkeit. Sie waren ständig und systematisch zu niedrig ausgewiesen und sind im täglichen Gebrauch der Fahrzeuge oft doppelt so hoch.

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Es ist bedauerlich, dass diesen Missstand ausgerechnet die US-amerikanischen Behörden zu Anlass nahmen, das deutsche Flaggschiff VW anzugreifen und offensichtlich nachwiesen, dass der Käufer im amerikanischen Markt betrogen wurde. VW hat sich bereiterklärt, in USA über 20 Mrd. Euro als eine Art Schadenersatz zu leisten. Die europäischen Käufer hat VW einfach übergangen und glaubt, mit einem blauen Auge davon zu kommen. Diese Vorgehensweise hat Methode. Die Politik ist der Automobilindustrie noch nie an die „Karre“ gefahren. Man gewinnt eher den Eindruck, dass die Exekutive im Auftrag der Politik beide Augen zugedrückt hat, wenn es darum ging, das gängige Betrugsverfahren der falschen Verbrauchs- und Abgaswerte fortzuführen. Und die Gesundheit der Bürger und Wähler weiter aufs Gröbste zu gefährden. Dieses ganze Geflecht mafiöser Lobby-Beziehungen zwischen nationaler Politik, der EU, der Exekutive und der europäischen Automobilindustrie wurde nun von dritter Seite her „leichtfüßig“ aufgerollt: Die Umwelt-Hilfe hat ganz schlicht Klage erhoben und fand verständige und unabhängige Richter. Die Lobbyisten glaubten alle am Betrug Beteiligten im Boot und unter Kontrolle, nur die einfache Flanke der Klage musste offen bleiben. Dabei hoffte man, dass die Bürger zu träge sein werden, hier zu zuschlagen. Mit der Umwelt-Hilfe hat man scheinbar gar nicht gerechnet.

Praktisch werden aber die möglichen Fahrverbote nicht die Einschnitte herbeiführen, die das Gesetz strikt verlangen würde: Die Umstellung des Fahrzeugparks der Handwerker und der Zulieferer wird  letztlich Jahre dauern. Die in der Praxis wahrzunehmenden Ausnahmen vom Fahrverbot, um die Versorgung der Städte aufrecht zu erhalten, werden das hoffentlich scharfe „Schwert“ des Gesetzes abmildern und wenn wir nicht aufpassen, werden die vielen Einwendungen und Unbequemlichkeiten die Menschen dazu veranlassen, ihre Gesundheit weiter auf Spiel zu setzen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert ergänzende Maßnahmen, und da traue ich der Politik nicht über den Weg. Dazu sind zu viele Automobilseilschaften im politischen Umfeld unterwegs, die den richtigen Ansatz des Rechts in einen falschen drehen können. Es müssen in Folge des Entscheides des Bundesverwaltungsgerichts enge Termine durch die Politik fixiert werden, bis zu denen die Umstellungen erfolgt sein müssen. Das kann nicht der Sankt Nimmerleinstag sein.

Die Automobilindustrie hat viele Probleme, die sie noch nicht in voller Härte spürt:

  • Falsche Abgaswerte (Entschädigung aller Kunden wegen Wertverlust)
  • Falsche Verbrauchswerte (Entschädigung aller Kunden wegen Wertverlust)
  • Parkplatzprobleme in den Innenstädten der Metropolregionen (bewusster Verzicht auf PKW)
  • Stauzeiten zur Rushhours in den Metropolregionen (bewusster Verzicht auf Pkw)
  • Autonomes Fahren (Veränderung der Mobilität, kein Statussymbol mehr, keine Unfälle mehr, bessere Ausnutzung des Automobils (Effizienz in der Nutzung): weniger Pkw, weniger Parkraum, Mieten statt Kaufen )
  • E-Mobilität (weg vom fossilen Brennstoff, Bau einfacherer Automobile,)
  • Digitalisierung (komplett veränderte Produktionsstrategien, deutlich weniger Personal, absehbarer Wegfall von Kaufkraft)

Alle diese Probleme wird die Industrie mit Hilfe ihrer Lobbyisten nutzen, um Einfluss zu behalten und sich als eine ‚gebeutelte‘ Industrie darstellen, die unbedingt Hilfen der Politik benötigt. Viele unserer alten Industrien stehen auf der Kante: Energieversorger, Lebensversicherer, Banken, Zigarettenindustrie, um nur einige zu nennen. Allen ist eigen, dass ihre Zeit abläuft bzw. andere Formen gefunden werden müssen, um Überlebensfähigkeit überhaupt demonstrieren zu können.

Es fällt überaus schwer, Sachverhalte zu finden, die für den Bestand der Automobilindustrie in ihrer jetzigen Form sprechen. Keine Frage, es wird weiterhin Pkw geben, aber nicht mehr in der Zahl, an die die Kapazitäten der Industrie gewohnt sind. Damit steht diese Industrie vor ihrem kompletten Umbau. Die schwerfälligen Konzernstrukturen und die Börsen werden den Konzernen wenig Spielraum für Kreativität lassen: produktive Kreativität (Neuerfindung) und ‚Quarterly Profitreporting‘ schließen sich systemisch aus. Da stehen andere Start-ups in den Startlöchern, die sich schneller (weil kleiner) und besser (weil wendiger) an die neue Situation anzupassen verstehen.

Mit dem Heranrücken der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tauchen plötzlich ‚wilde‘ Vorschläge zur Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs auf. Wild deshalb, weil man sich fragt, wer hat diese Überlegungen lanciert und warum sie erst jetzt in den Medien aufgetaucht. Das Problem war doch ein Problem ersten Ranges: Wenn die Autos aus den Innenstädten ausgesperrt werden, müssen die Menschen trotzdem zu ihren Arbeitsplätzen. Also kann das nur der ÖPN leisten oder das Fahrrad in seinen verschiedenen Ausprägungen. Aber funktioniert dieses Ansinnen? Heute schon sind die Züge des ÖPN zur Rushhours überfüllt. Heute schon ist das System Park & Ride an vielen Stellen überlastet. Unabhängig von der jeweiligen Metropolregion.

Wenn nun – unterstellt – in einer Metropolregion täglich 2 Mio. Pendler per Pkw einpendeln und davon würden 1 Mio. Pendler durch Fahrverbote ausgesperrt, so müssen diese Pendler auf den ÖPNV wechseln. Auf diesen Ansturm ist das ÖPN-System nicht eingerichtet. Wenn dann auch noch davon geträumt wird, dass der ÖPNV für den Nutzer kostenfrei gestaltet wird, explodiert das System. Sinnvoller wäre es, den Preis auf 50% des gegenwärtigen Preisniveaus herabzusetzen. Dann würde wenigstens der Zuwachs an Nutzern die zusätzlich entstehenden Kosten auffangen können und bei 50% Preisreduktion und einem sinnvollen Sozialtarif sollte eine sinnvolle Mischung von günstiger Preisgestaltung und praktikabler Anwendung herauskommen können.

Das Ganze löst aber nicht die Kapazitätsfrage. Es erscheint nicht realistisch, zu erwarten, dass die S-Bahnen über eine so große Zahl von Ersatzwaggons verfügen, um durch Zugverlängerungen einen Teil der Menschenmassen aufnehmen zu können. Hierzu findet man aber leider in den Medien keine vernünftigen Beiträge, bei denen man das Gefühl entwickeln kann, da redet einer über ÖPNV, der weiß, von was er spricht!

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Feinstaub und seine unerwarteten Folgen

Die Umwelt-Hilfe hat es als Verein geschafft, die Politik zum Handeln zu zwingen. Die Politik tut sich unendlich schwer, dort ‚zubeißen‘ zu müssen, wo es offensichtlich den Unbelehrbaren wehtun wird. Es ist ein Skandal, dass die Politik ihre eigenen Vorgaben zu Lasten ihrer Wähler vernachlässigt und ignoriert, nur weil die industrielle Gegenseite, die die Politik zwar teilweise finanziert , aber nicht wählt, regelmäßig mit dem Verlust oder der Verlagerung von Arbeitsplätzen droht.

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Das Traurige daran ist das mangelnde Selbstvertrauen der Politik in die Vorzüglichkeit der in Deutschland geschaffenen Infrastrukturen. Ein Unternehmen wird es sich dreimal und dann nochmal ernsthaft überlegen, ob es Arbeitsplätze in ein Land verlagert, das diesen Standard nicht zu bieten hat.

Was hat die Umwelt-Hilfe besser begriffen als die anderen NGOs? Es ist m. E. das erste Mal, dass es einer NGO gelungen ist, die Vertreter einer bräsigen, eher unwilligen Politik richtig vorzuführen. Sobald der Politik eine Konfrontation mit den sogenannten Geld-Eliten droht, werden ihre eigenen Standards wissentlich ignoriert. Aber das ist nicht der Punkt, auf den ich hinaus will. Das kritisieren schon viele andere mit mehr Sachkenntnis.

Mich interessiert die Vorgehensweise oder nennen wir es die Strategie der Umwelt-Hilfe. Es gibt zahllose NGOs. Die meisten verfügen über eine Portion guten Willens und vertrauen auf ihre Kommunikationsfähigkeit und von Zeit zu Zeit auf die Macht der Straße. Andere Optionen sind nur selten Gegenstand ihres Selbstverständnisses. Foodwatch macht es ähnlich, wie die Umwelt-Hilfe, nur sind die Bestimmungen, die unsere Inhaltsstoffe beim Essen regeln, soviel weicher und schwächer formuliert, dass es meist nicht bis zu einer Klage bzw. Verurteilung reicht. Die Nahrungsmittel-Industrie ist versucht, es nie zu einem Urteil kommen zu lassen, das gegen ihre Interessen laufen könnte. Man ist bestrebt, keine Präzedenzfälle aufkommen zu lassen, auf die sich andere Gerichte beziehen könnten.

Was machen Umwelt-Hilfe und Foodwatch (und sicher auch einige andere NGOs)? Sie machen ein Stück weit den Job der Staatsanwaltschaften, die insbesondere dann, wenn es um ein Fehlverhalten der Exekutive geht, sich schwer tut zu ermittelt. Und unser Rechtssystem ist so aufgebaut, dass die Sachverhalte, bei denen die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ermittelt, sehr eingeschränkt sind. Will man in einer Sache Recht gesprochen haben, so braucht es einen Kläger und es braucht eine nachweisbare Beschwer (z.B. einen Schaden) beim Kläger. Und es braucht in aller Regel Geld, insbesondere dann, wenn der Fall ungewöhnlich ist und viel Vorbereitung benötigt, um die Fakten so aufzubereiten, dass das Gericht die Tragweite des Falls (über den Einzelfall hinaus) erkennt und die Klage zulässt.

Die Umwelt-Hilfe hat nun gezielt im Umweltbereich nach Sachverhalten gesucht, zu denen der Gesetzgeber klare Regeln entwickelt hat, bei denen aber Regel und tägliche Lebenswirklichkeit seit Jahren weit auseinanderklaffen. Das geht so lange gut, bis sich jemand findet, der diese Diskrepanz zum Anlass nimmt und eine Klage anstrengt. Würde es diesen „Jemand“ nicht geben, würde die Diskrepanz weiter ungeniert ‚zum Himmel stinken‘. Es würde keine staatliche Stelle beim ‚Kadi‘ vorstellig werden und auf den Missstand hinweisen und damit das „eigene Nest beschmutzen“ – so würde man das wohl in den Kreisen der Verwaltung sehen. Hier kommt der außerparlamentarischen Opposition eine ganz wichtige Rolle zu.

Gewöhnlich ist unsere Verwaltung bemüht, kleinere Ungereimtheiten im Vorfeld zu regeln, aber in diesem speziellen Fall sieht sich die Verwaltung nicht in der Lage, den Verursacher zur Ordnung zu rufen. Der Sachverhalt war von seiner Tragweite her ein Fall für die Politik. Und die duckte sich unverständlicherweise weg. Sie hätte mit einer in unserem Lande mächtigen Autoindustrie ein Machtwort sprechen müssen und das ist seit Jahren überfällig.

Selbst jetzt wurden jämmerliche Geldbeträge ausgelobt, mit denen die betroffenen Städte „etwas machen“ sollen (kein Mensch weiß so recht was). Nicht die Autoindustrie – die Städte sollen etwas machen, da macht man den Bock zum Gärtner! Scheinbar kann man den Städten und ihren Bürgern mehr zumuten als der börsennotierten Autoindustrie – die „Märkte könnten ja beunruhigt werden“: In was für einer idiotischen Welt leben wir eigentlich? Die eine Milliarde, die die Städte zur Verfügung gestellt bekommen, stammen nicht von der Autoindustrie (das wäre eigentlich logisch), nein, sie sind der Beitrag der Steuerzahler zur Unfähigkeit der Autoindustrie, mit den Abgasen ihrer Produkte vernünftig umzugehen. Die nicht erreichten Feinstaubwerte gibt es doch nicht erst seit gestern, sondern sie gelten in vielen Fällen seit zehn und mehr Jahren.

Man kann an die NGOs nur eine Bitte richten: Analysiert den Fall, den die Umwelt-Hilfe für ihren Interessensbereich erfolgreich aufgegriffen hat, versucht die essentiellen Fallstrukturen zu finden und sucht dann in euren ganz eigenen Aufgabenbereichen nach vergleichbaren Strukturelementen, um sie aufzugreifen, von fähigen Juristen prüfen zu lassen und ggfs. vor das jeweils zuständige Gericht zu bringen. Wenn es nicht so spektakulär gelingt wie bei der Umwelt-Hilfe, so denkt euch nichts dabei, man kann nicht immer nur den ersten Platz beanspruchen. Das ist in meinen Augen eine Strategie, mit der man eine unverantwortliche Politik in einer Weise bloßstellen kann, die einmalig ist. Was daraus wird, werden die nächsten Jahre zeigen.

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